Der Letzte seiner Art (gebundene Ausgabe) / Andreas Eschbach Testbericht

ab 5,83
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Erfahrungsbericht von mima007

Spannend und melancholisch: das Ende eines Superhelden

Pro:

spannend, actionreich, philosophisch

Kontra:

melancholisch, könnte actionreicher sein

Empfehlung:

Ja

Es gibt eine ganze Reihe von Standardmotiven in der spekulativen Literatur, und eines davon ist der Kyborg. Die Abkürzung ist aus dem 1960 geprägten Begriff "kybernetischer Organismus" abgeleitet. James Camerons "Terminator" ist wohl der bekannteste Cyborg, aber vorher gab es schon den "Six Million Dollar Man" in einer TV-Serie. Regelmäßig finden die Kyborgs einen gewaltsamen Tod, ganz gleich, ob sie gut sind oder böse. Dass das Ende eines Terminators auch ganz anders aussehen kann, belegt Andreas Eschbach in seinem Roman "Der Letzte seiner Art".

Handlung
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Duane Fitzgerald lebt zurückgezogen in einem Häuschen vor den Toren des irischen Hafenstädtchens Dingle. Hier an der Westküste sprechen die Leute sogar noch Gälisch. Er hat sich gut eingerichtet, liest fleißig Bücher, philosophiert mit Seneca, dem antiken Römer. Jede Woche geht er zur Post, um ein Paket mit Nahrungskonzentrat, das aus den USA geschickt wurde, beim Postbeamten abzuholen. Und dann ist da noch Bridget Keane, auf die er ein Auge geworfen hat. Sie führt das Hotel Brennan, das alle Fremden beherbergt, die nach Dingle kommen. In letzter Zeit werden es merkwürdigerweise immer mehr.

Duane ist ein Mann in den besten Jahren, wie man so sagt, und bezieht eine Pension, die wie sein Nahrungskonzentrat auch aus den USA geschickt wird. Doch er kann sie nicht so recht genießen. Da er ist, was er ist, weiß er, dass er nie wieder normales Essen zu sich nehmen und nie mehr eine Frau lieben kann. Doch es gibt einen Ausgleich. Er besitzt Fähigkeiten, um die ihn manche Menschen beneiden würden. Er ist das Ergebnis eines geheimen Projekts der amerikanischen Regierung, eines Projekts, das fehlgeschlagen ist.

Man wollte den Supersoldaten erschaffen, eine Verbindung aus Mensch und Maschine, so etwas wie einen Terminator. Und tatsächlich hatte sich Duane freiwillig vom Marine Corps für das Projekt "Steel Man" gemeldet, um seinem Idol, dem "Terminator", nachzueifern. Die USA hatten auch Verwendung für ihn und die kleine Gruppe von seinesgleichen: im Golfkrieg 1990/91. Sie sollten eine autonom agierende spezielle Einsatztruppe bilden, um Punktziele hinter den feindlichen Linien anzugreifen.

Allerdings wurden die Experimente und Organersetzungen an den Steel Men überhastet durchgeführt. Der erste Projektleiter Prof. Nathan Stewart trat 1988 zurück, und weniger Befähigte folgten ihm. Viele Cyborgs starben an den Komplikationen. Das Projekt wurde gestoppt, die Supermänner in den Ruhestand geschickt, ehe sie zum Einsatz kamen. Für ihren Einsatz erhielten sie die Freiheit, dort zu leben, wo sie wollten. Dafür mussten sie versprechen zu schweigen. Duane wählte die Heimat seiner Vorfahren: Irland.

Aber nun hat das Schweigen ein Ende: Ein amerikanischer Bürgerrechtsanwalt, Harold Itsumi aus San Francisco, sucht fieberhaft nach Duane. Als er ihn findet, bietet er ihm an, ihn in einem Schadensersatzprozess gegen die US-Regierung zu vertreten. Es geht um Millionen, wenn nicht sogar mehr. Wenig später besucht Duane im Hotel Brennan Itsumi, um sich dessen angeblich geheime Unterlagen über "Steel Man" zeigen zu lassen. Ein Schuss fällt, Duane wechselt in den Kampfmodus, jagt seine 150 Kilo die Treppen hoch und in Itsumis Zimmer: zu spät. Der Mörder kann entkommen.

