Wüstenblume (gebundene Ausgabe) / Waris Dirie, Cathleen Miller Testbericht

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Erfahrungsbericht von schneeweisschen
Na und?
Pro:
Sensibilisiert und rüttelt auf - Thema Genitalverstümmelung
Kontra:
literarisch betracht nicht wirklich wertvoll; ich finde Waris unsympathisch
Empfehlung:
Ja
Ist eine Frau automatisch eine gute Schriftstellerin, wenn sie als Kind Furchtbares erleben musste? Eigentlich eine sehr dumme Frage, aber es scheint viele Literaturkritiker zu geben, die genau diese Meinung vertreten. Anders kann ich mir den Hype um die „Wüstenblume“ – nicht erklären.
Wohl kaum jemand wird behaupten können, noch nie von diesem Buch gehört haben, stand es doch monatelang in allen möglichen Bestsellerlisten, und die Presse stürzte sich auf die „Frau des Jahres 1998“ (ZDF-Magazin „Mona Lisa“). Die arrogante Reaktion der Bibliothekarin, als sie mich, meine offensichtliche Dummheit belächelnd, darauf hinwies, dass ich die Autorin nicht unter dem Buchstaben W, sondern unter D suchen müsste, sprach Bände. Gut, nun weiß ich es: Waris ist also der Vorname der Autorin, der übersetzt „Wüstenblume“ heißt.
Waris Dirie, die in diesem Buch ihre Lebensgeschichte erzählt, wurde in Somalia als Kind von Nomadeneltern geboren und flüchtete als junges Mädchen, weil ihr Vater sie – wie es den Sitten entsprach – zwangsverheiraten wollte, mit einem Mann, der Jahrzehnte älter war als sie. Ihre Flucht endet zunächst in Mogadischu bei einer Tante. Dort wird sie als Putzfrau und Babysitterin benutzt, bis sie eines Tages eine Entscheidung trifft, die ihr Leben grundlegend ändert. Sie nimmt eine Stelle bei einem ihrer zahlreichen Onkel an, der als Botschafter nach London geht. Eine Nomadentochter aus Somalia in Europa, die kein Wort englisch spricht und nur mit dem ausgestattet ist, was sie am Leib trägt – das verspricht spannend zu werden. In der Tat macht Waris eine unglaubliche Entwicklung. Sie wird ein erfolgreiches Topmodel, emanzipiert sich, zieht nach New York und benutzt unter dem Einfluss einer bekannten Zeitschrift ihren Bekanntheitsgrad, um als UNO-Sonderbotschafterin gegen ein Ritual zu kämpfen, das jedes Mädchen in Somalia über sich ergehen lassen muss: die Beschneidung.
Und genau da liegt der Hund für mich begraben: nach allem was ich vorher über das Buch gehört hatte, erwartete ich, dass das Thema Beschneidung einen viel höheren Stellenwert einnimmt. Genau das war der Grund, warum ich mich so viele Jahre nie an „Wüstenblume“ herangewagt hatte. Ich erwartete ein erschütterndes Buch, so erschütternd, das ich den Schmerz nachempfinden würde, den die Mädchen in vielen afrikanischen Ländern über sich ergehen lassen müssen. Doch dem war nicht so. Natürlich ließ mich die detaillierte Beschreibung von Waris eigener Beschneidung und ihrer Folgen nicht kalt. Aber letzten Endes scheint mir „Wüstenblume“ tatsächlich nur ein Mittel zum Zweck: das Thema populär zu machen. Denn Frau Dirie ist weder eine außergewöhnlich gute Schriftstellerin noch eine mir in irgendeiner Form sympathische Frau. Demnach ist es mir schleierhaft, warum sie als Autorin so in den Himmel gelobt wird.
