Erfahrungsbericht von Hindenbook
Die Nacht der rasanten Toten
Pro:
Rasant, spannend, blutig, witzig: Flott-Grusel mit Ecken & Kanten.
Kontra:
Die Schere im Kopf hinter der Kamera bleibt erkennbar.
Empfehlung:
Ja
I. Inhalt
Everett ist eine mittelgroße Stadt im US-Staat Wisconsin. Hier entgehen der überarbeiteten Krankenschwester Ana die Katastrophenmeldungen des aktuellen Tages: Auf der ganzen Welt erwachen aus unbekanntem Grund plötzlich die gerade Verstorbenen zu neuem Leben. Sie haben sich in rein instinktgesteuerte Kannibalen verwandelt, deren einziges Ziel es ist, die Lebenden anzufallen, zu fressen und durch Bisse in Ihresgleichen zu verwandeln. Nur mit einem gezielten Kopfschuss lassen sie sich zuverlässig ausschalten, aber sie kennen keine Furcht, sind schnell auf den Beinen und schwer zu treffen. Die Zombiepest breitet sich deshalb mit rasanter Geschwindigkeit aus.
Inzwischen hat auch Ana endlich davon erfahren: Als sie der eigene Lebensgefährte attackierte, kam sie gerade noch mit dem Leben davon. Sie flieht durch eine von Chaos und Horror regierte Stadt, schließt sich dem bärbeißigen Polizisten Kenneth an und schlägt sich mit ihm und weiteren Flüchtlingen bis zu einem großen Einkaufszentrum durch. Dort werden sie zwar von drei Wachmännern unfreundlich empfangen, befinden sich aber erst einmal in Sicherheit, haben zu essen und können auf Hilfe warten.
Doch draußen versinkt die Welt in Anarchie. Anfangs berichten die Medien noch über die globale Apokalypse, aber dann bricht jeder Kontakt zur Außenwelt zusammen. Die Belagerten raufen sich mehr schlecht als recht zusammen. Einige Überlebende stoßen noch zu ihnen, aber die Zusammensetzung der Gruppe ändert sich ständig, da Angriffe der lauernden Zombies nie zu vermeiden sind.
Die Situation wird schließlich unerträglich. An Rettung ist nicht zu denken, so viel ist sicher: Man muss sich selbst helfen. Ausgerechnet Steve, ein arroganter Feigling, hat eine viel versprechende Idee: Er besitzt eine Jacht, mit der man auf den nahen Michigansee hinaussegeln und eine menschen- bzw. zombieleere Insel ansteuern könnte: Die Toten wären außer Stande ihnen zu folgen!
Der Hafen lässt sich allerdings nur quer durch die zerstörte Stadt und über durch Autowracks verstopfte und von unzähligen wachsamen Zombies bevölkerten Straßen erreichen. Man will es trotzdem versuchen. Zwei in der Parketage des Einkaufszentrums parkende Busse werden in fahrende Festungen verwandelt. Schwer bewaffnet macht man sich an den Ausbruch, aber wie sich schnell herausstellt, machen die lebenden Toten durch Hunger wett, was ihnen an Intelligenz fehlt. Die Irrfahrt verwandelt sich in einen Albtraum, der am Hafen längst nicht vorbei ist ...
II. Darstellung
Wer sich an das Remake eines echten Filmklassikers wagt, versucht sich gleichzeitig an einem schwierigen Spagat: Gelingt das Kunststück, winken Publikumserfolg und Geld, scheitert man, prasseln Kritikerschelte und Hohn herab. Dies gilt nicht nur für \"richtige\" Filme, sondern auch für Horrorstreifen.
George A. Romero ist es gelungen, mit seinen frühen Gruselfilmen viel Ruhm und Ehre zu ernten (was ihm in Hollywood freilich überhaupt nicht geholfen hat). \"Night of the Living Dead\" (dt. \"Die Nacht der lebenden Toten\") läutete 1968 ein neue Kapitel des phantastischen Kinos ein: Siehe da, es war tatsächlich möglich, den gepflegten Bettlaken- Grusel des Mainstream- oder die infantil-unterhaltsam überzogene Gewalt des B- und C- Kinos hinter sich zu lassen und harten Horror mit deutlicher Gesellschaftskritik zu realisieren.
