Homo faber (Taschenbuch) / Max Frisch Testbericht

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ab 3,39
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Erfahrungsbericht von [email protected]

Hinter den Dingen verbirgt sich mehr als das, was man sieht.

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Max Frisch – Homo faber


Hinter den Dingen verbirgt sich mehr als das, was man sieht.



Einführung:

Diesen Satz habe ich so sehr verinnerlicht, schon seit langer Zeit. Manche, die meinen Weg begleitet haben kamen damit nicht klar. Aber man kann nicht alles rational sehen oder erklären. Es gibt mehr, als du dir zwischen Himmel und Erde erträumen kannst.
Man könnte diesen Satz auch nehmen um das Buch zu beschreiben, das ich heute morgen ausgelesen habe.
Oft habe ich gehört dass dieser „Homo Faber“ endlos langweilig sein sollte... allerdings besitze ich immer den Drang, mir selbst ein Bild von dem zu machen, was von anderen verschrien und zerrissen wird. Letzteres ist zumeist „nur“ auf das gemeine Schulvolk bezogen. Gilt dieses Werk Frisch’s doch als eines der meistgelesenen Bücher des 20. Jahrhunderts.
Also machte ich mich an die „Arbeit“ und las ich den Homo faber von Max Frisch.



Um was geht es:

Kurz: um das Dilemma des modernen Menschen.
„Walter Fabers Leben bestimmt ein technologisch-mathematisches Weltbild. Durch eine Reihe von 'Zufällen' wird die Identität des Ingenieurs erschüttert: Zuerst lernt er den Bruder seines Jugendfreundes kennen. Joachim hatte Hanna, damals Fabers Freundin, geheiratet. Dann trifft Faber auf einer Schiffspassage die junge Sabeth. Er begleitet sie auf ihrer Reise durch Südfrankreich und Italien bis nach Griechenland. Er will das junge Mädchen heiraten. Geschickt gelingt es ihm immer wieder, seinen Verdacht wegzuwischen. Doch Sabeth ist seine Tochter. Zum Inzest kommt am Ende auch noch, dass er den tödlichen Unfall Sabeths nicht verhindern konnte.“

(Quelle: http://www.amazon.de/Homo-Faber-Max-Frisch/dp/3518368540/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1249991537&sr=8-1)



Der Autor:

Max Frisch ist schweizerischer, deutschsprachiger Schriftsteller, geboren am 15.5.1911 in Zürich. Er gilt als einer der wichtigsten deutschsprachigen Autoren der Nachkriegszeit. Er studierte Germanistik, brach dieses Studium ab und machte diverse ausgiebige Reisen unter anderem nach Peking, Prag, und in den Balkan. 1936 begann er ein Architekturstudium und war nach dessen Abschluss bis 1957 als Architekt tätig. Er schrieb diverse belletristische Werke, der Durchbruch gelang ihm mit dem Roman Stiller im Jahre1954. Frisch lebte wechselweise in Zürich, Berlin, Rom, New York und Tessin. Sein Werk umfasst neben Romanen zahlreiche Dramen, Erzählungen und autobiografische Schriften. Frisch erhielt mehrere renommierte Literaturpreise, darunter den Georg-Büchner-Preis im Jahre 1958 und den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels im Jahre 1976.
Er starb am 4.4.1991.



Leseprobe:

