Tintenblut (gebundene Ausgabe) / Cornelia Funke Testbericht

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Erfahrungsbericht von margy

auf abenteuerreise

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Infos zum Buch:

"Tintenblut" wurde von der Autorin Cornelia Funke geschrieben. Es erschien erstmals am 15. September 2005 als gebundene Ausgabe mit 736 Seiten im Cecilie Dressler Verlag.

Preis: 22,90 €
ISBN: 3-7915-0467-3

Zur Autorin:

Nach ihrem Abitur am Gymnasium Sankt Ursula in Dorsten zog Cornelia Funke nach Hamburg und absolvierte eine Ausbildung zur Diplompädagogin. Drei Jahre lang arbeitete sie als Erzieherin auf einem Bauspielplatz und studierte parallel dazu Buchillustration an der Fachhochschule für Gestaltung in Hamburg. Durch ihre Arbeit als Illustratorin von Kinderbüchern kam sie selber zum Schreiben. Nebenbei arbeitete Cornelia Funke an Drehbüchern für die Fernsehserie Siebenstein. Der internationale Durchbruch kam im Jahr 2002, als ihr in Deutschland bereits im Jahr 2000 erschienenes Buch Herr der Diebe in den USA erschien und dort über viele Monate auf den US-Bestseller-Listen stand. Zwischenzeitlich wurde dieses Buch in 23 Sprachen übersetzt. Ihr Roman Tintenherz erschien im September 2003 bereits gleichzeitig in Deutschland, in Großbritannien, den USA, Kanada und Australien. 2004 kam auch die englischsprachige Übersetzung des Buches Drachenreiter heraus.

Die Gesamtauflage ihrer Bücher lag Ende 2005 bei etwas über 10 Millionen Exemplaren. Das TIME Magazine zählte sie 2005 zu den 100 weltweit einflussreichsten Persönlichkeiten.

Bis Mai 2005 lebte Funke im Norden von Hamburg. Mitte Mai zog sie mit ihrem Mann und beiden Kindern in die USA nach Los Angeles.

Am 5. März 2006 verstarb ihr Mann, Rolf Funke geb. Frahm, mit dem sie 25 Jahre verheiratet war, 56-jährig in einem Krankenhaus in Los Angeles an Darmkrebs.


Werke

Die Gespensterjäger [Bearbeiten]Gespensterjäger auf eisiger Spur, 1993
Gespensterjäger im Feuerspuk, 1994
Gespensterjäger in der Gruselburg, 1995
Gespensterjäger in großer Gefahr, 2001

Die Wilden Hühner [Bearbeiten]Die Wilden Hühner, 1993
Die Wilden Hühner auf Klassenfahrt, 1996
Die Wilden Hühner, Fuchsalarm, 1998
Die Wilden Hühner und das Glück der Erde, 2000
Die Wilden Hühner und die Liebe, 2003
Die Wilden Hühner - gestohlene Geheimnisse (CD-ROM), 2004
Die Wilden Hühner - Das Bandenbuch zum Mitmachen
Die Wilden Hühner - Der Film zu "Die Wilden Hühner- Fuchsalarm", 2006
Die Wilden Hühner - Der Film zu "Die Wilden Hühner und die Liebe", 2007

Die Tintenherz-Trilogie

Tintenherz, 2003
Tintenblut, 2005
Tintentod, erscheint am 28. September 2007

Weitere Bücher (chronologisch)

Die große Drachensuche oder Ben und Lisa fliegen aufs Dach der Welt, 1988
Hinter verzauberten Fenstern, 1989
Kein Keks für Kobolde, 1989
Lilli, Flosse und der Seeteufel, 1990
Potilla, 1992
Käpten Knitterbart und seine Bande, 1993
Ene-mene-Rätselspaß mit Vampiren, 1994
Zwei wilde, kleine Hexen, 1994
Zottelkralle, das Erdmonster, 1994
Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel, 1994
Käpten Knitterbart auf der Schatzinsel, 1995
Greta und Eule, Hundesitter, 1995
Der Mondscheindrache, 1996
Kleiner Werwolf, 1996
Das verzauberte Klassenzimmer, 1997
Gruselrätsel mit Vampiren, 1997
Hände weg von Mississippi, 1997
Prinzessin Isabella, 1997
Drachenreiter, 1997
Verflixt und zugehext, 1998
Dicke Freundinnen, 1998
Igraine Ohnefurcht, 1998
Das Piratenschwein, 1999
Der verlorene Wackelzahn, 2000
Mick und Mo im Wilden Westen, 2000
Herr der Diebe, 2000
Dicke Freundinnen und der Pferdedieb, 2001
Der geheimnisvolle Ritter Namenlos, 2001
Die Glücksfee, 2003
Der wildeste Bruder der Welt, 2004
Mick und Mo im Weltraum, 2004

Auszeichnungen und Ehrungen

1998 Kalbacher Klapperschlange für Drachenreiter
1998 La vache qui lit für Herr der Diebe
2000 Wildweibchenpreis für das Gesamtwerk
2001 Kalbacher Klapperschlange für Herr der Diebe
2001 Preis der Jury der jungen Leser für Herr der Diebe
2002 Evangelischer Buchpreis für Herr der Diebe
2003 Corine für Herr der Diebe
2003 Mildred L. Batchelder Award für Herr der Diebe
2003 Nordstemmer Zuckerrübe für Kleiner Werwolf
2004 Preis der Jury der jungen Leser für Tintenherz
2004 Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar für Tintenherz
2004 Kalbacher Klapperschlange für Tintenherz
2004 BDS-Literaturpreis für das Gesamtwerk
2005 Die einflussreichste Deutsche der Welt, eine Bewertung des TIME Magazine

Theateradaptionen

2004 wurde Tintenherz durch das Schauspielhaus Hannover uraufgeführt.
2004 wurde Herr der Diebe am Junges Theater Bonn uraufgeführt.
2004 wurde auch Potilla vom Theater Oberhausen uraufgeführt.
2005 wurde Drachenreiter am Junges Theater Bonn uraufgeführt.
2006 wurde das Musical Tintenherz am Junges Theater Bonn uraufgeführt.