Immer wieder hatte ich den Eindruck, dass Waris mehr oder weniger dazu überredet wurde, ihre Lebensgeschichte als Buch zu veröffentlichen, um noch mehr Menschen für den Kampf gegen das grausame Beschneidungsritual zu gewinnen. An einigen Stellen hatte ich sogar das Gefühl, dass es einen Ghost Writer gab, der ihre Erzählungen zu Papier brachte. Anders kann ich es mir nicht erklären, warum so oft die Unterschiede zwischen dem afrikanischen Kontinent und der „westlichen Zivilisation“ betont werden und der Leser mitunter wie ein kleines Kind darüber aufgeklärt wird, dass es in Afrika Löwen gibt. Ich scheine auch gar nicht so Unrecht zu haben. Oder wie ist es zu erklären, dass im Buch – wohlbemerkt nicht auf der Titelseite als Autoren zwei Namen angegeben sind?
Bis zum Ende des Buches wurde ich den Eindruck nicht los, dass Waris Dirie – trotz ihrer entbehrungsreichen Kindheit und Jugend, ein verwöhntes Gör ist: nicht im materiellen Sinne, sondern eher in ihrem oftmals sehr egoistischen Verhalten, das sie an den Tag legt.
Ein Beispiel, was mich sehr entsetzt hat: als Waris noch zu Hause lebte, nahm sich ihr Vater eine zweite Frau, die nur unwesentlich älter war als seine Kinder. Die Kinder hassten sie, was ich ihnen nicht einmal verdenken kann. Als diese Frau eines Tages einem der Brüder eine Ohrfeige verpasste, drehten die Geschwister durch. Sie hängten sie, an den Füßen gefesselt, kopfüber an einen Baum, und überließen sie zwei Tage lang ihrem Schicksal. Dass die Frau überlebt hat, ist für mich ein Wunder. Zitat: „Dass das Blut zwei Tag lang in ihren Kopf floss, hatte wohl ihr Gehirn erfrischt, denn sie wurde liebenswürdig und höflich. [...] Da dachte ich bei mir: Es geht doch. Du hättest dich von Anfang an so benehmen sollen, du kleines Miststück. Dann hättest du dir viel unnötigen Kummer gespart.“
Auch viele Jahre später amüsiert sich Waris, die inzwischen schon lange nicht mehr in Somalia lebt, noch gemeinsam mit ihrem Bruder über ihre Tat von damals. Hier fehlt mir jegliches Verständnis. Waris prangert die grausame Praxis der Beschneidung an, nimmt sich aber selbst das Recht heraus, Menschen körperlich zu misshandeln.
So auch in einem anderen Fall: eine ihrer Cousinen, die sie in Mogadischu betreuen muss, verschwindet eines Nachmittags. Waris entdeckt sie nach langer Suche in einem Tunnel zusammen mit einem Jungen, an dem die Cousine ihre Neugierde an männlicher Anatomie stillt. „Den ganzen Heimweg schlug ich meine Cousine mit einer Rute; noch nie hatte ich vor einem Kind solche Abscheu empfunden.“
Ihre Ehrlichkeit bei der Erwähnung dieser Ereignisse mag man ihr zugute halten, aber in ihren Worten finde ich nicht eine winzige Spur von Reue.
Das alles macht es schwierig für mich, ehrliches Mitgefühl für diese Frau zu empfinden und dieses Buch so zu loben, wie es viele andere vor mir getan haben.
„Wüstenblume“ ist ein wichtiges Buch, weil es die Welt für das Thema Genitalverstümmelung sensibilisiert hat. Und für Menschen, die gerne Biographien lesen, ist es sicher empfehlenswert. Aber das war es dann auch schon. Ich weiß, dass viele Leser vollkommen anderer Ansicht sind. Vielleicht haben aber auch einige von ihnen nur Angst davor, einen Menschen zu kritisieren, der eine schlimme Kindheit hatte, so als hätte man kein Recht dazu, nur weil man selbst nicht beschnitten wurde. Ich bin ehrlich, und meine:
Waris Erinnerungen sind unbestritten außergewöhnlich, spannend und interessant.
Wer aber ein literarisches Highlight erwartet, sollte lieber die Finger von diesem Buch lassen.