S.64
[...]Es ist mir heute noch ein Rätsel, wieso Hanna und Joachim geheiratet und wieso sie mich, Vater des Kindes, nie habe wissen lassen, dass dieses Kind zur Welt gekommen ist.
Ich kann nur berichten, was ich weiß.
Es war die Zeit, als die jüdischen Pässe annuliert wurden. Ich hatte mir geschworen, Hanna keinesfalls im Stich zu lassen, und dabei blieb es. Joachim war bereit, Trauzeuge zu sein. Meinen bürgerlichen und besorgten Eltern war es auch recht, dass wir nicht eine Hochzeit mit Droschken und Klimbim wollten; nur Hanna machte sich immer noch Zweifel, ob es denn richtig wäre, dass wir heirateten, richtig für mich. Ich brachte unsere Papiere aufs zuständige Amt, unsere Eheverknüdung stand in der Zeitung. Auch im Fall einer Scheidung, so sagte ich mir, blieb Hanna jedenfalls Schweizerin und im Besitz eines Passes. Die Sache eilte, da ich meine Stelle in Bagdad anzutreten hatte. Es war ein Samstagvormittag, als wir endlich – nach einem komischen Frühstück bei meinen Eltern, die dann das Kirchengeleite doch vermissten! – endlich ins Stadthaus gingen, um die Trauung zu vollziehen. Es wimmelte von Hochzeiten wie üblich an Samstagen, daher die lange Warterei, wir saßen im Vorzimmer, alle im Straßenanzug, umgeben von weißen Bräuten und Bräutigams, die wie Kellner aussahen. Als Hanna gelegentlich rausging, dachte ich nichts Schlimmes, man redete, man rauchte. Als endlich der Standesbeamte uns rief, war Hanna nicht da.
Wir suchten sie und fanden sie draußen an der Limmat, nicht zu bewegen, sie weigerte sich in das Trauzimmer zu kommen. Sie könne nicht! Ich redete ihr zu, ringsum das Elfuhrgeläute, ich bat Hanna, die Sache ganz sachlich zu nehmen; aber vergeblich. Sie schüttelte den Kopf und weinte. Ich heirate ja bloß, um zu beweisen, dass ich kein Antisemit sei, sagte sie, und es war einfach nichts zu machen. Die Woche darauf, meine letzte in Zürich, war abscheulich. Es war Hanna, die nicht heiraten wollte, und ich hatte keine Wahl, ich musste nach Bagdad, gemäß Vertrag. Hanna begleitete mich noch an die Bahn, und wir nahmen Abschied. Hanna hatte versprochen, nach meiner Abreise sofort zu Joachim zu gehen, der seine ärztliche Hilfe angeboten hatte, und in diesem Sinn nahmen wir Abschied; es war ausgemacht, dass unser Kind nicht zur Welt kommen sollte.
Später hörte ich nie wieder von ihr.[...]



Abschließende Worte:

Ob man hier wirklich von Arbeit hätte sprechen können. Ja, ich gebe es zu. Auf den ersten paar Seiten... aber dann bekommt man doch schnell den Dreh raus. Sozusagen ein Gefühl für die Sprache Frisch’s. Ich denke aber dass das bei jedem Buch geht. Solange man sich nur darauf einlassen will. Der Wille zählt und selbst einen Tolstoi kann man dann genießen, und in der Fülle exquisiter Wörter schwelgen.
Frisch hat einen interessanten Schreibstil. Zunächst hatte die Geschichte zwar eine Handlung – doch wusste man nicht, worum es ging. Der Lauf der Geschichte und das Schicksal der innewohnenden Personen wird erst nach und nach gelüftet. Zunächst ist es alles nur Rahmenhandlung. Unnütz, scheint es auf den ersten Seiten. Walter Faber, der Protagonist, scheint nur daherzuschwafeln. Ein trockener Mensch, der nur auf die Dinge sieht, wie sie „logisch“ zu erklären sind. Ein Mathematiker. Anti-Humorist, vielleicht. Es scheint also alles daherzutümpeln. Man fühlt sich beim Lesen, durch den Schreibstil Frisch’s, in die Situation des Protagonisten versetzt. Man mag ihn nicht, da er ein trockener Mensch ist. Er erzählt von dem, was um ihn herum passiert. Alles wie ein Gedankenstrom, vermischt mit Menschen, die etwas zu ihm sagen. Doch eigentlich scheint er immer nur in sich selbst zu ruhen. Natürlich in der Ich-Perspektive. Er scheint alles in diesem Moment zu erleben und gleichzeitig kritisch zu hinterfragen (mit Einwürfen in Klammern). Das kam mir zu anfangs recht merkwürdig vor. Doch dann merkt man, dass dieser Mensch, der Homo faber, dies alles schon erlebt hat. Irgendwann wird es klar, wenn man weiterliest, dass es ein Rückblick auf sein Leben ist. Was passiert ist, als er noch nicht wusste, was er später noch erleben wird. Die Einwürfe in Klammern geben dem Leser dazu wichtige „hints“, man kann Schlüsse ziehen. Dennoch weiß man nicht, dass sein Leben eine tragische Wendung nimmt.
Damit ist nicht der Flugzeugabsturz in der südamerikanischen Pampa gemeint. Denn das macht dem Homo faber anscheinend nichts aus. Glaubt er sowieso nicht an Zufälle.
Sein Flugpartner, ein Mann namens Herbert, entpuppt sich während des Fluges als Bruder seines alten Studienfreundes Joachim.
Ein Zufall, wie Faber meint. Es stellt sich dann heraus, dass dieser Schulfreund seine Jugendliebe Hanna geheiratet hat. Sie sagte, dass sie das Kind abtreibt.
Weiterer Zufall. Auch ein Zufall, dass sie ihn verließ, nachdem er ihr damals anbot, sie zu heiraten, da sie ein Kind erwartete. Pure Vernunft, welche seine Jugendliebe nicht gelten lies, und ihn verließ. Nur um seinen Freund zu heiraten, der Deutscher war und Arzt. Sie währenddessen Halbjüdin und in der Zeit des Nationalsozialismus gefährdet.
Durch diverse „Zufälle“ wird Faber im Laufe der Geschichte bewusst, dass Johannes tot ist, und er seine Geliebte Ivy sitzen lässt, um eine Woche früher mit Schiff statt Flugzeug zu reisen, zu einer Geschäftsreise, und dort eine Bekanntschaft mit einer jungen Frau macht, und deren Leben er zerstören wird. Es entpuppt sich dass diese Frau, die ihn liebt und die er liebt, seine eigene Tochter ist, wie er – durch einen „Zufall“, begreifen muss.

Beim Lesen beschlich mich oft das Gefühl, ich blätterte in den privaten Memoiren eines mir unbekannten Mannes, als lese ich ein Tagebuch, das nicht für meine Augen bestimmt ist. Teilweise fühlt man sich unangenehm bedrückt. Manchmal auch belustigt von gewissen Momenten, die durchscheinen lassen, dass Faber ein Mensch ist, der einen, wenn auch geringen Hang zu Humor trägt.

Es ist ein tragisches Buch, ein trauriges Buch. Ergreifend, wenn man sich darauf einlässt. Eine Geschichte über scheinbare Zufälle, die sich im Nachhinein betrachtet vielleicht so hatte ergeben müssen, weil es Schicksal war.
Frisch beschreibt das Schicksal eines logisch-denkenden, mathematisch begabten und rational denkenden Menschen, für den mit Statistik alles zu begreifen ist - der sich allerdings im Angesicht seines Schicksals als Menschen mit gescheitertem Leben begreifen muss. Doch nicht nur das ist Frisch’s Bestreben. Er möchte das Dilemma des modernen Menschen aufgreifen, der glaubt, alles zu besitzen und zu begreifen. Der sich selbst als Hoheit der Schöpfung begreift, doch dann tragisch scheitern muss, wenn er begreift, dass nicht er es ist, der lenkt.
Ich gebe dem Buch 5 Sterne, trotz Anfangsschwierigkeiten, da Frisch alle Zweifel im Laufe der Zeit zunichte machte.
Es ist ein großes Buch, wenn auch nur 234 Seiten stark ist. Dennoch voll von Stoff zum Nachdenken. Ich selbst war oft sentimental, traurig. Weil man viel von sich selbst irgendwo entdeckt. Oder ergriffen fühlt von diesem Schicksal eines modernen Menschen, der stellvertretend für viele steht.



