Eiffelturm Testbericht

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Erfahrungsbericht von sili74

Eine eiserne Dame blickt auf Paris herab

Pro:

traumhafter Ausblick, Kult

Kontra:

man muss schwindelfrei sein, eigentlich recht teuer

Empfehlung:

Ja

Einige von euch wissen vielleicht schon von meiner Liebe zu Paris. 3 x war ich schon in dieser für mich schönsten aller Weltstädte (Wen es interessiert - es gibt einen ausführlichen Bericht zu meinen Parisreisen)

Dieser Bericht ist aber speziell dem Eiffelturm gewidmet.
Ich werde euch von meinem ersten Besuch berichten, den ich der eisernen Dame mit einer Freundin abgestattet haben, die schon seit einigen Jahren in Paris lebt.



„BONJOUR, Silke! Willkommen in Paris! Ich hoffe, du wirst einen schönen Aufenthalt haben. Was möchtest du denn zuerst sehen?“

„Den Eiffelturm!“

„Das ist eine ausgezeichnete Idee. .. Da sind wir. Na, beeindruckt?“

„Natürlich!“

„Das überrascht mich nicht. Die alte Dame beeindruckt eigentlich jeden. Sie ist mit ihrer Fernsehantenne immerhin über 320 Meter groß.“

„Aber wozu nützt eine so gigantische Eisenkonstruktion überhaupt?“

„Um diese Frage zu beantworten, müsste man ein wenig ins Detail gehen. Während wir nach Eintrittskarten anstehen, werde ich dir etwas über die Geschichte des Turms erzählen. Vor nahezu 100 Jahren entschlossen sich die französischen Behörden, eine Weltausstellung zur Erinnerung an den 100. Jahrestag der Französischen Revolution (1789) auszurichten. Die Stadtverwaltung von Paris bat den bekannten Ingenieur Alexandre Gustave Eiffel um einen Vorschlag. Eiffel war zwar zuerst ein wenig überrascht, stöberte dann aber in seinen Unterlagen und brachte die Pläne für einen 300 Meter hohen eisernen Turm zum Vorschein, denen er bis dahin kaum Beachtung geschenkt hatte.
Das Ausstellungskomitee fand den Vorschlag recht interessant und schrieb einen Wettbewerb für das Projekt aus. Alle Arten von ausgefallenen Ideen wurden eingereicht, darunter auch eine gigantische Guillotine, die an die Französische Revolution erinnern sollte. Ein anderer Vorschlag war ein gemauerter Turm, aber Berechnungen und Erfahrungen aus der Vergangenheit belegten, dass es sehr schwierig wäre, ein steinernes Bauwerk zu erstellen, das noch höher wäre als das 169 Meter hohe Washington Monument, dessen Fertigstellung die Vereinigten Staaten einige Jahre zuvor viel Mühe bereitet hatte. Schließlich entschied man sich für Eiffels Plan. Das Kuriose dabei ist, dass die eigentliche Idee für den Turm, der Eiffel weltberühmt machte, nicht von ihm stammte.“

„Meinst du damit, dass Eiffel den Turm gar nicht entworfen hat?“

„Ja, genau. Er baute zwar den Turm, entworfen wurde er aber von seinen beiden Mitarbeitern Maurice Koechlin und Emile Nouguier. Man muss allerdings einräumen, dass man das Meisterstück, den Turm innerhalb von zwei Jahren fertig zu stellen, nur vollbringen konnte, weil man Eiffels spezielle Konstruktionsmethoden anwandte. Das hatte auch mit den Ausschlag gegeben, dass sich das Ausstellungskomitee für dieses Projekt entschied.“

„War Eiffel eigentlich schon bekannt, bevor er seinen Turm baute?“

„Ja, das kann man sagen. Er war für seine imposanten Eisenträgerbrücken berühmt, wie zum Beispiel die Ponte de Dona Maria Pia über den Douro bei Porto in Portugal. Er vollendete auch den Viaduc de Garabit, einen Eisenbahnviadukt in Südfrankreich, der mit 122 Metern über der Talsohle seinerzeit der höchste der Welt war. Man sollte auch erwähnen, dass er beim Bau des Eisengerüsts für ein anderes weltberühmtes Monument mitwirkte, nämlich für die Freiheitsstatue.
Bei allen Konstruktionen Eiffels war der Wind das Hauptproblem. Beim Bau des Eiffelturms griff er daher auch auf seine übliche Methode zurück und verwandte ein Gitterwerk relativ dünner Träger.“

„Bist du sicher, dass auch bei Sturm keine Gefahr besteht?“ frage ich besorgt.