Die Unterlagen sind verschwunden, die Duane mehr über sich hätten verraten können. Und mit ihnen die junge Wirtin, Bridget Keane, von der er erfährt, dass sie Verbindungen zur IRA habe. Die örtliche Polizei befragt Duane als einzigen Zeugen, und die unbekannten Fremden, die mit Handys herumlaufen und ihn beobachten, nehmen an Zahl zu. Da wird sein Arzt Dr. O'Shea ermordet. Und wenige Tage später wird ein Amerikaner aus dem Hafenbecken gefischt.

Die Lage wird brenzlig für Duane. Selbst ein Cyborg kann es nicht mit den Geheimdiensten der Amerikaner und Iren aufnehmen. Außerdem weiß er nicht alles über sich: Er findet einen Mikrochip, den ihm Dr. O'Shea entfernt hat: Es ist ein Abschaltmechanismus für einen Cyborg. Er ahnt, dass in ihm auch ein Peilempfänger installiert ist, mit dem sie ihn überall auf der Welt aufspüren können.

Nach einem Geheimtreffen mit Bridget Keane muss sich Duane entscheiden: Was ist ihm der Eid noch wert, den er auf die US-Fahne geschworen hat? Und was die Freiheit, wenn er damit doch nur zum Spielball der Geheimdienste wird und alle in tödliche Gefahr bringt, die ihm nahe stehen?

Mein Eindruck
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Die Parallelen zum Plot von "Terminator" und "Rambo" boten sich an und sind auch zum Teil realisiert: Lt. Colonel George Reilly spielt die Rolle des Übervaters der "Steel Men" genau so, wie Richard McCrenna sie für Stallones "Rambo" spielte. Doch mit dem Ende des Projekts "Steel Man" ist auch Reilly überflüssig geworden. Und genauso wie die Cyborgs werden "sie" wohl auch ihn beseitigen.

Eine Kampfmaschine also auf dem Abstellgleis: Duane wähnt sich sicher, doch der Schein trügt, als das Gleichgewicht seiner Welt durch einen einzigen Mann zerstört wird. Die Zwielichtwelt der Geheimdienste und Top-Secret-Projekte kann Publicity nicht gebrauchen. Als ihm Bridget anbietet, Duane auf einem Ärztekongress in Dublin, bei dem es um Biotechnik geht, auftreten zu lassen, wäre das der Todesstoß für "Steel Man" und sein Nachfolgeprojekt "Dragon Blood". Aber wie Duane erkennt, wäre das der Tod für alle, die sich in seiner Begleitung befinden. Er ist der "Letzte seiner Art" und will der Letzte bleiben, der getötet wird.

Daher liegt über der Story ein Hauch von Melancholie, der sich auch nicht durch das sich steigernde existenzielle Drama verdrängen lässt, in das Duane gerät, als ihm die Nahrung und die Optionen ausgehen. Nicht einmal die Liebe zu Bridget Keane ist mehr eine Option, doch er kann ihr noch ein letztes Geschenk machen. Da hilft Seneca mit seinen tröstlichen Gedanken doch sehr.

Sehr schön fand ich, dass es Eschbach gelingt, den Schauplatz des Geschehens genau und stimmig einzufangen und darzustellen. Ich war selbst 1980 in der Gegend von Dingle, genauer: im größeren Städtchen Tralee, und denke, dass sowohl die Landschaft als auch die Bewohner der Dingle-Halbinsel dort gut getroffen sind. Ob allerdings in jedem Bewohner ein verkappter IRA-Sympathisant steckt, wage ich eher zu bezweifeln.

Eine erotische Szene über Duanes "erstes Mal" ist zu finden (im Gegensatz zum Hörbuch), ebenso aber auch große Teile der sogenannten Backstory, in denen viele seiner Kameraden auftauchen und geschildert wird, wie Duane ihren Tod erlebt und damit umgeht. Dadurch wird klar, dass das Ende des Lebens nichts Fremdes für ihn ist, sondern ein Bestandteil seiner Existenz als Cyborg. Diese Einstellung wird durch seine Lektüre Senecas noch untermauert: Alle Seneca-Zitate sind den Kapiteln vorangestellt. So ist er eine runde Persönlichkeit, deren finale Entscheidung verständlich und akzeptabel wird.

