EVT 4000e Testbericht

Evt-4000e
Abbildung beispielhaft
ab 30,44
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Erfahrungsbericht von C.A.McLane

Silent Running - Lautlos im Strassenverkehr

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Ein lautloser Scooter? Das sind doch diese Krachbüchsen, die man schon fünf Minuten hört, bevor man das diabolische Grinsen des meist jugendlichen Fahrers unter dem grell bemalten Helm sehen kann, das dann Zehntelsekunden später in einer "nussig" riechenden blauen Wolke verschwindet!

Richtig! Und genau davon hatten die Leute in Taiwan vor einiger Zeit die Nase gestrichen voll. Dort drohen nämlich die Großstädte im Zweitaktgestank zu ersticken. Immerhin produzieren die Fahrzeuge der Schnappsglas-Klasse teilweise mehr und giftigere Abgase als ein Mittelklassewagen. Also hat die taiwanesische Regierung vor einigen Jahren ein Programm zur Förderung abgasfreier Mobilität mit einem Budget von 900 Mio US$ beschlossen. Neben einer Förderung für Hersteller und Käufer von Elektro-Scootern wurde auch eine Infrastruktur zum kostenlosen Laden der Fahrzeuge aufgebaut. Einer dieser Hersteller ist die Firma EVT (Electric Vehicle Technology) in Taipeh, die momentan etwa 500 Elektro-Scooter pro Monat herstellt und verkauft. Seit ca. einem Jahr gibt es auch einen deutschen Vertrieb für diese Fahrzeuge und ich möchte hier meine Erfahrungen mit dem Modell EVT 4000e schildern.

Vor etwa anderthalb Jahren bin ich das erste Mal in meinem Leben so einen Elektro-Scooter auf einer Solarmobilveranstaltung gefahren. Als alter XT500-Fahrer stand ich einem solchen Gefährt sehr skeptisch gegenüber:
Ich auf einem Toaster(*)? Na gut er fährt elektrisch, aber hoffentlich sieht mich keiner meiner Kumpels! Na ja egal, nur mal ganz kurz ausprobieren...
Also, draufgesetzt und Zündschlüssel rumgedreht. Der Roller piept ein paar mal und das war's. Nix weiter. Kurze Frage an den Besitzer: "Ist der jetzt an?" "Klar," sagt der, "einfach Gas geben." Na gut, ich drehe am Griff, eine halbe Sekunde Pause ... und dann maschiert das Ding leise summend los wie von der Winde gezogen! Moment, was geht hier ab? Erst mal wieder anhalten und nochmal gaaanz langsam. Bremse lösen, ein wenig drehen, halbe Sekunde warten ... ah ja, so geht das! Nach drei Runden über den Parkplatz sind mir meine Kumpels egal und ein dümmliches Grinsen macht sich auf meinem Gesicht breit. Das Ding macht Spass! Weitere zehn Minuten später bin ich wieder in der Lage, meine Umgebung wahrzunehmen und sehe die Schlange von Leuten, die anstehen um den EVT auch mal auszuprobieren. Aus deren Minenspiel entnehme ich, dass meine Probefahrt nun definitiv zu Ende ist. Na gut. Ich halte an, steige ab und habe das große "H" in den Augen. "H" wie "HABEN!".

Im März 2001 bekam ich eine Email vom deutschen Vertrieb, der Firma Autosol in Konstanz, dass die Roller jetzt lieferbar wären, woraufhin ich mir sofort einen davon in Knallgelb bestellte. Drei(!) Tage später war er da. Seitdem bin ich bei gutem Wetter regelmäßig mit dem EVT unterwegs, bei schlechtem Wetter überlasse ich ihn gerne dem Freund unserer Tochter ;-). Bisher ist der Roller insgesamt 6000 km gelaufen.


AUFBAU:
Der EVT basiert auf einem klassischen Rohrrahmen mit der rollertypischen Kunstoffverkleidung. Diese besteht obenherum aus lackierten Teilen, ist aber unten in den sturzgefährdeten Bereichen und im Durchstieg aus durchgefärbtem grauen Kunststoff, der relativ unempfindlich und preisgünstig zu ersetzen ist. Die Radaufhängung besteht aus einer konventionellen Telegabel vorne und einer stählernen Kastenschwinge mit zwei Federbeinen hinten. Beide Räder werden durch sehr effektive hydraulische Scheibenbremsen verzögert. Die Bereifung ist jeweils 3.00x10 schlauchlos.


ANTRIEB:
Der Antrieb des EVT erfolgt über einen 1,5KW starken Gleichstrom-Radnabenmotor mit 48V (Volt, nicht Ventile!). Dieser bringt den Vorteil mit sich, dass es keine Reibungsverluste durch eine Kette geben kann. Auch entfällt das lästige Kettenschmieren und der regelmäßige Wechsel derselben. Allerdings erhöht sich dadurch auch die ungefederte Masse, was aber durch die recht dicken Reifen nicht unbedingt auffällt (wir wollen ja keine Rennen fahren).


BATTERIEN:
Die vier 50Ah Blei-Vließ-Batterien befinden sich unter dem kleinen Gepäckfach unter der Sattelbank. Da sie relativ niedrig verstaut sind, ergibt sich für das nicht ganz leichte Fahrzeug (127kg) ein doch recht niedriger Schwerpunkt.


LADEGERÄT:
Zum Fahrzeug gehört ein spezielles Ladegerät, welches sich unter der Sattelbank verstauen lässt und komplett leere Batterien an einer normalen Steckdose in vier bis fünf Stunden wieder auflädt. Man kann dann den Roller auch bedenkenlos an der Steckdose lassen, da das Ladegerät mit einem intelligenten Lademanagement ausgerüstet ist, was automatisch auf batteriepflegende und stromsparende Erhaltungsladung umschaltet. Für Vielfahrer ist gegen Aufpreis auch ein Schnellladegerät erhältlich, was die Ladung in nur zwei Stunden abschließt.


