Die Löwen (Taschenbuch) / Ken Follett Testbericht

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ab 6,94
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Erfahrungsbericht von Anonym114

Nicht Folletts stärkster

Pro:

Spannung, komplexe Charaktere

Kontra:

nicht Folletts stärkstes Werk, etwas konstruierte Handlung

Empfehlung:

Ja

Mit Raubkatzen hat er es ja, der walisische Autor Ken Follett. Sein vorletzter Roman (inzwischen gibt es auf Englisch schon wieder einen neuen) hieß Die Leopardin. Aber schon viel früher waren es andere wilde Tiere, die Paten für einen Follett-Titel (zumindest in der deutschen Version) standen, Die Löwen.

SCHAUPLATZ:
Der war für mich gerade beim ersten Lesen faszinierend und auch ein wenig ein Anstoß, ihn mir ein
zweites Mal vorzuknöpfen: Ein Großteil der Geschichte spielt nämlich in Afghanistan. Vor drei Jahren war das für mich noch eine absolute Unbekannte. Durch den Afghanistan-Krieg und die deutsche Präsenz in Kabul konnte man ja in den Medien etwas mehr über Land und Leute erfahren. Die UDSSR hatten ihre Truppen 1979 nach Afghanistan geschickt. Der Roman spielt 1981 und spiegelt als Rahmenhandlung den Kampf der Rebellen gegen die sowjetischen Truppen und die amerikanische Unterstützung für die afghanischen Kämpfer wieder.
Weitere Schauplätze sind aber auch Paris, wo die Geschichte beginnt und die USA (New York City, Washington).

DIE LÖWEN:
Der Hintergrund so eines Titels ergibt sich manchmal nur beiläufig. Ein Großteil der afghanischen Handlung spielt im Fünf-Löwen-Tal. Mit diesen Löwen waren nach einer Sage, so erklärt eine der Hauptfiguren, fünf große Krieger gemeint, die jeder einen der fünf Wege ins Tal bewachten.

DIE HAUPTFIGUREN:
Diesmal stehen drei Personen im Fokus, zwei Männer und eine Frau. Doch zunächst lernt man als Leser einen anderen kennen Ahmet Yilmaz, einen jungen Terroristen. Er sucht die Hilfe von einer der Hauptfiguren, von Ellis Thaler.

ELLIS THALER:
Das erste, was man über ihn erfährt, ist, dass er von Yilmaz und seinen Freunden als Bombenexperte angesehen wird, ein Wissen, zu dem er als Soldat in Vietnam gekommen ist. Im gleichen Atemzug wird dann auch gesagt, dass Ellis Thaler sich selber als Dichter bezeichnet, aber seinen Unterhalt mit Englischunterricht verdient. Ellis ist bereit, Yilmaz und den anderen bei einem Anschlag zu helfen, der Geldgeber will ihn aber zuvor kennen lernen. Beim Treffen mit dem undurchsichtigen Unbekannten läßt Ellis eine ganz andere Bombe platzen: Er ist amerikanischer Geheimagent, durch seinen Tipp nimmt die Polizei alle übrigen Anwesenden fest. Ein Jahr lang hatte sich Thaler in ihre Szene eingeschlichen, mit dem Geldgeber ist ihm ein großer Fisch ins Netz gegangen.
In Paris hat Ellis Jane Lambert kennen und lieben gelernt. Doch als sie von seiner Tätigkeit erfährt, gibt sie ihm den Laufpaß.
Ellis kehrt in die USA zurück; dort lebt auch seine Tochter, doch für sie ist er nur der Teilzeitdad. Und auch mit einem Bürojob ist Ellis auf Dauer nicht zufrieden. Und als er das Angebot bekommt, als Agent in Afghanistan zu arbeiten, greift er zu. Denn Ellis Thaler weiß: Dort kann und wird er Jane wieder sehen.
Ich mag diesen Charakter und mag ihn nicht. Am ehesten kann ich mich mit der Figur Ellis Thaler in dem Moment anfreunden, in dem er um die Liebe seiner Tochter boult. Seine Tätigkeit als Geheimdienst-Mann kann ich nicht nachvollziehen. Und wenn man sich mit dem Handeln der Figuren nicht anfreunden kann, dann fällt es auch schwer, sich mit ihnen insgesamt zu identifizieren.