Fazit:

Grandioses Buch das die Gefahr birgt, melancholisch zu machen.

66 Bewertungen, 21 Kommentare

  • SweetPiccolina

    09.12.2009, 23:40 Uhr von SweetPiccolina
    Bewertung: sehr hilfreich

    super geschrieben lg

  • willma1984

    29.10.2009, 09:28 Uhr von willma1984
    Bewertung: sehr hilfreich

    Toller Bericht! Würde mich über einen Besuch von Dir freuen :-) LG willma1984

  • anonym

    28.09.2009, 23:39 Uhr von anonym
    Bewertung: besonders wertvoll

    lange hat es gedauert nun ist das BW hier

  • Striker1981

    28.09.2009, 19:13 Uhr von Striker1981
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH und Liebe Grüße vom STRIKER

  • ingoa09

    27.09.2009, 14:11 Uhr von ingoa09
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein sehr guter Bericht! Liebe Sonntagsgrüße, Ingo

  • Solaija

    17.08.2009, 21:52 Uhr von Solaija
    Bewertung: sehr hilfreich

    Super Bericht! Liebe Grüße, Solaija

  • anonym

    16.08.2009, 17:53 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    ;O) Lieben Gruß Sabrina

  • christianpirker

    14.08.2009, 14:55 Uhr von christianpirker
    Bewertung: besonders wertvoll

    Sehr guter Bericht! Liebe Grüße, Christian

  • l.x.klar@gmx.net

    14.08.2009, 12:57 Uhr von [email protected]
    Bewertung: sehr hilfreich

    erinnert ans abi. greetz from wallcity beartown

  • mima007

    12.08.2009, 14:07 Uhr von mima007
    Bewertung: besonders wertvoll

    Viele Gruesse, mima007

  • Vorhangauf

    12.08.2009, 11:47 Uhr von Vorhangauf
    Bewertung: sehr hilfreich

    Bin auch mal wieder hier und wünsche einen schönen Tag. Thomas

  • giselamaria

    12.08.2009, 00:24 Uhr von giselamaria
    Bewertung: sehr hilfreich

    prima, der Bericht ist nicht einfach. Ich habs vor längerer Zeit gelesen, Bericht drüber, müsste ich erstmal nachsehen. LG Gisela

  • morla

    11.08.2009, 22:50 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    wünsche dir einen schönen abend lg. petra

  • tina08

    11.08.2009, 22:47 Uhr von tina08
    Bewertung: sehr hilfreich

    Viele Grüße .... Tina

  • Mondlicht1957

    11.08.2009, 21:43 Uhr von Mondlicht1957
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr hilfreich und liebe Grüsse Schau gern mal wieder vorbei, falls ich dich bei mir finde :O)

  • sigrid9979

    11.08.2009, 20:17 Uhr von sigrid9979
    Bewertung: sehr hilfreich

    Gut Berichtet...Freue mich über Gegenlesungen..lg Sigi

  • frankensteins

    11.08.2009, 19:52 Uhr von frankensteins
    Bewertung: besonders wertvoll

    wieder ein toller Bericht von dir lg

  • crazy_angel

    11.08.2009, 18:28 Uhr von crazy_angel
    Bewertung: sehr hilfreich

    Homo faber hab ich ja schon ewig nicht mehr gelesen. Sollte ich vielleicht noch mal tun. Liebe Grüße, Chrissy

  • paula2

    11.08.2009, 18:05 Uhr von paula2
    Bewertung: sehr hilfreich

    liebe Grüße

  • liebes35

    11.08.2009, 17:36 Uhr von liebes35
    Bewertung: sehr hilfreich

    Guter Bericht. LG Steffi

  • minasteini

    11.08.2009, 16:47 Uhr von minasteini
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr schöne Buchvorstellung. LG Marina