Ducati 900 SS Testbericht

Ducati-900-ss
Abbildung beispielhaft
ab 81,92
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Summe aller Bewertungen
  • Fahreigenschaften:  gut
  • Gewicht:  leicht

Erfahrungsbericht von gleitschirm

Noch lange kein ALTES Eisen ...

4
  • Fahreigenschaften:  gut
  • Gewicht:  leicht

Pro:

s.b.

Kontra:

s.b.

Empfehlung:

Ja

Ducati 900 SS i.e.

Vorurteil:
_______
Wer ab und an bei mir liest, weis es schon, ich mag Motorräder! Speziell grosse 1 und 2 Zylinder jeglicher Bauart (ausser Chopper oder neu deutsch Cruiser).
Als mir daher letztens ein Freund angeboten hat seine Ducati 900 SS i.e BJ 1999 für ein Wochenende zu fahren, konnte ich logischerweise nicht nein sagen.
Hier meine Erfahrungen von knapp 700 Ducatikilometern in 2 Tagen durch die Westalpen.
Um eines vorweg zu nehmen, die Zeiten in denen Motorräder aus Italien mit vielen Kinderkrankheiten zu tun hatten, sind glücklicherweise vorbei. Nicht, dass das einen echten eingefleischten Italo-Fan speziell die Ducatisti abgeschreckt hätte, aber viele Motorradfahrer legten heute ihr Geld lieber in verlässliche Serienware an. Die Ducati 900 SS verbindet die Individualität eines Italo-bikes und der Verlässlichkeit einer Grossserienfertigung.

Ein paar Fakten und Hintergründe:
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Die 900 Ducati SS war schon in den 70iger Jahren ein Kultmotorrad, das mit technischen Leckerbissen, wie z.B. der desmodromische Ventilsteuerung (Ventilzwangssteuerung ohne Ventilfedern) oder einer Königswelle (Nockenwellenantrieb per Welle, die über zwei Kegelradpaare umgelenkt wird) der damaligen Konkurrenz ein gutes Stück voraus war.
Die einzigartige Königswelle musste inzwischen, vermutlich aus Kostengründen, einer wartungsarmen Zahnriemenventilsteuerung weichen.
Dafür erhielt die 900SS den seit der Monster (90/91) üblichen Gitterrohrrahmen und seit BJ 1998/99 eine Einspritzanlage statt der bis dahin verbauten Vergaser.
Technische Daten:
2 Zylinder V 2, 90 Grad Zylinderwinkel längseingebaut (L-Form)
Hubraum: 904 ccm
Leistung: 79 PS bei 7500
Drehmoment: 76 Nm bei 6500
desmodromische Ventilsteuerung OHC
6 Ganggetriebe
Kettenantrieb
Tankinhalt 17,5 Liter
Gewicht (vollgetankt) ca. 200 kg
Spitze ca. 220 km/h

Neben den Ducati Sportlern 916 998/999 ist die SS zwar ein rechtes Mauerblümchen geworden, aber als klassischer Sporttourer kann der öl-/luftgekühlte Zweiventiler auch heute noch gegen die aktueller S4 antreten.

Motor und Fahrleistungen:
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Der V 2 startet unter allen Bedingungen (kalt, warm und heiss) dank der Einspritzung auf den ersten Knopfdruck. Der Choke (eigentlich nur eine Drehzahlanhebung) kann sehr schnell zurückgenommen werden, ohne das der Motor abstirbt oder unrund laufen würde.
Subjektiv hätte ich ihm mehr als die 79 Papierpferde zu getraut. Ab knapp 3500 Touren dreht er kräftig und geschmeidig bis in den roten Bereich hoch. Unterhalb von 3500 Touren kommt es gelegentlich zu recht heftigen Lastwechselreaktionen, d.h. die gute Duc schlägt zum teil recht deftig mit der Kette, oder der V2 stirbt auch mal schlagartig ab. Dies vermiest einen den manchmal unvermeidbaren Stop ´n´ Go Verkehr. Hier wäre wohl noch etwas Abstimmungsarbeit (Einspritzung und Schwungmassen) der Ducati Techniker notwendig gewesen. Oberhalb der magischen 3500 Grenze sind fast keine Lastwechselreaktionen mehr zu spüren. Bedingt durch das sehr gut schaltbare 6 Ganggetriebe, lassen sich auch mit 79 PS erstaunliche Fahrleistungen erreichen, wobei das Metier der 900 SS hier eher kurvige Landstrassen sind. Für lange Etappen auf der Autobahn fehlt dann doch eindeutig Motorleistung.

