Fiat 126 Testbericht

Fiat-126
Abbildung beispielhaft
ab 16,94
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Summe aller Bewertungen
  • Fahreigenschaften:  gut
  • Fahrkomfort:  gut
  • Platzangebot:  durchschnittlich
  • Zuverlässigkeit:  sehr gut

Erfahrungsbericht von mawirtz

"Geben Sie dem noch die Brust?"

Pro:

klein, wendig, Verbrauch, kultig

Kontra:

Sicherheit, Zuverlässigkeit

Empfehlung:

Nein

Mein erstes Auto, MEINSMEINSMEINS! :o]
Zugegebenermaßen habe ich erst mal geschluckt, als mein Vater mir damals offenbarte, dass ich den Wagen von nun an fahren sollte, aber dem geliehenen Gaul guckt man ja nicht so besonders ins Maul...

Aber erst mal von vorne:

1) Wie ich zu dem Auto kam
Mein alter Herr hat eine Schwäche für Fortbewegungsmittel aus dem Archaikum des europäischen Automobilbaus. So kam es, dass er damals das Autolein mit wenig Kilometern erstand und ihn mir zur Nutzung überließ. Als Neuwagen hat der „Bambino\", wie er liebevoll von seinen Fans genannt wird, im Jahre 1984 6.666 DM gekostet, mein Vater hat für ihn noch 1.800 DM bezahlt, weil der Wagen erst 30.000 Kilometer drauf hatte und sowohl vom Rost her als auch technisch gut in Schuss war. Seine Vorbesitzer hießen mit Nachnamen „Adam\" und haben das auch mittels eines Aufklebers manifestiert, woraufhin die Karre einen Namen hatte. Adam, der erste Mensch, mein erstes Auto, und vom technischen Stand her war auch alles ziemlich „Adam\", einen passenderen Namen gab es für das Autochen einfach nicht...

2) Die Optik
Adam von außen:
Nun ja, siehe Bild, genau die Farbe war es, allerdings mit „Kugeldesign\"- Aufklebern drauf... man muss ihn einfach mögen! Im Gegensatz zum heute modernen Design Marke „rundgelutschtes Sahnebonbon\" ist das Aussehen des Bambino ziemlich markant. Retro- Style... mir gefällt er ganz gut, aber ich sitze ja auch meistens drin und nicht davor...
A propos drinnen:
Nüchternes Funktionaldesign, wo man hinblickt... braune Plaste und Elaste, alles ein wenig wackelig. Alles, was zur Fortbewegung nicht unbedingt gebraucht wird, wurde einfach weggelassen. Man findet nur die notwendigsten Armaturen. Tacho und Tankuhr teilen sich das Armaturenbrett zusammen mit den allernotwendigsten Kontrolleuchten. Alles ist übersichtlich und gut erreichbar. Klein ist hier relativ, ich hatte mich mit meinen 1,63 nicht eingeengt gefühlt. Die meisten Schalter funktionieren nach dem Prinzip „An/Aus\", Regelmöglichkeiten sind, wenn überhaupt, nur manuell vorhanden. Die Heizung funktioniert so lala und wird über Klappen an den Düsen geregelt. Die Pumpe für die Scheibenwischanlage ist ein luftgefüllter Gummiball. Einziger Luxus: ein Autoradio...

