Die Säulen der Erde (gebundene Ausgabe) / Ken Follett Testbericht

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ab 11,53
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Erfahrungsbericht von Daverigger

Und tiefer Friede erfüllte sie ...

Pro:

Alles

Kontra:

Nichts

Empfehlung:

Ja

„Auch aus Steinen, die Dir in den Weg gelegt werden, kannst Du etwas schönes bauen!“
Von diesem einfachen Satz, der ein Lebenswerk ausdrücken kann, lässt sich auf die Geschichte der „Säulen der Erde“ schliessen. Denn was wäre eine Kathedrale schon ohne Steine?


Der Baumeister Tom Builder hat sich geschworen, dass er eines Tages eine Kathedrale bauen wird. Eine Kathedrale, die dem Herrn würdig ist, eine Kathedrale, wie sie nicht prächtiger sein könnte. Doch im Leben eines Menschen verläuft selten etwas so, wie er es sich wünscht. Nach dem Verlust seiner Arbeit bei dem jungen William Hamleigh und dem Tod seines geliebten Weibes Agnes lernt er Ellen, eine schöne und junge Frau, die mit ihrem Sohn Jack im Wald lebt, kennen und lieben. Zusammen mit seinem Sohn Alfred, seiner Tochter Martha und Ellen und Jack kommt Tom schließlich nach Kingsbridge, wo sich ihm schließlich die Möglichkeit bietet, seinen Lebenstraum wahr zu machen. Denn Prior Philip von Kingsbridge benötigt eine neue Kirche. Doch im England des 12. Jahrhunderts herrscht Krieg. Es gibt mehr verschiedene Interessen als Menschen, die sie vertreten, und die Anzahl der Steine, die Tom und Philip in den Weg gelegt werden, ist schier unermesslich.
Doch dies ist nicht der einzige Handlungsstrang.
Der junge Lord William ist von der schönen, verzogenen Lady Aliena bei seinem Heiratsgesuch aufs heftigste abgelehnt worden. Der Hass, der sich zwischen Williams Familie und Alienas entwickelt, wächst ins unermessliche, und aus der einstigen Fehde erwächst ein regelrechter Kleinkrieg, der dazu führt, das Alienas Vater alles verliert. Nach dessen Tod steht Aliena mit ihrem jüngeren Bruder Richard ohne Geld, Titel und jeglicher Hoffnung alleine da. Nur der Hass auf William und ein Versprechen an ihren gestorbenen Vater hält sie aufrecht. Die Grafschaft soll einst wieder ihr und ihrem Bruder gehören!
Ellen wurde einst von der Kirche der genommen, den sie über alles liebte: Ihr Ehemann. Nur Jack, ihr kleiner Sohn, ist ihr geblieben, und sie dachte, sie würde nie wieder jemanden lieben. Doch als der Baumeister Tom Builder mit seinen beiden Kindern ihren Weg kreuzt, ändert sich alles von Grundauf. Es entsteht eine ganz besondere Liebe zwischen den beiden, so dass sie nun gemeinsam von Stadt zu Stadt ziehen, auf der Suche nach Arbeit. Denn Tom will eine Kathedrale errichten, und in Kingsbridge scheint sich dieser Traum zu erfüllen. Doch hat sie gemischte Gefühle, denn dort nahm man ihr einst den Vater ihres Sohnes, und einer der verantwortlichen lebt noch immer ...

Hier möchte ich, was die Zusammenfassung der Handlung betrifft, einen Schlussstrich ziehen. Wollte ich die gesamte Handlung des Buches umreissen, würde ich die Grenzen von Ciao sprengen. In „Die Säulen der Erde“ werden Geschichten und Schicksale ineinander zu einer Handlung verflochten wie Haare in einem ellenlangen Zopf, der scheinbar nie ein Ende zu finden scheint, und immer wieder andere Wendungen findet.
Und genau dies ist auch der Grund, weshalb man sich als Leser einfach nicht der Geschichte entziehen kann, ist man zu einem gewissen Masse in die Geschichte vorgedrungen.

Da „Die Säulen der Erde“ mein erster Roman von Ken Follet ist, kann ich leider keine Vergleiche zu seinen anderen Werken ziehen, wobei ich jedoch sagen muss, die Säulen haben mich so sehr beeindruckt, ich kann mir nicht vorstellen, das einer seiner anderen Romane vergleichbar genial ist.

Follet schafft es in seinem Roman, selbst die nebensächlichsten Dinge durch seine unglaublich detaillierten, bezaubernden Schilderungen derart aus dem Zusammenhang zu heben, das man nicht umhin kommt, sich sämtliche Situationen, Menschen, sogar ganze Szenarien einfach in den prächtigsten Bildern vorzustellen. Man fühlt sich durch den ganzen Roman hindurch in einer andere Welt entrückt, belebt von seinen zahlreichen Charakteren, von denen jeder nicht minder wichtig für die gesamte Geschichte ist. Jede erwähnte Person taucht früher oder später wieder auf, sei es, um die Handlung entscheidend fortzutreiben, oder dem erzählten eine stärkere Deutlichkeit zu verleihen.