Mit \"Dawn of the Dead\", der Fortsetzung von 1978, vermochte Romero sich sogar zu steigern. Der Untergang des US-amerikanischen Imperiums folgte hier keiner heimtückischen Feindattacke aus dem Ausland (oder dem All). Statt dessen wurde der Untergang letztlich von den eigenen Bürgern verursacht, während die Überlebenden keineswegs zusammenhielten, sondern sich gegenseitig in den Rücken fielen. \"Dawn of the Dead\" ging ebenfalls aufgrund seiner legendären Effekte in die Filmgeschichte ein. Nie zuvor (und nicht für lange) wurden im \"großen\" Kino so plakativ Blut und Eingeweide verspritzt.
Ein schweres Erbe also, das sich Romeros Epigonen im 21. Jahrhundert aufbürdeten. Auf den zugkräftigen Filmtitel wollte man trotzdem ebenso wenig verzichten wie auf die Grundidee \"Zombies gegen Menschen\". Aber siehe da: Regisseur und Drehbuchautor/en leugnen keineswegs, dass sich die (Film-)Welt im vergangenen Vierteljahrhundert tüchtig gedreht hat. \"Dawn of the Dead\", das Remake, ist keineswegs nur ein neu lackierter Nachguss des Originals, sondern eher ein Neuinterpretation, die durchaus eigene Wege gefunden hat.
Lassen wir die Klagen der Kritik an dieser Stelle einmal beiseite. Ewig ließe sich darüber diskutieren, ob es \"richtig\" oder moralisch legitim ist, \"Dawn of the Dead\" neu zu verfilmen. Es ist nun einmal geschehen - befassen wir uns mit dem Ergebnis, nähern wir uns ihm unvoreingenommen, statt es von vornherein zu verdammen. Und Hand aufs Herz: Welcher Zuschauer der neuen Fassung hat denn das Original wirklich gesehen?
Der Vergleichsfaktor ist folglich nur ein Urteilskriterium unter vielen. Aber nicht nur deshalb schneidet Zack Snyders Fassung erstaunlich gut ab. Er ist ein \"MTV-Mann\", der seinem Werk eine clipartige Rasanz und ebensolche Schnitte verordnet hat, ohne dass sich sein Talent darin erschöpft. In \"Dawn ...\" sind nicht nur die Zombies fix geworden. Der durch die torkelnde Trägheit der Romero-Leichen symbolisierte unbarmherzige, aber allmähliche Untergang wird abgelöst durch die nackte Tatsache: Das ist in der Tat das Ende, mein Freund, und es kommt - Globalisierung sei Dank - schnell!
Der moderne Zeitgenosse wartet nicht mehr auf die Hilfe der Regierung; er erwartet sie eigentlich gar nicht wirklich. Auch das hat sich seit Romero geändert. Das Einkaufszentrum ist nur Zwischenstopp, nicht rettende Insel; zu der muss man sich erst durchschlagen. Dies wird ein Himmelfahrtskommando, das ist den Belagerten klar. Der positive Effekt: Jeder Streit, der bisher die Gruppe mehrfach spaltete, wird nach und nach beigelegt. Angesichts der wartenden Zombiehorde verlieren die alten Konflikte ihre Bedeutung.
Was bleibt, ist der Kampf uns nackte Überleben, in den sich schleichend die Resignation mischt. Der Verzicht auf ein tröstliches, aber die Vorgänge völlig negierendes Finale zeichnet sich schon früh ab. Zusammen mit den Eingeschlossenen lässt der Regisseur den Zuschauern manchmal eine Atempause, aber sie ist nie von Dauer. Das ungewöhnliche Ende à la \"Blair Witch Project\" - Videobilder der letzten Überlebenden flackern über die Kinoleinwand und enthüllen quasi die traurige Fortsetzung und wahrscheinlich das Ende der Flucht - unterstreicht diese angenehme, weil im Unterhaltungskino selten gewordene Konsequenz.
