Die Teerose (Taschenbuch) / Jennifer Donnelly Testbericht

Vorstellen möchte ich euch heute:
DIE TEEROSE
von Jennifer Donnelly

Erstanden hab ich es beim Bahnhofs-Antiquariats-Bummel mit StonerMcT und ob es sich gelohnt hat, ganze 2,99 € dafür hin zu legen, wird euch der nachfolgende Bericht zeigen.
Erschienen ist das imposante, 685 Seiten starke Werk im November 2004 im Piper Verlag, derzeit ist es in der 11. Auflage von April diesen Jahres zu bekommen. Lieferbar ist es unter der ISBN 978-3-492-24258-5 zum gebunden Ladenpreis von inzwischen 9,95 € - wer also kein Glück hat und es irgendwo auf dem Grabbeltisch entdeckt, muss in den sauren Apfel beißen - aber ich denke, das Geld ist gut angelegt.

Jennifer Donnelly, aufgewachsen im Staate New York, studierte an der Rochester University. Ihr erstes, hier von mir vorgestelltes Buch, gewann allein in Deutschland über 100.000 Leser. Danach erschien das Werk "Licht des Nordens", sowie das soeben veröffentlichte Hardcover "Die Winterrose", eine Art Fortsetzung der Teerose. Heute lebt sie, die eigentlich aus Schottland stammt, mit Ihrem Mann und Sohn (oder Tochter? Wieder einmal scheinen sich die verschiedenen Homepages nicht eingig zu sein…) in Brooklyn. Mehr Informationen gibt's unter www.jenniferdonnelly.com
Die Covergestaltung mutet wahrlich klassisch an:
Eine Frau ist zu sehen, deren Gesicht fast komplett von einem großen, mit Federn geschmückten Hut verdeckt wird. In der unteren Hälfte liest man, ganz in Piper Manier, den Namen der Autorin, sowie den Titel, schön beige unterlegt. Ziemlich dominant sticht im Vordergrund eine rote Rose hervor, die am Ausschnitt des Kleides das die Frau trägt befestigt ist.

Wer jetzt grübelt und denkt "Hat die was an den Augen? Das Buch sieht ja ganz anders aus, als auf dem Ciao Produktfoto!" ,der hat Recht, denn die mir vorliegende Ausgabe ist die reguläre, während die Ausgabe, die auf dem Foto zu sehen ist, eine Sonderausgabe ist, die schon längst vergriffen ist. Deshalb stell ich unten auch mal ein schönes Foto mit ein, sodass ihr euch ein eigenes Bild von der "normalen" Ausgabe machen könnt und euch bei der Suche nach dem Buch nicht noch irgendein anderes schnappt, das nicht halb so gut ist!
Inhaltlich scheint das Buch erst mal so gar keine Überraschungen parat zu haben:

Erzählt wird die Geschichte von Fiona Finnegan, die im ärmsten Stadtteil Londons, in Whitechapel, Ende des 19. Jahrhunderts aufwächst. Gut behütet von ihrer Familie, wachsen sie und ihre Geschwister zwar in bitterster Armut auf, aber dennoch voller Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Während ihr Vater in den Docks schuftet, nimmt Fiona die Arbeit als Packerin in einer Teefabrik an, um somit ein wenig Geld zum Familienleben dazu zu steuern.
Den kläglichen Rest des Lohns, den sie übrig behält, spart sie eisern, damit sie sich irgendwann mit ihrem Verlobten Joe den Traum von einem eigenen Laden erfüllen kann.
Schon schnell merkt auch der Vorarbeiter, dass sie neben ihrer Jugend und Schönheit noch viel mehr zu bieten hat: Die junge Irin hat ein untrügliches Talent dafür, die feinsten und exotischsten Teemischungen zu erkennen und zu kreieren.

Doch es läuft nicht alles nach Plan: Nachdem Fionas Vater, der neben seiner Arbeit in den Docks als Gewerkschafter tätig war, bei Unruhen ums Leben kommt, geht es der Familie finanziell und gesundheitlich immer schlechter.
Nach einigen weiteren familiären Schicksalsschlägen, bleibt ihr nichts anderes übrig als mit ihrem kleinen Bruder Seamie zu versuchen, nach Amerika auszuwandern, um dort beim gemeinsamen Onkel Michael unterzukommen.
Doch ihren Verlobten Joe muss sie in London lassen…

Mit viel List und Geschick schafft sie es jedoch sich und ihren Bruder heile nach New York zu bringen, nur um dort vor einem weiteren Scherbenhaufen zu stehen: Ihr Onkel Michael ist nach dem Tod seiner Frau dem Alkohol verfallen, lässt seinen Laden verkommen und seine Tochter von "Fremden" aufziehen.
Doch Fiona resigniert nicht und packt an: Sie will den Laden des Onkels wieder eröffnen und mit viel Mühe und Hilfe von ihren neuen Freunden gelingt es ihr.
Schon recht bald schafft sie sich und ihrer Familie ein neues Heim, eine neue Existenz und ein glückliches, fast sorgenfreies Leben.

