Der Kaufmann von Venedig (DVD) Testbericht
Erfahrungsbericht von magnifico
Recht und Gerechtigkeit auf Messers Schneide
Pro:
anspruchsvoll, sehr ansprechend, gelungen
Kontra:
nichts
Empfehlung:
Ja
Im Zweifel sind Juristen diejenigen, die einem selbst das verwehren, was einem doch eigentlich, für jedermann klar ersichtlich, zusteht und das nur eben ein Winkeladvokat oder Rechtsverdreher einem wagt abzusprechen. Insbesondere im typisch deutschen Nachbarschaftsstreit, von dem nicht wenige Standesgenossen ihr (karges) Dasein fristen, treten die "schwarzen Bataillone" - wer die nur immer beauftragt? - auf, um für ihren Mandanten das Gericht, wenn schon nicht die Gerechtigkeit, zu gewinnen. Doch gibt es das überhaupt? Gerechtigkeit? Denn was ist "gerecht"? Sicher nicht all das, was "nur richtig" ist, den richtig ist nicht gleich gerecht, gerecht nicht notwendiger Weise auch gleich richtig.
Ein Denkansatz unter vielen, der den Betrachter - oder Leser - von Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig" beschäftigen könnte, wenn er dem Stück wohlverstandene Aufmerksamkeit zu schenken vermag. Der Autor dieses Beitrags selbst schenkte, bisher zumindest, nur dem derzeit aktuellen Kinofilm seine Aufmerksamkeit, muss sich insoweit also auch mit Aussagen zur authentischen Umsetzung und Deckungsgleichheit des Leinwandstoffes mit der literarischen Vorgabe eher zurück halten.
Der Film, Inhalt
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Unter der Regie von Michael Radford entstand 2004 die meines Wissens erste Verfilmung des berühmten Werkes von William Shakespeare, das sich das neuzeitliche Venedig als Dreh- und Spielort ausgesucht hat. Für 138 Minuten werden Zuschauer ab 12 Jahre in eine erstaunlich modern und gesellschaftlich fortschrittliche Welt entführt, die dem Gedanken an das ausgehende "düstere" Mittelalter in Europa Hohn zu spotten scheint.
Nachdem der Film auf einem bekannten Literaturwerk beruht, das vielen wahrscheinlich zumindest in den Grundzügen bekannt ist, erlaube ich mir im Nachfolgenden, etwas tiefer in die Details des Films einzusteigen, in der Hoffnung, niemandem dadurch Spannung und Neugierde vorwegzunehmen.
Man schreibt in Venedig das Jahr 1596. Der hoch verschuldete Aristokrat Bassanio, gespielt von Joseph Fiennes, hat sich in Portia, die reiche Erbin von Belmont, darstellt von Lynn Collins, verliebt. Um neben den übrigen Brautwerbern, allesamt reiche Aristokraten, bestehen zu können, bittet er seinen Freund, den Kaufmann Antonio, von Jeremy Irons gespielt, um einen Kredit. Der reiche Kaufmann, der all seinen Besitz auf den Weltmeeren weiß, nimmt hierzu mit dem jüdischen Geldverleiher Shylock, gespielt von Al Pacino, ein Darlehen für drei Monate auf. Shylock, der wie alle anderen Juden Venedigs auch, trotz der liberalen und "modernen" Gesellschaft Venedigs von eben dieser als "Mensch zweiter Klasse" behandelt und verachtet wird und sich insbesondere von Antonio wiederholt Schmähungen und Beleidigungen gefallen lassen musste, knüpft an das Darlehen eine bizarre Bedingung: nach drei Monaten muss die Schuld, zinslos, zurück gezahlt werden oder er, Shylock, darf ein Pfund Fleisch nach seiner Wahl aus dem Leib des Kaufmanns Antonio herausschneiden.