Die Balgereien mit den Zombies werden mit einer im modernen Horrorfilm lange nicht mehr bekannten Drastik ausgefochten. Längst hat sich der Fan daran gewöhnt, dass echter Splatter nur noch im Billigfilm stattfindet, der direkt für Video und DVD heruntergekurbelt wird. Der Zorn der Zensur (meist unter anderem Namen, aber in Sachen Horror mit vergleichbarem Einfallsreichtum in der Gesetzesauslegung auftretend) und ihrer willigen Helfershelfer in Politik, Kultur und Kirche haben dafür gesorgt, dass die einst grellen Blutschlachten, die auch Romeros \"Dawn of the Dead\" auszeichneten, der Vergangenheit angehören. Horrorfilme werden heute mit einer großen Schere im Kopf gedreht bzw. im Kinoeinsatz geschnitten, um die Altersfreigabe möglichst herabzusetzen.
Jugendschutz ist wichtig, aber das Pendel ist zu weit ausgeschlagen. Erst allmählich scheint sich das zu normalisieren. \"Dawn ...\" ist von den rauen, liebevoll und detailliert dargebotenen Exzessen des Originals immer noch weit entfernt. Stakkato-Schnitte verkürzen das Metzeln künstlich auf Augen-Blicke. Das kommt dem Stil dieses Films durchaus zugute, aber man merkt dennoch die Bremse des Regisseurs, der besagte Zensur nicht gar zu sehr reizen wollte.
Dennoch geht es heftig zur Sache. Zombies fressen Menschen und sie lassen sich nur per Kopfschuss erledigen. Das sind Fakten, an die sich auch die Neuverfilmung hält. Es wäre lächerlich und unglaubhaft, entsprechende Effekte außen vor zu lassen. Deshalb fliegen Köpfe auseinander, werden Fleischfetzen aus Körpern gerissen. Wem das zu hart ist, sollte Filme wie \"Dawn ...\" generell meiden und ansonsten den härter Gesottenen den Spaß nicht verderben.
Denn Spaß macht diese durch und durch filmische, d. h. realitätsferne und nur der Unterhaltung dienende Gruselorgie. Im Entsetzen steckt durchaus Scherz, der sich in schallendem Gelächter entlädt. So auch hier, wie auch der Humor insgesamt durch sparsam dosierte, aber gelungene Bösgags nicht zu kurz kommt.
III. Schauspieler
In einem Spektakel wie \"Dawn ...\" sind schauspielerische Glanzleistungen Nebensache. Die eingesetzten Darsteller gehören denn auch nicht zu den schweren Kalibern ihrer Zunft. Sie müssen primär \"Typen\", d. h. einen Querschnitt durch die aktuelle US-amerikanische Gesellschaft repräsentieren. Also haben wir hier diverse Rassen und Stände, die sich wiederum in \"gut\" & \"böse\", \"mutig\" & \"feige\" u. a. Stanzrollen scheiden. Interessant ist der Ansatz, dass sich diese Eigenschaften im Verlauf des Geschehens nicht nur umkehren können, sondern sich schließlich vermischen: Im Angesicht des Todes werden sogar die üblichen Konflikte unwichtig. Ob die Allianz hält, werden wir aufgrund des Filmendes nicht mehr erfahren.
Ihren Job leisten die Darsteller jedenfalls ordentlich. Pech hat freilich wieder einmal (vgl. \"Wrong Turn\" von 2003) Lindy Booth, die das dürre Mädchen von Nebenan mimen muss, das durch Anfälle von Dämlichkeit im Angesicht des Feindes auffällt und mehrfach von den (fluchenden) Leidensgenossen gerettet werden muss.
Ving Rhames ist bereits von seiner Statur her bildfüllend. Als knurriger Cop gibt er seine übliche Rolle: der muskelbepackte Querkopf mit dem sorgfältig versteckten Herzen aus Gold. Sarah Polley darf als krisenfeste Krankenschwester eine weibliche Hauptrolle spielen, die der ihrer männlichen Kollegen an Entschlossenheit wenig nachsteht. Vom Ensemble des Originals geben sich Ken Foree in einem Cameo-Auftritt als Prediger, der den Weltuntergang verkündet, Scott Reiniger als eisenharter Militär und Effekthexer Tom Savini als Sheriff mit nervösem Coltfinger die Ehre.