BEDIENUNG:
Die Bedienung des EVT ist für jeden, der schonmal mit einem motorisierten Zweirad gefahren kinderleicht zu erlernen. Eine Schaltung gibt es nicht, man hat zwei Bremsgriffe, einen Drehgriff zum "Stromgeben" und die üblichen Schalter für Blinker, Licht, Fernlicht und Hupe. Ergänzt wird die Ausstattung durch eine "Reichweitenanzeige" in Form von vier Leuchtdioden. Nach etwas Übung kann man damit die Restreichweite ziemlich gut abschätzen. Außerdem kann man auch mit fast leeren Batterien immer noch sehr langsam einige Kilometer weit dahinschleichen. Zusätzlich gibt es einen Power/Eco-Schalter mit dem man die Leistung begrenzen kann. Damit verringert man Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung etwas, gewinnt aber stark an Reichweite ... sehr sinnvoll, wenn man mal einen weiteren Weg vor sich hat. Übrigens wacht die interne Elektronik dauernd darüber, dass Batterien und Motor nichts Übles widerfährt. Bei Überstrom und Unterspannung wird der Roller automatisch abgeschaltet. Das Handling des Fahrzeuges ist für einen Roller recht gut.
An zwei Dinge muss man sich gewöhnen:
Zum Einen kann man nicht beschleunigen solange man die Bremse zieht. Das ist etwas ungewohnt beim Anfahren am Berg. Zum Anderen gibt es keine Motorbremse, was dazu führt, dass der Roller bergab beliebig schnell werden kann, solange man nicht aktiv bremst.


FAHRLEISTUNGEN/REICHWEITE:
Der EVT ist als Kleinkraftrad mit 45 km/h Höchstgeschwindigkeit angegeben. Bei guten Straßenverhältnissen bin ich im Powermode aber auch schon über 60 km/h gekommen. Die maximale Reichweite wird mit 50/70 km (Power/Eco) angegeben, was auch meinen Erfahrungen entspricht, zumindest im Sommer. Im Winter lässt die Leistung der Bleibatterien erwartungsgemäß aber recht stark nach, so dass dann je nach Temperatur nur 30 bis 40 km drin sind. Das Fahren mit Beifahrer ist unbequem, bei großen Personen praktisch unmöglich, da der Roller insgesamt recht klein gebaut ist. Die Beschleunigung ist erstaunlich, einen unfrisierten Zweitakter lässt man an der Ampel stehen. Die Bremsen gehen sehr beherzt ans Werk, haben einen guten Druckpunkt und lassen sich sehr gut dosieren. Allerdings verschleißen die Bremsbeläge recht schnell: nach ca. 5000 km sind neue fällig, die aber zum Glück nur ein paar Euro kosten.


KOSTEN:
Der EVT 4000e kostet incl. Ladegerät, Batterien und Überführung 2750 EUR. Die Stromkosten liegen bei etwa 0,50 bis 0,75 EUR pro 100 km! Ein Batteriesatz sollte laut Hersteller weit über 10.000km halten, und schlägt mit etwa 400 bis 500 EUR zu Buche (mehr dazu, wenn meiner so weit gelaufen ist). Ein optionaler Gepäckträger auf den man auch ein konventionelles Topcase montieren kann kostet 45 EUR. Für die Hausfrauen und älteren Herren unter uns gibt es auch ein Windschild für 125 EUR.


VERTRIEB:
Das Händlernetz ist im Aufbau begriffen, bisher gibt es deutschlandweit etwa 35 Händler. Bei der Firma AUTOSOL/EVT GmbH kann man auf "http://www.solarmobil.net/autosol.htm" oder per Email unter "[email protected]" mehr erfahren.


RESUMEE:
Trotz ein paar kleinerer Mängel, die ich problemlos selber beheben konnte, bin ich mit meinem EVT 4000e sehr zufrieden. Der geringe Verbrauch, das angenehm leise Dahinrollen, die Zuverlässigkeit und nicht zuletzt der hohe Spaßfaktor haben mich nie bereuen lassen, dass ich ihn gekauft habe. Ein abschließendes Urteil über die tatsächlichen Gesamtkosten kann ich allerdings erst abgeben, wenn die Batterien ihr Leben ausgehaucht haben, was hoffentlich noch eine Zeit dauern wird ... bisher laufen sie noch einwandfrei.
Vom Umweltgesichtspunkt her ist der EVT fast unschlagbar. Ein Verbrauch von etwa 5KWh/100km (entsprechend 0,5L Benzin), kein Motoröl, kein Lärm ... die Fakten sprechen für sich.
Für die Älteren unter uns ist der EVT meines Erachtens nach eine gute Alternative für tägliche Besorgungen oder die Fahrt zur Arbeit bei gutem Wetter. Die Jüngeren mögen sich überlegen, ob es der geile Sound wirklich Wert ist, seine Tankrechnungen selber zu bezahlen, oder ob man das Geld nicht sparen kann um seine SMS-Nachrichten zu finanzieren. Die Stromrechnung bezahlt schließlich Papa, gell?


PS: Diejenigen meiner Kumpels, die meinen EVT gefahren sind, lachen übrigens nicht mehr, wenn sie mich damit sehen!


(*)Fußnote:
Toaster hießen die Roller früher bei uns. Die alten Vespas hatten hinten rechts nämlich Kühlschlitze in der Verkleidung unter der das sehr heiße Polrad der Lichtmaschine lief. Wenn man da einen Toast reinsteckte ....

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