Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen (DVD) Testbericht

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ab 4,11
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Erfahrungsbericht von magnifico

Gerne auch zu Hause

Pro:

nette Aufmachung, keine übertriebenen Effekte

Kontra:

keine

Empfehlung:

Ja

In bemerkenswerter Weise werden in „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“ aus verschiedenen literarischen Werken ein James-Bond-ähnlicher Film herausgearbeitet, der sowohl unterhaltsam wie, natürlich, auch sehr spannend ist. Zwar bleibt die Realität als solche, sei es in historischer, physikalischer oder sonstiger Weise etwas hinter den gewöhnlichen Anforderungen eines Films, der nicht gerade im Science-Fiction angesiedelt werden will, zurück. Dies bedeutet allerdings keinen Abbruch der cinematischen Qualität – man kann sich herrlich amüsieren, und Darsteller wie Sean Connery, Shane West und Tony Curran sorgen auch hier dafür, dass die schauspielerischen Leistungen nicht zu kurz kommen.


Kurz zum Inhalt:

Man schreibt das Jahr 1899. Das Phantom, ein genialer wie auch skrupelloser Verbrecherfürst und Rüstungsmogul, entführte zahlreiche Spitzenwissenschaftler, um mit ihrer Hilfe völlig neue Waffensysteme zu entwickeln – etwa einen bizzar aussehenden Panzer oder ein kurioses Maschinengewehr, Waffen, wie sie für das ausgehende 19. Jahrhundert unvorstellbar gewesen sind.

Die Nationen Europas sollen die Käufer dieser Neuentwicklungen sein, mit denen der gesamte Weltenkreis in Brand gesteckt werden könnte. In London wird die „Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“ zusammengerufen, eine Truppe aus Exzentrikern und Individualisten, die allesamt über einzigartige Fähigkeiten verfügen und dem britischen Empire aus der „Klemme“ helfen sollen: das Phantom soll gefunden und unschädlich gemacht werden, insbesondere soll dessen Anschlag auf Venedig, dem Ort einer geheimen Regierungskonferenz, die den drohenden Weltkrieg abwenden soll, verhindert werden.

Quartermain, ein ergrauter Abenteurer, der in Afrika seinen Ruhestand ausleben wollte, wird von M, einem Unbekannten aus dem Kreise Ihrer Majestät, zum Anführer der Truppe bestimmt, die etwa auch Captain Nemo, Dr. Jekyll oder auch den Unsterblichen Dorian Gray zu ihren Mitgliedern zählt. Mit der Nautilus, jenem phantastischen U-Boot von Nemo, begeben sich die „letzte Hoffnung Ihrer Majestät“ nach Venedig, um die Zerstörung der Fundamente der Stadt durch das Phantom zu verhindern. Dass sich bereits in Spion unter ihnen befindet und sie Teil eines genialen Plans sind, bei denen ihre eigenen Rollen so gänzlich anders sind, als sie selbst glauben, erfahren sie erst sehr spät...


Der Film verwendet, wie ja bereits eingangs erwähnt, unterschiedliche Anleihen an literarische „Heldenfiguren“, indem er diese in einer Art „Crossover“ zusammenführt und sie, durch wechselseitige Ergänzung ihrer besonderen Fähigkeiten und Eigenschaften, effektiver arbeiten lässt. Interessant ist dabei, dass „Dissonanzen“ so gut wie nicht erkennbar sind, wohingegen die Realität bzw. die Nähe des Films zu dieser einige Einbußen hinnehmen muss. So kann die Nautilus, ein U-Boot mit den optischen Ausmaßen eines modernen Flugzeugträgers, plötzlich im Hafen von London, der sicherlich vor einem Jahrhundert, also erst kurz nach Eintritt der Industrialisierung noch keine besondere Größe aufwies, ohne weiteres vollständig auftauchen; gemeinhin haben U-Boote, wie alle anderen Körper auch, einen gewissen Tiefgang, von den Schwierigkeiten, ein hundert Meter langes und alles andere als schmales Schiff in einem winzigen Hafenbecken unterzubringen, gar nicht zu reden.
Auch ist Venedig plötzlich im Zeitalter da Vincis erbaut worden und nicht etwa auf Millionen von Holzpfählen errichtet, sondern auch solider antiker Säulenarchitektur aus Stein. Und selbstverständlich hat die Nautilus, klein, wie sie ist, keinerlei Problem, durch die engen Kanäle Venedigs mit der Eleganz der Gondolieri zu fahren.

Sieht man von diesen „Mankos“, die eigentlich zu vermeiden gewesen wären bzw. zumindest sein sollten, ab, so verbleibt aber keineswegs ein flaches, plattes, Rumpfgebilde, das in Aufmachung und Inhalt an die ersten Werke der Filmgeschichte erinnert, denn bereits die Idee, verschiedene Literaturgestalten mit ihren jeweiligen Eigengeschichten so zusammen zu schmieden, dass gerade auch der Unwissende die Charaktere kennen lernt, ist gelungen.

So lernt der Zuschauer etwa Dr. Jekyll und Mr. Hyde kennen, der von dem Schotten Robert Louis Stevenson entworfene Wissenschaftler, der mittels eines vom ihm hergestellten Elixiers die beiden Teile der menschlichen Seele, das Gute und das Böse, spalten möchte, um das Böse im Menschen auszulöschen. Doch die Mixtur, die Henry Jekyll an sich selbst ausprobiert, führt zu einem unerfreulichen Ergebnis: der Doktor erlebt eine Persönlichkeitsspaltung der besonderen Art: neben seiner bürgerlichen Existenz als Dr. Jekyll verwandelt er sich nach dem Trinken der Mixtur für eine gewisse Zeit nicht nur geistig, sondern auch körperlich, in Mr. Hyde, der nunmehr selbstständigen bösen Hälfte seines Ichs – wenngleich Stevenson die physische Mutation längst nicht so übertrieben hat, wie es in „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“ dargestellt wird.

