Fables Of The Reconstruction - R.E.M. Testbericht

Fables-of-the-reconstruction-r-e-m
ab 22,08
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Erfahrungsbericht von northstar

Südstaaten Melancholie

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Intro:

Jaja, ihr dachtet schon ich vergesse meine Reihe der R.E.M. Plattenkritiken. Irrtum. *g* Direkt noch ein Bericht zu meinen Lieblingen. ;)

Heute widme ich mich einem Album, das bei vielen Leuten sehr zwiespältig auf genommen wurde. „Fables of the Reconstruction (of the Fables)“. Das Album, bei dem die Band drohte auseinander zu fallen. Das Album, bei dem man sich doch noch mal zusammen riss. Das Album auf dem man... „nettere“, mir fehlt ein besseres Wort, Lieder finden kann, als sonst wo in der bisherigen Diskographie der Band...


Wer meine doch schon recht große Zahl an Berichten zu R.E.M. CD’s bereits kennt, der weiß auch was nun folgt & darf den Abschnitt auch ruhig überspringen (der Rest ließt bitte aber weiter!); hier also die Bandgeschichte:

R.E.M. sind 4 Leute aus Athens, Georgia, einer Kleinstadt im Süden der USA, die außer einer Uni und einer regen Künstlerszene wohl wirklich nicht viel zu bieten hatte. Die Band traf sich mehr zufällig, einer kannte den anderen, der kannte wieder rum den nächsten, etc..

R.E.M. sind:

(John) Michael Stipe, Sänger, Texteschreiber und charismatisches Aushängeschild der Band.
Peter Buck, wandelndes Musiklexikon und Gitarrist.
Mike Mills, Bass, mit einer zwischenzeitlichen Vorliebe für extrem hässliche Anzüge.
Bill Berry, bis „New Adventures in Hi-Fi“ aus dem Jahre 1996 Drumer der Band.

Angefangen hat wohl alles bei einem legendären Konzert der 4 zusammen in einer ehemaligen Kirche in der Oconee Street in Athens. Das zur WG umfunktionierte Gotteshaus bot prima Platz um Parties zu feiern, auf einer dieser dann R.E.M. zum ersten Mal zusammen spielten. Seitdem probte man immer weiter, nahm später die EP „Chronic Town“ auf. Die verkaufte sich verhältnismäßig gut, die Single „Radio Free Europe“ wurde ein College Radio Hit. 1983 erschien dann die erste Platte „Murmur“. Was folgte war in etwa das hier: alle 2 Jahre eine Platte, dann der Wechsel des Labels zu einem Giganten der Plattenindustrie, zu Warner Bros., wenig später der oben erwähnte Megahit mit „Losing My Religion“, dann der Bekanntheitsgrad einer Topband vergleichsweise mit Acts wie U2, dann weiter Platten, gute Verkaufszahlen, aber nie mehr ein Megahit, dafür aber weitere unzählige zeitlos schöne Songs bis heute.

Mit der 2. Platte, „Out of Time“, für das große Label Warner Brothers kam dann der Durchbruch für R.E.M.. Oder der Ausverkauf, denn: R.E.M. waren zuvor noch immer eher underground, trotz 10jährigem Bestehen. Der Megahit „Losing My Religion“ brachte die Musik der Band in den Mainstream. Automatic festigte diesen Ruf, Monster stürzte ihn etwas um, weitere Veröffentlichungen zeigten aber, das man mit R.E.M. immer rechnen muß, das sie nie zum alten Eisen gehören werden, so etwa das letztes Jahr erschienene Album „Reveal“ ...


Cover & Booklet:


Auf dem Cover sieht man 4 Photos der Bandmitglieder, alles in sehr unwirklichen Farben gehalten. Die Mitte des Bildes nimmt aber ein Buch ein, welches in Flammen auf geht. Darüber gelgt, ein R.E.M.-Schriftzug, über dem Bild dann ein Teil des Titels, „Fables of the“. „Der Name erinnert mich an zwei aneinandergenagelte Orangen.“ Michael Stipe, in einem Interview zum Titel befragt.*
Im Booklet dann Photos von Holzpuppen und ähnlichen, die Titel, die Credits, ein Holzmensch mit Ohr auf dem Bauch. Kunst. Arty farty.


