Gangs of New York (VHS) Testbericht

Gangs-of-new-york-vhs-historienfilm
ab 19,90
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Erfahrungsbericht von talibdjan

Wenn man nicht weiss, was man will...(und Scorsese heisst)

Pro:

Ausstattung

Kontra:

Hohe Erwartungen nicht erfüllt, zu viel in Einem, Streit und Kürzungen sind bemerkbar

Empfehlung:

Ja

Die dunkle Vergangenheit von New York. Einwanderer aus allen Ländern, vorwiegend Europa strömen in die neue Metropole. Die Oberhäupter der wichtigsten Gandgs unter zahllosen Gruppierungen nach Abstammung sind Vallon der Ire Bill the Butcher der Natives („echte“ Amerikaner –was?), der Furchteinflössende und Einflussreiche, besonders nachdem er Vallon zur Strecke bringt, wofür sich dessen Sohn, der seine Jugend in einem Waisenheim verbringt rächen will, nachdem er zum „Mann“ geworden ist. Zwischendurch strauchelt er durch eine unromantische Romanze und ist zuerst der Sohn, den Bill Butcher nie hatte und nach dem Verstoss die neue Leitfigur der einflusslosen Iren.

Scorsese...tja, ist vielleicht nicht seine Epoche. 20. Jh. Liegt ihm eher.
Der Schatten, den Gangs of New York vor dem Start sich selbst auf seinen Weg geworfen hat ist sehr lang, woran aber die Macher selbst die Schuld tragen. Etwas zu viel Ehrgeiz und Pathos, etwas zu wenig Konzept und Eingkeit, ungeschicktes Casting, labile Produktion mit allen Prolemen wie Finanzierung, Streit in der Crew und alles drum und dran merkt man dem Film leider an. Opulent kommt er zwar erstmal daher, allerdings ist es viel Lärm um Nichts, für gelungen, episch oder geschweigedenn einen Meilenstein halte ich den Film nicht.
Schürt man die Erwartungen zu sehr und zu engagiert, hat man weniger Zeit, sie zu erfüllen.