Ihr gelingt es im New York der Jahrhundertwende eine Kette aus eleganten Teesalons und edlen Feinkostgeschäften aufzubauen, die sie ihr altes, ärmliches Leben in London fast vergessen lassen.
Doch so ganz lässt es sie nicht los, und somit beschließt sie nach 10 langen Jahren, voll harter Arbeit, nach London zurück zu kehren um sich auf die Suche nach ihrer alten, großen Liebe Joe zu machen und auch um die, die den Tod ihres Vaters zu verantworten haben, zur Rechenschaft zu ziehen…

Kleine Leseprobe gefälligst?
"Onkel Michael?" rief Fiona an der Schlafzimmertür ihres Onkels. "Onkel Michael, hörst du mich? Du musst jetzt aufstehen." Keine Antwort. Er lag auf dem Rücken, in Laken verheddert auf seinem Bett. Seine Hemdhose war schmutzig, in den Socken waren Löcher.
"Vielleicht ist er tot", gab Seamie zu bedenken.
"Fang nicht wieder damit an, Seamie. Er ist nicht tot. Tote schnarchen nicht."
Wieder rief sie den Namen ihres Onkels. Als er immer noch nicht antwortete, schüttelte sie ihn. Er schnarchte weiter. Vorsichtig schlug sie ihm auf die Wange, dann packte sie einen Arm und zog ihn hoch. Er fiel wieder zurück. Angewidert gab sie ihm einen Klaps und ging dann ins Badezimmer.
Im Lauf ihrer ersten, schlaflosen Nacht in New York war Fiona zu der Überzeugung gelangt, dass Michael seinen Laden nicht verlieren durfte, weil sowohl sein als auch ihr Lebensunterhalt davon abhing. Gestern, nachdem sich Seamie zu einem Nickerchen hingelegt hatte, war sie einkaufen gegangen. Sie musste sieben Straßen weit gehen, bevor sie einen anständigen Laden fand. Der Inhaber war von der gesprächigen Sorte, fragte sie, wer sie war, und erzählte dann, dass er ihren Onkel kannte und wusste, wie schwer er gearbeitet hat, um das Haus zu kaufen. "Er hat gut verdient mit seinem Geschäft. Das könnte er wieder, wenn er mit dem Saufen aufhören würde", fügte er hinzu.
Nachdem se zurückgekommen war, krempelte sie die Ärmel hoch, band den Rock zusammen und machte sich ans putzen….
(S.253/254)

Eine typische Szene, die ich für euch ausgewählt habe: Das Leben Fionas und ihrer Familie ist geprägt von harter Arbeit, aber dennoch auch von untrüglicher Hoffnung.
Frank McCourt sagte zu diesem Buch: "Eine großartige Geschichte und genau das, was wir in Zeiten wie diesen brauchen."


Doch wie fand ich es?
Eigentlich sollte es Urlaubslektüre sein, denn für mich gibt es nichts schöneres als mit einem guten Buch am Strand zu liegen und in einer faszinierenden Geschichte zu versinken. Wie gesagt eigentlich, denn bis zum Urlaub dauert es noch lange und ich konnte es einfach nicht länger im Regal stehen lassen, sodass ich es mir Ostern geschnappt habe und wirklich in einem Rutsch weg gelesen habe.

Die Geschichte Fionas hat mich sehr fasziniert, mich gefesselt und mich nicht in Ruhe gelassen, bis ich es zu Ende gelesen hatte.
Manchmal brauche auch ich einfach ein Buch, welches sich zügig runter lesen lässt, wobei mich die Charaktere überzeugen und dessen Handlung mich einfach dahin schmelzen lässt.
Und genau das hat das Buch erfüllt.

Die Handlung ist sehr durchdacht und dicht gestrickt: Neben der Hauptperson Fiona, spielen auch noch einige andere Figuren eine große Rolle, sodass es ständig einige Nebengeschichten gibt, die das Ganze aber nicht verwirren, sondern sich nach und nach zu einer großen, vollständigen Geschichte komplettieren.
Sprachlich und stilistisch gesehen ist es ein Buch, welches relativ einfach gehalten ist - es dient wirklich nur der reinen Unterhaltung und nicht dem persönlichen Anspruch, aber dennoch, es hat das Gewisse etwas, welches mich fesselte.

London, gerade auch Whitechapel, aber auch das New York zur Zeit der Jahrhundertwende werden überzeugend beschrieben: Oftmals düster, dreckig und gefährlich, aber auch heimisch und familiär.
Klar, es ist auch eine Geschichte die vor Kitsch nicht halt macht, eine unsterbliche Liebesgeschichte erzählt und auch einige heiße Liebesszenen nicht zu kurz kommen lässt, aber dennoch kommt auch die Spannung nicht zu kurz. So wird nebenbei Jack tue Ripper dingfest gemacht und auch den gefährlichen Mördern von Fionas Vater kommt man sehr schnell auf die Spur.

Alles in allem ist dieses knapp 700 Seiten starke Epos in sich stimmig, erzählt von großer unersättlicher Liebe, ist dennoch spannend, fesselt total und macht einfach Spaß zu lesen - und manchmal braucht man / frau so etwas, oder?