„Keine Angst! Der gewaltige Eisenturm wird vom Wind nicht besonders in Mitleidenschaft gezogen. Selbst der stärkste Sturm, den man bisher in Paris gemessen hat (etwa 180 km/h), drückte die Turmspitze nur um 12 cm zur Seite. Die Sonne bewirkt tatsächlich schon wesentlich mehr. Die der Sonne zugewandte Seite dehnt sich durch die Hitze leicht aus, so dass sich die Spitze bis zu 18 cm zur Seite neigt.
Der Turm ist für seine Größe relativ leicht. Nach seiner Fertigstellung wog er nur etwas mehr als 7000 Tonnen. Zur Veranschaulichung möge folgendes Beispiel dienen: Ein maßstäbliches Modell von 30 cm Höhe würde nur etwa 7 Gramm wiegen! Tatsächlich ist der Druck pro Quadratzentimeter, der auf jedem seiner 4 Fundamente lastet, nicht größer als der Druck, den die Beine eines Stuhls ausüben, auf dem ein Mann mit durchschnittlichem Gewicht sitzt.
Um seinen Turm in der vorgegebenen Zeit fertig stellen zu können, verwandte Eiffel zum größten Teil vorgefertigte Teile. Die Löcher für die Nieten wurden bereits vorher an den richtigen Stellen gebohrt, und zwei Drittel der 2500000 Nieten auch gleich darin befestigt. Keiner der vorgefertigten Träger wog mehr als 3 Tonnen, was es sehr erleichterte, die Eisenteile an die vorgesehene Stelle zu hieven. Zu Beginn bediente man sich großer Kräne, und als die Konstruktion über sie hinauswuchs, übernahmen Eiffels ingeniöse Mobilkräne die Arbeit. Diese bewegten sich in den Schienen, in denen später die Aufzüge laufen sollten. Die reibungslos verlaufenden Arbeiten trugen sehr zur Sicherheit bei, der Eiffels größte Sorge galt. Während der gesamten Bauarbeiten gab es keinen tödlichen Unfall, was damals bestimmt eine bemerkenswerte Leistung war — und selbst heute noch wäre.“

„Aber wie gelang es ihm, all das zu erstellen?“

„Nun, las uns ganz unten beginnen. Bei den Ausschachtungsarbeiten für die Fundamente griff Eiffel wegen der Nähe der Seine auf eine Methode zurück, die er beim Brückenbau eingeführt hatte. In jedem der 16 Senkkästen des Fundaments befand sich eine Arbeitskammer, in die Druckluft geblasen wurde. Dadurch konnte kein Wasser eindringen, und die Arbeiter konnten den Aushub durchführen, ohne von durchsickerndem Wasser behindert zu werden.
Weder Eiffel noch seine Leute machten sich Sorgen wegen der Höhe des Turms, denn sie waren gefährliche Arbeitsbedingungen gewohnt. Eines der größten Probleme war für Eiffel paradoxerweise die erste Plattform. Massive hölzerne Gerüste mussten die vier geneigten Stützpfeiler und die gewaltigen Träger der ersten Plattform halten. Die vier Pfeiler ruhten auf mit Sand gefüllten Metallzylindern. Man konnte den Sand allmählich herauslassen und so die Pfeiler in die richtige Position absenken. Zusätzliche hydraulische Hebevorrichtungen in den Pfeilerfundamenten ermöglichten eine abschließende Justierung der vier Pfeiler, die man so an das Eisengerüst der ersten Plattform genau anpassen konnte.
Sobald die Plattform absolut horizontal lag, wurde sie an den Pfeilern befestigt, und die Hebevorrichtungen wurden entfernt. Dann konnten die Bauarbeiten am Turm selbst fortgesetzt werden. Langsam, aber stetig gingen die Arbeiten voran. Sie nötigten den Parisern, die den Turm himmelwärts wachsen sahen, Bewunderung und Erstaunen ab. So konnte Eiffel am 31. März 1889, weniger als 26 Monate nach Beginn der Ausschachtungsarbeiten, einige sportliche Würdenträger zur Erstbesteigung der 1710 Stufen einladen, um den Turm mit einem, wie Eiffel es formulierte, ‚formlosen Richtfest‘ einzuweihen. Aber keine Angst, Silke, wir benutzen den Fahrstuhl!“

„Sieh mal, da kommt er schon! Fahren wir gleich bis ganz hinauf?“ frage ich aufgeregt.