IV. Fazit
\"Dawn of the Dead\", die Neuauflage, entpuppt sich als weitgehend eigenständige Neuinterpretation, die mit der Vorlage nur mehr Elemente des Handlungsgerüstes teilt. Die Sozialkritik des Originals wurde gestrichen bzw. ersetzt durch eine realistische Sicht der aktuellen Gesellschaft: In der Not ist sich jeder selbst der Nächste. Der Zusammenschluss ist möglich, aber brüchig. Also keine Rede von Happy-End, im Gegenteil: Das Finale deutet den endgültigen Zusammenbruch der Zivilisation an. Das Filmtempo ist hoch, die Effekte sind angemessen drastisch, die Darstellerleistungen solide: Insgesamt ein spannender, harter, nicht dem Klamauk geopferter Horrorfilm der B-Klasse und folglich sehenswert.
V. Filmdaten
Originaltitel: Dawn of the Dead (USA 2004)
Regie: Zack Snyder
Darsteller: Sarah Polley (Ana), Ving Rhames (Kenneth), Jake Weber (Michael), Mekhi Phifer (Andre), Ty Burrell (Steve Markus), Michael Kelly (CJ), Kim Poirier (Monica), Lindy Booth (Nicole), Kevin Zegers (Terry), Matt Austin (Doug), Boyd Banks (Tucker), Jayne Eastwood (Norma), Ken Foree (Prediger), Matt Frewer (Frank), Hannah Lochner (Vivian), Nicholas Marino (Tom), Tim Post, R.D. Reid, Scott H. Reiniger, Tom Savini u. a.
Drehbuch: James Gunn, Michael Tolkin & Scott Frank
Special Make-Up Effects: Stan Winston Studio
Kamera: Matthew F. Leonetti
Musik: Tyler Bates, Tree Adams
Länge: 97 Minuten
FSK 18
Website: http://movies.uip.de/dawnofthedead/
(Copyright 30.04.2004/Dr. Michael Drewniok)
Everett ist eine mittelgroße Stadt im US-Staat Wisconsin. Hier entgehen der überarbeiteten Krankenschwester Ana die Katastrophenmeldungen des aktuellen Tages: Auf der ganzen Welt erwachen aus unbekanntem Grund plötzlich die gerade Verstorbenen zu neuem Leben. Sie haben sich in rein instinktgesteuerte Kannibalen verwandelt, deren einziges Ziel es ist, die Lebenden anzufallen, zu fressen und durch Bisse in Ihresgleichen zu verwandeln. Nur mit einem gezielten Kopfschuss lassen sie sich zuverlässig ausschalten, aber sie kennen keine Furcht, sind schnell auf den Beinen und schwer zu treffen. Die Zombiepest breitet sich deshalb mit rasanter Geschwindigkeit aus.
Inzwischen hat auch Ana endlich davon erfahren: Als sie der eigene Lebensgefährte attackierte, kam sie gerade noch mit dem Leben davon. Sie flieht durch eine von Chaos und Horror regierte Stadt, schließt sich dem bärbeißigen Polizisten Kenneth an und schlägt sich mit ihm und weiteren Flüchtlingen bis zu einem großen Einkaufszentrum durch. Dort werden sie zwar von drei Wachmännern unfreundlich empfangen, befinden sich aber erst einmal in Sicherheit, haben zu essen und können auf Hilfe warten.
Doch draußen versinkt die Welt in Anarchie. Anfangs berichten die Medien noch über die globale Apokalypse, aber dann bricht jeder Kontakt zur Außenwelt zusammen. Die Belagerten raufen sich mehr schlecht als recht zusammen. Einige Überlebende stoßen noch zu ihnen, aber die Zusammensetzung der Gruppe ändert sich ständig, da Angriffe der lauernden Zombies nie zu vermeiden sind.