Verfilmungen

2005 Die Wilden Hühner
2006 Herr der Diebe
2007 Die Wilden Hühner 2
2007 Hände weg von Mississippi (Regie: Detlev Buck)
2004 wurden die Filmrechte von Drachenreiter an die US-amerikanische Filmgesellschaft New Line Cinema verkauft.
Tintenherz wurde von der US-amerikanischen Produktionsfirma New Line Cinema verfilmt. Regie: Iain Softley. Besetzung: Brendan Fraser, Andy Serkis, Paul Bettany, Helen Mirren und Jim Broadbent. Der Film soll 2008 in die Kinos kommen.

Weblinks
Leseprobe:

Mo wusste sofort, dass Meggie fort war. Er wusste es in dem Moment, in dem er an ihre Tür klopfte und ihm nichts als Stille antwortete. Resa deckte unten in der Küche mit Elinor den Frühstückstisch. Das Klirren der Teller drang bis zu ihm herauf, aber er hörte es kaum, er stand nur da, vor der verschlossenen Tür, und lauschte seinem eigenen Herzen. Viel zu laut schlug es, viel zu schnell. »Meggie?« Er drückte die Klinke herunter, aber die Tür war verschlossen. Meggie schloss nie ab, niemals.

Sein Herz schlug, als wollte es ihn ersticken. Die Stille hinter der Tür klang schrecklich vertraut. Genauso hatte sie sich ihm schon einmal auf die Ohren gelegt, damals, als er Resas Namen gerufen hatte, wieder und wieder. Zehn Jahre hatte er auf Antwort warten müssen.

Nicht wieder. Gott, bitte, nicht wieder. Nicht Meggie.

Es schien, als hörte er das Buch hinter der Tür flüstern, Fenoglios verfluchte Geschichte. Er glaubte die Seiten rascheln zu hören, gefräßig wie bleiche Zähne.

»Mortimer?« Elinor stand hinter ihm. »Die Eier werden kalt. Wo bleibt ihr? Himmel!« Sie sah ihm besorgt ins Gesicht, griff nach seiner Hand. »Was ist los mit dir? Du bist ja blass wie der Tod.«

»Hast du einen Ersatzschlüssel für Meggies Tür, Elinor?«

Sie begriff sofort. Ja, sie erriet ebenso wie er, was hinter der verschlossenen Tür passiert war, vermutlich in der letzten Nacht, während sie alle geschlafen hatten. Sie drückte seine Hand. Dann drehte sie sich wortlos um und hastete die Treppe hinunter. Mo aber lehnte sich gegen die verschlossene Tür, hörte, wie Elinor nach Darius rief, wie sie fluchend nach dem Schlüssel suchte, und starrte die Bücher an, die sich in Elinors Regalen reihten, den ganzen langen Flur hinunter. Resa kam die Treppe heraufgehastet, mit blassem Gesicht. Sie fragte ihn, was passiert war, ihre Hände flatterten dabei wie aufgescheuchte Vögel. Aber was sollte er antworten? Kannst du dir das nicht denken? Hast du ihr nicht oft genug davon erzählt?

Noch einmal drückte er die Klinke herunter, als könnte das irgendetwas ändern. Meggie hatte das ganze Türblatt mit Zitaten bedeckt. Wie Zauberformeln erschienen sie ihm nun, mit kindlicher Hand auf den weißen Lack geschrieben. Bringt mich in eine andere Welt! Nun macht schon! Ich weiß, ihr könnt es. Mein Vater hat mir vorgemacht, wie. Seltsam, dass einem das Herz nicht einfach stehen blieb, wenn es so wehtat. Doch auch vor zehn Jahren war es nicht stehen geblieben, damals, als die Buchstaben Resa verschlungen hatten.

Elinor zog ihn zur Seite, sie hielt den Schlüssel in den zitternden Fingern, schob ihn ungeduldig ins Schloss. Ärgerlich rief sie Meggies Namen – als wüsste sie nicht auch längst, dass nur eines hinter der Tür wartete: Stille, wie in jener Nacht, die Mortimer die Angst vor seiner eigenen Stimme gelehrt hatte.

Er betrat das leere Zimmer als Letzter, zögernd. Auf Meggies Kissen lag ein Brief. Liebster Mo ... Er las nicht weiter, wollte nichts wissen von den Worten, die ihm nur das Herz zerbeißen würden. Während Resa nach dem Brief griff, sah er sich um – suchte mit den Augen nach
einem anderen Blatt, dem Blatt, das der Junge mitgebracht hatte, aber es war nirgends zu entdecken. Natürlich nicht, du Dummkopf!, sagte er sich. Sie hat das Blatt mitgenommen, schließlich muss sie es in der Hand gehalten haben, als sie las. Erst Jahre später erfuhr er von Meggie, dass Orpheus’ Blatt sehr wohl noch in ihrem Zimmer gewesen war, in einem Buch, wo sonst? Ihrem Erdkundebuch. Was, wenn er es gefunden hätte? Hätte er Meggie folgen können? Nein, vermutlich nicht. Für ihn hatte die Geschichte einen anderen Weg vorgesehen, einen dunkleren, schwereren Weg.

»Vielleicht ist sie ja auch nur mit dem Jungen fort! Mädchen in ihrem Alter machen so etwas. Nicht dass ich davon etwas verstehe, aber ...« Elinors Stimme klang wie von ferne zu ihm. Resa reichte ihr zur Antwort nur den Brief, der auf dem Kissen gewartet hatte.

Fort. Meggie war fort.

Er hatte keine Tochter mehr.

Würde sie wiederkommen, so wie ihre Mutter? Von irgendeiner Stimme wieder herausgefischt aus dem Meer der Worte? Und wann? Nach zehn Jahren, so wie Resa? Dann würde sie erwachsen sein, und er würde sie vielleicht nicht einmal erkennen. Alles verschwamm ihm vor den Augen, Meggies Schulsachen auf dem Tisch vorm Fenster, ihre Kleider, sorgsam über die Stuhllehne gehängt, als hätte sie tatsächlich vor, zurückzukehren, ihre Stofftiere gleich neben dem Bett, auch wenn sie Meggie schon seit langem nicht mehr beim Einschlafen helfen mussten, die pelzigen Gesichter kahl geküsst. Resa begann zu weinen, lautlos, die Hand vor den stummen Mund gepresst. Mo wollte sie trösten, aber wie, bei all der Verzweiflung in seinem Herzen?