„Nein, auf der zweiten Plattform müssen wir umsteigen. Auch der zweite Aufzug fährt nicht ganz bis zur Spitze, aber wir werden etwa 275 Meter hoch sein, und die Aussicht dort oben ist wirklich großartig. An klaren Tagen beträgt die Sicht bis zu 65 km. Wie du siehst, fährt der erste Aufzug innerhalb der eisernen Stützen. Das warf damals größere Probleme auf, denn es erforderte ein System, bei dem der Aufzug die leichte Biegung zwischen der ersten und der zweiten Plattform bewältigen musste. Nur die Firma Otis konnte das Problem lösen, und sie erhielt daher natürlich auch den Auftrag, diesen Aufzug zu bauen.
Erst vor kurzem wurde der alte hydraulische Aufzug durch vier moderne elektrische Aufzüge ersetzt. So ist wie vor langer Zeit schon einmal der technische Fortschritt dem Turm zu Hilfe gekommen. Sonst würde nämlich die graziöse Silhouette der eisernen Dame heute in der Skyline von Paris fehlen.“

„Was meinst du denn damit?“

„Ich will es dir erklären. Ursprünglich wurde mit Eiffel vertraglich vereinbart, den Turm nach 20 Jahren wieder abzubauen. Im Jahre 1903 benutzte ihn dann General Ferrié, ein Pionier auf dem Gebiet der drahtlosen Telegrafie, für seine Experimente. So kam es, dass der Turm für militärische Zwecke erhalten blieb. Im Jahre 1921 wurde dann die erste Radiodirektübertragung vom Eiffelturm gesendet. Von 1922 an wurden regelmäßig Programme von Radio Tour-Eiffel ausgestrahlt. Der Turm dient jetzt auch schon 30 Jahre lang als Fernsehturm und misst zusammen mit der Antenne 320,75 Meter. Mehr als 40 Jahre lang war der Eiffelturm das höchste Bauwerk der Welt, bis er 1930 vom Chrysler Building in New York überboten wurde.“

„Ich frage mich, was die Pariser wohl über den Eiffelturm denken.“

„Die Meinungen haben sich im Laufe der Jahre sehr geändert. Einmal wurde er geliebt, und ein andermal wurde er gehasst. Damals, im Jahre 1887, hatten bekannte Schriftsteller — unter anderem Alexandre Dumas d. J. und Guy de Maupassant — und der Komponist Charles Gounod einen Protestbrief unterzeichnet, in dem sie ihn als einen ‚lächerlichen Turm, der wie ein riesenhafter Fabrikschornstein Paris dominiert‘, verdammten. Sie fügten noch hinzu: ‚Zwanzig Jahre lang werden wir den abscheulichen Schatten dieser verhassten Säule aus Eisen und Schrauben anblicken müssen, der sich wie ein Tintenklecks über die ganze Stadt ausdehnt.‘
Inzwischen haben sich die Gemüter aber wieder beruhigt, und die Pariser akzeptieren den Eiffelturm als einen Teil von Paris. Die eiserne Dame hat auch dem Zahn der Zeit widerstanden dank der 57 Tonnen Farbe, die man alle 7 Jahre für ihre Verschönerung benötigt. Sie wird 1989 immerhin 100 Jahre alt.
Natürlich sieht nicht jeder den Eiffelturm wie der Dichter, der ihn — oder französisch ‚sie‘ — als eine ‚Schäferin‘ inmitten ihrer ‚Herde der [Pariser] Brücken‘ bezeichnete. Aber wie auch du, Pierre, kommen Touristen aus der ganzen Welt hierher, um ihn zu sehen — jedes Jahr mehr als 3 Millionen Menschen! Einige besteigen den Turm wegen der Aussicht, andere wollen in den verschiedenen Geschäften Souvenirs kaufen oder eine Postkarte vom Sonderschalter auf der ersten Plattform abschicken. Wieder andere verweilen, um ein typisch französisches Essen in einem der Restaurants auf der ersten oder der zweiten Plattform zu genießen.“

„Vielen Dank für die Besichtigungstour und dafür, dass du mir alles so ausführlich erklärt hast. Wenn ich meine Freunde wiedersehe, werde ich ihnen ganz bestimmt erzählen, dass ich eine große alte Dame getroffen habe, die mit ihren fast 100 Jahren immer noch fest auf den Beinen steht und auf Paris herunterschaut.“

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