JANE LAMBERT:
Sie ist die Frau zwischen zwei Männern, zwischen Ellis und Jean-Pierre. Nachdem der Amerikaner als Agent entlarvt worden ist, entscheidet sie sich dafür, Jean-Pierre, den Arzt zu heiraten und mit ihm auf eine Hilfsmission nach Afghanistan zu gehen. Dort assistiert sie ihm bei der Arbeit und versucht mit den Lebensumständen klar zu kommen. Tagsüber muss sich das Paar zusammen mit allen anderen Bewohnern in Höhlen zurück ziehen, um vor russischem Beschuss sicher zu sein. Nur in der Nacht kehren sie ins Dorf zurück. Für Jane ist es aber auch ein Zusammenstoß der Kulturen, ein Zusammenstoß mit dem afghanischen Leben, in dem Männer dominieren, in dem Frauen nicht mitreden dürfen. Das widerstrebt ihrem Naturell und ist an sich ein recht spannendes Motiv für einen Roman. Es spielt aber bei Follett nur eine untergeordnete Rolle. Unter schwierigen Umständen (ihr Mann ist unterwegs, die afghanische Hebamme hat ganz andere Vorstellungen von Geburtshilfe) bringt Jane ein kleines Mädchen zur Welt.
Bald darauf ertappt sie Jean-Pierre bei einem Gespräch mit einem Fremden. Sein Verhalten (er ist ihr als Frau gegenüber höflicher als die meisten Männer im Lande) und sein Akzent machen sie stutzig, sie findet heraus, dass auch Jean-Pierre als Agent arbeitet und zwar für die Russen. Jane stellt ihn zur Rede und fordert ihn zur Rückkehr nach Europa auf. Und dann taucht auch noch Ellis auf.
Ihr gehört am ehesten von den drei Hauptfiguren meine Sympathie. Mag sein, dass es daran liegt, dass sie auch eine Frau ist. Es kann aber auch sein, dass der Grund ist, dass sie die gesamte Geschichte hindurch präsent ist, dass sie kein doppeltes Spiel spielt, dass sie nicht versucht, ihre Mitmenschen zu täuschen, sondern relativ direkt in ihrer Haltung ist. Sie ist nach Afghanistan gegangen, um bei Jean-Pierre zu sein und zu helfen. Insofern wirkt sie ehrlicher als die Männer, zwischen denen sie hin und her gerissen ist.

JEAN-PIERRE:
Von den drei Hauptfiguren ist er mir am unsympathischsten. Zunächst nutzt er Janes Bestürzung über Ellis Agententätigkeit aus, um sie auf seine Seite zu ziehen. Dann widerum hintergeht er sie, indem er ihr verschweigt, dass auch er geheimdienstlich arbeitet. Man könnte daher meinen, dass Jean-Pierre dadurch zu einem relativ oberflächlichen Charakter gerät. Das ist aber nicht ganz der Fall. Denn Follett macht die Hintergründe des Arztes deutlich: Schon Jean-Pierres Vater versuchte für den Kommunismus zu kämpfen. Der Sohn möchte nun die Arbeit seines Papas erfolgreich beenden.
Als er von Jane entlarvt wird, reagiert er wütend. Denn sie scheint seinen Lebenstraum zu zerstören. Am liebsten will er seinen doppelten Widersacher Ellis töten, erfährt durch ihn aber zufällig von einem geplanten Treffen afghanischer Stammesführer. Jean-Pierre sieht darin die Chance, den Russen doch noch einen entscheidenden Tipp zu geben.

MEINE EINDRÜCKE:
Für gewöhnlich zeichnet Follett seine Figuren so, dass man erst mit der Zeit Sympathie für einen der Charaktere entwickelt, dass aber auch die Handlungsstrecke der übrigen wichtigen Darsteller nicht langweilig werden. Ein Stück weit gilt das auch für die Löwen, aber eben nur ein Stück weit.
Denn gerade jetzt, beim zweiten Lesen, entwickelte das Buch für mich nicht mehr den großen Sog. Der zumindest teilweise historische Hintergrund wird durch das Spannungsfeld von einer Frau zwischen zwei in jeder Hinsicht konkurrierenden Geheimdienstagenten etwas unglaubwürdig.
Aus meiner Sicht ist der Roman eher im Alltagleben am stärksten, in den Momenten, in denen Mann mit und durch Jane beispielsweise ein Stück Afghanistans mitbekommt.

KEN FOLLETT:
Manche meinen, dass der 1949 geborene Waliser vor allem Romane für Männer schreibt. Und ein Stück weit stimmt das vielleicht, weil Spannung und auch eine Portion Sex bei ihm immer Pflicht sind. Aber ebenso charakteristisch ist seine Technik, verschiedene Handlungsstränge zu entwickeln, sie miteinander zu verweben, so einen Sog zu entwickeln, dass man als Leser seine Bücher (normalerweise) nicht aus der Hand legen mag.
Zu Folletts besonders starken Werken zählt für mich auf jeden Fall Die Pfeiler der Erde (The Pillars of the Earth), ein historischer Roman. Ebenfalls in vergangenen Zeiten und ebenfalls sehr lesenswert von dem Waliser: Die Brücken der Freiheit (A Place Called Freedom).

PREIS:
Zusammen mit dem Follett-Roman Der Mann aus St. Petersburg sind die Löwen von Bastei Lübbe 1998 und 99 (1. und 2. Auflage) in einem Doppel-Taschenbuch veröffentlicht worden. Die gab es zu einem herausragenden Sonderpreis von 15 Mark. Wer heute die Taschenbuch-Ausgabe einzeln kaufen möchte, wird wahrscheinlich für rund 10 Euro fündig..

FAZIT:
Die Löwen ist für mich nicht Folletts stärkster Roman. Einsteigern würde ich eher eines der beiden gerade erwähnten anderen Werke des Walisers empfehlen. Aber als kurzweilige Lektüre taugen auch die Löwen allemal. Wenn ich hier immer mal wieder den Schauplatz Afghanistan hervor gehoben habe, so darf man sich natürlich kein differenziertes Bild von Land und Leuten vorstellen. Es ist eher ein Hintergrund, vor dem die eigentliche Handlung statt findet. Auch wenn die mit den beiden Geheimagenten etwas konstruiert daher kommt, so ist sie doch auch spannend, genau wie das persönliche Spannungsfeld der Charaktere. Jeder von ihnen hat seine (Selbst-)Zweifel und wird dadurch ein Stück weit glaubwürdig(er).
Insgesamt gibt es von mir für die Löwen eine 3.

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