Er drehte sich um, schob Darius zur Seite, der mit traurigem Eulenblick in der offenen Tür stand – und ging hinüber in sein Büro, wo die verfluchten Notizbücher sich immer noch zwischen seinen Belegen stapelten. Er stieß sie vom Tisch, eins nach dem anderen, als könnte er so die Worte zum Verstummen bringen, all die verfluchten Worte, die sein Kind verhext hatten, fortgelockt wie der Rattenfänger im Märchen, an einen Ort, an den er schon Resa nicht hatte folgen können. Mo war es, als träumte er erneut denselben schlimmen Traum, nur dass er diesmal nicht einmal das Buch hatte, auf dessen Seiten er nach Meggie hätte suchen können.

Wenn er sich später fragte, wie er den Rest dieses Tages überstanden hatte, ohne verrückt zu werden – er wusste es nicht mehr. Er erinnerte sich nur daran, dass er Stunden durch Elinors Garten geirrt war, als könnte er Meggie dort finden, irgendwo unter einem der alten Bäume, unter denen sie so gern gelesen hatte. Als die Dunkelheit kam und er sich auf die Suche nach Resa machte, fand er sie in Meggies Zimmer. Sie saß auf dem leeren Bett und starrte zu den drei winzigen Geschöpfen hinauf, die unter der Decke kreisten, als suchten sie dort nach der Tür, durch die sie gekommen waren. Meggie hatte das Fenster offen stehen lassen, aber sie flogen nicht hinaus, vielleicht, weil die fremde schwarze Nacht ihnen Angst machte. »Feuerelfen«, sagten Resas Hände, als er sich zu ihr setzte. »Du musst sie fortscheuchen, wenn sie sich auf deine Haut setzen, sonst verbrennen sie dich.«

Feuerelfen. Mo erinne
rte sich, von ihnen gelesen zu haben. In dem Buch. Es schien nur noch das eine Buch auf der Welt zu geben.

»Warum sind es drei?«, fragte er. »Eine für Meggie, eine für den Jungen ...«

»Ich glaube, der Marder ist auch fort«, sagten Resas Hände.

Mo hätte fast aufgelacht. Armer Staubfinger, offenbar konnte er das Unglück nicht abschütteln. Aber Mo konnte kein Mitleid für ihn empfinden. Diesmal nicht. Ohne Staubfinger hätte es die Worte auf dem Blatt Papier nicht gegeben, und ohne sie hätte er noch eine Tochter.

»Denkst du, es gefällt ihr wenigstens dort?«, fragte er und legte den Kopf in Resas Schoß. »Dir hat es schließlich auch gefallen, oder? Zumindest hast du ihr das immer wieder erzählt.«

»Es tut mir Leid«, sagten ihre Hände. »So Leid.«

Aber er hielt ihre Finger fest. »Was redest du da?«, sagte er leise. »Ich habe das verdammte Buch ins Haus gebracht, hast du das schon vergessen?«

Und dann schwiegen sie beide. Sahen den armen, verlorenen Elfen zu und schwiegen. Irgendwann flogen sie doch nach draußen, hinaus in die fremde Nacht. Als ihre winzigen roten Körper in all dem Schwarz verschwanden wie verglühende Funken, fragte Mo sich, ob Meggie wohl gerade durch eine ebenso schwarze Nacht irrte. Der Gedanke verfolgte ihn in dunkle Träume.

Ungebetene Besucher

»Ihr Leute mit Herz«, bemerkte er einmal, »besitzt etwas, was euch leitet, und deshalb braucht ihr nichts Böses zu tun. Ich lebe ohne Herz (...), daher muß ich sehr sorgsam sein.«

L. Frank Baum, Der Zauberer von Oz

Mit dem Tag, an dem Meggie verschwand, zog in Elinors Haus wieder die Stille ein, aber sie schmeckte anders als in den Tagen, in denen Bücher Elinors einzige Mitbewohner gewesen waren. Die Stille, die nun die Flure und Zimmer erfüllte, schmeckte nach Traurigkeit. Resa weinte viel und Mortimer schwieg, als hätten Papier und Tinte nicht nur seine Tochter, sondern mit ihr auch alle Wörter in der Welt verschlungen. Er war viel in seiner Werkstatt, aß wenig, schlief kaum – und am dritten Tag kam Darius besorgt zu Elinor, um ihr zu berichten, dass er sein Werkzeug einpackte.

Als Elinor in die Werkstatt kam, außer Atem, weil Darius sie allzu eilig hinter sich hergezerrt hatte, warf Mortimer gerade achtlos die Goldstempel in eine Kiste, die er sonst mit solcher Behutsamkeit in die Hand nahm, als wären sie aus Glas.

»Was zum Teufel tust du da?«, stellte Elinor ihn zur Rede.

»Nun, was wohl?«, fragte er zurück und begann, seine Heftlade fortzuräumen. »Ich werde mir einen anderen Beruf suchen. Ich fasse kein Buch mehr an, verflucht sollen sie sein. Sollen andere sich von ihnen Geschichten erzählen lassen und ihnen die Kleider flicken. Ich will nichts mehr von ihnen wissen.«

Als Elinor Resa zu Hilfe holen wollte, schüttelte die nur den Kopf.

»Nun gut, es ist verständlich, dass die beiden zu nichts zu gebrauchen sind!«, stellte Elinor fest, als sie sich mit Darius ein weiteres einsames Frühstück teilte. »Wie konnte Meggie ihnen das auch nur antun? Was hatte sie vor – ihren armen Eltern das Herz zu brechen? Oder wollte sie für alle Zeit beweisen, dass Bücher eine gefährliche Sache sind?
«

Darius schwieg zur Antwort, so wie er es all die vergangenen traurigen Tage getan hatte.