Die Situation wird schließlich unerträglich. An Rettung ist nicht zu denken, so viel ist sicher: Man muss sich selbst helfen. Ausgerechnet Steve, ein arroganter Feigling, hat eine viel versprechende Idee: Er besitzt eine Jacht, mit der man auf den nahen Michigansee hinaussegeln und eine menschen- bzw. zombieleere Insel ansteuern könnte: Die Toten wären außer Stande ihnen zu folgen!
Der Hafen lässt sich allerdings nur quer durch die zerstörte Stadt und über durch Autowracks verstopfte und von unzähligen wachsamen Zombies bevölkerten Straßen erreichen. Man will es trotzdem versuchen. Zwei in der Parketage des Einkaufszentrums parkende Busse werden in fahrende Festungen verwandelt. Schwer bewaffnet macht man sich an den Ausbruch, aber wie sich schnell herausstellt, machen die lebenden Toten durch Hunger wett, was ihnen an Intelligenz fehlt. Die Irrfahrt verwandelt sich in einen Albtraum, der am Hafen längst nicht vorbei ist ...
II. Darstellung
Wer sich an das Remake eines echten Filmklassikers wagt, versucht sich gleichzeitig an einem schwierigen Spagat: Gelingt das Kunststück, winken Publikumserfolg und Geld, scheitert man, prasseln Kritikerschelte und Hohn herab. Dies gilt nicht nur für \"richtige\" Filme, sondern auch für Horrorstreifen.
George A. Romero ist es gelungen, mit seinen frühen Gruselfilmen viel Ruhm und Ehre zu ernten (was ihm in Hollywood freilich überhaupt nicht geholfen hat). \"Night of the Living Dead\" (dt. \"Die Nacht der lebenden Toten\") läutete 1968 ein neue Kapitel des phantastischen Kinos ein: Siehe da, es war tatsächlich möglich, den gepflegten Bettlaken- Grusel des Mainstream- oder die infantil-unterhaltsam überzogene Gewalt des B- und C- Kinos hinter sich zu lassen und harten Horror mit deutlicher Gesellschaftskritik zu realisieren.
Mit \"Dawn of the Dead\", der Fortsetzung von 1978, vermochte Romero sich sogar zu steigern. Der Untergang des US-amerikanischen Imperiums folgte hier keiner heimtückischen Feindattacke aus dem Ausland (oder dem All). Statt dessen wurde der Untergang letztlich von den eigenen Bürgern verursacht, während die Überlebenden keineswegs zusammenhielten, sondern sich gegenseitig in den Rücken fielen. \"Dawn of the Dead\" ging ebenfalls aufgrund seiner legendären Effekte in die Filmgeschichte ein. Nie zuvor (und nicht für lange) wurden im \"großen\" Kino so plakativ Blut und Eingeweide verspritzt.
Ein schweres Erbe also, das sich Romeros Epigonen im 21. Jahrhundert aufbürdeten. Auf den zugkräftigen Filmtitel wollte man trotzdem ebenso wenig verzichten wie auf die Grundidee \"Zombies gegen Menschen\". Aber siehe da: Regisseur und Drehbuchautor/en leugnen keineswegs, dass sich die (Film-)Welt im vergangenen Vierteljahrhundert tüchtig gedreht hat. \"Dawn of the Dead\", das Remake, ist keineswegs nur ein neu lackierter Nachguss des Originals, sondern eher ein Neuinterpretation, die durchaus eigene Wege gefunden hat.
Lassen wir die Klagen der Kritik an dieser Stelle einmal beiseite. Ewig ließe sich darüber diskutieren, ob es \"richtig\" oder moralisch legitim ist, \"Dawn of the Dead\" neu zu verfilmen. Es ist nun einmal geschehen - befassen wir uns mit dem Ergebnis, nähern wir uns ihm unvoreingenommen, statt es von vornherein zu verdammen. Und Hand aufs Herz: Welcher Zuschauer der neuen Fassung hat denn das Original wirklich gesehen?
