Tintenherz (gebundene Ausgabe) / Cornelia Funke Testbericht

ab 5,68
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Summe aller Bewertungen
  • Handlung:  sehr spannend
  • Niveau:  durchschnittlich
  • Unterhaltungswert:  hoch
  • Spannung:  hoch
  • Humor:  durchschnittlich
  • Stil:  ausschmückend

Erfahrungsbericht von Ankepunkt

Vom Zauber, der Büchern entspringt ...

Pro:

zauberhaft geschrieben, vermittelt den Wert geschriebener Worte, schön illustriert

Kontra:

Für meinen Geschmack zu viele Handlungsstränge - s\'ist schließlich ein Kinder- bzw. Jugendbuch

Empfehlung:

Ja

Schon der Einband ist etwas besonderes, als ich „Tintenherz“ zu meinem Geburtstag aus dem Geschenkpapier wickle. Dicke, schwere Pappe, bedruckt mit einigen verschnörkelten Buchstaben, der Titel auf elegantem weinrotem Hintergrund. Ich streiche mit der Handfläche darüber. Das Buch fühlt sich gut an, es ist glatt und warm. Gespannt hebe ich den Buchdeckel hoch – anders, als bei den vielen, vielen Büchern in meinen Regalen stoße ich nicht gleich aufs Copyright. Die Unterseite des Deckels ist blutrot, über der Geschichte ebenfalls rotes, dickes Papier. Wie ein Vorhang verwehrt es den ersten Blick auf die Handlung. Ich verstehe die Botschaft, schließe das Buch und öffne den „Vorhang“ erst später, als ich Zeit und Ruhe zum Lesen finde.

Ich lese gern und ziemlich viel – Biographien, Zeitgeschichte, Krimis, Gedichte, „gehobene Literatur“, Herzschmerz-Romane oder auch Kinder- und Jugendbücher. Einfach alles, was mir in die Hände fällt und Kurzweil verspricht oder mich brennend interessiert. Deshalb ist es für mich auch nicht verwunderlich, dass meine Freundin mir zum Geburtstag ein Jugendbuch schenkt.

Cornelia Funkes Bücher gehören schon lange zu meiner Büchersammlung. Da ich 3 Kinder habe bin ich sowieso offen für solches Schriftgut und die Bücher, die ich bisher von ihr gelesen habe, waren für jung und alt gleichermaßen lesenswert.

Irgendwann ist es dann soweit. Ich kuschle mich gemütlich aufs Sofa, stelle Kaffee und den Aschenbecher bereit und öffne Tintenherz erneut. Diesmal, um es ungestört zu lesen. Als ich das rote Blatt unter dem Buchdeckel sehe, halte ich noch einmal inne, streichle es andächtig und blättere um – hebe also den „Vorhang“ und trete ein in die Welt der Bücher...

Die 12jährige Meggie lebt mit ihrem Vater Mo in einem Haus, das dem meinen irgendwie ähnelt. Es ist voller Bücher, überall stapeln sie sich – im Flur, in den Schlafzimmern, in der Küche, auf dem Klo. Die beiden sind mir auf Anhieb sympathisch. Mo verdient sein Geld mit der Restauration alter Bücher und schnell wird mir klar, wie sehr er Bücher liebt und mit wie viel Respekt er sie behandelt. Diese Liebe zu Büchern ist auch Meggi gegeben. In einer von Mo gebastelten Kiste bewahrt sie ihre liebsten Geschichten auf und hütet sie, wie einen Schatz.

Über ihre Mutter weiß Meggi nicht sehr viel. Sie verschwand eines Nachts, als Meggi 3 Jahre alt war und Mo erzählt kaum etwas, wenn seine Tochter ihn manchmal fragt.

