Tintenherz (gebundene Ausgabe) / Cornelia Funke Testbericht

ab 5,68
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Summe aller Bewertungen
  • Handlung:  sehr spannend
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  • Unterhaltungswert:  hoch
  • Spannung:  hoch
  • Humor:  durchschnittlich
  • Stil:  ausschmückend

Erfahrungsbericht von Libraia

Tintenherz, ein echtes Kinderbuch - Highlight

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Cornelia Funke, Tintenherz Dressler Verlag 2003, 574 Seiten, 19,90 Euro

Wer sich auch nur ein wenig für Kinderliteratur interessiert, kann eigentlich gar nicht anders, als früher oder später auf Cornelia Funke zu stoßen. Sie ist seit vielen Jahren außerordentlich erfolgreich im deutschen Kinder- und Jugendbuchsektor. Ihre Bücher „Drachenreiter“ und „Herr der Diebe“ sind sehr phantasievolle, spannende, lebendige und zudem erfolgreiche Titel („Herr der Diebe“ beispielsweise wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt und wird derzeit verfilmt) und welches Mädchen zwischen neun und 13 Jahren kennt und liebt nicht die Serie „Die wilden Hühner“, eine sehr nette, witzige und lebensnahe Folge über eine Mädchenbande? Es gibt noch zahlreiche weitere lieferbare Titel dieser Autorin, die ich nun nicht alle aufzählen möchte, denn hier soll es ja um ihren neuesten Roman „Tintenherz“ gehen.

Über die Autorin:

Cornelia Funke wurde 1958 in Dorsten (Westfalen) geboren. Sie machte in Hamburg eine Ausbildung als Diplompädagogin. Danach studierte sie an der Fachhochschule für Gestaltung, zeitgleich arbeitete sie als Erzieherin auf einem Bauspielplatz. Nach ihrem Studium arbeitete sie vorwiegend als Kinderbuchillustratorin, begann jedoch mit 28 Jahren damit, selbst Kinderbücher zu schreiben. Mittlerweile sind es über 40 Titel geworden.
Frau Funke lebt gemeinsam mit Mann und zwei Kindern in Hamburg und ist hoffentlich noch lange weiterhin produktiv.

Zum Inhalt:

Meggie, die 12-jährige Hauptfigur des Buches ist eine ausgesprochene Leseratte, sie liebt es, in ihre Lieblingsgeschichten immer wieder einzutauchen und in andere Welten zu versinken. Kein Wunder eigentlich, denn ihr Vater Mo ist Buchbinder, der alte Wälzer höchst liebevoll restauriert. Dann gibt es noch Tante Elinor, eine etwas verschrobene und furcht erregende Frau, die nur für ihre riesige und exklusive Bibliothek lebt und mit echten Menschen nicht all zu viel im Sinne hat.
Mo und Meggie leben glücklich und zufrieden in ihrer eigenen abgesonderten Welt, sehr viele Kontakte zu andern Kindern hat Meggie nicht, da beide oft mit einem Bus durch die Welt reisen, aber sie vermisst nichts, Mo vermisst allerdings Meggies Mutter, aber daran lässt sich wohl nichts ändern, anscheinend ist sie schon lange tot…

Eines Abends taucht ein seltsamer Gast im Hause auf, ein Mann namens Staubfinger, der ein höchst ungewöhnliches Tier namens Gwin mit sich führt, eine Art Marder mit Hörnern. Staubfinger warnt Mo, den er Zauberzunge nennt, er fordert ihn auf, mit ihm zu fliehen, denn Capricorn sei hinter ihm her.
Klar, dass Meggie nicht nur unheimlich zumute wird durch das seltsame Gebaren des unerwünschten Gastes, sondern sie wird auch sehr neugierig; doch ihr Vater, der sonst immer alles mit ihr besprochen hatte, bleibt diesmal Erklärungen schuldig. Hastig fliehen die drei Richtung Süden, um erst mal bei Tante Elinor (die keine Kinder mag) Station zu machen.