Hier nun die Tracks:

- Feeling Gravitys Pull – Schwerfällig geht’s los. Man spurt die Gravitation förmlich. Was dem Lied ja entgegen kommt. Dazu ein paar Streicher, insgesamt ruhig gehalten. Stipe ist unverständlich / unverstanden wie eh und je. Worum’s also geht? „I feel gravity’s pull“, und „step up, step up, the sky is open armed”, na gut, sagen wir mal Überwindung der Trägheit. Glaubt das einer? Ich schon.

- Maps And Legends – Dunkele, trotzdem leichte Gitarren schallen nach. Etwas schneller, ein fast verständlicher Sänger, eine klare Stimme. Den Inhalt aber unklar wie immer. “Maybe this map’s a legend, been misunderstood“. Nun gut, Legenden als Thema, ein Südstaaten Thema auf einem mehr denn je und eindeutiger als bisher Südstaaten Album.

- Driver 8 – Schnell, ein toller Riff des Herrn Buck. Ein tolle Melodie, ein all-time Klassiker. „Driver 8, take a break, we’ve been on this ship to long.“ Und man ist ja noch nicht mal da. Aber derweil ist es schön den Weg zu beschreiben, was Stipe nun tut. Dazu Mills der ihn wie so oft in den wichtigen Textzeilen ergänzt, begleitet. Wie gesagt, Klassiker.

- Life And How To Live It – Langsam, leise, dann schnell, ausgelassen, genial. „My carpet is out and running about“, wieder mal ein toller Satz, wieder mal schwer für mich den Inhalt zu erfassen. Manchmal will man das auch nicht, klingt doch schön, warum nachdenken? Wie anderorts schon mal gesagt, darin liegt eben auch ein Reiz, das man wenig oder eben nichts versteht, was da im Lied passiert. Wie gesagt, klingt schön; so auch hier...

- Old Man Kensey – Eine Südstaaten Story über nen alten Mann der gerne Hundefänger ware, “Old man Kensey, who wants to be a dog catcher”. Düster, schwerfällig in der Musik, aber mit leichter Stimme vorgetragen.

- Cant Get There From here – Das schnellste, ausgelassenste Stück der Platte. Ich galube nicht das man es ernst nehmen sollte, was stipe sich hier zusammen textet. Das sollte man wohl eh in den seltensten Fällen. Wohin es geht? Man weiß es nicht, nur das man von hier nicht dort hin kommt. „Kick the clay that holds the teeth in“, meine Lieblingszeile hier. Völlig sinnlos, aber who cares.

- Green Grow The Rushes – Eine ruhigeres, besinnlicheres Lied. Natur, Arbeit, Leben, die Themen hier. Wunderschön, ich kann wieder nicht zitieren, da ich den Text sehr schwer verstehe und er ja auch nirgends für mich vorliegt. Sorry. Toller Song.

- Kohoutek – Verstört, schnell, aufgebracht. Stipe haucht manchmal nur ins Mikrophon. Wieder aber schwer zu verstehen, Gott, wie soll ich so nen vernünftigen Review tippen? Kohoutek ist auf jeden Fall ne Person, der ist weg, ne Frau tut es ihm gleich. Tragisch. Traurig. Aber leider ein recht schnell überhörtes Lied.

- Auctioneer (Another engine) – Schneller, wirkt mechanisch, was an Bills Drums liegen mag. Stipe singt dazu seinen Text runter, nicht immer facettenreich, ausgebrochen wir hier nur selten. „Listen to the auctioneer“, das tun wir, aber was Stipe hier will, no idea, mal wieder...


- Good Advices – Stipe gibt Ratschläge. Ein Beispiel gefällig? „When you greet a stranger, look at his shoes, take your money in your shoes“. Befolgen wir das? Nicht wirklich. Dazu eine ruhige Melodie, nicht belanglos, aber so dahin fließend, trotzdem halt schön...

