Die Keltennadel Testbericht

Die-keltennadel
ab 1,31
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Erfahrungsbericht von catmother

Interessanter Grusel, doch voll am Leser vorbei

Pro:

gruselig, spannend, unvorhersehbares Ende

Kontra:

zu fachlastig, klischeehaft, zuviele angesprochene Themen

Empfehlung:

Ja

So richtig intelligente und anspruchsvolle Krimis oder Thriller sind in der Bücherlandschaft ja keine Massenware. Insofern klang der Klappentext zu diesem Roman hier, zumal von einem mir bisher unbekannten Autor, richtig einladend. Allerdings hatte ich mir da mehr erhofft.


** Die Geschichte **
Der Priester Liam Lavelle findet in der Kirche von Kilbride (Irland) eine bleiche Tote auf dem Altar: nackt ausgebreitet wie für eine Zeremonie, umringt von unzähligen Kerzen.
Detective Inspector Dempsey übernimmt den Fall und hat zunächst den Pater selbst in Verdacht. Von wegen schwarze Messe oder Ritualmord. Denn Lavelle verbrachte einige Jahre in Amerika und arbeite an einem Zentrum für Sektenüberwachung, kennt sich mit diesem Metier also bestens aus.

Bei der Obduktion stellt sich allerdings heraus, daß Sarah regelrecht ausgeblutet und von den Genitalien her sämtliche inneren Organe mit brutaler Gewalt zerstört wurden. Außerdem wurde durch ihre Wange eine sogenannte keltische Nadel (eine in Irland traditionelle, spitze Brosche) gestochen. In Anlehnung an diesen Befund entwickelt Lavelle eine für die Ermittler unglaubliche Theorie: es könnte sich hierbei um einen Ritualmord in Verbindung mit einer Reinigungszeremonie, angelehnt an einen alten keltischen Brauch in Zusammenhang mit der heiligen Brigitta, der Namensgeberin der Kirche und der Stadt handeln. Aber auch mit der islamischen Tradition des Tötens von Tieren könnte dieser Mord etwas zu tun haben und damit mit der fast explosiven Situation zwischen fanatischen Christen und islamistischen Immigranten in Irland.
Dazu verhört Detective Dempsey Wayno Bonner, einen radikalen Katholiken und Mitglied der Sekte des Zehnten Kreuzzuges, der wegen Körperverletzung an einem Islamisten im Gefängnis sitzt. Der faselt lautstark etwas von einer Bedrohung durch den Islam und zitiert apokalyptische Zeilen der Hildegard von Bingen.

Zur gleichen Zeit wendet sich Jane Wade, Musikreporterin eines Radiosenders, an Lavelle mit der Bitte um Hilfe, denn ihre Schwester Hazel ist in einer amerikanischen Sekte verschwunden.

Bei den Recherchen der Polizei stellt sich heraus, daß jene Keltennadel einzig in einem Laden des Schlosses verkauft werden, in dem William Butler Yeats, ein irischer Nationaldichter, gelebt hat. Dort kann man auch das Veilchenöl beziehen, mit der die Tote gereinigt wurde und dem man mystische Bedeutung nachsagt. Doch auch diese Spur führt in ein Chaos aus Theorieansätzen, geheimnisvollen Männern, die nicht zu existieren scheinen und neuen undurchsichtigen Figuren. So z. B. Becca de Lacy, eine irische Musikerin, die die düsteren Gedichte von Yeats mit spiritueller, sphärischer Musik vertont und der Mann an ihrer Seite, der sich als spiritueller Lehrer bezeichnet. Oder Michael Roberts, ein ehemaliger Priesteranwärter im gleichen Seminar wie Lavelle und Gründer des extremen Flügels einer Sekte in den USA, Hüter des Siebten Siegels, zu der auch Hazel Wade angeblich stieß.

Im großen und ganzen deutet alles auf islamistische Hintergründe, allein Lavelle hat einen anderen Verdacht, den er jedoch nie äußert.
Dann wird James Turner, der Führer der anti-islamistischen Bewegung des Zehnten Kreuzzuges, grausam hingerichtet und man findet eine zweite ausgeblutete Tote.


** Buchkritik **
So schwierig und unübersichtlich wie die Beschreibung der Handlung ist auch das Buch insgesamt zu sehen. Der Autor hat es sicher gut gemeint, aber in der guten Absicht ist er weit über das Ziel hinausgeschossen.

Der Roman beginnt spannend und schockierend. Doch an der Stelle, wo sich einige rote Fäden zu einem großen Strickmuster verbinden sollten, wird es voll unübersichtlich, überladen und hochgestochen.

In dem Thriller werden verschiedene Problemkreise angesprochen, und genau da liegt das Problem: es sind zu viele Aspekte, die Dunne in die Waagschale wirft: der Verfall der Sitten, ein Bild des modernen Irland, das wir kaum kennen, Identifikationsprobleme der Jugend mit den Religionen, Klerusfeindlichkeit, Endzeittheorien, Vorhersagen, biblische Texte, Theologiegeschichte und Sektenwesen, Religionstheorien und ihre Zusammenhänge mit heutigem Glauben. Das ist für meine Begriffe einfach zu viel. Abgesehen davon gibt es Passagen, bei denen ich ein Lexikon gebraucht hätte. Viele fach- bzw. religionsbezogene Termini sind mir noch nie untergekommen (Zoroastrismus, Shisma, Theosophie, Avatara) und machten das Buch absolut schwierig zu lesen. Man müßte fast sagen, Voraussetzung für die Lektüre ist ein Grundlagenwissen über Weltreligionen, Theologie, Bibel und Apokalypse. Und wer ist da schon so richtig bewandert?

Abgesehen werden auch eine Reihe von Klischees bedient, was die Figuren betrifft: ein Priester, der nicht unbedingt nur keusche Gedanken hat (oder ist das etwa modern?), eine junge schöne Journalistin, die wiederum von dem Priester fasziniert ist (immer sind alle Frauen jung und schön und ohne Kanten) – ein wenig zuviel für meinen Geschmack.

Erst auf den letzten 70-80 Seiten gewinnt der Schocker rasant an Fahrt und hat ein atemlos spannendes Ende, mit dem dann doch keiner gerechnet hat. Doch das reißt es leider auch nicht mehr raus.


** Mein Fazit **
Als echtes Fachbuch zum Thema Theologie oder Weltreligionen kaum geeignet, für einen Thriller trotz interessanter Einblicke in ein nicht allgemein bekanntes Gebiet zu fachspezifisch und damit leider voll am Leser vorbei.
Bedingt zu empfehlen.


** Daten **
Bastei-Lübbe-Verlag
Taschenbuch 430 Seiten
Originaltitel: Days of Wrath
aus dem Englischen von Fred Kinzel
erschienen: 2000
Preis: 8,45 €/ 16,53 DM (gebunden 20,40 €/ 39,90 DM)
ISBN 3-404-14645-X

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