Fahrwerk und Ausstattung:
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Die bei der von mir gefahrenen 900SS montierten Michelin Pilot Sport harmonieren super mit dem vorn wie hinten voll einstellbaren Fahrwerk der Duc, der Grip des Reifens war enorm – den Pilot Sport muss ich mir glatt mal für mein R1100S überlegen.
Das Fahrwerk ist Duc typisch, vermutlich auch wegen des mässig breiten 170iger Hinterreifens, recht handlich aber auch bei hohem Tempo stabil, die 900 SS lässt sich spielerisch von einer Schräglage in die andere bringen. Ganz enge Kurven (z.B. Haarnadelkurven in den Alpen) sind nicht so ganz ihr Ding, da wird die Duc kippelig und man hat das Gefühl sie fällt von selbst in die Kurve hinein.
Die Bremse vorn, obwohl mit Stahlflexleitungen und einem 4fach verstellbarem Handbremshebel ausgerüstet, funktioniert aus meiner Betrachtungsweise nur befriedigend. Die Bremsleistung ist zwar gut, ebenso wie auch die Standfestigkeit der Anlage, aber die Handkräfte sind enorm und die Ansprechzeiten nicht mehr up-to-date. Über die hintere Bremse lässt sich eigentlich nichts Gutes sagen, weil die Bremswirkung eher gegen null geht, was bei einer Bremslastverteilung von geschätzt 90% (vorn) : 10% (hinten) aber auch nicht ganz so schlimm ist!
Die Sitzposition ist eher sportlich, was zusammen mit dem doch recht straffen Fahrwerk dem Komfort nicht besonders zuträglich ist. Der Soziusplatz sieht auch nicht besonders langstreckentauglich aus – mangels Sozius kann ich dazu aber keine Wertung abgeben.
Der Windschutz der niedrigen Verkleidungsscheibe ist gut, der Helm liegt bei meiner Grösse zwar voll im Wind, wobei aber kaum Verwirbelungen auftreten und somit der Geräuschpegel angenehm niedrig ist.
Erfreulich ist die hochwertige Verarbeitung der Duc, wie zum Beispiel die super exakten Schweissnähte am Gitterrohrrahmen und die makellose Lackierung. Stauraum ist überraschenderweise unter der Sitzbank zu finden – eine Regenkombi oder der in Österreich obligatorische Verbandskasten finden dort locker Platz!

Verbrauch, Reichweite, Service:
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Erfahrung aus der Verfeuerung dreier Tankfüllungen: Egal ob man die Duc auf der Schnellstrasse / Autobahn prügelt oder auf der Landstrasse gemütlich gleiten lässt oder in den Alpen Pässe hoch klettert, die 900 SS genehmigt sich immer zwischen 6 – 7 Liter Super auf 100km, das ist für 79 PS fast ein wenig viel!
Bei einem 17,5 Liter Tank ist dabei die Reichweite bei diesem Verbrauch doch recht beschränkt. Nach knapp 200 km leuchtet die Reservekontrolle auf und mahnt zur Suche nach Treibstoff – etwas wenig!

Die von Ducati vorgeschlagenen Serviceintervalle von 10.000 km sind vorbildlich lang. Auch die Garantie von zwei Jahren ohne Kilometerbegrenzung ist zeitgemäss.
Der Preis lag 1999 bei 18500 DM nach Verhandlungen.

Fazit:
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GUT:
Hohe Verarbeitungsqualität, ansprechende Fahrleistungen, erstaunlich handlich und doch stabiles Fahrverhalten.
SCHLECHT:
Heftige Lastwechsel unterhalb von 3500 Touren, Bremshandkräfte, kleiner Tank und geringe Reichweite
GESAMT:
Wer nicht den aller neuesten Supersportler oder Sporttouren braucht, ist mit der 900 SS immer noch sehr gut bedient. Die Fahrleistungen sind trotz nur „79“ PS durchaus angemessen. Wer sich mit der sportlichen Sitzhaltung und der doch recht derben Federungsabstimmung anfreunden kann findet mit der 900 SS eine klassische Ducati, die es in den Bergen und auf Pässen mit leistungsfähigeren Motorrädern locker aufnehmen kann.


cu
Qmac © Nov 2003

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