Frauenkirche Testbericht

ab 10,64
Auf yopi.de gelistet seit 09/2003

5 Sterne
(5)
4 Sterne
(1)
3 Sterne
(0)
2 Sterne
(0)
1 Stern
(0)
0 Sterne
(0)

Erfahrungsbericht von aprikow

Ein Meisterwerk entsteht neu

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Der Dresdner an sich neigt gewöhnlich dazu, seine Stadt durch eine rosarote Guiness-Buch der Rekorde-Brille zu betrachten: Man finde hier die schönste Markthalle Deutschlands, die größte Raddampferflotte der Welt, das architektonisch bemerkenswerteste Messegelände und dgl. Hybris mehr. Nun ja. Einmalig und über die städtischen Grenzen hinaus bekannt ist aber auf jedem Fall die Frauenkirche - und ihr derzeitiger Wiederaufbau. Das ist auch angemessen so, denn wo wird schon heutzutage ein Gebäude dieser Größenordnung abseits kommerzieller Interessen errichtet? Man kann auf diese Leistung mit recht stolz sein; dass eine Stadt, - ihre Verwaltung, ihre Bürger - dieses Bauvorhaben auf den Weg gebracht haben. Und man kann froh und zufrieden sein, dass vor 300 Jahren ein visionärer Ratszimmermeister mit Namen George Bähr in der Stadt weilte, der als erster und sehr vehement einen Kirchenneubau vorantreiben wollte. Was ja dann auch geschah.

Aber der Reihe nach.

Einzigartigkeit
***************

Die Frauenkirche ist vor allem wegen ihrer einmaligen gewaltigen Steinkuppel berühmt geworden. Zur damaligen Zeit war diese eine bautechnische Revolution und ihre Ausführung eine handwerkliche Meisterleistung. Jetzt mag man eventuell einwenden, St. Peter in Rom - dieser geniale Bau von Michelangelo - kröne schließlich auch eine Steinkuppel, den Florentiner Dom ebenfalls. Der Singularität der Frauenkirchenkuppel tut das aber keinen Abbruch, denn vergleicht man die drei Kuppeln, so fällt auf, dass die Frauenkirchenkuppel gleichsam mit dem Kirchenbau verwachsen ist, das italienischen Pendant dagegen aufgeschichtet wirkt. Und in noch einem Punkt gibt es einen Unterschied: Bährs Kuppel ist sehr viel höher gewölbt, Michelangelos und Brunellescos (so heißt der Erbauer des Florentiner Doms) Kuppeln sind dagegen ausgewogen, symmetrisch (bei einer Kuppel spricht man dann vom „Goldenen Schnitt“).

Aber damit wir uns nicht in Kleinigkeiten verlieren folgt nun erst einmal ein historischer Baugeschichtsabriss.


Vorgeschichte
*************

Zu Beginn des 11. Jahrhunderts war Dresden nicht mehr und nicht weniger als ein kleines Fischerdorf. Zu dieser Zeit gründeten die Bischöfe von Meißen in eben diesem Fischerdorf eine Kirche, die sie „unserer lieben Frauen“ weihten. Der Name hat sich bekanntlich erhalten. Um 1200 kamen die Markgrafen (wiederum von Meißen) auf die Idee, neben dem Fischerdorf Dresden eine kleine befestigte Stadt zu errichten. Gleichzeitig wurde die Fischerdorfkirche zur Pfarrkirche der Stadterhoben; für die fleißigen Kirchgänger wurde extra eine Pforte in die Stadtmauer gebaut, damit sie zu ihr gelangen konnten. Erst um 1520 ließ Herzog Georg den Stadtmauerverlauf so ändern, dass die Frauenkirche sich nun innerhalb der Stadtgrenzen befand. Und 30 Jahre mussten vergehen, ehe die alten Befestigungsanlagen abgebrochen wurden; es entstand somit vor der Kirche eine unbebaute Fläche, die bis heute nicht bebaut ist: der Dresdner Neumarkt.

