Der Verdacht (Taschenbuch) / Friedrich Dürrenmatt Testbericht

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ab 5,16
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Erfahrungsbericht von StarlightII

-°Vom Verdacht insVerhängnis°-

Pro:

das Buch an sich, der Autor

Kontra:

vielleicht ist es zu kurz?

Empfehlung:

Ja

Hallöchen liebe Leser!
Nach langer Abwesenheit melde ich mich heute endlich’mal wieder mit einem neuen Bericht zurück. Hierbei werde ich mich ein weiteres Mal versuchen, ein Buch zu präsentieren, es handelt sich dabei um „Der Verdacht“ von Friedrich Dürrenmatt.

Wie ich gerade dazu kam, dieses Buch zu lesen? Nun ja, wir haben es in der Schule behandelt! :o) Aber ich muss zugeben, dass ich Dürrenmatt sehr gerne lese und nicht nur in der Schule!!


-°Das Cover°-
Zunächst einmal erscheint das Buch im Diogenes Verlag und hat folglich das typisch weiße Cover. In der Mitte davon ist ein dünner Rahmen gezeichnet, der das Foto eines schwarzen Mannes auf türkis-grünem Hintergrund zeigt. Unterhalb des Bildes ist der Name des Autors zu lesen, darunter der Titel „Der Verdacht“ des Buches. Alles in allem wirkt das Design sehr schlicht und kühl.


-°Zum Inhalt°-
Alles begann damit, dass der alte Kommissär Bärlach in ein Krankenhaus in Salem in der Schweiz im Jahre 1948 eingeliefert wurde. Ihm wurde die Diagnose Krebs gestellt, er hatte sich bereits einer Operation unterzogen. Man eröffnete ihm, er habe nur noch ein Jahr zu leben. Eines Tages sah er in der Zeitschrift „Life“ von 1945 ein Bild des Arztes Nehle, der als Arzt im Konzentrationslager Stutthof seine Häftlinge ohne Narkose operierte. Das Bild zeigte ihn gerade während einer dieser Operationen. Dr. Hungertobel glaubt in dem angeblich durch Selbstmord verstorbenen Naziarzt Dr. Nehle seinen ehemaligen Kommilitonen Emmenberger zu erkennen. Zusammen mit Bärlach erwecken sie den Verdacht, dass der berüchtigte Arzt aus Stutthof mit Dr. Emmenberger, dem Leiter eines Privatklinik namens Sonnenstein, identisch sei.
Trotz seiner Pensionierung und Krankheit ließ Bärlach dieser Verdacht nicht in Ruhe, sodass er Nachforschungen nach allen Richtungen betrieb, um seinen Verdacht zu überprüfen.
Wie er überhaupt zu dem Verdacht kam, lässt sich leicht erklären: Emmenberger und Nehle ähnelten sich äußerlich sehr. Beide hatten eine Operationsnarbe über der Schläfe und eine an der linken Hand. Zudem waren sie beide Ärzte im selben Metier.
Um den Verdacht zu erhärten, versuchte Bärlach zusammen mit Hungertobel das Verbleiben der beiden Ärzte zu rekonstruieren. Sie fanden heraus, das Fritz Emmenberger zur Zeit des Krieges (2. Weltkrieg) in Chile gewesen sein sollte und erst 1945 zurückkehrte. Er hatte in Santiago eine Klinik geleitet. Mittlerweile besäße er seit seiner Rückkehr 1945 eine Privatklinik namens Sonnenstein auf dem Zürichberg. 1932 wanderte er nach Deutschland aus und schließlich nach Chile. Emmenberger sei einmal ein guter Wissenschaftler gewesen, so stellte sich heraus, doch waren seine Methoden eher fragwürdig. Hungertobel erzählte, dass Emmenberger bei seinen Patienten beliebt ist, er ist wie ein Gott für sie. Für Kommissär Bärlach festigt sich nach den Erzählungen von Samuel Hungertobel der Verdacht, dass Emmenberger seine Patienten zwingt, nach den Methoden die er im KZ Stutthof erlernte, ihm ihr Vermögen zu vermachen, und dass er sie hinterher tötete. Emmenbergers Spitzname war nämlich Erbonkel. Hungertobel versuchte, Bärlach seinen Verdacht auszuräumen, indem er ein „Alibi“ für Emmenberger brachte durch einen Artikel , den dieser bei seinem Aufenthalt geschrieben hatte, dass er wirklich in Chile gewesen sei. Mit seinen Artikel hatte er sich einen Namen gemacht, denn schon als Student zeichnete er sich literarisch aus. Allerdings merkte Hungertobel bei seinen Erzählungen an, dass Emmenberger heute nur noch billig ist, in dem was er tut. Bärlach dagegen ließ sich nicht so leicht davon überzeugen, studierte selbst weitere Zeitschriften mit Artikeln von Emmenberger, wobei ihm auffiel, dass dieser in der medizinischen Wochenschau deutsch schrieb - sein Stil, der sonst so ausgefeilt und exzellent war, nun reichlich unbeholfen wirkte. Bärlachs Verdacht war immer noch nicht ausgeräumt...Bald schon findet Bärlach Indizien, die dafür stehen, dass Emmenberger eben der KZ-Arzt ist...
In den weiteren Kapiteln geht es um da Aufdeckungen vieler Neuigkeiten, die sich unterschiedlich auf den Verdacht auswirken. An dieser Stelle höre ich nun auf, etwas zum Inhalt zu schreiben, sonst würde ich euch die Spannung und die eigenen Nachforschungen nehmen, falls ihr das Buch noch nicht kennt! :o)
Für Bärlach ist es keine moralisch e Verpflichtung, die ihn zum Aufklären dieses Falles treibt, sondern „ein unbändiger Trotz, ,in dieser Welt zu bestehen und für eine andere, besserer zu kämpfen, zu kämpfen auch mit diesem jammervollen Leib, an welchem der Krebs fraß.’“ (Klappentextzitat)


