Danzig Testbericht

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Erfahrungsbericht von LoMei

Durch Pommern nach Danzig (Bericht Nr. 1)

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Im Juni 1993 sind wir nach Pommern und Ostpreußen gefahren. Was bewog uns, diese Reise zu machen? Wollten wir Neues sehen, Vertrautes wieder neu entdecken oder wollten wir Abschied nehmen.
Manche von uns Reiseteilnehmern stammten aus der Pfalz, andere aus Pommern und viele aus Ostpreußen. Die meisten von uns fuhren in ein Land, das wir kannten und von dem wir zugleich wussten, dass es uns fremd war. Wir waren gespannt und ein wenig aufgeregt, aber wir versuchten, es nicht zu zeigen.


INHALT

1. Reiseverlauf
2. Fahrt durch Pommern
3. In Danzig
4. Fazit


1. REISEVERLAUF

Die Gruppenreise führte durch Pommern nach Danzig. Von dort ging es durch das polnische Ostpreußen. Es folgte ein Besuch im russischen Königsberg. Über die Kurische Nehrung ging es weiter in das litauische Memel. Über Tilsit fuhren wir zurück nach Elbing. Die Heimfahrt ging an Danzig vorbei über Zoppot wieder durch Pommern nach Stettin, und von dort zurück in die Pfalz. Ich werde in mehreren Einzelberichten von der Reise erzählen. In der Folge werden die mir vertrauten deutschen Städtenamen verwendet und die polnischen, russischen und litauischen jeweils in Klammern dahintergesetzt.


2. FAHRT DURCH POMMERN

Bei Küstrin (Kostrzyn) überquerten wir die Oder und waren in Polen. Die Grenzkontrolle verlief zügig.
Während der Fahrt durch den Warthe-Bruch sahen wir überall Störche. Es gab kaum einen Strom- oder Telegrafenmast ohne Storchennest. In Landsberg an der Warthe (Gorzów, Wilkopolski) gab es ein vorbestelltes Abendessen. Dann gingen wir in unser etwas schmuddeliges Zimmer. Wir hatten 13½ Stunden im Bus gesessen. Regen und Wind hatten uns begleitet. Die in Landsberg zu uns gestoßene Reiseleiterin hieß Margot. Sie strahlte Optimismus aus und meinte, in Danzig (Gdansk) sei bestimmt gutes Wetter.

Am nächsten Morgen fuhren wir weiter in Richtung Deutsch Krone (Walcz). Auf der Fahrt von einem Etappenziel zum nächsten huschte die Landschaft mit seinen weiten Feldern, seinem hohen Himmel und den verwunschenen Seen an uns vorbei. Immer wieder dachte ich, da möchte ich halten und schauen und vielleicht einen Storch auf seinem Nest fotografieren, aber der Bus rollte weiter. Mir kam das Lied vom Postillion in den Sinn: Ich wär' ja so gern noch geblieben, aber der Wagen, der rollt.

Auf der Weiterfahrt nach Danzig überquerten wir kurz vor Jastrow (Jastrowie) die Küddow (Gwda). Hier waren wir dem Dorf recht nahe, in dem meine Vorfahren gelebt hatten und in dem ich geboren bin. In der Küddow hab ich als Kind gebadet und gestaunt, dass die Strömung einen fast forttragen kann. Es wären nur wenige Kilometer dorthin gewesen, aber es lag nicht an der Reiseroute. Übrigens hat mein Urgroßvater um 1850 diese Straßen als königlich preußischer Postillion befahren, und in noch fernerer Vergangenheit haben bäuerliche Vorfahren auf diesen Straßen Getreide nach Danzig gebracht.
Es regnete. Rechts und links herrliche pommersche Landschaft. Weite Felder, viel Wald, große und kleine Seen. In Schlochau (Czluchow) sahen wir den Turm der alten Ordensburg. Dann kam Konitz (Chonice), Preußisch Stargard (Starogard, Gdanski) und Dirschau (Tczew). An der Straße vor Danzig waren einige Male alte westpreußische Laubenhäuser zu sehen.
Margot gab uns zwischendurch etwas polnischen Sprachunterricht.


