Schau dich nicht um (Taschenbuch) / Joy Fielding Testbericht

Zum Buch:

Die 448 Seiten des Buches übersetzte Mechthild Sandberg-Ciletti aus dem Amerikanischen. Am 01. 04.1995 erschien das Buch im Goldmann-Verlag und kostet 8,95 €.

Zur Autorin:

Joy Fielding lebt in Toronto, Kanada. Um Chicago genauer zu betrachten, 700 Kilometer von ihrer Heimat entfernt, stellte sie Recherchen über das Leben dort an. Auch über das Rechtswissen eignete sie sich Kenntnisse an, da sie anders liegen wie in Kanada. Als Zuschauerin verfolgte sie einen Mordprozess in einem Gerichtssaal in Chicago, setzte sich mit Anwälten, Richtern und Staatsanwälten auseinander, um ihren Roman zu schreiben. Ihr Mann selbst ist ein Rechtsanwalt. Beide haben 2 Kinder.

Textausschnitt:

Er hat mich erwartet, dachte Jessica Koster, als sie zur Arbeit ging. Die Gestalt, die reglos an der Kreuzung California Avenue und 25. Straße stand, war ihr sofort aufgefallen. Sie hatte das Gefühl, dass der Mann sie beobachtete, als sie aus dem Parkhaus kam und die Straße zum Veerwaltungsgebäude überquerte. Sein Blcik war kälter als der scharfe Oktoberwind, der ihm durch die strähnigen hellen Haare fuhr, und er hatte die Fäuste geballt. Kenne ich ihn? fragte sie sich.

Schreibstil:

Personen und Begebenheiten beschreibt Joy Fielding in ihren Äußerlichkeiten und deckt damit den Charakter auf. Der Leser weiß ganz genau, wo die Handlungen stattfinden und zu welcher Jahreszeit. Gefühle und Gedanken der Verfolgten und des Jägers schildert sie in einer bildhaften, einprägsamen Sprache. Angst und Verzweiflung, das Entsetzen und die Erschütterung machen sich breit und dem Leser bemerkbar.

Inhalt:

Eine Staatsanwältin ermittelt in dem Fall einer Vergewaltigung einer 27jährigen Frau. Verfolgt von einem ihr unbekannten Mann fühlt sie sich als Gejagte und als Opfer.

Meinung:

Kraft ihrer Worte verdeutlicht Joy Fielding anschaulich die Arbeit der Juristin und die immer wiederabschweifenden Gedanken an den Verfolger. Die Fragen, die sie aufwirft und die in kursiv gehaltener Schrift eingeworfenen Gedanken der Frau setzen eine klare Gegenüberstellung.

Jessica Koster, die dem Fall einer jungen Frau nachgeht, die vergewaltigt wurde, lebt in Todesangst und Schrecken. Sie konzentriert sich trotzdem auf ihre Arbeit, reagiert gereizt. Manchmal zweifelt sie an sich selbst und ihrem Können, ihren eigenen Gedanken und dem Selbstvertrauen.
Ein Geistersatz wütet in ihrem Gehirn. Dieser Satz lässt sie nicht los. Bestürzt, entsetzt, erschüttert konnte ich mich in diese Frau hineindenken.
Die Staatsanwältin sieht Bedrohliches in ihrem Jäger. Alpträume lauerten auf sie in der Nacht, in der sie ihren Verfolger sah und spürte. Sie leidet unter Verlust- und Versagensangst, gibt aber nicht auf.

Der Verfolger übt Herrschsucht und Macht, den puren Egoismus auf sie aus. Gewinner will er sein, nicht der Verlierer. Das pure Entsetzen, Eiseskälte, Grauen, Angst und Schrecken enfacht er und weiß es ganz genau.

Lebendig geschrieben, die beiden Hauptfiguren ins rechte Licht rückend mit ihren Gefühlen und Gedanken, ihren Handlungen, zwischendurch die laufenden Gerichtsverhandlungen mit ihren Abläufen beschreibend, bringt Joy Fielding zum Ausdruck, in welcher Position beide stehen. Er verfolgt sie überall, selbst in ihren Träumen oder Gesprächen. Ihre Angst verstärkt sich zunehmend, lähmt sie, Entscheidungen zu treffen, Grenzen zu setzen.

Mörder und Täter stellen Opfer dar und siegen damit vor Gericht, ohne dass die Schauspielerei bemerkt wird. Einprägsam, sich mit ihren Figuren befassend und auseinandersetzend, ist dieser Roman klar in allen Darstellungen.
Gut und flüssig zu lesen, die Kontraste zu entdecken, überraschten mich.
Spannung kommt auf, weil ich mir sehnlichst wünschte, dass den zwielichtigen, gewalttätigen und skrupellosen Männern das Handwerk gelegt werden sollte und ihnen Gerechtigkeit gegen ihren Willen und gegen den Größenwahn und die angebliche Macht und Herrschsucht widerfährt. Sie sollten erkennen, dass Unterdrückung, Macht und Erpressung nicht ihr Ziel erreichen dürfen.
Dem Vergewaltigungsopfer wünschte ich mehr Mut, ihrem Täter die Stirn zu bieten. Die Verzweiflung, hervorgerufen durch die Machtspiele der Männer, ließen die Opfer erstarren. Die Vergewaltigte fürchtete sich davor, ihre Aussage vor Gericht zu machen.
Nach jedem Kapitel fieberte ich dem Ausgang und dem Urteil der Gerichtsverhandlungen entgegen.
Auch die verschiedenen Alpträume in unterschiedlichen Situationen und Räumen decken auf, was sich in der gequälten Seele und der Gefühlswelt der Juristin und der Vergewaltigten abspielt.
Den Tod sah die Staatsanwältin vor Augen, Entsetzen und Panik, Klammern der Gefangenschaft, Verzweiflung, Wut, das Nicht entrinnen können fühlte ich hautnah.

Kämpft für euer Recht!
Kämpft für euer Leben!
Kämpft für die Gerechtigkeit!
Bietet den Tätern die Stirn!
Geht euren Weg unbeirrt!
Ihr Frauen seid stark, nicht die Männer!
Lasst euch nicht erniedrigen!
Lasst euch nicht unterdrücken!
Vertraut euch selbst und eurem Gefühl!

schreit es zwischen den Zeilen heraus.

Entdecke dich selbst und das, was du willst und für richtig hältst. Schau nach dem, was dir Wohlergehen schafft und dir gut tut.
Dieses Buch ist in der Hauptsache gedemütigten und gepeinigten Frauen gewidmet und zeigt Tätern die Grenzen. Spitzenmäßig!!!