Die Prinzen Testbericht

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Erfahrungsbericht von Magistix

Back to the roots: Zeit für die Krönung? (2001 "D")

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Das Leben ist grausam. Gabi ist einsam. Gestern bin ich mit meinem Fahrrad mit 150 rumgefahren und wie immer kommt ich nur hoffen, die Polizei hält mich nicht an. Denn das ist alles nur geklaut - das ist alles gar nicht meines. Und Du musst ein Schwein sein in dieser Welt. Höre: Küssen verboten, küssen ist bei mir nicht erlaubt. Doch ganz oben machten sie dann alles mit dem Mund, hatten einen Sprung in ihrer Festplatte und machten keineswegs so viel Spaß für wenig Geld.
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.:| Die Prinzen - ein Knabenchor wurde erwachsen... |:.
1991 war es wohl der erste Befreiungsschlag ostdeutscher Musiker. Der Kommerz gewann die Überhand gerade bei einer urdeutschen Formation, die trotz leichtem Dialekt doch gerade durch ihren Ton die Herzen und Seelen der Hörer in den Bann schlug. Locker, flockig und leicht intonierten \"Die Prinzen\" ihren ersten Hit.
\"Gabi & Klaus\" waren das ungleiche gleiche Paar, dass es der vereinigten Republik Deutschlands angetan hatte. Die 5 Leipziger Ex-Sängerknaben des Thomanenchores hatten es mir ihrem wunderbaren Sprachgesang und den ironisch-satirischen Texten angeten. Die Single stieg unter die Top Ten, das folgende Album ?Das Leben ist grausam? verkaufte sich wie warme Semmeln.
Darauf zu finden waren einige Knaller wie \"Mann im Mond\", \"Mein Fahrrad\", \"Gabi & Klaus\", \"Das Leben ist grausam\", \"Millionär\". Eine so geballte Mischung aus gelungenen Liedern, die insbesondere durch Text und Gesang überzeugten, hatte die in den 80-ern vertechnisierte und gerade durch die Rap-Hölle gegangene Nation lange nicht mehr gehört.
Man legte nach und produzierte mit \"Küssen verboten\" einen neuen Hit, der ins gleiche Horn stieß. Das gleichnamige Album ging gut weg - auch hier einige sehr gute Titel \"Küssen verboten\", \"Vergammelte Speisen\" und das einzigartige aber unbekannte \"Suleimann\". Wieder wenig Instrumente, ein wenig Gitarre, ein Schlagzeug und die bekannten, gut ausgebildeten Stimmen von Sebastian Krummbiegel & Co.
Wieder verging ein Jahr und wieder legten Die Prinzen nach. \"Alles nur geklaut\" sollte in gleichem Maße den Ton der Zeit treffen, wie heute das Kanzler-Lied. Politisch korrekt, hintergründig moralisieren und vordergründig frisch und frech wurde man ein wenig poppiger und hatte Erfolg. Auf der Woge der Single verkaufte sich auch das Album gut. Doch auch ich als (noch begeisterter) Fan hörte, dass das Album schwächer war und neben der veröffentlichten Single nur noch wenige Lieder richtig gut waren.
Und doch blieben Die Prinzen noch für eine klasse Nummer gut. 1995 war es als mit \"Schweine (Schwein sein)\" eine weitere Chart-Erfolg herausgebracht wurde. Das Album war Mittelmaß und etwa auf Niveau von dem Geklauten. Doch eigentlich nur gehobenes Mittelmaß.
Und dann ging es rapide bergab. Als man mit dem ordinären \"Alles mit\'m Mund\". 1996 einen Ausrutscher erlebte und keine Single erfolgreich war, floppte auch das Album. 1997 veröffentlichte man (erfolgreicher) ein Best-Of um auch sich aufmerksam zu machen. Doch auch danach - es folgte ein Jahr schöpferische Pause - war \"So viel Spaß für wenig Geld\" nicht wesentlich beliebter, fand \"Festplatte\" 2000 nur wenige Käufer.
So schrieb man die Titelmusik für Jim Knopf und wartete ab, wie man wohl wiederkehren könnte.
2001 dann soll das Jahr des Comeback sein? \"Popmusik\" wird noch kein Renner, zeigt aber wohin es geht - bergauf. \"Olli Kahn\" kommt im Januar 2002 etwas zu früh \"Hier sind wir\" wird durch zu wenig Promotion verballert. Endlich zur WM kommt mit \"Olli Kahn\" dann doch einige Aufmerksamkeit, sodass mit ?Deutschland? endlich der Ruhm wiederkehrt. Mit kernig frechen, provokanten Sätzen wie \"Gott hat die Erde nur einmal geküsst, nämlich genau da wo jetzt Deutschland ist\" und einer hymnenartigen Musik landen die Prinzen einen medialen Volltreffer und finden wieder Käufer für eine Single.
Und auch das im Oktober 2001 veröffentlichte Album ist wieder aktuell...