- Wendell Gee – Mein Lieblingsstück der Platte. Wieder mal ein Fabel der Südstaaten, erdacht von Stipes Geist. Eine traurige, melancholische Lebensgeschichte. Endet mit einem wunderbaren Banjospiel. Ja, da können einem schon mal die Tränen kommen, so süß, so zart klingt das Lied hiermit aus, „whistle as the wind blows...“


Kauf man die CD hier in Deutschland, dann ersteht man “Fables...”, ebenso wie alle anderen I.R.S. Platten der Band, mit dem überschrieben Titel „The I.R.S. Years Vintage 1985“. Darauf findet man zusätzlich 5 andere Stücke, die dann wären:

- Crazy – Ein Cover von Pylon, die kennt keiner, aber egal, auch auf “Dead Letter Office” zu finden. Hübsch zu hören, eher belanglos von der Message; gibt es eine? Stellenweise schräg, aber Stipe lässt seien Stimme dazu mitspielen, das Stück verkommt zur Stimmübung.

- Burning Hell – Jetzt werden R.E.M. rockig, näher sich ihren Vorbildern an. Stipe singt rauer, dreckiger als zuvor. Bedrohlich, düster, Rock eben.

- Bandwagon – “Come on aboard”, aber gerne, bei dem schönen Lied. Man singt recht schnell mit, hier mal ein gutes Zeichen, denn man versteht etwas. Dazu wieder eine eingängige Melodie, Mills singt auch schön mit, so mag ich das.

- Driver 8 (live) – Wie die CD Fassung, nur eben live; aber das merkt man fast nicht. Soll heißen: R.E.M. überzeugen nicht nur auf CD, sondern eben auch in echt. Großartige Band.

- Maps And Legends (live) – Akustische Fassung des Stücks, bei dem Stipes Stimme etwas mehr in den Vordergrund tritt. Wirkt zarter als das Original.


Alle Songs sind geschrieben von Berry, Buck, Mills & Stipe; außer „Old Man Kensey“, der stammt von R.E.M. & J. Ayers, den ich jetzt nicht kenne, aber der dafür Lob verdient. Produziert hat die CD Joe Boyd.


Fazit:

Eine schöne, ruhigere, kleinere Platte. Persönlicher würde ich sagen, kommt doch klar durch, woher R.E.M. stammen; Athens, GA. Der Süden der USA. So klingen dann auch die Songs. Obwohl man diese damals zumeist im verregneten London einspielte.

Und da die Platte nicht gerade ein Machwerk an Optimismus ist, war es klar, das die Band früher oder später richtige Schwierigkeiten bei der Arbeit hatte.
Es gab Gerüchte von trennung, Streit; somit ist dies auch eine Phase, so hört man immer wieder, die die Band gerne vergessen würde, die in Interviews gerne unter den Tisch fallen gelassen wird.

Ein unbequemes Thema – trotzdem, ein bequemes, schönes Album. Nicht zu übersehen, ich bitte darum...

Denn man verpasst sonst Perlen wie „Wendell Gee“ oder „Driver 8“ und das wäre ja schade. Deshalb direkt zuschlagen wenn man die Platte irgendwo sieht, da ist eh schon ein „nice price“ drauf! ;)


-------------------- by Northstar ´02 ----------------


Der obligatorische Tipp zum Abschluss:

Mehr Infos zu R.E.M. auf der Website der Band unter: www.remhq.com !
Dort jetzt aktuell zu finden: r.e.m.IX, ein Album das lauter, wie der Titel schon sagt, Remixe beinhaltet, nämlich von Tracks des letzten Albums, „Reveal“.


Diskographie:

1982 – Chronic Town
1983 – Murmur
1984 – Reckoning
1985 – Fables Of The Reconstruction (Of The Fables)
1986 – Lifes Rich Pageant
1987 – Dead Letter Office
1987 – Document
1988 – Eponymous
1988 – Green
1991 – Out Of Time
1992 – Automatic For The People
1994 – Monster
1996 – New Adventures In Hi-Fi
1998 – Up
1999 – Man On The Moon OST
2001 – Reveal
2002 – r.e.m.IX



* entnommen aus:
R.E.M. – Rolling Stone: Fakten, Artikel, Interviews, erschienen im Hannibal Verlag.

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