Die Säulen der Erde (gebundene Ausgabe) / Ken Follett Testbericht

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ab 11,53
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Erfahrungsbericht von galeria

Ein grandioses Meisterwerk!

Pro:

historische Fakten spannend verpackt

Kontra:

keins, außer dass mein Haushalt liegen blieb *g*

Empfehlung:

Ja

Die Leseratte hat wieder einen neuen Buchvorschlag, ein Roman aus dem 12. Jahrhundert. Und wieder fast 1200 Seiten stark und wieder ein Werk, was mich immer noch nachhaltig berührt und worüber ich immer noch oft nachdenken muss.

Das Mittelalter hat`s mir angetan, keine Frage und als alter Fan der Geschichte Europas ist es Pflicht, auch Ken Folletts "Säulen der Erde" zu besitzen. Meine Bücherregale schwappen über, aber ich musste es haben und bereue es keineswegs. Und inzwischen lese ich dieses einmalige Werk ein zweites Mal, allerdings laut, denn ich lese es meinem lesefaulen Mann vor und er ist ebenso begeistert wie ich.

Ein Prior namens Philip und der Steinmetz Tom Builder haben einen Traum, eine Kathedrale in Kingsbridge zu errichten, die schöner denn je sein wird. Allerdings wird dieser Traum überschattet von Widrigkeiten, wie Geldmangel, Intrigen und Überfälle eines widerwärtigen und grausamen Grafen. Das ist die Kurzfassung des Inhalts und sagt einem, der dieses Buch nicht kennt, gar nichts aus. Aber ich kann und will einfach nicht so viel verraten, weil ich immer das Gefühl habe, diesen Roman zu zerstören. Aber ich will ja etwas Gutes drüber sagen, ich möchte dass ihn noch mehr Leute lesen, ich möchte dieses Buch wirklich in den höchsten Tönen lobpreisen, und ich möchte, dass der Nichtkenner neugierig wird - aber Inhalt werde ich nicht viel preis geben, das schon mal zur Vorwarnung.

Wenn ich je etwas über mittelalterliche Architektur gelesen habe, so war es ganz sicher nicht halb so ansprechend und interessant verpackt, wie die Geschichte um Prior Philip und Tom Builder. Mein Mann probiert, so fern er Zeit dafür hat, aus Natursteinen vom Acker Mauern zu bauen, so haben wir in unserem Garten einen kleinen selbstgemauerten Steinbrunnen. Nur das ist gar nichts dagegen, was die Menschen im Hochmittelalter (so wird die Zeit im 12. Jh. bezeichnet) geleistet haben. Man sieht alte Kirchen und Kathedralen (Münster oder Dom ist d ie eigentliche deutsche Bezeichnung für Kathedrale) mit ganz anderen Augen, wenn man dieses Buch erst mal gelesen hat. So weiß mein Mann inzwischen, dass auch die Fläche des Steines wo der Mörtel drauf kommt, flach zu sein hat, auch wenn man diese Fläche nicht sieht, das vermeidet Risse im Mauerwerk und die Mauer kann dadurch um so höher werden.

Nun ist ein Brunnen oder eine kleine Mauer wirklich kein Vergleich zu den riesigen Bauwerken, wie z.B. die Kathedrale von Canterbury, Notre Dame in Paris oder bei uns hier der Kölner Dom. Wenn man sich überlegt, dass diese einfachen Steinmetze des Lesens unkundig und auch sonst keinerlei Bildung hatten, dafür aber solche Kunstwerke schufen, wie Engel aus Stein und Säulen so hoch, dass sie fast in den Himmel reichen, Ornamente mit Hammer und Meißel schnitzten und Steine schneideten, wie andere Holz, dann kann ich nur bewundernd mit dem Kopf schütteln. Man sehe sich nur mal einen großen Feldstein an und versuche da die Seiten alle glatt zu meißeln, dass zum Ende ein Quader oder gar ein Würfel daraus entsteht. Dass das nicht einfach ist, das hab ich bereits bei meinem Mann erlebt.