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.:| Die Prinzen - D |:.
Ich habe in meiner ausgiebigen Einleitung schon erläutert, dass ich den Prinzen lange Zeit die Stange gehalten habe. Erst als sie mit ihrem Mund anfingen Bockmist zu singen und zu produzieren, wurde ich abtrünnig, ehe ich durch ein Angebot bei Amazon wieder an das Album kam - angelockt durch die Single \"Deutschland\".
Was ich dann für unter 10 Euro in meinen Händen hielt, ist schlichtweg eine Überraschung gewesen. Das Album ist sicherlich nicht Die Prinzen von 1991 doch ziemlich genau das, was man gewachsene Gruppe, Musik und Entwicklung nennen würde. Sie haben sich ohne Frage entwickelt, was sich insbesondere in der musikalischen Untermalung der wieder frechen Texte zeigt.
Die beiden neuen Bandmitglieder (Henri Schmidt und Ali Zieme) bringen junges Blut mit und machen sich umgehend positiv bemerkbar. Das Schlagzeug (gespielt und nicht aus Konserve wie bisher) macht sich gut und macht nun die Grundlage für die wesentlich variantenreicheren Stücke aus.
Ich habe auf dem Album keine echten Ausrutscher entdecken können, dafür umso mehr Titel, die positiv überraschen in musikalischer und textlicher Hinsicht. Auch wenn Die Prinzen ihren Stil nicht neu erfinden, sind sie experimentierfreudiger und spielen mit ihren Stimmen - das gefällt mir!
1.Popmusik
Ein Titel, der mich gerade als erste Nummer enttäuscht hat. Beim ersten Hören geht der Titel unter. Mechanisch blecherne Klänge und verrauschte Akustik ließen mich zunächst am Kauf zweifeln. Erst beim mehrmaligen Hinhören gefiel mir die stilistische Akrobatik und Satire auf das Pop-Business. Kein Stück zum Ausruhen oder nebenher laufen lassen, aber eine experimentelle Nummer, die kreativ ist und nach einiger Eingewöhnung gefällt.
2.Mama
Die Prinzen in Südeuropa? Der Titel klingt irgendwo zwischen Kölner Karnevals Hit und Ricky Martin. Das schnelle Stück verbreitet gute Laune und macht Spaß. Der bissig makabre Text, der von einem Muttersöhnchen und einer gescheiterten Beziehung berichtet. Textprobe? \"Keine liebt mich so wie Mama - keine liebt mich so wie Mama - sie weiß ich bin ein Genie\".
3.Deutschland
Hymnenhafte Nummer mit sehr ironischem Text. Er behandelt den typischen Deutschen in einem Zwielicht - an manchen Passagen ein wenig rechtsradikal klingend, moralisiert das Stück mit eingehendem Melodiegang. Beispielhaft hier die Passage \"wir stehn auf Ordnung und Sauberkeit, wir sind jederzeit für einen Krieg bereit\".
4.Thema Nr. 1
Das erste Thema klingt ein wenig melancholisch und braucht seine 30 Sekunden, bis es wirklich da ist. Zu leise und dumpf wird gesungen - der Refrain bringt Aufhellung. Inhaltlich ist das nur durch das Schlagzeug und eine zurückhaltende Basslinie begleitet wird weniger interessant. Der Sprecher singt über Thema Nr. 1 - die Liebe. Als Geständnis zu traurig und langsam als Ballade zu stumpf und als gescheiterte Hoffnung nicht eindeutig genug?!
5.Sie
Wow! Wieso ist die Nummer keine Single geworden? Wieder ist die Liebe im Spiel. Sebastian Krummbiegel singt in einer wirklich prinzenhaften Nummer, die vielleicht nur eine Spur zu langsam ist, kommt Liebesgeständnis Nummer 2. \"Sie zieht alle Blicke auf sich und es zieht mich zu ihr hin\". Lange wird der Hörer auf die Folter gespannt ehe es heißt \"Sie sieht unverschämt gut aus, aber offensichtlich steht sie mehr auf Gabi als auf Klaus\". ;-) Kein Wunder, dass die perfekte Frau letztendlich unseren Sebastian in den Vatikan treibt.
6.Berlin
Wieder eine eher experimentelle Nummer, die mich Schlimmes denken ließ. Hatten Die Prinzen nicht vor Jahren einst festgestellt \"Ich kann nicht rappen\"? Nun denn. Entweder sie haben es mittlerweile gelernt oder es ist (noch) kein echter Rap, den unsere königlichen Sängerknaben intonieren. Ein modernes Stück mit gutem Text (Liebe in Berlin gesucht und gefunden), dass durch die spontanen englischen Einwürfe witzig und gelungen wird.
7.Gut im Bett
Oh - ein kleiner Ausrutscher ist (musikalisch) Nummer 7 geworden. \"Wir sind gut im Bett aber nirgendwo sonst\" ist auch musikalisch eine Bankrotterklärung. Die Stimme zu tief, Musik zu ?schwarz? kann die Botschaft zwar herübergebracht werden, schreckt aber den Hörer ab.