»Um Himmels willen, alle schweigen, schweigen wie die Fische!«, fuhr Elinor ihn an. »Wir müssen etwas tun, um das dumme Ding zurückzuholen! Irgendetwas. Gott, das kann doch nicht so schwer sein. Schließlich wohnen unter diesem Dach gleich zwei Zauberzungen!«

Darius sah sie erschrocken an und verschluckte sich an seinem Tee. Er hatte seine Gabe seit so langer Zeit nicht mehr benutzt, dass sie ihm vermutlich wie ein böser Traum vorkam, an den er nicht erinnert werden wollte. »Schon gut, schon gut, du musst ja nicht lesen«, beruhigte Elinor ihn unwirsch. Gott, dieser verschreckte Eulenblick. Sie hätte ihn schütteln können. »Mortimer kann es tun! Aber was soll er lesen? Denk nach, Darius! Muss es etwas über die Tintenwelt sein oder über unsere Welt, wenn wir sie zurückholen wollen? Ach, ich bin ganz durcheinander. Vielleicht können wir etwas schreiben, etwas so in der Art wie: Es lebte einmal eine griesgrämige, mittelalte Frau namens Elinor, die nur ihre Bücher liebte, bis eines Tages ihre Nichte mit ihrem Mann und ihrer Tochter bei ihr einzog. Elinor gefiel das, aber eines Tages brach die Tochter auf zu einer sehr, sehr dummen Reise, und Elinor schwor, dass sie all ihre Bücher hergeben würde, wenn nur das Kind zurückkäme. Sie packte sie alle in große Kisten, und als sie das letzte hineinlegte, da spazierte Meggie wieder ...

»Herrgott, guck nicht so mitleidig drein!«, fuhr sie Darius an. »Ich versuch es wenigstens! Und du sagst es doch selbst immer wieder: Mortimer ist ein Meister, er braucht nur ein paar Sätze!«

Darius rückte sich die Brille zurecht. »Ja, nur ein paar Sätze«, sagte er mit seiner sanften, unsicheren Stimme. »Aber es müssen Sätze sein, in denen eine ganze Welt beschrieben ist, Elinor. Es muss Musik aus den Wörtern kommen. Sie müssen verwoben sein miteinander, so dicht, dass die Stimme nicht hindurchfällt.«

»Ach was!«, erwiderte Elinor barsch – obwohl sie genau wusste, dass er Recht hatte. Mortimer hatte es ihr einmal fast auf dieselbe Weise zu erklären versucht: das große Rätsel, warum nicht jede Geschichte zum Leben erwachte. Aber sie wollte das nicht hören, nicht jetzt. Verflucht seist du, Elinor!, dachte sie. Dreimal verflucht für all die Abende, die du damit verbracht hast, dir mit dem dummen Kind auszumalen, wie es wohl wäre, in jener anderen Welt zu leben, zwischen Feen, Kobolden und Glasmännern. Es waren viele Abende gewesen, so viele, und wie oft hatte sie Mortimer verspottet, wenn er verärgert den Kopf durch die Tür gesteckt und gefragt hatte, ob sie sich nicht ausnahmsweise mal über etwas anderes unterhalten könnten als über weglose Wälder und blauhäutige Feen.

Nun, wenigstens weiß Meggie alles, was sie wissen muss über diese Welt, dachte Elinor, während sie sich die Tränen von den Wimpern wischte. Sie weiß, dass sie sich vor dem Natternkopf und seinen Gepanzerten in Acht nehmen muss, dass sie nicht zu weit in den Wald gehen darf, weil sie sonst vermutlich gefressen, zerrissen oder zertreten wird. Und dass sie besser nicht hochsieht, wenn sie an einem Galgen vorbeikommt. Sie weiß, da
ss sie sich verbeugen muss, wenn ein Fürst vorbeireitet, und ihr Haar noch offen tragen darf, weil sie ja nur ein Mädchen ist ...Verdammt, da waren die Tränen schon wieder! Elinor wischte sie sich mit einem Zipfel ihrer Bluse aus den Augenwinkeln, als es an der Haustür klingelte.

Noch viele Jahre später beschimpfte sie sich für die Dummheit, die sie nicht einmal durch den Spion hatte blicken lassen, bevor sie öffnete. Natürlich hatte sie angenommen, Resa oder Mortimer stünden vor der Tür. Natürlich. Dumme Elinor. Dumme, ach so dumme Elinor. Sie bemerkte ihren Irrtum erst, als sie die Tür geöffnet hatte und der Fremde vor ihr stand.

Er war nicht sehr groß und etwas zu wohlgenährt, mit blasser Haut und ebenso blassem blondem Haar. Die Augen hinter der randlosen Brille blickten leicht erstaunt, fast unschuldig wie die eines Kindes. Er öffnete den Mund, als Elinor den Kopf aus der Tür steckte, aber sie schnitt ihm das Wort ab.

»Wie kommen Sie denn hier rein?«, blaffte sie ihn an. »Das ist Privatbesitz. Haben Sie das Schild unten an der Straße nicht gesehen?«

Er war mit einem Auto da. Unverschämter Tölpel, war einfach ihre Auffahrt heraufgefahren. Elinor sah seinen Wagen neben ihrem Kombi stehen, ein staubiges, dunkelblaues Ding. Auf dem Beifahrersitz glaubte sie einen riesigen Hund zu entdecken. Auch das noch.

»O doch, natürlich!« Das Lächeln des Fremden war so unschuldig, dass es gut in sein Kindergesicht passte. »Das Schild war weiß Gott unübersehbar, und ich entschuldige mich vielmals, Frau Loredan, für mein plötzliches und unangemeldetes Eindringen.«

Himmel, es verschlug Elinor die Sprache. Das Mondgesicht hatte eine fast ebenso schöne Stimme wie Mortimer, tief und samtig wie ein Kissen. Sie passte so wenig zu dem runden Gesicht und den Kinderaugen, dass man fast glaubte, der Fremde habe den eigentlichen Besitzer verschluckt und sich die Stimme auf diese Weise angeeignet.