Wieviel Arbeit in solchen Bauwerken steckt, das vergisst man, wenn man sie betritt. Ich bin kein gläubiger Mensch, bin eher ein Atheist, aber betritt man einen Dom, dann schaut man unwillkürlich nach oben zu Gott, so ist es seit jeher gewollt, das Kirchen hoch gebaut werden. Heute haben wir Kräne, Beton und Ziegelsteine, damals gab`s nur Flaschenzüge, Gerüste und Felsbrocken aus Steinbrüchen mit bloßen Händen gehauen. Und trotzdem sind die Säulen in den Kathedralen rund, vielfach noch mit Mustern und Ornamenten geschmückt. Und trotzdem sind die Decken so hoch, dass man Genickstarre bekommt, will man sich all die Malereien an den Gewölben ansehen. Und die Leute waren so furchtbar arm, gottesfürchtig und brav, die das geschaffen haben. Ich ziehe heute noch den Hut vor diesen einfachen Menschen.

Ich betrachte das Werk Ken Fo lletts als eine Ode an die Erbauer dieser einmaligen Schönheiten in der Geschichte der Architektur. Ich habe mit Gänsehaut gelesen, habe an manchen Stellen mit feuchten Augen gesessen. Das Mittelalter war eine harte Zeit, Europa ächzte unter den Kriegen. Das Wahrzeichen dieser Zeit waren die Burg und die Stadmauer, was einen Existenzkampf der Bevölkerung, vor allem auf dem Land, bedeutete, den wir uns heute gar nicht mehr vorstellen können. Aber es war auch eine Zeit des Glaubens, das Christentum wurde stärker und gewann an Macht, auch über den König. Zur damaligen Zeit ist eine solche Entwicklung als positiv anzusehen, denn die Kirche war doch im Großen und Ganzen der allmächtige Pol, zu dem jeder Mensch ob einfach und arm, ob reich und gebildet, hinziehen konnte, um Trost zu finden. Freilich wurde die Kirche später dann Werkzeug grausamer Foltermethoden, die Inquisition. Aber im Hochmittelalter war das Christentum noch eine Bereicherung für die Menschheit.

Diese Geschichte hier ist natürlich erfunden, sie hätte aber so ablaufen können, da es die Großen dieser Zeit wirklich gegeben hat, z.B. Thomas Becket, den Erzbischof von Canterbury, die Könige allesamt ebenso, und auch einige Begebenheiten sind geschichtlich nachgewiesen und von Follett sehr gut recherchiert worden. Hab`s natürlich mit meinen Geschichtsbüchern und Nachschlagewerken verglichen, ebenso habe ich mir Dinge, die ich mir nicht sofort bildlich vorstellen konnte, aufgezeichnet, wie beispielsweise Baupläne und Beschreibungen von Bauwerken, Arcaden, Rundbögen und Säulen. Ich habe mir Fotos angeschaut von Bauwerken aus dieser Zeit, damit habe ich dieses Buch nur noch aufgewertet, sofern man das überhaupt vermag.

Wer auf Spannung und Romantik steht, für den ist ebenso gesorgt, auch wenn ich hier jetzt so gut wie nur die Architektur erwähnt habe, aber die erschien mir weitaus wichtiger, genau wie das Leben und Wirken der arbeitenden Menschen dieser Zeit. Und ich kann sagen, ich habe wied er was dazu gelernt. Für Interessenten noch eins: zur selben Zeit etwa wurde Tschingis Khan geboren und Friedrich I. Barbarossa wurde zum Kaiser gekrönt.

Ich kann und will dieses Buch jedem empfehlen, wirklich jedem, denn es ist packend und mitreißend geschrieben, man kommt nicht mehr los. Gleich auf der ersten Seite wird man reingezogen in die Geschichte und man ist traurig, wenn man auf der letzten Seite angekommen ist. Manch einer vergleicht "Die Säulen der Erde" mit dem "Lächeln der Fortuna", ich würde den Säulen auf alle Fälle mehr Punkte geben, denn Follett hat eindeutig mehr recherchiert und er bringt viel mehr Details mit rein, kleine winzige Einzelheiten, die den Leser interessieren, und wenn es nur die tägliche Notdurft ist oder das Essen, die Vorratshaltung, die Kleidung, die Hygiene, das Werkzeug, kurz und gut alles. Es wird an keiner Stelle langweilig und ich warne vor, wer einmal angefangen hat zu lesen...ich habe nichts geschafft in der Zeit, mein Haushalt war schnuppe *g*.

Noch ein Musiktipp: klassische Musik verstärkt den Gänsehauteffekt, ebenso Musik von Enya oder gar den Chieftains.

Das Buch kostet in der Taschenbuchausgabe 9,95 €, also durchaus erschwinglich für fast 1200 Seiten Geschichte.

Viel Spass beim Lesen wünscht

Eure Galeria.

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