8.Koenigin
...ist eine meiner heimlichen Favoriten geworden. Unscheinbar wie auch das behandelte Model beginnt alles leise. Wer zuhört, erfährt mehr über ein trauriges Dasein zwischen Hungersnot und Ruhm. Wer hier nicht nachdenklich wird, hat sein Hirn schon versoffen, hat meine Mutter beim Zuhören gemeint. Recht hat sie!
9.Deine Nummer
Die Prinzen werden romantisch. Ein One-Night-Stand entwickelt sich zur Liebe. Die Hauptperson befasst sich mit dem Treffen mit einer Unbekannten, deren (Telefon-) Nummer er verloren hat. Eine ruhige und gute Nummer, auch wenn ich mir ein wenig nettere Grundstimmung wünschen würde. Oh - am Ende wird mein Wunsch ja wahr.
10.Ungerechtigkeit
Ja, da ist wieder so eine Perle. Beginnt wie echter Trash (musikalischer Müll). E-Gitarren, blecherne Trommeln, undeutlich und verzerrte Singstimme. Klingt ein wenig wie die Ärzte im Keller auf nem geheimen Gig - allein das Wort \"Ungerechtigkeitsanwalt\". Die Melodie mutet an manchen Stellen an wie \"Pretty Fly (for a white guy)\" von The Offspring. Gerade zu kultig die Zeilen \"Ungerechtigkeit gab es schon zu meiner Zeit / keiner hat den Berechtigungsschein, welcher berechtigt zum Ungerecht sein,...\"
11.Nichts
Keineswegs nichts geworden ist Nichts. In Lethargie versinkend ist die Nummer ein echter Aufreger. Die Botschaft des Liedes wird so eindrucksvoll umgesetzt, dass man dem Sänger gern einmal in den Hintern treten würde, um endlich aus seinem Nichtstun zu erwachen. Mein Tipp: Vorspielen, wenn wieder ne faule Sau zu sehr über die Welt stöhnt.
12.Doktor
Ein Lied eines echten \"Womenizers\" und verkappten Nymphomanen. Der Text ist klasse, die Botschaft gut versteckt. Mein Lieblingszitat \"Junges Reh, altes Ferkel, Britney Spears, Andrea Merkel - bei allen Frauen tu ich meine Pflicht\" und \"Claudia Schiffer, Heidi Kabel - alle woll\'n an meinen Nabel\".
13.Pech gehabt
Wie Ungerechtigkeit sehr gut gelungen. Was man sich gemeinhin unter so einem Titel vorstellt wird auch gebracht. Klasse.
14.Hier sind wir
Bitte bringt das Lied noch einmal als Single. Es gehört einfach in die Charts und ins Radio. Allen potentiellen Tauschdienstfans sei das Saugen empfohlen (und natürlich danach der Kauf!) und der Kopfhörer aufgesetzt. Ich bin süchtig nach diesem Titel. Ein unglaublich eingängiger Refrain, gute Laune und das poppigste Stück des Albums. Der Text ist nicht einmal so die Sensation - aber es ist so GEIL! \"Hier sind wir und wir glauben an die Sache, ab dafür und raus mit der Karre, aus dem Dreck, sie muss weg, es gibt nur eins was wir wollen - sind wir erst in Fahrt werden wir Dich überrollen\". Sollte es eine intelligente Antwort auf \"Cruisen\" geben: Hier ist sie.
15.Morgen
Wieder so ein Titel, bei dem immer spontan dieser Faulpelz vor meinen Augen auftaucht. Ja - morgen wird alles anders. Ich höre auf mit dem Rauchen, mache Schluss mit Nasebohren und Aufstossen in der Öffentlichkeit. Beschwingt geht es dem Ende des Albums entgegen und trällert so langsam aus.
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.:| D - Fazit |:.
Das Album ist für mich die musikalische und kreative Wiederauferstehung. Neben \"Deutschland\", das wohl vielen bereits bekannt ist, möchte ich unbedingt \"Hier sind wir\" hervorheben. Sollte jemand mit dem oben genannten Zeilen wild mitsingend im Auto neben Euch an der Ampel stehen - das bin ich!
Ich würde den Kauf dieses Albums insbesondere allen ehemaligen Fans und begeisterten Hörern der ersten Alben an das Herz legen. Für den Mainstream ist es ein wenig zu langsam, zu stimmhaft. Doch hier im Büro (ein Technofan, ein Punker, eine Klassiktante und ich) beschwert sich niemand über die CD - was selten ist. Es plätschert so dahin und wer hinhört summt schnell mit.
PS: Anlasse zu diesem Bericht ist ein derzeitiges Angebot bei Amazon. Dort gibt es die CD für nur noch 9 Euro. Ein Preis, der mich letztendlich auch überzeugen konnte, mal wieder reinzuhören.

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