Neben Follets unglaublicher Erzählkunst beeindruckt auch sein sehr stark ausgeprägtes Fachwissen. Er schildert in seiner unglaublich lebendigen Sprache den unerbittlichen Kampf zwischen weltlicher und geistlicher Macht, die Fortschritte des Kathedralenbaus zu Kingsbridge, oder einfach ein unbedeutend erscheinendes Dorffest. Dies bringt er dem Leser jedoch mit so vielen Details und Begriffen aus der vorliegenden Zeit nahe, das man sich oft fragt, ob er nicht selbst dabei gewesen ist. So erscheint das England der Jahre 1123 – 1174 unglaublich greifbar und dennoch seltsam entrückt, da die vielen Sitten, Gebräuche und Normalitäten dieser Zeit barbarisch und unwirklich erscheinen, so real wie Follet sie beschreibt.

Auch die Ausarbeitung der einzelnen Charaktere ist wirklich erstaunlich! Follet schafft es, das man sich in fast jede der Figuren perfekt hineinversetzen kann (Ich sage fast ... wer den Roman gelesen hat wird dies in anbetracht von William Hamleigh verstehen). So durchlebt man die Geschichte aus sehr vielen verschiedenen Blickwinkeln, und schafft sich seine eigene, kleine Moral, seine eigene Meinung, durch die Vielfältigkeit der Sichtweisen sehr ausgewogene Beurteilung.

Das Lesen an sich wird eigentlich nie langweilig. Durch die zahlreichen Wendungen innerhalb des Handlungsbogens fragt man sich durchweg, was als nächstes geschehen wird, und liest schon alleine deswegen weiter und weiter. Denn im Verlaufe der 1151 Seiten bleibt das Augenmerk, wie schon vorhin angedeutet, nicht bloss auf einer einzelnen Person oder Familie liegen, sondern wechselt ständig, und nach und nach lässt Follet sehr gekonnt alle Geschichten ineinander fliessen, so das die Haupthandlung schließlich wie ein gewaltiger Strom in ein faszinierendes Ende zusammenfliesst, über das man noch lange nach Weglegen des Buches nachdenkt.

Ein faszinierender Aspekt, der mich dazu bewegt, dieses Buch für etwas besonderes zu halten, hat mit der Emotionalität der Geschichte zu tun. Nicht selten habe ich bestimmte Passagen gelesen, und das Adrenalin stand mir bis zum Halse. Auch kam es vor, das der eine oder andere Charakter beim lesen sehr stark von mir Besitz ergriff, so dass ich Zeile um Zeile mitfühlte. So etwas ist mir bisher bei sehr, sehr wenigen Romanen untergekommen. Ich halte diese packende Tiefe für ein untrügliches Qualitätsmerkmal, denn ein Buch, das auf diese Weise fesseln kann, verdient es, genial genannt zu werden!

Ein weiterer Punkt, der das Buch für mich noch wertvoller erscheinen lässt, ist die offenkundige Kritik an der Kirche, die durch die Personen Ellen und Jack Ausdruck verliehen bekommt. Mit Hilfe dieser beiden Charaktere wirft Follet immer wieder die Frage nach der Glaubwürdigkeit und der Richtigkeit der kirchlichen Motive auf, und kontrastiert sie direkt mit der Person, die für den christlichen Gedanken an sich steht, Prior Philip.

Auf meiner persöhnlichen Bestsellerliste stehen „Die Säulen der Erde“ jedenfalls sehr weit oben, und auch die Tatsache, das der Roman trotz seines beachtlichen Umfanges nur knappe 20DM kostet, macht einen Kauf lohnenswert.
Zwar kann man den Roman durchaus in wenigen Tagen schaffen, das ist einfach eine Tatsache. Jedoch denke ich, das es einen Unterschied ausmacht, ob ich eine Geschichte lese und sie dann weglege, oder ob ich von einem Buch so stark gefangen werde, so mitgerissen, das ich nach dem Lesen einfach nicht aufhören kann, darüber nachzudenken.


Ich halte „Die Säulen der Erde“ für eine wirkliches Meisterwerk, und da es in sich so ziemlich jedes Genremerkmal in sich vereint, sei es nun Liebe, Hass, Intrigen, Politik, Kirchenkritik, Geschichte, Architektur oder was auch immer, ist es für eine sehr breite Leserschaft geeignet, so das ich es jedem ans Herz legen kann, der sich gerne mal mit einem dicken Wälzer verkriecht, um in eine andere Welt zu flüchten.

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