3) Fahreigenschaften
Insgesamt würde ich Adams Temperament als „gutmütig\" bezeichnen. Abrupte Richtungswechsel bringen ihn ebensowenig aus der Fassung wie scharfe Bremsmanöver. Fährt man zu schnell in die Kurve, untersteuert er nur leicht, wobei das Heck sauber in der Spur bleibt. Bei einer Länge von ca. 3 Metern, einer geringen Höhe und einem niedrigen Schwerpunkt samt 4 Rädern an den äußersten Ecken des Vehikels hat der Wagen eine Straßenlage wie ein Brett und kommt ohne Fahrelektronik aus, im Gegensatz zu den neuen City- Flitzern wie Smart (mein Tipp für eine neue Verkaufsstrategie: packt die Smarts doch in einen Riesen- Kaugummi- Automaten *g*).
Das Fahrwerk ist straff gefedert, ich fand es ganz angenehm, weil man immer genau weiß, über welche Art von Untergrund man gerade hinwegholpert... ist allerdings nichts für Leute mit einem „Prinzessin-auf-der-Erbse\"- Hintern...
ABS, ISP und sonstiges sucht man bei dem Bambino natürlich vergebens... hier bestimmt der Fahrer, wo es lang geht, das hat den Nachteil, dass man nicht zu übermütig fahren darf (soll man sowieso nicht) und den Vorteil, dass der Wagen auch nach einem Kurzschluss noch fahrbereit ist und nicht in die Werkstatt muss *fg*. Verglichen mit anderen Autos in dieser Altersklasse ist das Fehlen solcher Spezifitäten eher Standard...
Das Motörchen sitzt hinten, wo bei „großen Autos\" der Kofferraum zu finden ist. Da der Wagen auch Heckantrieb hat, bringt er die Traktion sauber auf die Straße. Aus 650 Kubik (das sind weniger als 2 Coladosen) zaubert der Bambino stolze 23 PS, die den Wagen mit seinem Leergewicht von nur 600 kg zumindest im unteren Tempobereich bis etwa 60 km/h erstaunlich flott von der Stelle bewegen. Das 4- Gang- Getriebe erlaubt in diesem Bereich auch einiges an Experimenten, und wer fleißig schaltet, fällt im fließenden Verkehr der Großstadt nicht negativ auf, sofern er über eine gewisse Lärmtoleranz verfügt. Der Verbrauch liegt im Stadtverkehr bei sagenhaften 6 Litern Normal Bleifrei (zuzüglich ein Schluck Blei- Additiv pro Tankfüllung, ist ja ein Oldtimer...).

Auf Großen Preis von Deutschland auf dem Frankfurter Kreuz!
Autobahnfahrten gestalten sich mit dem Bambino als äußerst abenteuerlich. Zieht man den dritten Gang bis Tempo 70 und schaltet dann in den 4. Gang, kann man es sich mit 90 Sachen auf der rechten Spur zwischen den LKWs gemütlich machen (ein komisches Gefühl... irgendwann fängt man an zu beten... eine zweistündige Autobahnfahrt reicht meines Erachtens für den Erlass von 3 Jahren Fegefeuer). Überholmanöver sind nicht drin, bei 110 km/h ist selbst bergab Ende Gelände. Sollte man sich dennoch mal wegen eines kriechenden Kieslasters auf die linke Spur wagen, wird man von linksblinkenden, lichthupenden Großlimusinen vor Beendigung des Überholvorgangs zurück auf die rechte Spur gescheucht und darf dann im 3. Gang bei Tempo 70 die nächste Steigung hochkriechen *drööööööööhn*

4. Übersichtlichkeit und Wendigkeit
Nun gerade in der Stadt gibt es immer einen Kampf um freie Parkplätze, und die sind nicht gerad üppig formatiert... und Klein Adam passte einfach überall rein. Die Parkplatzsorgen, die ich mit meinem jetzigen Auto habe, waren mir mit der Kiste einfach fremd. Obwohl ich wirklich nicht gut einparken kann, habe ich Adam auf Anhieb in Lücken reinmanövriert, die keine 30 cm länger waren als der Wagen.
Auch ohne Servolenkung lässt sich der Wagen gut bewegen, ein paar Fruchtzwerge mehr du dös passt scho... (ich bin eine eher zierlich gebaute kleine weibliche Person mit überwiegend sitzender Tätigkeit und ich dreh mir dabei keinen Wolf - wer was anderes behauptet, bekommt von mir das goldene Weichei im Becher verliehen!!! ).

5. Platzangebot
Vorne haben 2 Leute Platz. Da ich mit meinen 1,63 Metern und Konfektionsgröße 36 bestimmt nicht an die Kapazitätsgrenzen eines Autos stoße, kann ich aufgrund des Volumens um mich herum nur vermuten, dass der Wagen für größere und dickere Menschen nicht so bequem ist... ab 1,90 m könnte ich mir vorstellen, dass man ein wenig auf seinen Scheitel achten muss...
Im Fond ist es kriminell eng, Sicherheitsgurte gibt es dort auch nicht. Deswegen sollten dort meiner Meinung nach auch keine Personen transportiert werden.
Der Kofferraum unter der vorderen Haube (jaja da sitzt bei normalen Autos der Motor) verfügt neben einem Reserverad nur über geringe Kapazitäten. Der große Wochenendeinkauf landet also besser auf dem Rücksitz...

