Der Eulenspiegel Testbericht

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Erfahrungsbericht von newsboard

EULENSPIEGEL: GESAMTDEUTSCHE SATIRE made im OSTEN

Pro:

eigenwillig, spitz, spritzig, geistreich

Kontra:

spitzzüngig, eigenwillig

Empfehlung:

Ja

Wer kennt ihn nicht, Till Eulenspiegel, das kluge Kerlchen, das mit seinem verschmitzten Humor es immer wieder schaffte, die Reichen, Mächtigen, Herrschenden auf den Arm zu nehmen und zu veräppeln, - wenn es ihn nicht gegeben haben sollte, dann war er jedenfalls eine gute Erzählfigur, so wie der liebe edle Winnetou sicherlich der beste Indianer aller Zeiten.

Egal wie man es betrachtet, ein Eulenspiegel kann nie etwas sein für konservative, gestrenge oder scheinheilige Personen. Er ist qua Natur sozial, liberal, nach Freiheit suchend, diese anstrebend und auslebend.

Mit diesem Namen jedenfalls verbindet der etwas intelligentere Bildungsbürger Witz, Humor, Cleverness und, jedenfalls wenn es aus der alten DDR kommt, auch das Wort Satire.

Was dem Westdeutschen sein harmloser Till war, ein Beispiel der berühmte Bajazz mit der Laterne des Mainzer Karnevals und seiner Fernsehsendungen, eben der typische, schelmische West-Till, das war lange, gute Jahre der DDR-Kultur der Eulenspiegel des Ostens.

Wer ihn nicht kannte oder nicht kennt, der kann ja weiter lesen.

Für mich war der Eulenspiegel, Satire-Magazin der alten, harten DDR, eine Offenbarung, ein echtes Wunder tillschen Ausmaßes, - wie die Jungs, die ihn redaktierten und herausgaben es schafften weiß ich nicht, jedenfalls, der Till des Ostens war ein klasse Machwerk, eines, wie es ein entsprechendes, gleichwertiges im Westen zu keiner Zeit gab, jedenfalls ist mir kein solches, jedenfalls keines dieser Qualität und dieses Niveaus jemals aufgefallen, und ich habe wirklich viel gelesen, behaupten jedenfalls andere.

Unvergessen ist so z.B. noch für mich eine der ersten Ausgaben zur Widervereinigung, da gab es eine Karikatur Mit einem dicken sommerlich bekleideten Ossi, wohl im Ausland auf Urlaub, der mit Bündeln Westgeldscheinen um sich schmiss, und auf der Brust, mit Reichsadler, stehen hatte Fritze Müller oder Meier, Germany, - typische Karikatur des negativen Teils der neuen Bundesbürger, der meinte mit der Widervereinigung und dem Westgeld gehöre ihm die Welt und er könne so richtig auf den Putz hauen, - da er ja jetzt auch West-Deutscher sei.

Der Eulenspiegel überlebte alle Stürme der Wende, er überlebte, aber er passte sich auch im neuen System nicht an, er blieb bissig, satirisch, sezierend-genau das ausdrückend, was andere allenfalls denken, mal rechts, mal links ein Hieb, selbst bösartig-bissig da, wo man scheinbar lieb ist, aber, das muss wirklich anerkannt werden, nie echt unsachlich, unkorrekt oder gemein-gehässig. Stets in der reichen, starken Tradition, des vielleicht machtlosen, aber geistig überlegenen Narren, der klug genug ist die Mächtigen mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen, bis aus Blut zu reizen, jedoch nie zu sehr, nie so, dass ein humorvoller Mensch ihm jeweils jemals böse sein könnte.

Wie überrascht war ich da jetzt, nach wieder ein paar Jahren, als ich in einem Einkaufszentrum den aktuellen Eulenspiegel- das Satiremagazin – vorfand.

Sicher könnt Ihr Euch denken: Gleich geschaut, Titelseite wie immer einzigartig (mehrsinnig) scharf, wie gewohnt, sofort Preis gesucht, 2,50 €, gekauft und mitgenommen.

Nachteil, wenn es einer ist, des Eulenspiegel war schon immer, und ist noch heute, dass man sich wirklich darauf konzentrieren muss, aufmerksam sehen und lesen muss, wer das nicht tut, den bestraft das Leben, oder auch: der bekommt eben nur die Hälfte der Gags, Ideen und Pointen mit.

Schon der erste Slogan ist aufreizend klug: „Unbestechlich, aber käuflich!“ steht da, Nummer 02/02 hat als Titelstory einen Bericht über die Intelligenz einer Neudeutschen Frauenrasse namens „Luder“, und bildet drei typische Vertreterinnen gleich ab, begleitet mit den Textzeilen „vom Tuten keine Ahnung“ (was an Blasen denken lässt), und „mündlich befriedigend“, - neben dem Logo, genauer hinschauend dem den blanken Arsch zuwendenden Eulenspiegel, der auf eine verkehrt herum liegenden Krone sitzt, gibt es noch eine Ankündigung Bravo-Poster der (Scherz-) Kategorie Bravo Senior mit der Berühmtesten Rentner-Band der Welt, den Rollenden Steinen im Grauer Alttiger-Look.

Selbst das Editorial des Chefredakteurs ist provozierender Weise mit xxx – das soll heißen drei Kreuzen unterzeichnet.