Antonio, der Rückkehr seiner Schiffe und seines Vermögens sicher, willigt in den Handel ein, so dass Bassanio um die Hand der Portia werben kann. Um sie zu erhalten, muss er jedoch zunächst die "Lotterie", die Portias Vater ersonnen hat, meistern, die zahlreiche Freier schon um den vermeintlich sicheren Erfolg gebracht hat. Shylock, von der Entführung seiner Tochter nicht weniger als von den Schmähungen Antonios verbittert, vernimmt unterdessen mit stetiger Freude die Hiobsbotschaften, die Antonio erreichen und den Verlust eines seiner Schiffe nach dem anderen verkünden. Als die Schuld fällig wird, ist Antonio vermögenslos; Bassanio ist weit entfernt; Shylock erzwingt die Vollstreckung seines Pfandes und setzt eigenhändig zum Schnitt an Antonio an.
Der Film, Darsteller
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Schauspielerisch gibt es an "Der Kaufmann von Venedig" mindestens ebenso wenig etwas auszusetzen, wie auch die Atmosphäre und Darstellung des Venedigs aus dem 16. Jahrhundert, obgleich eher mit geringem Aufwand betrieben, gelungen ist. So fesselt der Film durch die ausdrucksstarke und beeindruckende, stellenweise auch humorvoll aufgefüllte, Darstellung seiner Schauspieler, wie es wohl auch Shakespeare gefallen würde. Shylock, der nur noch für seine Rache an Antonio, dem ehemals so überheblichen Kaufmann, zu leben scheint, stellt dabei sicherlich den Höhepunkt dieser Leistungen dar, indem sein gramgebeugter Geist wider allen Zureden und Aufforderungen nicht bereit ist, jene grausame Schuld einzutreiben, die von Recht und Gesetz ihm zusteht. Selbst Antonio, dem der Zuschauer zunächst aufgrund seines anfänglichen Benehmens sicher nicht mit allzu großer Sympathie begegnen dürfte, kommt in seiner tragischen und zunehmend dem Mitleid verfallenden Rolle nicht an Shylocks bizarres Auftreten heran, indem der übermenschliche Durst nach Rache Mensch geworden zu sein scheint.
Der Film, Eindruck
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"Der Kaufmann von Venedig" präsentiert sich als Film, der durch die Qualität der Verarbeitung beeindruckt und durch die Ausdrucksstärke seiner Schauspieler den Zuschauer in seinen Bann zieht. Action oder Specialeffekte können hier getrost außen vorbleiben, es sind vielmehr die "inneren" Werte, die den Film auch bei einem zweiten Besuch interessant und sehenswert erscheinen lassen. Beeindruckend ist dabei vielleicht insbesondere auch der von Shakespeare vorgegebene Inhalt, der sich, wie in wohl allen Stücken des Autors, auf mehreren Ebenen niederschlägt und eher einen nachdenklichen und vielleicht auch etwas bestürzten Zuschauer bzw. Leser entlässt als einen, der gleich in die nächste Bar stürmt und den "Spitzenfilm" in zwei bis drei Minuten "durchhechelt", um ihn dann zu vergessen. Es ist eher ein ernster Film, der zwar humorige Einlagen kennt, insgesamt aber mehr als nur ein flüchtiges Vergnügen darstellt. Ohne die Literaturvorlage zu kennen, meine ich daher, dass der Film eine gelungene Umsetzung dessen ist, was Shakespeare einst bei Kerzenlicht niedergeschrieben hat. Dass der Film eine "verkitschte" Umsetzung ist, bei der sich der Autor in seinem Grabe umdrehen würde, müsste er diesen ansehen, kann ich insoweit in keiner Weise behaupten; eher schon, dass Shakespeare auch mit dieser außertheatrischen Umsetzung zufrieden wäre, wenn ein Autor denn überhaupt mit dem zufrieden ist, was Regisseure und Intendanten aus ihren Werken zu machen pflegen.