Im Zuge der Reformation wurde die Kreuzkirche am Altmarkt zur Pfarrkirche erhoben und die Frauenkirche als reine Begräbniskirche degradiert. Mit dieser Entscheidung war unwillentlich der Untergang der alten Frauenkirche besiegelt, denn das ununterbrochene Beerdigen direkt neben der Kirche hatte fatale Folgen: Die Grundmauern wurden baufällig, 1722 mussten die Glocken vom Turm geholt werden, 1727 fand der letzte Gottesdienst statt, die Kirche wurde abgebrochen. Die alte Frauenkirche, ein romanisches dreischiffiges Langhaus mit gotischem Chor, hatte ausgedient.

Vorplanungen für eine neue Kirche
*********************************

Wir befinden uns mittlerweile im Zeitalter August des Starken. Dresden ist unter seiner Regentschaft und Prunksucht zu einer ansehnlichen Residenzstadt emporgewachsen. Diese höfische Baukunst hatte nichts anderes im Sinn, als das Macht- und Geltungsbedürfnis August des Starkens zu verherrlichen. Als Gegenpol wollte George Bähr, der mittlerweile vom Rat der Stadt mit der Planung eines Neubaus beauftragt war, ein Gebäude errichten, welches u.a. auch als ein Kulturdenkmal für das emporstrebenden Bürgertum angesehen werden sollte. Mit diesen emanzipatorischen Gedanken machte er sich natürlich nicht nur Freunde. Graf Wackerbarth, königlicher Gouverneur, beauftragte zeitgleich und heimlich seinen Lieblingsarchitekten Knöffel, einen Kirchenneubau zu planen. Bährs erster Entwurf war zu kostspielig und wurde abgelehnt. Diesem ersten Entwurf war ein griechisches Kreuz als Grundriss zugrunde gelegt. Knöffel dagegen favorisierte die Quadratform mit einem Kreis als Innenraum. Aber auch er konnte sich nicht beim Rat und der Kirche durchsetzten, so dass wiederum Bähr einen neuen Entwurf vorlegte, dieser wurde 1726 auch bewilligt.

Der Bau beginnt
***************

In seinem erneuerten Entwurf hat sich Bähr Knöffels Idee eines quadratischen Grundrisses zu Eigen gemacht und durfte nun endlich in der zweiten Jahreshälfte 1726 mit dem Bau beginnen. Immerwährende finanzielle Engpässe führten zu einem sehr langsamen Baugeschehen, 1729 war gerade mal der Hauptsims erreicht. Nun erst teilte Bähr den verdutzten Stadtvätern mit, dass er gedenke, die Kuppel ganz aus Stein zu errichten, in seinen Zeichnungen war davon niemals die Rede. Entsprechend groß war die Empörung und der Streit. Bähr versuchte zu argumentieren, dass Stein billiger als Kupfer sei, (und Sandstein allemal, weil dieser sich direkt vor den Toren befand) und die Feuergefahr geringer.

Es half nichts, der Bau wurde 1732 direkt über dem Kuppelhals mit Holz abgedeckt, und der Innenausbau forciert. 1736 wurde Gottfried Silbermanns Orgel aufgestellt, die darauffolgend von Johann Sebastian Bach ihre künstlerische Weihe erhielt.

Erst durch eine Entscheidung des Königs wird der Kuppelbau wieder in Angriff genommen. Für George Bähr aber waren die vergangenen Baujahre wohl zu kräfteraubend und zermürbend, er starb 1738, ohne sein Lebenswerk vollendet zu sehen. Er wird in der Gruft der Frauenkirche beerdigt, sein Grabstein nach 1996 beim Enttrümmern entdeckt und restauriert.

Bährs Schüler führten den Bau erfolgreich zu Ende, 1743 wurde das goldene Kuppelkreuz aufgesetzt, die damals 288 000 Taler teure Kirche war fertig und wurde geweiht.


Zeitraffer
**********

Nicht lange nach der Fertigstellung begann der siebenjährige Krieg. 1760 stand die preußische Armee unter Friedrich II vor den Toren Dresdens und legte die Stadt zu großen Teilen in Schutt und Asche. Auch die Frauenkirche wurde mehrmals durch Kanonen beschossen, zeigte sich aber dessen unbeeindruckt und veranlasste den Preußenkönig zu dem Satz: „Laß er den alten Dickkopp stehen“.