3. IN DANZIG

Am frühen Nachmittag kamen wir nach einer Strecke von 400 Kilometern in Danzig an. Der Bus wurde auf einem Parkplatz abgestellt. Wir gingen über den langen Markt, der durch seine alten Kaufmannhäuser bekannt ist, zum alten Rathaus. Im Ratskeller wartete auf uns ein gemeinsames Essen. An den Tischen standen Ratsstühle mit hohen Lehnen. Wir fühlten uns wie die Hanseaten vergangener Zeiten. Eine elegante Dame spielte am Klavier verträumte Tischmusik.
Nach dem Essen machte Margot mit uns eine Stadtführung. Vom Rathaus gingen wir zur Mottlau und schlenderten am Ufer entlang zum Krantor. Wir sahen den Möwen zu, die über dem Wasser dahinflogen und den Ausflugsbooten, die an- und ablegten.
Durch die Frauengasse schlenderten wir zur Kirche St. Marien. Die Frauengasse atmet beschauliches Mittelalter. Vor den alten Patrizierhäusern sind massive und sehr repräsentative Steintreppen mit zwei steinernen Kugeln auf jeder Seite. Sie werden Beischläge genannt.
Der Bau der Marienkirche wurde 1334 mit Unterstützung des Deutschen Ritterordens begonnen. Wir bewunderten die gewaltige Backsteingotik, blickten an dem wuchtigen Turm hinauf und waren im Innern beeindruckt von der Helligkeit und den hochragenden Gewölben. Lange standen und gingen wir in dem riesigen Kirchenraum herum. Es war sehr beeindruckend.
Als wir ins Freie traten, löste sich die Reisegesellschaft auf. Wir gingen in kleinen Gruppen allein durch die Stadt. Die Sonne war hinter den Wolken hervorgekommen und beleuchtete die herrlichen gut renovierten Straßenzüge.
In Danzig wurden wir von der hansischen Vergangenheit gefangen genommen. Auf dem Gang durch die vorbildlich wieder aufgebaute Altstadt erinnerte manches an Lübeck und vor allem an Gent. Wir genossen den Spaziergang durch die Gassen.
In Danzig fühlte man sich mitten in Europa. Die Menschen waren freundlich. Nirgends rastlose Hast. Kinder boten den Touristen an allen Ecken Postkarten an. Bei fliegenden Händlern konnte man Bernstein kaufen. Gepflegte Boutiquen luden zum Gucken und zum Kaufen ein.
Ich musste manchmal an Prag denken. Beide Städte haben eine vergleichbare und doch so verschiedene Vergangenheit. Aber in ihren Mauern lebten deutsche Menschen. Beide Städte sind europäische Metropolen, in denen Deutsch heute eine Fremdsprache ist.
Das gemeinsame Essen im Hotel war köstlich. Zum Schluss gab es Danziger Goldwasser.

Ein Ehepaar aus unserer Gruppe hatte Besuch von ihrer Verwandtschaft und setzte sich mit denen zusammen.
Es war ein wunderschöner Tag. Von unserem Hotelzimmer hatten wir noch einmal vor einen friedlichen Abendhimmel einen herrlichen Blick auf die Silhouette der Stadt. Alle Türme und viele Giebelfronten lagen direkt vor uns.


4. FAZIT

Es ist hier nicht der Platz, in allen Einzelheiten auf die wechselvolle Geschichte der Stadt einzugehen. Aber einige wenige Sätze dürfen nicht fehlen. Danzig hatte bis 1945 eine fast ausschließlich deutsche Bevölkerung. Die Stadt gehörte früher einmal zum Deutschen Ritterorden, zur Hanse, zum Königreich Polen, zum deutschen Reich, war nach 1920 Freie Stadt, wurde dann „heim ins Reich“ geholt und ist heute wirklich eine polnische Stadt.
Danzig wurde 1945 ohne nennenswerte Zerstörungen von der Roten Armee eingenommen und dann zerstört und in Brand gesteckt. Die Polen haben den historischen Stadtkern nach alten Plänen liebevoll wieder aufgebaut und Danzig dadurch wirklich zu ihrer Stadt gemacht.
Man kann sie zu dieser Leistung nur beglückwünschen. Von der bedeutenden Werftindustrie und den sozialistischen Plattenbauten an der Peripherie haben wir nichts gesehen.

Ich kann jedem wirklich empfehlen einmal nach Danzig zu fahren.

21 Bewertungen, 1 Kommentar

  • Qualle

    03.05.2002, 10:59 Uhr von Qualle
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schöner Bericht.