Der Film bzw. Das Werk, Einige Gedanken
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Die Moral, die hinter "Der Kaufmann von Venedig" steht, scheint zunächst glasklar zu sein: Der Rache Wut gedeiht nicht gut. Wer Barmherzigkeit wider seine Feinde übt, gewinnt an Größe mehr als jeder andere, wohingegen derjenige, der bis zum Äußersten nach Recht um seiner selbst Willen strebt und rücksichtslos dasselbe einzufordern bereit ist, als Strafe für seinen Hochmut ins Bodenlose fällt. So ist Shylock, der aus zunächst sicher verständlicher Rache und Vergeltungsdrang ob der zahllosen Schmähungen, die ihm Antonio allein aufgrund seiner jüdischen Abstammung zugefügt hat, allein von dem Gedanken beseelt, Antonio bei lebendigem Leib als Gegenstand des vereinbarten Pfandes dessen Herz heraus zu schneiden. Ein Ansinnen, das in der heutigen Zeit - und nach heutiger Rechtslage - unvorstellbar wäre, da bereits die Zusage eines solchen Pfandes rechts- und sittenwidrig wäre und der Vertrag als solcher unter keinen Umständen als wirksam angesehen werden könnte. Im Venedig der damaligen Zeit, jener Stadtrepublik, deren Recht als besonders verlässlich und fortschrittlich galt, ein undenkbarer Verstoß gegen das bestehende Recht. Shylock, so scheint es, kann und darf sein Ansinnen nicht verweigert werden - um Recht und Gerechtigkeit willen. Da erscheint die Unbarmherzigkeit, mit der jener sein Recht um des Todes eines anderen Menschen willen bis zum Letzten und Äußersten einzutreiben beabsichtigt, denn auch angemessen damit bestraft, dass es alles verliert, wofür er soeben noch alles gesetzt hat. Bitter schmeckt aber jener Umstand, der von Shakespeare aus welchen Gründen auch immer als Sanktion für Shylocks Hochmut neben den Verlust aller materiellen Güter vorgesehen hat: Shylock muss sich zum Christentum bekehren und taufen lassen. Ein Zwangskonvertierung also, um sein Leben vor dem Scharfrichter zu retten. Ein Urteil, eine Strafe, wie man sie zu Zeiten der spanischen Inquisition erwarten würde. Ein Aspekt, der bei diesem Film das Nachdenken in eine andere Bahn lenkt und eben auch dazu beiträgt, dass man nicht wie nach einer heiteren Komödie oder einem Action-Film den Saal verlässt.
27 Bewertungen, 12 Kommentare
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31.08.2007, 13:14 Uhr von KateMcGowan
Bewertung: sehr hilfreichSuper, da muss ich den Film wohl auch mal schauen.
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23.03.2006, 03:26 Uhr von kakaue
Bewertung: sehr hilfreichsh lg chris
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05.03.2006, 00:45 Uhr von anonym
Bewertung: sehr hilfreich...sh...*g*...Lg, Christina
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19.02.2006, 12:23 Uhr von LucaDickmops
Bewertung: sehr hilfreichviele Grüße Luca
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18.02.2006, 09:29 Uhr von angie1977
Bewertung: sehr hilfreichsuper ausführlich und dennoch verständlich. lg angie
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16.02.2006, 22:44 Uhr von WreckRin
Bewertung: sehr hilfreichSH & LG <br/>Freu mich auch über Gegenlesungen!
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16.02.2006, 22:26 Uhr von sung1rl
Bewertung: sehr hilfreichsh, lg - sunny
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16.02.2006, 19:33 Uhr von anonym
Bewertung: sehr hilfreichsh
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16.02.2006, 18:45 Uhr von bubbelchen05
Bewertung: sehr hilfreichSH <br/>Liebe Grüße <br/>Marina
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16.02.2006, 18:40 Uhr von anonym
Bewertung: sehr hilfreichsehr hilfreich <br/>
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16.02.2006, 17:56 Uhr von barfisch
Bewertung: sehr hilfreichinformativ und sh - LG Marco
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16.02.2006, 17:55 Uhr von brain18
Bewertung: sehr hilfreichKenne ich gar nicht, klingt aber sehr gut!! Lg wünscht der Michi
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