»Ihre Entschuldigungen können Sie sich sparen!«, sagte Elinor barsch, nachdem sie ihre Überraschung verwunden hatte. »Verschwinden Sie einfach.« Und damit wollte sie die Tür wieder zuschlagen, doch der Fremde lächelte nur erneut (ein Lächeln, das schon nicht mehr ganz so unschuldig wirkte) und schob seinen Schuh zwischen die Tür. Einen braunen, staubigen Schuh.

»Entschuldigen Sie, Frau Loredan«, sagte er mit sanfter Stimme. »Aber ich bin wegen eines Buches hier. Eines wahrhaft einzigartigen Buches. Natürlich habe ich gehört, dass Sie über eine bemerkenswerte Bibliothek verfügen, aber ich versichere Ihnen, dieses Exemplar fehlt noch in Ihrer Sammlung.«

Elinor erkannte das Buch auf der Stelle, das er aus der hellen, zerknitterten Leinenjacke zog. Natürlich. Es war das einzige Buch, bei dessen Anblick ihr das Herz nicht seines Inhalts wegen schneller schlug oder weil es besonders schön oder wertvoll war. Nein. Dieses Buch ließ Elinors Herz nur aus einem Grund schneller schlagen: weil sie es fürchtete wie ein bissiges Tier.

»Wo haben Sie das her?« Sie gab sich die Antwort selbst, nur leider etwas zu spät. Plötzlich, ganz plötzlich kam die Erinnerung zurück an die Geschichte, die der Junge erzählt hatte. »Orphe
us!«, flüsterte sie – und wollte losschreien, so laut, dass Mortimer es drüben in der Werkstatt hörte, aber bevor auch nur ein Laut über ihre Lippen kommen konnte, glitt geschwind wie eine Eidechse ein Mann hinter den Rhododendronbüschen neben der Haustür hervor und presste ihr die Hand auf den Mund.

»Na, Bücherfresserin?«, schnurrte er ihr ins Ohr. Wie oft hatte Elinor diese Stimme in ihren Träumen gehört und jedes Mal nach Atem gerungen! Auch am helllichten Tag war die Wirkung nicht weniger schlimm. Basta stieß sie unsanft ins Haus zurück. Natürlich hatte er ein Messer in der Hand. Elinor konnte sich Basta eher ohne Nase als ohne Messer vorstellen. Orpheus drehte sich um und winkte zu dem fremden Wagen hinüber. Ein Schrank von einem Mann stieg aus, ging gemächlich um den Wagen herum und öffnete die Hintertür. Eine alte Frau schob die Beine heraus und griff nach seinem Arm.

Mortola.

Ein weiterer regelmäßiger Gast in Elinors Alpträumen. Die Beine der Alten waren dick bandagiert unter den dunklen Strümpfen, und sie stützte sich auf einen Stock, während sie am Arm des Schrankmanns auf Elinors Haus zuschritt. Sie humpelte mit so grimmig entschlossener Miene in die Eingangshalle, als nähme sie das ganze Haus in Besitz, und der Blick, den sie Elinor zuwarf, war so unverhohlen feindselig, dass ihr die Knie weich wurden, auch wenn sie sich alle Mühe gab, ihre Angst zu verbergen. Tausend abscheuliche Erinnerungen stiegen in ihr hoch – Erinnerungen an einen Käfig, der nach rohem Fleisch roch, an einen Platz, erleuchtet von grellem Scheinwerferlicht, und Angst, entsetzliche Angst ...

Basta schlug die Haustür hinter Mortola zu. Er hatte sich nicht verändert: dasselbe schmale Gesicht, die Augen kniff er immer noch gern zusammen, und um seinen Hals baumelte natürlich ein Amulett, Schutz gegen das Unglück, das Basta unter jeder Leiter und hinter jedem Busch witterte.

»Wo sind die anderen?«, fuhr Mortola Elinor an, während der Schrankmann sich mit dümmlicher Miene umsah. Der Anblick so vieler Bücher schien ihn maßlos zu verwundern. Vermutlich fragte er sich, was um Himmels willen mit einer solchen Menge anzufangen war.

»Die anderen? Ich weiß nicht, von wem Sie reden.« Elinor fand, dass ihre Stimme erstaunlich fest klang für eine Frau, die halb tot vor Angst war.

Mortola schob angriffslustig das kleine, runde Kinn vor. »Das weißt du sehr wohl. Ich rede von Zauberzunge und seiner Hexentochter und von der Magd, die er seine Frau nennt. Soll ich Basta ein paar von deinen Büchern anstecken lassen oder rufst du die drei freiwillig für uns?«

Basta? Basta hat Angst vor Feuer!, wollte Elinor erwidern, aber sie ließ es lieber. Es war nicht schwer, ein Streichholz an ein Buch zu halten. Selbst Basta, der das Feuer so sehr fürchtete, würde diese Kleinigkeit wohl zustande bringen, und der Schrankmann sah nicht so aus, als wäre er klug genug, sich vor irgendetwas zu fürchten. Ich muss sie einfach hinhalten!, dachte Elinor. Schließlich wissen sie ebenso wenig etwas von der Werkstatt im Garten wie von Darius.

»Elinor?«, hörte sie Darius im selben Augenblick rufen. Bevor sie antworten konnte, hatte sie erneut Ba
stas Hand auf dem Mund. Sie hörte, wie Darius den Flur herunterkam, in seinem immer eiligen Schritt. »Elinor?«, rief er noch einmal. Dann verstummten die Schritte ebenso abrupt wie seine Stimme.

»Überraschung!«, schnurrte Basta. »Freust du dich, Stolperzunge? Ein paar alte Freunde sind hier, um dir einen Besuch abzustatten.« Bastas linke Hand war bandagiert. Es fiel Elinor erst auf, als er die Finger von ihrem Mund nahm, und sie erinnerte sich an das fauchende Etwas, das nach Farids Bericht für Staubfinger aus der Geschichte gekommen war. Wie schade, dass es nicht mehr von unserem Messerfreund gefressen hat!, dachte sie.