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Hardcover-Ausgabe des Weltbild Verlags
350 Seiten
Wohl kaum jemand wird behaupten können, noch nie von diesem Buch gehört haben, stand es doch monatelang in allen möglichen Bestsellerlisten, und die Presse stürzte sich auf die „Frau des Jahres 1998“ (ZDF-Magazin „Mona Lisa“). Die arrogante Reaktion der Bibliothekarin, als sie mich, meine offensichtliche Dummheit belächelnd, darauf hinwies, dass ich die Autorin nicht unter dem Buchstaben W, sondern unter D suchen müsste, sprach Bände. Gut, nun weiß ich es: Waris ist also der Vorname der Autorin, der übersetzt „Wüstenblume“ heißt.
Waris Dirie, die in diesem Buch ihre Lebensgeschichte erzählt, wurde in Somalia als Kind von Nomadeneltern geboren und flüchtete als junges Mädchen, weil ihr Vater sie – wie es den Sitten entsprach – zwangsverheiraten wollte, mit einem Mann, der Jahrzehnte älter war als sie. Ihre Flucht endet zunächst in Mogadischu bei einer Tante. Dort wird sie als Putzfrau und Babysitterin benutzt, bis sie eines Tages eine Entscheidung trifft, die ihr Leben grundlegend ändert. Sie nimmt eine Stelle bei einem ihrer zahlreichen Onkel an, der als Botschafter nach London geht. Eine Nomadentochter aus Somalia in Europa, die kein Wort englisch spricht und nur mit dem ausgestattet ist, was sie am Leib trägt – das verspricht spannend zu werden. In der Tat macht Waris eine unglaubliche Entwicklung. Sie wird ein erfolgreiches Topmodel, emanzipiert sich, zieht nach New York und benutzt unter dem Einfluss einer bekannten Zeitschrift ihren Bekanntheitsgrad, um als UNO-Sonderbotschafterin gegen ein Ritual zu kämpfen, das jedes Mädchen in Somalia über sich ergehen lassen muss: die Beschneidung.
Und genau da liegt der Hund für mich begraben: nach allem was ich vorher über das Buch gehört hatte, erwartete ich, dass das Thema Beschneidung einen viel höheren Stellenwert einnimmt. Genau das war der Grund, warum ich mich so viele Jahre nie an „Wüstenblume“ herangewagt hatte. Ich erwartete ein erschütterndes Buch, so erschütternd, das ich den Schmerz nachempfinden würde, den die Mädchen in vielen afrikanischen Ländern über sich ergehen lassen müssen. Doch dem war nicht so. Natürlich ließ mich die detaillierte Beschreibung von Waris eigener Beschneidung und ihrer Folgen nicht kalt. Aber letzten Endes scheint mir „Wüstenblume“ tatsächlich nur ein Mittel zum Zweck: das Thema populär zu machen. Denn Frau Dirie ist weder eine außergewöhnlich gute Schriftstellerin noch eine mir in irgendeiner Form sympathische Frau. Demnach ist es mir schleierhaft, warum sie als Autorin so in den Himmel gelobt wird.
Immer wieder hatte ich den Eindruck, dass Waris mehr oder weniger dazu überredet wurde, ihre Lebensgeschichte als Buch zu veröffentlichen, um noch mehr Menschen für den Kampf gegen das grausame Beschneidungsritual zu gewinnen. An einigen Stellen hatte ich sogar das Gefühl, dass es einen Ghost Writer gab, der ihre Erzählungen zu Papier brachte. Anders kann ich es mir nicht erklären, warum so oft die Unterschiede zwischen dem afrikanischen Kontinent und der „westlichen Zivilisation“ betont werden und der Leser mitunter wie ein kleines Kind darüber aufgeklärt wird, dass es in Afrika Löwen gibt. Ich scheine auch gar nicht so Unrecht zu haben. Oder wie ist es zu erklären, dass im Buch – wohlbemerkt nicht auf der Titelseite als Autoren zwei Namen angegeben sind?