Der Vergleichsfaktor ist folglich nur ein Urteilskriterium unter vielen. Aber nicht nur deshalb schneidet Zack Snyders Fassung erstaunlich gut ab. Er ist ein \"MTV-Mann\", der seinem Werk eine clipartige Rasanz und ebensolche Schnitte verordnet hat, ohne dass sich sein Talent darin erschöpft. In \"Dawn ...\" sind nicht nur die Zombies fix geworden. Der durch die torkelnde Trägheit der Romero-Leichen symbolisierte unbarmherzige, aber allmähliche Untergang wird abgelöst durch die nackte Tatsache: Das ist in der Tat das Ende, mein Freund, und es kommt - Globalisierung sei Dank - schnell!
Der moderne Zeitgenosse wartet nicht mehr auf die Hilfe der Regierung; er erwartet sie eigentlich gar nicht wirklich. Auch das hat sich seit Romero geändert. Das Einkaufszentrum ist nur Zwischenstopp, nicht rettende Insel; zu der muss man sich erst durchschlagen. Dies wird ein Himmelfahrtskommando, das ist den Belagerten klar. Der positive Effekt: Jeder Streit, der bisher die Gruppe mehrfach spaltete, wird nach und nach beigelegt. Angesichts der wartenden Zombiehorde verlieren die alten Konflikte ihre Bedeutung.
Was bleibt, ist der Kampf uns nackte Überleben, in den sich schleichend die Resignation mischt. Der Verzicht auf ein tröstliches, aber die Vorgänge völlig negierendes Finale zeichnet sich schon früh ab. Zusammen mit den Eingeschlossenen lässt der Regisseur den Zuschauern manchmal eine Atempause, aber sie ist nie von Dauer. Das ungewöhnliche Ende à la \"Blair Witch Project\" - Videobilder der letzten Überlebenden flackern über die Kinoleinwand und enthüllen quasi die traurige Fortsetzung und wahrscheinlich das Ende der Flucht - unterstreicht diese angenehme, weil im Unterhaltungskino selten gewordene Konsequenz.
Die Balgereien mit den Zombies werden mit einer im modernen Horrorfilm lange nicht mehr bekannten Drastik ausgefochten. Längst hat sich der Fan daran gewöhnt, dass echter Splatter nur noch im Billigfilm stattfindet, der direkt für Video und DVD heruntergekurbelt wird. Der Zorn der Zensur (meist unter anderem Namen, aber in Sachen Horror mit vergleichbarem Einfallsreichtum in der Gesetzesauslegung auftretend) und ihrer willigen Helfershelfer in Politik, Kultur und Kirche haben dafür gesorgt, dass die einst grellen Blutschlachten, die auch Romeros \"Dawn of the Dead\" auszeichneten, der Vergangenheit angehören. Horrorfilme werden heute mit einer großen Schere im Kopf gedreht bzw. im Kinoeinsatz geschnitten, um die Altersfreigabe möglichst herabzusetzen.
Jugendschutz ist wichtig, aber das Pendel ist zu weit ausgeschlagen. Erst allmählich scheint sich das zu normalisieren. \"Dawn ...\" ist von den rauen, liebevoll und detailliert dargebotenen Exzessen des Originals immer noch weit entfernt. Stakkato-Schnitte verkürzen das Metzeln künstlich auf Augen-Blicke. Das kommt dem Stil dieses Films durchaus zugute, aber man merkt dennoch die Bremse des Regisseurs, der besagte Zensur nicht gar zu sehr reizen wollte.
Dennoch geht es heftig zur Sache. Zombies fressen Menschen und sie lassen sich nur per Kopfschuss erledigen. Das sind Fakten, an die sich auch die Neuverfilmung hält. Es wäre lächerlich und unglaubhaft, entsprechende Effekte außen vor zu lassen. Deshalb fliegen Köpfe auseinander, werden Fleischfetzen aus Körpern gerissen. Wem das zu hart ist, sollte Filme wie \"Dawn ...\" generell meiden und ansonsten den härter Gesottenen den Spaß nicht verderben.
Denn Spaß macht diese durch und durch filmische, d. h. realitätsferne und nur der Unterhaltung dienende Gruselorgie. Im Entsetzen steckt durchaus Scherz, der sich in schallendem Gelächter entlädt. So auch hier, wie auch der Humor insgesamt durch sparsam dosierte, aber gelungene Bösgags nicht zu kurz kommt.