»Basta!« Darius’ Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

»Ja, Basta! Ich wäre schon viel eher gekommen, glaub mir, aber sie haben mich für eine Weile ins Gefängnis gesteckt, wegen einer Sache, die Jahre zurücklag. Kaum war Capricorn fort, da wurden sie alle mutig, all die, die vorher aus Angst den Mund nicht aufbekommen hatten. Was soll’s? Letztlich haben sie mir einen Gefallen getan, denn wen haben sie eines Tages zu mir in die Zelle geschoben? Seinen richtigen Namen hab ich nie aus ihm herauslocken können, also nennen wir ihn so, wie er sich selbst getauft hat: Orpheus!« Er schlug dem Angeredeten so heftig auf den Rücken, dass er nach vorn stolperte. »Ja, der gute Orpheus!« Basta legte ihm den Arm um die Schultern. »Der Teufel meinte es wirklich gut, als er gerade ihn zu meinem Zellengenossen machte – oder sehnt sich unsere Geschichte vielleicht so sehr nach uns, dass sie ihn schickte? Wie auch immer, wir hatten eine gute Zeit, oder?«

Orpheus sah ihn nicht an. Er zupfte sich verlegen die Jacke zurecht und musterte Elinors Bücherregale.

»Teufel, seht ihn euch an!« Basta stieß ihm grob den Ellbogen in die Seite. »Wie oft hab ich ihm schon erklärt, dass man sich fürs Gefängnis nicht schämen muss, vor allem, wenn es dort so viel bequemer ist als in den Kerkern, die man bei uns zu Hause hat. Los, erzähl ihnen, wie ich von deinen unschätzbaren Gaben erfuhr. Erzähl ihnen, wie ich dich nachts erwischt habe, als du dir diesen dummen Hund aus dem Buch gelesen hast! Einen Hund liest er sich heraus! Mir würde da weiß der Teufel was Besseres einfallen.«

Basta lachte hämisch – und Orpheus rückte sich mit fahrigen Fingern die Krawatte zurecht. »Cerberus ist immer noch im Auto«, sagte er zu Mortola. »Er mag das gar nicht. Wir sollten ihn endlich hereinholen!«

Der Schrankmann wandte sich zur Tür, offenbar hatte er, was Tiere betraf, ein weiches Herz, aber Mortola winkte ihn ungeduldig zurück.

»Der Hund bleibt, wo er ist. Ich kann das Vieh nicht ausstehen!« Mit gerunzelter Stirn sah sie sich in Elinors Eingangshalle um. »Wirklich, ich habe mir dein Haus größer vorgestellt«, stellte sie mit gespielter Enttäuschung fest. »Ich dachte, du seist reich.«

»Das ist sie auch!« Basta schlang Orpheus den Arm so unsanft um den Nacken, dass ihm die Brille verrutschte. »Aber sie gibt alles für Bücher aus. Was würde sie uns wohl für das Buch bezahlen, das wir Staubfinger abgenommen haben? Was denkst du?« Er kniff Orpheus in die runden Backen. »Ja, unser Freund hier war ein netter feister Köder f
ür den Feuerfresser. Er sieht aus wie ein Ochsenfrosch, aber nicht mal Zauberzunge gehorchen die Buchstaben besser als ihm, von Darius ganz zu schweigen. Fragt Staubfinger! Orpheus hat ihn nach Hause geschickt, als gäbe es nichts Leichteres auf der Welt! Nicht, dass der Feuerfresser –«

»Halt den Mund, Basta!«, unterbrach Mortola ihn barsch. »Du hast dich schon immer allzu gern reden hören. Also!« Ungeduldig stieß sie den Stock auf die Marmorfliesen, auf die Elinor so stolz war. »Wo sind sie? Wo sind die anderen? Ich frage nicht noch mal!«

Na los, Frau Loredan!, dachte Elinor. Lügen Sie! Schnell! Aber sie hatte noch nicht einmal den Mund geöffnet, als sie den Schlüssel im Schloss hörte. Nein! Nein, Mortimer!, flehte sie stumm. Bleib, wo du bist! Geh mit Resa zurück in die Werkstatt! Schließt euch dort ein, aber bitte, bitte, kommt nicht gerade jetzt!

Natürlich nützte ihr Flehen nicht das Geringste. Mortimer schloss die Tür auf, trat herein, den Arm um Resas Schulter – und blieb abrupt stehen, als er Orpheus sah. Ehe er ganz begriff, was vorging, hatte der Schrankmann auf einen Wink von Mortola schon die Tür hinter ihm zugeschlagen.

»Hallo, Zauberzunge!«, sagte Basta mit bedrohlich sanfter Stimme, während er sein Messer vor Mortimers Gesicht aufschnappen ließ. »Und ist das nicht unsere schöne stumme Resa? Na, bestens. Gleich zwei auf einen Schlag. Fehlt nur noch die kleine Hexe.«

Elinor sah, wie Mortimer für einen Augenblick die Augen schloss, als hoffte er, Basta und Mortola würden verschwunden sein, wenn er sie wieder öffnete. Aber natürlich war dem nicht so.

»Ruf sie!«, befahl Mortola, während ihre Augen Mo so hasserfüllt musterten, dass Elinor Angst bekam.

»Wen?«, fragte er zurück, ohne Basta aus den Augen zu lassen.

»Stell dich nicht dümmer, als du bist!«, fuhr Mortola ihn an. »Oder willst du, dass ich Basta erlaube, deiner Frau dasselbe Muster ins Gesicht zu schneiden, mit dem er den Feuerspucker verziert hat?«

Basta strich seinem Messer zärtlich mit dem Daumen über die glänzende Klinge.