Acht Jahre später besuchte Goethe Dresden und stiegt die Frauenkirche hinauf um von oben auf das immer noch zerstörte Stadtbild zu blicken. In seinem Werk „Dichtung und Wahrheit“ berichtet er darüber wie folgt: „Von der Kuppel ... sah ich diese leidigen Trümmer zwischen die schönste städtische Ordnung hineingesäet; da rühmte mir der Küster die Kunst des Baumeisters, welcher Kirche und Kuppel auf einen so unerwünschten Fall schon eingerichtet und bombenfest erbaut hatte.“

Wie wir heute wissen, trafen die Worte des Küsters nicht auf die Bomben des 20. Jahrhunderts zu. Am 14.02.1945, einen Tag nach einem schweren Bombenangriff sank nicht nur die Innenstadt, sondern auch die trutzige Kuppel der Frauenkirche in sich zusammen.


Was bleibt – was kommt?
***********************

George Bährs Meisterleistung hat den Zentralbau populär gemacht. Sicherlich, schon im Zuge der Reformation wurde rechteckig gebaut (die Schlosskapelle in Torgau ist gutes Zeugnis dafür). Aber erst durch die Vollendung der Frauenkirche, die ganz auf protestantische Bedürfnisse hin gebaut worden ist (Hauptzweck ist die Predigt, also müssen alle den Pfarrer gut sehen und hören können, die Kanzel bekommt eine größere Bedeutung, Altäre und sonstige Gebets/Andachtsorte verlieren an Bedeutung), erst durch diese neue Zweckmäßigkeit erlangt die Zentralkirche größere Bedeutung und wird fortan bei Kirchenneubauten favorisiert.

Die Trümmer der Frauenkirche wurden zu DDR-Zeiten in ein Mahnmal gegen „Faschismus und Imperialismus“ umfunktioniert, weil einfach die Gelder für einen Wiederaufbau fehlten. Denn auch zu DDR-Zeiten gab es Wiederaufbaupläne.

Dass heute die Kräne sich drehen, die Bauleute hämmern, die Besucher staunen –das grenzt an ein kleines Wunder, aber an ein schönes. Zu über 50 %wird das 250-Millionenprojekt aus Spenden finanziert, mit gutem Beispiel gehen die Amerikaner und Briten voran. Aber auch hierzulande wird eifrig gespendet, nicht immer die großen Beträge, aber bescheidene, ehrliche, fröhliche.

Wer mehr über den Wiederaufbau erfahren möchte, sich vielleicht selbst daran beteiligen möchte, dem seien folgende Seiten zu empfehlen:

hxxp://www.frauenkirche.org/

hxxp://www.frauenkirche-dresden.org/

hxxp://www.frauenkirche.ipro-dresden.de/


Schluss
*******

Ich freue mich, dieses Jahrhundertprojekt hautnah miterleben zu dürfen; wenn ich will sogar täglich (muss ich nur aus dem Bürofenster linsen). Und ich hoffe, dass die Frauenkirche nicht nur das architektonische Wahrzeichen dieser Stadt wieder wird sondern gleichermaßen ein Zeichen für Versöhnung und Verständnis. Jeder rußgeschwärzte Originalstein erinnert uns an 12 Jahre dunkelste deutsche Geschichte. Jede großzügige Spende aus Amerika oder Großbritannien erkennen wir als Geste der Verständigung an. Jeder Besuch in der schon fertigen Unterkirche macht uns Lust, mitzuerleben, wie diese Kirche bald wieder das Stadtbild dominieren wird. Viel Zeit zum staunen bleibt nicht mehr, in vier Jahren soll alles fertig sein.

Also, auf nach Dresden! Und ihr werdet erstaunt sein, wenn euch eingefleischte Dresdner berichten, dass sie auch noch über den schönsten Flughafen, das größte Stadtfest, den schönsten Milchladen ....... usw. verfügen. Ich verweise auf den Anfang meines Berichts! Obwohl, das mit dem Milchladen stimmt wohl doch ....


Grüße einstweilen aus Elbflorenz von aprikow

15 Bewertungen, 1 Kommentar

  • l.x.klar@gmx.net

    16.03.2012, 06:39 Uhr von [email protected]
    Bewertung: besonders wertvoll

    very interesting ! greetz