So leben die beiden voller Harmonie und Eintracht in ihrem kleinen Häuschen, als eines Nachts ein merkwürdiger Fremder vor dem Haus steht. Zum ersten Mal in ihrem Leben bekommt Meggi es mächtig mit der Angst. Sie holt ihren Vater ans Fenster und es beruhigt sie kein bisschen, als Mo den Fremden als „Staubfinger“ identifiziert und ins Haus bittet. Sie wird zurück ins Bett geschickt, während sich die Männer unterhalten und am nächsten Morgen drängt Mo zur Eile – er will, von Staubfinger unbemerkt, mit Meggi aufbrechen, um Tante Elinor zu besuchen. Doch der Fremde lässt sich nicht abschütteln. Er überredet Mo, ihn mitzunehmen und begleitet die Beiden schließlich auf ihrer langen Fahrt zu Elinors wundersamer Villa. Alle Schlagläden sind geschlossen, kein Tageslicht fällt in das riesige Gebäude und alle Räume, alle Flure sind gefüllt mit deckenhohen Regalen voller Bücher.

Zunächst halte ich Tante Elinor für spleenig als ich erfahre, dass sie nur mit ihren Büchern lebt. Von der Außenwelt abgeschottet hütet und pflegt sie ihre Bücher, schützt sie vor dem Sonnenlicht und ist den ganzen Tag damit beschäftigt, Hunderte von Büchern abzustauben. Natürlich ist sie gar nicht begeistert, als Mo mit Meggi und Staubfinger (der einen quirligen gehörnten Marder im Rucksack versteckt) an ihrer Tür klopfen und es passt ihr gar nicht in den Kram, dass die Drei sich bei ihr einnisten wollen. Meggi wird angewiesen, niemals näher als 1 m an ein Bücherregal heranzutreten und Mo bietet an, als Gegenleistung für die Unterkunft einige kostbare Bücher aus Elinors Sammlung zu restaurieren.

Meggi ist äußerst misstrauisch und versucht verzweifelt herauszufinden, was da gerade alles geschieht. Wie sich bei ihren Nachforschungen herausstellt, dreht sich alles um ein wundersames Buch mit Namen Tintenherz, das Tante Elinor in ihrer gigantischen Bibliothek verstecken soll. Wer ist Staubfinger? Wieso nennt er ihren Vater nicht Mo, sondern Zauberzunge? Wer ist der ominöse Capricorn, über den sich die Erwachsenen ständig unterhalten und wieso sind sie auf der Flucht? Vor wem? Vor was??

Tatsächlich ist Tintenherz ein Buch, das die Geschichte von Staubfinger und Capricorn erzählt, wie Meggi lauschend erfährt. Aber, wie kommt Staubfinger in unsere Welt und wen hat es noch hierher verschlagen?


Stellt Euch vor, ihr lest gerade „Ali Baba und die 40 Räuber“ und plötzlich galoppieren 10 von ihnen durch Euer Wohnzimmer ..... mit so etwas muss man rechnen, wenn man „Tintenherz“ liest. Das Buch ist mehr als nur ein Buch. Es ist (wie damals „Die unendliche Geschichte“) eine Geschichte in einer Geschichte, ein ehrfurchtvolles Werk über die Welt des geschriebenen Wortes.

In Tintenherz versinkt man, hat nicht eher Ruhe, bis man am (zugegebenermaßen offenen) Ende angelangt ist. Dann schließt sich der rote Vorhang und man denkt nach...

Es handelt sich um ein Buch, in dessen Schönheit man sich verliert, sobald man sich darauf eingelassen hat, es ist ein Schmuckstück, dass mit einer bezaubernden Sprache das Gefühl für Bücher vermittelt.

2 Tage habe ich das Abenteuer von Meggi und Zauberzunge verfolgt, nachts von ihnen geträumt. 2 Tage hatte ich Anteil an Schicksalen, die es in unsere Welt verschlagen hat und an ihrem Weg durch dieses fremde Gebiet. Staubfinger ist eine besonders traurige Gestalt, denn er ist beseelt von dem Wunsch, in seine Welt zurückkehren zu können und scheut kein Risiko, dies zu erreichen.

Soweit ich weiß, ist Tintenherz das erste Buch einer geplanten Trilogie. Dies tröstet mich ein wenig, denn der durchaus plausible Schluss lässt dennoch einige Fragen offen, die sich hoffentlich in den Folgeteilen aufklären werden. Meggi und Mo, Tante Elinor, Staubfinger, Capricorn und einige wirklich düstere Gestalten haben mich in ihren Bann gezogen und werden mich so schnell nicht loslassen. Wegen der fast gänzlich fehlenden Brutalität (die sich, wenn überhaupt, dann nur im Kopf des Lesers abspielt) eignet sich das Buch auch für jüngere Kinder zum Vor- oder Selberlesen. Für ganz gewitzte, gibt es „Tintenherz“ inzwischen auch als Hörbuch, das 16 CDs umfasst.