-°Die Charaktere°-
Aller voran ist natürlich Kommissär Hans Bärlach, der Anfang-Sechziger in Pension. Er ist ein ehrgeiziger Ex-Polizist, doch nimmt er im gesamten Roman eher eine passive Rolle ein. Bärlach ist mit der Welt unzufrieden, er ist clever, intelligent und verbissen, wenn er einen Verdacht hegt. Ein zeichnet eine gute Menschenkenntnis aus, am Ende des Buches erfährt der Leser zudem, dass er ein überzeugter Christ ist.

Dr. Samuel Hungertobel ist der behandelnde Arzt von Kommissär Bärlach, sein Alter kann man nur schätzen, ca. 50 Jahre alt. Er und Bärlach haben ein ziemlich freundschaftliches Verhältnis zueinander.

Dr. Emmenberger ist Chirurg und Leiter der Privatklinik Sonnenstein in der Schweiz. Er ist ca. 60-65 Jahre alt, absolvierte ein gutes Examen, sodass man früher daraus schließen konnte, dass er ein guter Arzt war. Kennzeichnend für ihn ist eine Narbe über der Schläfe sowie an der linken Hand. Er ist ein Einzelgänger.
Seine sadistische Ader zeit sich, indem er Menschen ohne Narkose operiert und sehr rücksichtslos handelt. Er grenzt die Freiheit anderer Menschen ein (die Spitalbewohner), um seine eigene Freiheit ausleben zu können. Alles in allem verkörpert er das Böse bzw. die Verbrachen der Nazis.

Dr. Nehle ist der vermeintliche KZ-Arzt in Stutthof, der die Häftlinge ohne Narkose operierte. Der Leser erfährt, dass Nehle am 10. August 1945 gestorben sei, indem er sich in einem Hamburger Hotel das Leben genommen hatte. Es wurde festgestellt, dass er sich vergiftet hatte. Auch er hat eine Narbe über der Schläfe und an der linken Hand.

Dr. Edith Marlok ist eine Ärztin im Spital Sonnenstein. Sie ist du war die Geliebte von Dr. Emmenberger. Der Leser lernt sie aber erst im zweiten Teil des Buches kennen. Sie war Häftling im Vernichtungslager Stutthof bei Danzig und wollte als Kommunistin gegen das Böse kämpfen. Wir erfahren, dass sie morphiumsüchtig ist, zudem hässlich und gefühlskalt. Durch ihre Vergangenheit im KZ ist sie vollkommen abgestumpft, alles ist ihr gleichgültig.

Der Jude Gulliver ist der Helfer und Informant Bärlachs. Er ist groß und vernarbt. Gulliver wurde im KZ von Emmenberger operiert und überlebte als Einziger, obwohl er eigentlich „tot“ ist. Er will sich an der Nazis rächen. -> „Anasver“

Der Zwerg ist das „Handwerkszeug“ von Emmenberger und ein vermisster Freund von Gulliver.