»Falls du mit der Hexe meine Tochter meinst«, antwortete Mortimer mit belegter Stimme, »die ist nicht hier.«

»Ach ja?« Mortola humpelte auf ihn zu. »Sei vorsichtig. Meine Beine schmerzen von der endlosen Fahrerei hierher, das macht mich nicht sonderlich geduldig.«

»Sie ist nicht hier!«, wiederholte Mortimer. »Meggie ist fort, mit dem Jungen, dem ihr das Buch weggenommen habt. Er hat sie gebeten, ihn zu Staubfinger zu bringen, das hat sie getan – und ist mit ihm gegangen.«

Mortola kniff ungläubig die Augen zusammen. »Unsinn!«, stieß sie hervor. »Wie soll sie das ohne das Buch angestellt haben?« Doch Elinor sah den Zweifel auf ihrem Gesicht.

Mortimer zuckte die Schultern. »Der Junge hatte ein handbeschriebenes Blatt Papier dabei, das Blatt, das angeblich Staubfinger hinübergebracht hat.«

»Aber das ist unmöglich!« Orpheus sah ihn entgeistert an. »Behaupten Sie allen Ernstes, Ihre Tochter hätte sich selbst in die Geschichte gelesen, mit meinen Worten?«

»Ach, dann sind Sie dieser Orpheus?« Der Blick, mit dem Mortimer ihn musterte, war wenig freundlich »Ihnen habe ich es also zu verdanken, dass ich keine Tochter mehr habe.«

Orpheus rückte sich die Brille zurecht und erwiderte seinen Blick mit derselben Feindseligkeit. Dann drehte er sich abrupt zu Mortola um. »Ist das dieser Zauberzunge?«, fragte er. »Er lügt! Ich bin ganz sicher! Er lügt! Niemand kann sich selbst in eine Geschichte hineinlesen. Weder er noch seine Tochter noch sonst irgendwer. Ich habe es selbst Hunderte von Malen versucht. Es geht nicht!«

»Ja«, sagte Mortimer mit müder Stimme. »Genau das habe ich bis vor vier Tagen auch geglaubt.«

Mortola starrte ihn an. Dann gab sie Basta ein Zeichen. »Sperr sie alle in den Keller!«, befahl sie. »Und dann sucht das Mädchen. Durchsucht das ganze Haus.«

Inhalt:

Die Handlung knüpft direkt an den ersten Teil an. Zunächst lässt sich der Feuerspucker Staubfinger aus Sehnsucht nach seiner alten Welt von Orpheus in die Tintenwelt zurücklesen. Dabei bleibt durch eine Manipulation von Orpheus der Lehrling Staubfingers, Farid, zurück und fällt dem bösen Messerhelden Basta in die Hände. Doch kann er entfliehen, um die Familie des Buchbinders Mortimer, dessen Tochter Meggie er liebt, zu warnen und sich durch Meggie in die Tintenwelt lesen zu lassen, um dort sein Vorbild Staubfinger warnen und beschützen zu können.
Tatsächlich gelingt es ihm, Meggie, die wie kein anderer über die Fähigkeit des Hinüberlesens verfügt, für seinen Plan zu gewinnen. Doch sie liest sich ebenfalls in die Tintenwelt – und gegen ihre Absicht auch Gwin, den gehörnten Marder, der, laut dem Buch, Staubfingers Tod bedeutet. Farids Warnung bleibt erfolglos. Der Buchbinder wird von Basta und dessen Herrin Mortola überrascht, und er, Resa und seine Gegner werden von Orpheus in die Tintenwelt gelesen.
Während Staubfinger in Tintenherz mehrmals Mitglieder von Meggies Familie den Verbrechern ausgeliefert hatte, wird er hier zu ihrem Helfer. Über weite Strecken wird er sogar zur Hauptfigur, weil er als einziger mit allen Bereichen der Tintenwelt vertraut ist. Er versteht die Sprache der Bäume, weiß mit allen Fabelwesen umzugehen und beherrscht so perfekt das Feuer, dass er es sogar mit dem Wasser zusammenzwingen kann. Außerdem verkehrt er mit Spielleuten, Heilern und Räubern, die hier die Gegenpartei zum Prinzip des Bösen darstellen. Mit dem Schwarzen Prinzen, dem Beschützer der Spielleute und Anführer der Räuber, war er schon von Kindheit an befreundet.
Dagegen hat der Dichter Fenoglio Schwierigkeiten, sich in der von ihm erschaffenen Welt zurechtzufinden. Während er in Tintenherz durch seine Macht über Figuren der Tintenwelt Wesentliches zur Rettung der Familie Meggies beitrug, hat sein Eingreifen in die Handlung der Tintenwelt zwiespältige Wirkungen. Mehrmals verändert er mit Meggies Hilfe die Tintenwelt, doch immer wieder verwirklichen sich seine Ideen anders als geplant.
Auf der Seite des Bösen bleiben Basta und seine Herrin Mortola wichtige Figuren, doch treten sie gegenüber Natternkopf – dem grausamen Fürsten der Nachtburg – und seinen Helfern Brandfuchs und Pfeifer zurück.

Schreibstil:

Für Kinder in einer faszinierenden träumerischen Art und Weise geschrieben, unter Magiern und Wesen, die sich Kinder erdenken. In der Ich-Form, so als spräche jemand zu dem Lesenden, sind Cornelia Funkes Worte formuliert.
Ähnlich wie Michael Endes "Unendliche Geschichte", nur noch sehr viel mitreißender, was die Sprache anbelangt, so daß Kinder und auch Erwachsene mitgerissen und in den Bann gezogen werden, ist ihr Wortspiel.

Meinung:

Meggie, die Hauptfigur dieser Geschichte, erreicht die Tintenwelt. Staubfinger ist Schuld an dieser Sache. Dieses Wesen ist sowieso eine tragische und Figur, die den Leser mit seinen Eseleien fesselt. Alles erdenklich Mögliche und Unmögliche, Fantastereien, aber auch ein Teil Realität findet Meggie in dieser für sie neuen Welt, in der sie sich erst einmal zurechtfinden muß. Hier trifft sie auf Staubfinger und erlebt mit ihm zahlreiche Abenteuer.

Faszinierend, fast spielerisch und trotzdem ernst fließen die Worte übers Papier, läßt sich ihr Schreibstil wunderbar lesen, zieht sie die Leser mit ihren Bänden Tintenherz und Tintenblut in den Bann. Die Geschichten fesseln, reißen mit und lohnen sich in jedem Fall zu lesen.

