Fiat Punto Testbericht

Heute mal ein positiver Bericht von einem Wagen, der nicht von Ford hergestellt wurde.
Gibt´s nicht? Glaubt mir, bei diesem Fahrzeug hätte ich das auch niemals gedacht.

Also: Nachdem der Escort meiner Mutter nach vielen treuen Jahren den Besitzer wechselte, musste 1999 ein neues Fahrzeug her. Natürlich legte ich meiner Mutter einen Fiesta ans Herz, vor allem weil ich mich mit diesen Fahrzeugen mittlerweile recht gut auskenne und die Dinger echt zuverlässig sind.

Sie war dann auch im Autohaus, lehnte den Fiesta aber letztlich ab. Zu teuer, miese Ausstattung. Na gut, sie wollte Schnick-Schnack und das war dann wirklich teuer.

Eine Woche später kam sie freudestrahlend zu mir und sagte sie hätte ihr Auto gefunden.
Einen Fiat Punto.

Ich war echt entsetzt. Ich sagte ihr sie könne fast alles kaufen, aber doch bitte keinen Italiener!!!
Oh mein Gott, was habe ich sie bekniet dieses Fahrzeug zu vergessen. Aber all mein betteln und flehen half nichts. Sie unterschrieb den Kaufvertrag *grusel*

Auf den ersten Blick war es ein gutes Angebot. Ein halbes Jahr alt (BJ 1998), 15.000 km gelaufen.
In einem genialen blau-metallic, zwei Airbags, elektrische Fensterheber, Zentralverriegelung, Schub-/Hebedach aus Glas, Drehzahlmesser, Servolenkung, easyentry (war ja ein Dreitürer), geteilt klappbare Rückbank, Austellfenster hinten, Radio mit 4 Lautsprechern von Blaupunkt, blau hinterlegte Instrumente und 60 PS aus 1.242 ccm mit D3-Abgasnorm. Und das alles für 16.000 DM beim Händler. Sondermodell Cult.
(Zu dieser Zeit schrieb Fiat böse rote Zahlen und das drückte die Preise.)

Fragt jetzt nicht nach Kosten für Versicherung und Steuer. Ich war schließlich nur "Nutznießer". :-) Aber teuer war der Wagen in diesen beiden Bereichen jedenfalls nicht.

Ich durfte den Wagen dann abholen. Eins fiel mir beim ersten Betrachten gleich auf. Die Karosserie war sehr gut verarbeitet und wirkte irgendwie außerordentlich robust. Und der Lack war der Hammer. Eine wundervolle Farbe, mit einer phantastischen Leuchtintensität. Hab den Wagen in dieser Farbe auch nur zweimal in all den Jahren gesehen. Und vor allem nicht diese beschissenen, (sorry) lackierten Stoßstangen.

Dann also eingestiegen und erstmal geguckt. Nicht schlecht, schöne Polster, ansehnliche Farben im Innenraum, aber ein bisschen billig wirkender Kunststoff.

Schlüssel rein, Zündung an, Lichtmeer. So viel Elektronik in einem Fiat, dat wird nüscht!
Dann anlassen. Ein total überfordert und fies klingender Anlasser meldet sich zu Wort und bestätigt meine Vorurteile über die Qualität dieses Wagens. Aber erstmal egal, er läuft. Und es sind sogar die ganzen vielen Kontrolllampen aus. Waaaahnsinn!!!

Also ab auf die Straße, Motor warmfahren. Erste Überraschung: Was für ein geniales Getriebe. Knackig und leicht lassen sich die Gänge schalten, was für eine Freude. Was Besseres habe ich bisher nicht mehr erlebt. Dann der Tritt auf´s Gas. Nun ja, etwas lang übersetzt der Gute, aber für 60 PS echt okay. Und unglaublich leise. Bei 60 im fünften ist vom Motor GAR NICHTS zu hören. Toll!
Dazu ein schönes strammes Fahrwerk, nicht zu hart, aber gut zum Kurven räubern.

Um es vorweg zu nehmen. Nichts (außer die Karosserie) in diesem Wagen machte den Eindruck als sei es für längere Zeit gebaut. Aber es sah auch nur so aus.

Nun war es ja der Wagen meiner Mutter, aber ich habe reichlich Kilometer mit dem Wagen abgerissen. Der Verbrauch pendelte sich bei fast genau 6 Litern auf 100 km ein. Fällt Euch was auf? Das schreibe ich eigentlich bei jedem Auto *grins* Stimmt aber nun mal "leider".

Autobahn fuhr der Wagen nur mit mir am Steuer. Die Krönung waren mal 170 km/h auf dem Berliner Ring. Und da ist der Wagen dann nicht mehr besonders leise, also generell auf der Autobahn. Aber eigentlich immer erträglich.