-°Der Schreibstil°-
Dürrenmatts Buch „Der Verdacht“ ist meines Erachtens nach auf normalem Sprachniveau, doch setzt er geringe Kenntnisse auf die Zeit des 2. Weltkrieges voraus. Sein Schreibstil ist daher relativ neutral und dem Thema angemessen. Alles in allem ist das Buch gut verständlich, auch wenn der eine oder andere (auch in meinem Kurs) zunächst leichte Verständnisschwierigkeiten in Bezug auf Dr. Emmenberger/ Dr. Nehle hatte. Man muss schon aufmerksam das Geschehen verfolgen, um Bärlachs Verdacht nachempfinden zukönnen, doch ist man einmal auf der richtigen Fährte, ist auch dies nicht mehr so schwer. Dürrenmatt beschränkt sich auf das Wesentliche seines Buches und erzeugt so keine allzu große Verwirrung im Leser.
Die Beschreibung ist fast bis zum Ende genau angemessen und erzeugt Spannung. Am Ende bei der Beschreibung eines Zimmers und der Auseinandersetzung mit dem Glauben wirkt das ganze etwas langatmig. Alles in allem lässt sich das Buch gut, einfach und flüssig lesen, sodass ich der Meinung bin, dass es hätte ruhig länger sein können! :o)


-°Der Autor°-
Friedrich Dürrenmatt , Schweizer Dramatiker und Erzähler wurde am 5.1.1921 in Konolfingen bei Bern geboren. Er starb am 14.12.1990 in Neuenburg. Dürrenmatt „vergegenwärtigte mit Ironie und Satire alle erstarrten Konventionen eines selbstgefälligen Kleinbürgertums.(Sein) Interesse galt dem mutigen Menschen, den er in Gegensatt zur heroischen Heldengestalt sieht. Seine Helden sind ohne Illusionen über die Veränderbarkeit der Welt oder erfahren dies im Handeln oder im Rückzug aus ihr und bestehen sie durch Nichtverzeifeln.(...) Dürrenmatt schrieb auch Hörspiele, die häufig zu Vorlagen seiner Dramen wurden.“
(F.A. Brockhaus GmbH: Der Brockhaus in fünfzehn Bänden; Band 3 Chl- Eir, Leipzig-Mannheim, 1997, S. 414)


-°Meine Meinung°-
Da ich vorab schon mehrere Bücher von Dürrenmatt gelesen hatte (u.a. Der Richter und sein Henker) und gerade letztes erst das Theaterstück zu „Die Panne“ gesehen hatte, ging ich neugierig an diesen weiteren Roman von Dürrenmatt heran. Ich freute mich schon richtig, ein weitere gutes (?) Buch von ihm zu lesen. Als ich erst mal begonnen hatte, das Buch zu lesen, konnte ich gar nicht mehr aufhören- wir hatten 3 Wochen Zeit zum lesen- ich war nach einem Tag fertig, da es mich so fesselte und ich unbedingt wissen wollte, wie alles ausging.
Das Thema an sich mit auf dem Hintergrund der Judenverfolgung interessierte mich dabei ungemein. Sicher ging ich mir der Haltung heran, dass Dürrenmatt nicht die Absicht hat, die Wahrheit wiederzugeben, doch ist es sicher möglich, dass solche Taten wie die Operation ohne Narkose durchaus hätten passiert sein können. Die Schrecken der Nazis sind heute ja noch präsent.
Die Beschreibung einer Operationsszene von Dr. Emmenberger und der Operationssaal ließen mir schon einen leichten Schauer über den Rücken laufen. Auch der Charakter der Dr. Marlok verstärkten diese Empfindung.
Die Ausführungen zum Glauben zwischen Emmenberger und Bärlach am Ende des Buches fand ich dabei auch ziemlich langatmig und langweilig, die Aufmerksamkeit des Lesens nahm deutlich ab. Aber gerade diese Szene ist so bedeutend: Es geht hier um die Freiheit und die Frage, wo Freiheit enden muss. Zudem geht es um die Abgründe des Nihilismus im Kontrast zum überzeugten christlichen Glauben. Alles dies basiert auf dem Hintergrund der Nazizeit.

Nicht nur, weil ich gerne Dürrenmatt lese, kann ich meine Empfehlung für dieses Buch aussprechen. Dürrenmatt hat hier ein rundes, ziemlich spannendes Buch auf einen interessanten Hintergrund geschaffen, das man wirklich gelesen haben sollte! Schon allein, um den Werdegang der alten Kommissär Bärlach nach zu verfolgen, ist dieses Buch absolut klasse!


-°Infos°-
„Der Verdacht“ erscheint im Diogenes-Verlag im Taschenbuchformat.
Der Preis für dieses 120-seitige Buch beträgt 4,90 €
Infos zum Verlag unter www.diogenes.ch

Danke für’s lesen, bewerten und kommentieren!
Ich hoffe, ich konnte euch mit dieser Buchpräsentation gute Infos geben, nachdem ich solange nicht mehr aktiv war! *g*

StarlightII am 23.o3.2oo4 für ciao und yopi

14 Bewertungen, 1 Kommentar

  • anonym

    29.08.2006, 12:47 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr hilfreich! Liebe Grüße!!!