Ob lang oder kurz, jeder Beitrag sprüht vor geistreichem Inhalt, Satire oder Ironie, oft eine unverhohlene Provokation für Leser oder betroffenen Bestrochenen. Unter Modernes Leben finden wir z.B. alte Standardthemen des Karikatur, hier den Eskimo im Iglu der keinen Staubsauger braucht, weil er schon Strom angeschlossen und verkabelt ist, - hat wahrscheinlich schon einem, den Vorruheständler, den seine Frau daran erinnert, dass er zu Hause dennoch etwas (im Bett) tun könne. Unter Zeit im Bild geht es um den modernisierten Bundesadler, die Rort-Grüne Regierung färbt ihn neu ein, Ergebnis: er trägt Stahlhelm und fröhlich-bunte Tarnfarben, - etwas weiter zwei Hälften eines Vater-Sohn-Bildes, - USA-Vater lehrt kleinen Sohn mit Knarre zielen, andere Hälfte Turbanträger-Vater tut das gleiche mit seinem kleinen Sohn, - wie sich die Bilder gleichen, da gibt es eine (satirisch-ironische Aktion „Helft Schröder“, für Leute im Vollbesitz ihrer geistig-patriotischenKräfte, eine weitere, schöne Karikatur befasst sich mit Berliner Flughafenpolizei und Kanzlerkandidat Stoiber: gehört Bayern zu EU, oder braucht er `ne Greencard, etwas weiter sehen wir black auf white die Köpfe der bisherigen Geldschein-Motive, Text dazu: Immer mehr Leute ohne Job, - das ist Humor und Satire von geistreich-feinsten.

Etwas weiter geht es um die neue, rot-rote Berliner Stadtregierung, Orgelmann Wowereit mit Äffchen Gisi, ist doch klar, dass bei der Pleite der Stadt die SPD die PDS braucht, die haben noch mehr Erfahrung mit der Verwaltung des Mangels als die SPD-ler.Grauenvolles eröffnet eine Sammlung von Stilblüten und Berichten heutiger Deutscher Schüler, Motiv dazu: Lehrer an Tafel 1 x 1, Schüler – im Stile Kohls, das sage ich nicht, Ehrenwort.

Ein paar Seitenhiebe gehen an Harald Schmidt und seine Show, andere Karikatur Frauchen mit polnischem Hütehund, Uniformierter fragt ob Hund denn überhaupt Arbeitserlaubnis habe.

Unter „Unser Allerbester, der Grußaugust von Belvedere, wird, ganzseitige ordentliche Karikatur der Person des Bundespräsidenten, dieser vorgestellt und zerlegt.

Einzigartig auch eine Karikatur mit Hitler, Göbbels und Göring, Himmler, Adresse Hölle, Bereich A (Kriegsverbrecher) , Hitler regt sich auf: Sauerei, Dieser Schlappsack Scharping, nicht gedient und steht schon in Afghanistan! Es folgt der Bericht: Deutschland sei Dank: Afghanistan wird zivilisiert, Ironie hoffentlich erkennbar.

Fast genial ist auch das BRAVO SENIOR - POSTER mit Keith Richards und Truppe als Rollstuhl-Rentnerband von jugendlichen Nackedei-Frauen auf die Bühne, zum Konzert geschoben.

Auch Juhnke und Wussow haben es dem Eulenspiegel angetan: Schicker Bericht über Wussow und neue Liebe seines Lebens, aber auch Karikatur: Doktoren Juhnke und Wussow hören sich ab und diagnostizieren: Juhnke über Wussow: armes Schwein, Wussow über Juhnke: Armer Irrer!

Ein Bericht Brust oder Keule rechnet ab mit Plastischer Chirurgie, und noch manches, vieles mehr, Karikaturen, spitze-spritzige Texte.

Die Bösartigkeit, aber auch die Treffsicherheit und Effektivität der Satire des bösen östlichen Eulenspiegels ist auch in der heutigen Post-DDR-Zeit ungemindert, wirklich ungebrochen, dasist wirklich klassische Satire vom Feinsten, - in Wort und Bild, - hier fühlt man des Öfteren deutlich was es heißt, dass Bilder mehr als Hunderte Worte sagen können, wenn vorsätzlich gemein ausgewählt.

Ein wahres Feuerwerk an Ideen und grimmigem Humor, so etwas kommt woanders nie und niemals so vor, das Blatt ist wirklich einzigartig.

Dabei geht es nicht darum, ob man den Eulenspiegel lieben oder ihm Recht geben soll, man kann ja auch gut gegen ihn sein, ihn zu scharf, zu aggressiv finden, - das ändert jedoch nichts an der Einzigartigkeit seiner Rolle in der Kulturwelt dieser und der untergegangenen Deutschen Staatlichkeit von BRD und DDR.

Wer konservativer ist und weniger Toleranz bereit ist walten zu lassen, der sollte davon die Finger hübsch lassen! Wie jeder Eulenspiegel ist er am Besten zu genießen, wenn man ihn als nur im Traumlande lebend versteht.

38 Bewertungen, 4 Kommentare

  • anonym

    15.06.2002, 14:01 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Boah, so viel aufgesetzte DDR-Nostalgie zerstört fast den Bericht, aber Gott sei Dank nur fast. Gruß, nosianai

  • quedlinburgerin

    16.02.2002, 15:58 Uhr von quedlinburgerin
    Bewertung: sehr hilfreich

    alter osten bester qualität

  • Volland

    14.02.2002, 19:37 Uhr von Volland
    Bewertung: sehr hilfreich

    die mit dem schalck im nacken

  • MaxxMasters

    14.02.2002, 18:17 Uhr von MaxxMasters
    Bewertung: sehr hilfreich

    war doch das ddr-satire-magatin, gibt es das überhaupt noch?