Bis zum Ende des Buches wurde ich den Eindruck nicht los, dass Waris Dirie – trotz ihrer entbehrungsreichen Kindheit und Jugend, ein verwöhntes Gör ist: nicht im materiellen Sinne, sondern eher in ihrem oftmals sehr egoistischen Verhalten, das sie an den Tag legt.
Ein Beispiel, was mich sehr entsetzt hat: als Waris noch zu Hause lebte, nahm sich ihr Vater eine zweite Frau, die nur unwesentlich älter war als seine Kinder. Die Kinder hassten sie, was ich ihnen nicht einmal verdenken kann. Als diese Frau eines Tages einem der Brüder eine Ohrfeige verpasste, drehten die Geschwister durch. Sie hängten sie, an den Füßen gefesselt, kopfüber an einen Baum, und überließen sie zwei Tage lang ihrem Schicksal. Dass die Frau überlebt hat, ist für mich ein Wunder. Zitat: „Dass das Blut zwei Tag lang in ihren Kopf floss, hatte wohl ihr Gehirn erfrischt, denn sie wurde liebenswürdig und höflich. [...] Da dachte ich bei mir: Es geht doch. Du hättest dich von Anfang an so benehmen sollen, du kleines Miststück. Dann hättest du dir viel unnötigen Kummer gespart.“
Auch viele Jahre später amüsiert sich Waris, die inzwischen schon lange nicht mehr in Somalia lebt, noch gemeinsam mit ihrem Bruder über ihre Tat von damals. Hier fehlt mir jegliches Verständnis. Waris prangert die grausame Praxis der Beschneidung an, nimmt sich aber selbst das Recht heraus, Menschen körperlich zu misshandeln.
So auch in einem anderen Fall: eine ihrer Cousinen, die sie in Mogadischu betreuen muss, verschwindet eines Nachmittags. Waris entdeckt sie nach langer Suche in einem Tunnel zusammen mit einem Jungen, an dem die Cousine ihre Neugierde an männlicher Anatomie stillt. „Den ganzen Heimweg schlug ich meine Cousine mit einer Rute; noch nie hatte ich vor einem Kind solche Abscheu empfunden.“
Ihre Ehrlichkeit bei der Erwähnung dieser Ereignisse mag man ihr zugute halten, aber in ihren Worten finde ich nicht eine winzige Spur von Reue.
Das alles macht es schwierig für mich, ehrliches Mitgefühl für diese Frau zu empfinden und dieses Buch so zu loben, wie es viele andere vor mir getan haben.
„Wüstenblume“ ist ein wichtiges Buch, weil es die Welt für das Thema Genitalverstümmelung sensibilisiert hat. Und für Menschen, die gerne Biographien lesen, ist es sicher empfehlenswert. Aber das war es dann auch schon. Ich weiß, dass viele Leser vollkommen anderer Ansicht sind. Vielleicht haben aber auch einige von ihnen nur Angst davor, einen Menschen zu kritisieren, der eine schlimme Kindheit hatte, so als hätte man kein Recht dazu, nur weil man selbst nicht beschnitten wurde. Ich bin ehrlich, und meine:
Waris Erinnerungen sind unbestritten außergewöhnlich, spannend und interessant.
Wer aber ein literarisches Highlight erwartet, sollte lieber die Finger von diesem Buch lassen.
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Hardcover-Ausgabe des Weltbild Verlags
350 Seiten
24 Bewertungen, 5 Kommentare
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02.10.2006, 15:28 Uhr von willibald-1
Bewertung: sehr hilfreichJo - es geht wohl auch eher um den Inhalt als um ein "literarisches Highlight".
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07.03.2006, 17:55 Uhr von anonym
Bewertung: sehr hilfreich...sh...*g*...Lg, Christina
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08.12.2005, 01:49 Uhr von morla
Bewertung: sehr hilfreichsehr hilfreich
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03.09.2005, 16:33 Uhr von Lotosblüte
Bewertung: sehr hilfreichnicht wirklich verstanden....
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08.06.2005, 21:36 Uhr von schokohase29
Bewertung: sehr hilfreichlobenswerte ehrliche meinung hast du eingebaut! toll!
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