Cornelia Funkes „Tintenherz“ besticht durch seine wirklich bezaubernde Sprache und die bibliophilen Passagen über Bücher und den Stellenwert derer bei Meggi und Mo, die meine eigene Büchersammlung in ein anderes Licht fallen lässt. Wunderschön illustrierte Anfangsbuchstaben (von C. Funke selbst) leiten ein jedes der vielen Kapitel ein und das schmale Lesebändchen rundet die Perfektion des Buches ab. Man merkt deutlich, dass der Dressler Verlag bemüht war, die Lehre des Buches umzusetzen und dessen „Outfit“ respektvoll anzupassen.

In der Presse wird „Tintenherz“ oft mit Harry Potter verglichen, obwohl beide Geschichten nichts, aber auch gar nichts vergleichbares haben, außer der Tatsache, dass es sich bei beiden um Kinder-/Jugendbücher handelt, die von Erwachsenen ebenso gern gelesen werden, wie von der Zielgruppe. Man mag sich streiten, welches der Bücher (Tintenherz oder Potter) nun besser ist. Zauberhaft und faszinierend sind sie beide auf ihre Art. Wenn ich aber um meine Meinung gefragt werde, dann kann ich nur sagen, dass MIR Tintenherz mehr gegeben hat, als Harry Potter es je könnte.

Tintenherz ist jedoch ein ernstes Buch. Wer Humor und Witz darin sucht, sucht vergeblich. Streckenweise macht sich düstere Ausweglosigkeit breit, die aber, wie ich finde, aus der Situation heraus resultiert und durchaus berechtigt ist. Wenn man eine Gestalt aus einem Buch „herausliest“ und sie unserer Welt aussetzt, muss man sich doch fragen, wie zum Beispiel Peter Pans „Glöckchen“ damit zurechtkommen kann...

Ich danke meiner Freundin Diana für dieses so wunderbare Geschenk und die Gedanken, um die es mich bereichert hat.

Anke.


PS: Hier noch einige Infos:

Cornelia Funke wurde 1959 in Dorsten geboren. Nach ihrer Ausbildung zur Diplompädagogin und einem Grafikstudium arbeitete sie zunächst als Illustratorin. Seit über 10 Jahren schreibt sie Kinder- und Jugendbücher für alle Altersgruppen. Die bekanntesten sind: Die wilden Hühner, Drachenreiter, Herr der Diebe und Tintenherz. Sie ist eine sehr erfolgreiche Autorin, die auch weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt ist und all ihre Bücher mit viel Liebe und Geschick selbst illustriert. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren 2 Kindern in Hamburg.

Tintenherz (ab 10 Jahren) ist erschienen im

Dressler Verlag, Hamburg
ISBN: 3-7915-0465-7
573 Seiten, gebunden

und kostet derzeit 19,90 € (die es wert ist!)


Weiterhin ist Tintenherz als Hörbuch erschienen und zwar beim

Jumbo Neue Medien Verlag
Es umfasst 16 CDs, bzw. 16 MCs
und kostet bei Amazon in beiden Ausführungen momentan je 55,90 €

23 Bewertungen, 3 Kommentare

  • l.x.klar@gmx.net

    06.03.2008, 14:50 Uhr von [email protected]
    Bewertung: sehr hilfreich

    bin neu hier und brauch noch feedback. danke !

  • leuchttuermin

    05.06.2006, 20:48 Uhr von leuchttuermin
    Bewertung: sehr hilfreich

    Die gute Faru macht richtig Geld im Moment! :-)

  • antjeeule

    06.06.2004, 00:36 Uhr von antjeeule
    Bewertung: sehr hilfreich

    ...ist wirklich ein tolles Stilmittel. Anke, ich habe deine Meinung über dieses schöne Buch hier genauso gerne und noch einmal gelesen wie im Grünland. Und ich habe dabei auch noch anderes entdeckt, was ich beim ersten Lesen entweder nicht w