6. Kosten / Verbrauch
Soweit ich weiß, hat der Wagen damals neu 6.666 DM gekostet. Bezahlt hat mein alter Herr 1.800 DM. Der Wagen kostete an Steuern und Versicherung (45%) im Jahr etwa 600 DM.
Bei Stadtverkehr mit Stop and Go, Anfahren und Bremsen, im Leerlauf warten und wieder losfahren genehmigte Klein- Adam sich gerade mal 6 Liter Normal Bleifrei mit einem Blei- Additiv auf 100 Kilometer. Auf der Autobahn war Adam bei ständig Vollgas mit 5,5 Litern nur unwesentlich genügsamer.

Da der Wagen noch voll mechanisch funktioniert, halten sich die Reparatur- und Wartungskosten im Rahmen. Vieles konnte man (sogar ich) selber machen, ohne in eine teure Werkstatt fahren zu müssen. Die Ersatzteile sind billig, wenngleich auch etwas schwer zu beschaffen.

7. Sonderzubehör/ Extra- Ausstattung
Nix gab es. Ein Auto ist ein Auto ist ein Auto. Irgendwie eine sympathische Philosophie in Zeiten, wo einem der moderne Karren schon das Denken abnimmt.

8. Zuverlässigkeit / Reparaturen
Gerade im Winter konnte ich fast täglich den ADAC für Starthilfe ordern, ehe ich das Haus verließ. Irgendwas war immer.
Größere Fahrten bei sommerlichem Wetter waren auch tabu. Auf meinem Weg in die Lüneburger Heide habe ich es grade mal bis zu den Kasseler Bergen geschafft, danach war die Zylinderkopfdichtung durchgeschmort (Werkstatt, ca. 800 DM). Ich frage mich, wie komplette Gastarbeiterfamilien samt Gepäck mit diesen Vehikeln über die Alpen gekommen sind????

9. Komfort
Fehlanzeige. Die Sitze waren für meine Abmessungen o.k. Die Heizung war jedoch definitiv nicht für mitteleuropäische Schlechtwetterlagen ausgerichtet. Handschuhe und Mütze im Winter waren Pflicht.

10. Sicherheit
Es gibt keinerlei Sicherheitstechnik. Ich bin ehrlich gesagt ganz froh, dass ich den Wagen unfallfrei manövriert habe, denn das dünne Blech und die zierlichen Streben hätten im Falle eines Falles sicherlich keine gute Knautschzone abgegeben...
Hinten gibt es gar keine Gurte und vorne serienmäßig nur Gurte ohne Aufrollautomatik. Adam war allerdings mit ordentlichen Dreipunktgurten nachgerüstet.

Fazit:
Weniger Auto geht gar nicht.
Für die Stadt und für kurze Strecken auf ebenem Land ist der Wagen durchaus für Leute mit kleinem Geldbeutel und guter Lebensversicherung zu empfehlen, sofern sie über ein gewisses Know- How in Sachen Autoreparaturen verfügen. Ansonsten ist der Wagen nur für Liebhaber interessant. Da ich nicht über diese Fertigkeiten verfügte, habe ich meinem Vater den Wagen nach einem Jahr retour gegeben. Auch er hat irgendwann den Spass dran verloren und hat ihn verschenkt. Obwohl ich die Idee eines sparsamen, günstigen Autos eigentlich klasse fand und auch immer noch finde, ist der Bambino meiner Meinung nach als Gebrauchsgegenstand zu unzuverlässig und aufgrund der mangelnden Knautschzone auch nicht sicher genug für den täglichen Einsatz.

Meine Wertung muss ich differenzieren:
City- Verkehr: *****
Landstraße / Autobahn: **
Kult- Faktor: *****
Zuverlässigkeit: **
Sicherheit: *
Kosten: *****

Insgesamt ** aufgrund der Hänger in Punkto Sicherheit und Zuverlässigkeit, diese Wertung beziehe ich auf den Einsatz des Wagens im täglichen Gebrauch.

Ein Nachruf an Adam: Mein Süßer! Wenn Du mal gelaufen bist, hat es echt Spass gemacht mit Dir! Ehrlich!

23 Bewertungen