Der Innenraum war wirklich schön. Ich kann nicht genau sagen woran es gelegen hat, aber irgendwie stellte sich in dem Wagen bei mir immer Sommerlaune ein. Frische Farben, viel Platz, alles so luftig. Es dauerte nicht lange und ich liebte dieses Auto.

Natürlich gab es auch Negatives: Die Tachonadel fing alsbald an zu zittern. Meiner Mutti war´s egal, sie störte es nicht. Mich machte es fast irre. Kurze Zeit später war eine Halterung des Auspuffs völlig abgerostet. Ich hab das Ganze mit zwei Schlauchschellen befestigt und der TÜV fand es okay.

Außerdem waren die Türen riesig. Aussteigen bei nebeneinander geparkten Autos? Akrobatik pur, um nicht die Tür irgendwo gegen zu donnern.

Schlecht waren die Scheinwerfer. Ich glaub die alten Bilux Käferscheinwerfer waren auch nicht schlechter. Aber in der Stadt ist das eh egal.

Tja, und das war es auch schon.

Gut einmal ist meiner Mutti der halbe Tank ausgelaufen, aber dafür konnte der Wagen nichts.
Sie hatte sich eine Standheizung nachrüsten lassen und die Werkstatt hatte gepfuscht (war aber keine Fiat-Werkstatt, DIE haben sogar immer recht ordentlich gearbeitet *erstauntguck*).

Eines störte mich aber und zwar von Anfang an. Der Wagen hatte keinen völlig sauberen Leerlauf wie ich es von einem Einspritzer einfach verlange. Das war besonders störend im Stau. Dort lasse ich ein Auto immer gern im ersten oder zweiten Gang ohne Gas rollen. Dabei ruckte es halt im Fiat immer etwas.

Hab natürlich die Werkstatt gefragt was das soll. Die erklärten mir, dass die Motorelektronik eben so programmiert sei, um die D3-Abgasnorm zu schaffen. Nun gut, ich habe mich daran einigermaßen gewöhnt und bei der AU war auch immer alles schön. Scheint also zu stimmen.

Außerdem rupfte die Kupplung nach dem Losfahren gern mal etwas, besonders wenn der Wagen mal etwas länger stand. Das verschwand aber immer schnell wieder.

Der Hammer war die Heizung. Wozu wollte meine Mutti eine Standheizung? Hallooooo, das war ein Fahrzeug aus dem sonnigen Süüüden! Warum bauen die Autos für sibirische Winter?

Platz war in dem Auto reichlich, einfach urgemütlich, der Kofferraum war nicht riesig, aber für ein Fahrzeug dieser Klasse schon nicht schlecht. Natürlich mit Entriegelung von innen.

Verkauft wurde der Wagen 2004. Mein Vater ging in Rente und zwei Autos wurden jetzt nicht mehr gebraucht.

Ich habe echt lange überlegt, ob ich den Wagen nehmen soll. ICH UND EIN FIAT!!! Ich musste verrückt sein. Letztlich habe ich mich doch für meinen Fiesta entschieden, schon allein wegen der besseren Maschine.

Ein Käufer ließ nicht lange auf sich warten und machte eine Probefahrt. Ein KFZ-Mechaniker, der auf mächtig schlau machte. Allerdings hat er sich auf der Fahrt einmal mächtig verschaltet. Das hat dermaßen gekracht, ich dachte das war es dann mit dem Schaltwerk. Ich sagte nur zu ihm: "Herzlichen Glückwunsch, sie haben gerade ein Auto gekauft." Er fand es nur mäßig witzig.

Zurück auf dem Parkplatz schlich er noch eine Weile um das Auto, aber hat nichts mehr gesagt. Gehandelt hat er auch nicht mehr. Entweder hat er wirklich nichts gefunden (ich hätte aber auch nicht gewusst was), oder er hat sich nicht mehr getraut.

Für 3.400 € ging der Wagen dann weg.

Zu diesem Zeitpunkt war der Wagen nicht mal 40.000 km gelaufen, war halt fast nur als Einkaufskörbchen genutzt worden.
Der Lack und die ganze Karosserie sahen immer noch aus wie am 1. Tag. Keinerlei Rost, außer am Auspuff, der aussah als sei er schon letztes Jahr abgefallen. Aber was soll´s, dicht und leise war er noch.

Wer weiß, vielleicht hätte sich ja meine Meinung noch bestätigt, wenn der Wagen älter geworden wäre. 40.000 km sind eigentlich lachhaft für ein 6 Jahre altes Auto.

Den Wagen sehe ich ab und an immer noch. Und er sieht immer noch klasse aus.

Letztendlich ein tolles Auto, welches immer super und zuverlässig gelaufen ist. Ich war echt traurig als die Kiste weg war.

Hab das wirklich ICH geschrieben? Der große Hasser aller italienischen Fahrzeuge??? Kneift mich!!! ;-)