III. Schauspieler
In einem Spektakel wie \"Dawn ...\" sind schauspielerische Glanzleistungen Nebensache. Die eingesetzten Darsteller gehören denn auch nicht zu den schweren Kalibern ihrer Zunft. Sie müssen primär \"Typen\", d. h. einen Querschnitt durch die aktuelle US-amerikanische Gesellschaft repräsentieren. Also haben wir hier diverse Rassen und Stände, die sich wiederum in \"gut\" & \"böse\", \"mutig\" & \"feige\" u. a. Stanzrollen scheiden. Interessant ist der Ansatz, dass sich diese Eigenschaften im Verlauf des Geschehens nicht nur umkehren können, sondern sich schließlich vermischen: Im Angesicht des Todes werden sogar die üblichen Konflikte unwichtig. Ob die Allianz hält, werden wir aufgrund des Filmendes nicht mehr erfahren.
Ihren Job leisten die Darsteller jedenfalls ordentlich. Pech hat freilich wieder einmal (vgl. \"Wrong Turn\" von 2003) Lindy Booth, die das dürre Mädchen von Nebenan mimen muss, das durch Anfälle von Dämlichkeit im Angesicht des Feindes auffällt und mehrfach von den (fluchenden) Leidensgenossen gerettet werden muss.
Ving Rhames ist bereits von seiner Statur her bildfüllend. Als knurriger Cop gibt er seine übliche Rolle: der muskelbepackte Querkopf mit dem sorgfältig versteckten Herzen aus Gold. Sarah Polley darf als krisenfeste Krankenschwester eine weibliche Hauptrolle spielen, die der ihrer männlichen Kollegen an Entschlossenheit wenig nachsteht. Vom Ensemble des Originals geben sich Ken Foree in einem Cameo-Auftritt als Prediger, der den Weltuntergang verkündet, Scott Reiniger als eisenharter Militär und Effekthexer Tom Savini als Sheriff mit nervösem Coltfinger die Ehre.
IV. Fazit
\"Dawn of the Dead\", die Neuauflage, entpuppt sich als weitgehend eigenständige Neuinterpretation, die mit der Vorlage nur mehr Elemente des Handlungsgerüstes teilt. Die Sozialkritik des Originals wurde gestrichen bzw. ersetzt durch eine realistische Sicht der aktuellen Gesellschaft: In der Not ist sich jeder selbst der Nächste. Der Zusammenschluss ist möglich, aber brüchig. Also keine Rede von Happy-End, im Gegenteil: Das Finale deutet den endgültigen Zusammenbruch der Zivilisation an. Das Filmtempo ist hoch, die Effekte sind angemessen drastisch, die Darstellerleistungen solide: Insgesamt ein spannender, harter, nicht dem Klamauk geopferter Horrorfilm der B-Klasse und folglich sehenswert.
V. Filmdaten
Originaltitel: Dawn of the Dead (USA 2004)
Regie: Zack Snyder
Darsteller: Sarah Polley (Ana), Ving Rhames (Kenneth), Jake Weber (Michael), Mekhi Phifer (Andre), Ty Burrell (Steve Markus), Michael Kelly (CJ), Kim Poirier (Monica), Lindy Booth (Nicole), Kevin Zegers (Terry), Matt Austin (Doug), Boyd Banks (Tucker), Jayne Eastwood (Norma), Ken Foree (Prediger), Matt Frewer (Frank), Hannah Lochner (Vivian), Nicholas Marino (Tom), Tim Post, R.D. Reid, Scott H. Reiniger, Tom Savini u. a.
Drehbuch: James Gunn, Michael Tolkin & Scott Frank
Special Make-Up Effects: Stan Winston Studio
Kamera: Matthew F. Leonetti
Musik: Tyler Bates, Tree Adams
Länge: 97 Minuten
FSK 18
Website: http://movies.uip.de/dawnofthedead/
(Copyright 30.04.2004/Dr. Michael Drewniok)
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