Vor wem flieht der Vater eigentlich, wer ist Capricorn und weshalb muss das geheimnisvolle Buch unbedingt vor Capricorn und seinen Mannen gerettet werden?
Fragen über Fragen stellen sich Meggie, und einige werden ihr leider nur all zu schnell beantwortet. Nachdem Capricorns Männer Tante Elinors Haus ausfindig gemacht hatten, ist schnell klar, dass die Flucht weitergehen muss – und sie führt direkt in die Höhle des Löwen: in ein Dorf in Italien, das sich der Bösewicht Capricorn als Räubernest ausgesucht hatte. Ein Dorf, in dem alle Bewohner diesem Mann untertan sind, vor dem sie vor Furcht erzittern (erinnert das nicht ein bisschen an die Mafia? – Ähnlichkeiten sind wohl nicht ganz zu übersehen). Doch was Meggie in diesem Dorf entdecken wird, das geht weit über eine „normale“ Verbrecher- oder Detektivgeschichte hinaus: sie wird mit so vielen unglaublichen und phantastischen Geschehnissen konfrontiert, dass es nur ein so mutiges, beherztes (und belesenes) Mädchen wie sie aushalten kann.
Sicher werde ich nun nicht ins Detail gehen (bei diesem Buch wäre es ein Verbrechen, zu viel zu verraten, denn es hat einige sehr überraschende, ganz und gar nicht vorhersehbare Elemente), aber dass Mos Name „Zauberzunge“ ihm nicht nur einfach so als Spitzname gegeben wurde, sondern dass er durch seine Stimme tatsächlich Märchen wahr werden lässt, so viel möchte ich doch andeuten. Meggie versteht nun, warum ihr Vater ihr nie, niemals aus einem ihrer geliebten Büchern vorgelesen hat…

Zauberhafte und märchenhafte Einsprengsel gibt es in diesem Buch zuhauf: Fabeltiere, Feen, Schattenwesen, sprechende Tiere, Märchengestalten, die real werden, all das und noch viel mehr verwebt Cornelia Funke in ihre eigentliche Geschichte mit ein – und zwar so, dass der Leser / die Leserin gerne (und wie gerne!) mitzieht und sich verzaubern lässt. Doch was ist denn die „eigentliche Geschichte“? Man könnte es reduzieren auf den alten Kampf „Gut gegen Böse“ und tatsächlich gibt es diese Schwarzmalerei auch in „Tintenherz“. Aber die Autorin geht darüber hinaus. Gerade an der Figur Staubfingers, aber in geringerem Maße auch durch Tante Elinor, durch Mo und auch bei Meggie selbst werden die menschlichen Zwischentöne sichtbar gemacht, die Grauzonen; es gibt eben selten nur das Gute und das Böse, manchmal wird die Abgrenzung schwierig.

Die fulminante Story strebt einem höchst dramatischen Ende zu, einer Lesung, bei der es um Leben und Tod geht. So spannend wurde wohl noch nie eine öffentliche Vorlesung inszeniert wie hier und sicher hing noch nie zuvor so viel davon ab, w i e gelesen wird, eine Lesung als regelrechtes Showdown.
Schluss jetzt! Kein Wort weiter zum Inhalt! Selber lesen!!!

Zum Stil:
Schön, dass alles manchmal – leider viel zu selten – so gut zusammen passt wie hier. Frau Funkes Ausbildung zur Pädagogin, ihre Erfahrungen als Erzieherin und Mutter, ihr Studium für Gestaltung sowohl wie ihr unglaubliches Talent zum Fabulieren und ihre großartige Kreativität und Phantasie haben zu einem optimalen Ergebnis geführt: ein Buch, das einfach jeder gerne lesen muss (denke ich zumindest, Ausnahmen gibt es immer).
Vor jedem Kapitel stellt die Autorin Zitate aus berühmten Kinderbüchern, aber auch aus Fantasyromanen von Mark Twain bis Tolkien. Auch wenn ich den Zusammenhang zur Story nicht immer (aber oft) erkennen konnte, sind die Zitate einfach wunderschön. Ich kann mir vorstellen, dass sie beim einen oder anderen jugendlichen Leser den Wunsch erwecken, die Geschichte zu den Zitaten kennen zu lernen; das wäre ja sehr wünschenswert.

Illustrationen:

Am Ende jeden Kapitels hat die Autorin selbst kleine, sehr stilvolle Schwarzweiß- Zeichnungen eingefügt, die den Text gut ergänzen.

Meine Meinung:

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Eine gelungene Mischung aus Fantasy, Märchen, Abenteuerroman, Detektivgeschichte, ein bisschen was fürs Herz ist natürlich auch dabei und im Hintergrund immer die philosophische Frage nach dem „wie handle ich richtig, was ist eigentlich gut und was ist falsch“. Die Geschichte gewinnt zunehmend an Spannung und reißt die Leser richtig mit.
Gibt es denn gar nichts Negatives an diesem Buch? - doch: anfangs störte mich die starke Betonung des Wertes von Büchern, die übergroße Leselust der Agierenden ein wenig. Wie sehr Frau Funke den Stellenwert von Literatur und Büchern betonen will, das ist mir als Buchhändlerin natürlich sehr sympathisch, aber dennoch ist die Übertreibung ein klein wenig penetrant. Ein Kind, das sich an ein so dickes Buch heranwagt, wird Bücher sowieso mögen, man muss es doch nicht davon extra überzeugen, oder? Aber das ist ein kleines Manko, das sich auch nach ein paar Seiten verliert, dann wird die Geschichte so spannend, dass man sowieso alles andere vergisst…

Fazit: Ein ungewöhnlich gutes Kinderbuch, eines der Highlights der letzten Jahre.

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