Unterm Strich
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So könnte man sich das Ende eines echten Terminators vorstellen. Irgendwo in Irland, in einem sonst verschlafenen Nest, endet seine Idylle als Pensionär jäh und verwandelt sich in eine Treibjagd, die zu einer Mordserie führt. Nicht nur der Cyborg selbst faszinierte mich durch seine eingebauten Superfähigkeiten, sondern auch seine Aktionen, wenn er versucht, die Mordserie aufzuklären.

Dabei gerät er aber vom Regen in die Traufe, und er sieht seine ultimative Abschaltung kommen. Doch es gibt immer letzte Möglichkeit, auch für einen Terminator: Seine Geschichte an die Welt weiterzugeben und diese Welt vor sich zu schützen.

Wer mehr Tiefgang möchte, sollte unbedingt zum Buch statt zum gekürzten Hörbuch greifen.

Michael Matzer (c) 2011ff

Info: Lübbe, Bergisch Gladbach 2003; 352 Seiten, ISBN 3404153057

75 Bewertungen, 20 Kommentare

  • anonym

    22.02.2011, 15:17 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schöne Grüsse, Talulah

  • hexi5

    21.02.2011, 18:14 Uhr von hexi5
    Bewertung: sehr hilfreich

    wünsch dir einen gute Wochenstart, Lg Lisa

  • anonym

    21.02.2011, 15:47 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Grüße vom Niederrhein, Willi

  • edelcat

    21.02.2011, 10:26 Uhr von edelcat
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüsse, Edeltraud

  • anonym

    21.02.2011, 07:23 Uhr von anonym
    Bewertung: besonders wertvoll

    Toller Bericht. Verdientes bw nachgeliefert.

  • anonym

    20.02.2011, 20:32 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüße Edith und Claus

  • Powerdiddl

    20.02.2011, 18:53 Uhr von Powerdiddl
    Bewertung: sehr hilfreich

    Arbeite mich grad durch die Mails der letzten Tage und wünsche noch einen schönen Sonntag.

  • Kater

    20.02.2011, 17:27 Uhr von Kater
    Bewertung: besonders wertvoll

    Das Buch habe ich auch gelesen. Die Story ist fand ich aber irgendwie abgekupfert.

  • Mandy82

    20.02.2011, 17:02 Uhr von Mandy82
    Bewertung: sehr hilfreich

    Einen schönen Sonntag wünscht Mandy

  • XXLALF

    20.02.2011, 13:27 Uhr von XXLALF
    Bewertung: besonders wertvoll

    und einen wunderschönen sonntag

  • Clarinetta2

    20.02.2011, 11:59 Uhr von Clarinetta2
    Bewertung: besonders wertvoll

    wie immer hervorragend bw

  • Tweety30

    20.02.2011, 11:16 Uhr von Tweety30
    Bewertung: besonders wertvoll

    BW und einen schönen Sonntag!

  • Miraculix1967

    20.02.2011, 09:47 Uhr von Miraculix1967
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schönen Sonntag und LG aus dem gallischen Dorf Miraculix1967

  • anonym

    20.02.2011, 01:03 Uhr von anonym
    Bewertung: besonders wertvoll

    Bw ganz eindeutig !!!!!

  • morla

    19.02.2011, 23:56 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    schönes wochenende lg. petra

  • katjafranke

    19.02.2011, 23:34 Uhr von katjafranke
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüße, schönes WE KATJA

  • Baby1

    19.02.2011, 21:25 Uhr von Baby1
    Bewertung: sehr hilfreich

    .•:*¨ ¨*:•. Liebe Grüße Anita .•:*¨ ¨*:•.

  • tina08

    19.02.2011, 20:47 Uhr von tina08
    Bewertung: sehr hilfreich

    Viele Grüße .... Tina

  • catmum68

    19.02.2011, 19:11 Uhr von catmum68
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr hilfreicher Bericht, LG

  • sigrid9979

    19.02.2011, 18:48 Uhr von sigrid9979
    Bewertung: sehr hilfreich

    Wünsche ein schönes Wochenende