Weiterhin mit von der Partie ist Captain Nemo, die Romanfigur von Jules Verne, der mit seinem selbst entworfenen U-Boot, der Nautilus, eine Technik beisteuert, die auch heute noch ihres gleichen suchen dürfte. Während Nemo als Persönlichkeit selbst wohl recht authentisch am Literaturvorbild angelehnt ist, kommt seiner Nautilus eine etwas surrealistische, oben bereits erwähnte, Rolle zu: naturgesetzliche Begebenheiten wie Länge, Breite oder Raum allgemein scheinen dem Schiff ebenso wenig etwas zu bedeuten wie Geschwindigkeit.

Dorian Gray, dem Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ von Oscar Wilde entlehnt, betritt ebenso wie „Der Unsichtbare“ von George Wells, hier als Mr. Skinner, die Bühne. Beiden Charakteren, von denen gerade der Unsichtbare nicht weniger eindrucksvoll als in „Hollow Man“ umgesetzt wurde, dürften ihren literarischen Vorbildern wohl noch am nächsten kommen – zumindest fiel mir da nichts auf, was man nicht auch in den Romanen finden könnte.

Der Film bietet insoweit einen „Querschnitt“ durch die Belletristikheroen der früheren Epochen, die lange vor Superman, Spiderman, X-Men oder Fantastic Four über die Cartoons und Comics die Phantasie erobert oder auch verändert haben. Deutlich wird hierbei, dass der Ideenreichtum, mit dem man heute als nicht gänzlich Uninteressierter beinahe an jedem Kiosk „erschlagen“ wird, nur schwer mit dem jener Zeit zu vergleichen ist, in dem Werke wie eben „Der Unsichtbare“, „Jekyll & Hyde“, „Das Bildnis des Dorian Gray“, „Captain Nemo“ und andere entstanden sind. Die Romane, die in gewisser Weise einfach „solider“ in der Ausgestaltung und Handlungsgeschichte gewesen sind, bergen zugleich oftmals auch eine stille Mahnung, die im heutige Farbenspektakel schlichtweg untergeht.

Ähnlich ist es auch in „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“: kurz vor Ende die „Mahnung“ bzw. düstere Prophezeiung des Phantoms, dass es immer Menschen geben werde, die am Krieg, der Rüstung und der Macht interessiert sind und dafür auch über Leichen zu gehen bereit sind.

Der Film selbst besticht durch rasante und gut gemachte Action-Einlagen, die allerdings – um Missverständnissen vorzubeugen – keine inhaltlichen Schwergewichte darstellen, um die herum sich die Handlung gewissermaßen nur als Rahmen anordnet. Zwar könnte man teilweise auch denken, in „Matrix Reloaded“ in puncto Rasanz. Doch verdient eben auch die Story dahinter Lob und Anerkennung.

Es ist nun zwar nicht so, dass sobald der Film zu Ende ist, gleich wieder auf „Play“ drückt, wie dies etwa bei anderen Filmen, etwa Tolkiens „Der Herr der Ringe“ oder auch, wer es mag, „Matrix“, sein könnte. Mehr als ein „netter Film“ ist es aber auf jeden Fall.

Den Besuch kann ich daher auch jedem empfehlen, der keinen besonderen Wert auf fliegende Gliedmaßen, literweise vergossenes Blut oder bizarrste Monster – Alien Directors Cut kommt ist ja auch noch da – hat, sondern sich zum einen in angenehmer Atmosphäre ablenken will und zugleich vielleicht auch den Charme vergangener Literaturepochen erleben will.

Noch ein Kurzes zu den beiden DVD-Editionen, die der Handel so anbietet:

Die technischen Details sind bei beiden, soweit ich das sehe, gleich: Deutsch (Dolby Digital 5.1, DTS 5.1) und Englisch (Dolby Digital 5.1) bei einem Bildformat: 2.35:1, Untertitel ebenfalls in Deutsch oder Englisch, Filmlaufzeit jeweils 106 Minuten.

Zusatzfeatures der Special-Edition sind neben der zweiten DVD
•Audio-Kommentare von Jaqueline West (Ausstattung), Steve Johnson (Leitung Make-Up Effects), John Sullivan (visuelle Effekte) und Mathew Gratzner (Miniaturkulissenbauer)
• Audio-Kommentare der Produzenten Don Murphy und Trevor Albert und den Schauspielern Jason Flemyng, Tony Curran und Shane West
• \'Matters of Pre-Visualization\'
• Bildergalerie (Fahrzeuge, Waffen, Drehorte, Charaktere im Miniatur-Design)
• \'Assembling the League\'
• Unveröffentlichte Szenen
• \'Behind the Fantasy\'
• Marketing
• 12 TV-Spots
• 6 Postermotive

Wer meint, dass er das alles nicht braucht, sollte zumindest zur Zeit des Einstellens dieses Beitrags dennoch die Special Edition kaufen, da diese beinahe nur halb so teuer ist wie die „normale“ und „einfache“ Edition; ein Phänomen, das bereits bei „Der Herr der Ringe“ in Folge aufgetreten ist.

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