Inhaltsangabe auf der Rückseite des Buches:

Meggie las zum 100. Mal den Abschiedsbrief an ihre Eltern:

Liebste Mo! Liebe Resa!

Bitte macht euch keine Sorgen. Farid muß Staubfinger finden, um ihn vor Basta zu warnen, und ich gehe mit ihm. Ich will gar nicht lange bleiben, ich will nur den Weglosen Wald sehen und den Speckfürsten, den Schönen Cosimo und vielleicht noch den Schwarzen Prinzen und seinen Bären. Ich will die Feen wiedersehen und die Glasmänner - und Fenoglio. Er wird mich zurückschreiben. Ihr wißt, daß er es kann. Macht euch keine Sorgen. Capricorn ist ja nicht mehr dort.

Bis bald, ich küsse euch tausendmal. Meggie.

Alle Figuren dieses Romans:

Im 1. Teil:

Meggie
Mortimer Folchert, genannt Mo oder Zauberzunge
Resa
Elinor Loredan
Fenoglio
Staubfinger
Gwin
Farid
Capricorn
Mortola
Basta
Darius


und außerdem im 2. Teil:

aus unserer Welt

Orpheus
Cerberus
Zucker

aus der Tintenwelt

Spielleute oder das bunte Volk
Wolkentänzer
der Schwarze Prinz
der Bär
der Rußvogel
Baptista
der Starke Mann

im Weglosen Wald

Nixen
Blaue Feen
Feuerelfen
die Weißen Frauen
der Eichelhäher

in Ombra

Minerva
Despina
Ivo
Rosenquarz

auf der Burg von Ombra

der Speckfürst
Cosimo
Tullio
Violante
Jacopo
Balbulus
Brianna
Anselmo

auf Roxanes Hof

Roxane
Jehan
Schleicher
Rosanna

im geheimen Lager

der Zweifinger
die Krummfingrige
Benedicta
Mina
die Nessel

im Gasthaus im Weglosen Wald

der Wirt
das Mossweibchen

in der Mäuse-Mühle

der Müller
der Sohn des Müllers

im Siechenhaus

dr Natternkopf
die 5. Frau des Natternkopfes
der Schlitzer
der Pfeifer
der Brandfuchs
Taddeo
die Gepanzerten

im Dachsbau

der Schnapper

Tiere

Gwin
Schleicher
Cerberus
Bär

Inhalt (Überschriften):

Maßgeschneiderte Worte 9
Katzengold 19
Staubfingers Heimkehr 26
Zauberzunges Tochter 36
Farid 52
Das Gasthaus der Spielleute 68
Meggies Entscheidung 86
Die Spielfrau 96
Meggie liest 111
Tintenwelt 121
Fort 131
Ungebetene Besucher 136
Fenoglio 147
Der Schwarze Prinz 156
Fremde Geräusche in fremder Nacht 169
Nur eine Lüge 177
Ein Geschenk für Capricorn 185
Mortolas Rache 195
Geburtstagsmorgen 205
Besuch von der falschen Seite des Waldes 221
Der Fürst der Seufzer 230
Zehn Jahre 237
Kalt und weiß 251
In Elinors Keller 253
Das Lager im Wald 258
Fenoglios Plan 269
Violante 279
Die falschen Worte 296
Neue Herren 301
Cosimo 307
Elinor 318
Der Falsche 328
Feentod 337
Wolkentänzers Nachricht 342
Tintenmedizin 350
Schreie 358
Blutiges Stroh 361
Audienz für Fenoglio 374
Noch ein Bote 393
Hoffnungslos 409
Der Zug der Gefangenen 413
Ein vertrautes Gesicht 427
Papier und Feuer 431
Der brennende Baum 440
Arme Meggie 447
Ein Klopfen an der Tür 450
Roxane 459
Die Burg am Meer 469
Die Mühle 473
Die beste aller Nächte 486
Die richtigen Worte 493
Wütender Orpheus 508
Der Schleierkauz 511
Im Kerker der Nachtburg 522
Ein Brief von Fenoglio 528
Die falschen Ohren 534
Feuer und Wasser 544
Unsichtbar wie der Wind 549
Der Natternkopf 553
Feuer an der Wand 564
Im Turm der Nachtburg 574
Was nun? 582
Der Dachsbau 586
Alles verloren 595
Der Herr der Geschichte 598
Unbeschriebenes Papier 603
Güte und Barmherzigkeit 621
Besuch 630
Die Nacht davor 634
Feder und Schwert 638
Nur ein Traum 657
Getauscht 665
Der Eichelhäher 681
Farids Hoffnung 689
Wieder allein 692
Ein neuer Dichter 696
Wohin? 703

Karte der Tintenwelt 708
Wer ist wer? 709
Inhalt 716
Quellenverzeichnis 719
Danksagung 729
Biografie 731

16 Bewertungen, 5 Kommentare

  • IVY2000

    18.02.2010, 01:39 Uhr von IVY2000
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein wirklich ausführlicher Testbericht!!

  • topfmops

    19.08.2007, 16:24 Uhr von topfmops
    Bewertung: sehr hilfreich

    Wenn die Administration keine Lust mehr hat, soll sie es doch sagen. Verarschen darf mich das mir ehelich anvertraute Weib und die traut sich das nicht. Und dann auch noch Vorschriften machen über meine Lesegeschwindigkeit.

  • Mondlicht1957

    17.08.2007, 18:56 Uhr von Mondlicht1957
    Bewertung: sehr hilfreich

    LG Pet

  • Wharariki

    15.08.2007, 11:34 Uhr von Wharariki
    Bewertung: sehr hilfreich

    liebe Grüße

  • freshmaik

    15.08.2007, 09:16 Uhr von freshmaik
    Bewertung: sehr hilfreich

    puh.. zieht sich durch die ganzen Fakten und anderen Bücher/Überschriften etc. ganz schön in die Länge... aber echt gelungener Bericht, der klar sehr hilfreich ist.