Es gibt Schauspieler und auch Regisseure, die in alle, andere, die nur in bestimmte Zeiten passen. L. Neeson ist z. Bsp. Jd., der in jeder Zeit eine ganz gute Figur macht, egal ob Altertum, 18. Jh., 19., Gegenwart, Zukunft, Loser, Karrieretyp, Held, Intellektueller, ähnlich wie M. Gibson, A. Hopkins, R. Crowe, S. Connery o.a.. Die Frage, warum seine Figur, die recht gut wirkt, die Grundlage für die ganze Rache-Story ist, in Zusammenhang mit Abstammungen, Moral oder Ethos und Religion auch sonst jede Menge Basis für Aspekte des Film liefern könnte, nur etwas 2 min (ohne Schlachtgetümmel) zu sehen ist, drängt sich mir irgendwie ziemlich inensiv auf.
DiCaprio beispielsweise ist der Typ, der in modernen Zeiten überzeugt, in historische Gefilde aber einfach nicht passt.
Für so eine Rolle fehlts ihm an Charisma, jn. Wie N. Cage oder C. Walken (wenn er etwas jünger wäre) könnte ich mir besser und glaubwürdiger vorstellen. Jude Law wär mein Geheimtip. Caprio ist nicht schlecht, aber einfach nicht wirkungsvoll, so wie der ganze Film.
Die Besetzung ist Manko Nr. 1.
Diaz ist nicht schlecht und nicht gut, eigentlich bei solchen Projekten mehr der Nebenrollen-Typ (klasse Rolle in Any Given Sunday).
DD Lewis ist ein klasse Schauspieler, der ab und zu mal Brillantes liefert. Hier trägt er wenig Schuld. Die Konzeption v. BBbutcher ist nicht gut. Lewis passt zwar auch in alle Zeiten, allerdings wirkt er nicht respekt- und angsteinflössend. Er ist, wenn schon böse, eher ein überlegter, berechnender Killer, evtl. psychopatisch und verstohlen, aber kein metzelnder, stämmiger, physisch beeindruckender, tyrannischer Herrscher. Der blöde Bart, der ihm angeklebt wurde, lässt jeden Merkwürdig aussehen. Augenbrauen und Mund zu verziehen ist keine tolle schauspielerische Leistung. Gute Szene ist z. Bsp. ein Gespräch in der Nacht mit Caprio neben Diaz im Bett nach dem Gelage nach dem Attentat auf Bill Butcher im Theater. Allerdings wirkt der Schnitt teilweise etwas merkwürdig und nimmt Wirkung und Spannung zw. Ihm und Caprio eher raus.
Der Schnitt ist das Problem Nr. 2. Nach langem Dreh folgt der endlose Schnitt. Scorsese dreht scheinbar maßlos, um dann nach Streitereien mit oder unter den Darstellern aus einer Ansammlung von Szenen in Länge von fast 4 oder 5 Stunden knapp 3 Stunden zurechtzuschneiden. Naja, hätte ja auch klappen können. Der Film wirkt einfach nicht rund, bietet keinen mitreißenden Faden. Ich fand ihn zu fast keiner Zeit richtig schlecht, aber auch nie richtig gut. Der berühmte Sog hat gefehlt. Er plätschert eigentlich ohne Erkennbare Höhen und Tiefen dahin. Obwohl einen kurzen Tiefpunkt gibt’s auf jeden Fall als Scorsese kurz in einer Statistenrolle zu sehen ist (im Anwesen, durch das Diaz auf ihren Raubzügen kommt).
Was soll denn das? Völlig bescheuert für einen seriösen Regisseur, besonders wenn er vorher so was nie gemacht hat, sich aber dem Zeitgeist oder was auch immer beugt. A propos Zeitgeist - was die Schlussszene mit den Überblendungen des alten zum neuen NY soll, weiß ich auch nicht. Zu sehen ist der Grabhügel mit Vallon- und Butcher-Grab, die die Zeit verschlingt...Die moderne Stadt gründet sich auf dem martialischen Leid der Vorfahren, die noch Werte kannten, während sie im Morast lebten? Die Erzfeinde ruhen Seite an Seite, denn beide machen die Seele der Stadt aus, um die sie kämpften? Die Bewohner der Stadt vergessen ihre Legenden und Helden? Die Zeit heilt alle Wunden? Die Vergänglichkeit überwiegt Ehre und Grausamkeit?
Was auch immer mit dieser Metphorik-für-Anfänger-Szene hätte gesagt werden sollen, wäre durch einen gelungeneren Film wohl von selbst klar geworden. Das denke ich auch ist die Begründung für die Szene.
Was wollte Scorsese mit dem Film erreichen?
Gepriesen war die Allegorie auf Gewalt. ...hmm. Ich konnte hier weder so was wie eine Gewaltstudie erkennen, keine kritische Behandlung, keine Abschreckung oder Hinterfragung, wie weit sie z. Bsp. Teil der „Zivilisation“ ist, oder das Schicksal von „Männern“ oder Städten, Gesellschaften oder so bestimmt oder was weiß ich. Die Schlachtszenen wirken nicht, wie z. Bsp. in Saving Private Ryan oder Braveheart, sie haben eher Videoclipästhetik wie in Any Given Sunday. Ebenso gibt es keine Auseinandersetzung der Charaktere mit dem Sog oder dem Mittel oder dem Fluch der Gewalt(-spirale). Kurze Andeutungen ist eine Szene in der Butcher Vallon Jr. das rechte Abstechen (anatomisch durchdacht nämlich) mit einem Messer anhand eines hängenden Schweins lehrt. Blut alleine wirkt nicht grausam.

Die Rachegeschichte scheitert daran, dass sich nicht nur auf sie konzentriert wird, wie sie es aber bräuchte. Um die Rache und die Besessenheit nachzuvollziehen hätte zum einen Vallon Senior mehr ausgebaut werden müssen – die Rivalität zu Butcher, die Beziehung zum Sohn und seine ideelle Bedeutung. Das Dilemma mit geliebtem Feind kommt nicht schlecht, aber zu kurz. Caprio wird eine Art Sohn, den Butcher nie hatte, jd., dem man sich anvertraut wenn man nur von Schmarotzern und Feinden umgeben ist, einer, der in die Fußstapfen tritt.
Der Konflikt diesen Krieger Butcher zu meucheln oder ihn ins Angesicht zu fodern, nachdem man ihm so nah stand. Alles angedeutet aber nicht konsequent durchgezogen, weil zu viel sonstiger Ballast drumherum gefilmt wurde. Der interessante Teil des Vallon Jr.(wieso eigentlich Amsterdam? Doch nur wegen dem blöden „Amsterdam? I’m NY!“-Spruch)-Butcher-Konflikts, wie Vallon Jr. nach der Bestrafung und dem Verstoss wegen des misslungenen Attentats die Iren und andere Aussenseiter um sich schaart und Butcher die Vorherrschaft streitig macht, an Einfluss gewinnt, der Aufstieg nach dem totalen Fall, was ebenfalls schon als Filminhalt ausreichen würde, kommt superkurz, alles in allem so etwas 10 min oder so, nachdem vorher mit blöden Längen und Geplenkel genervt wurde. Schade!

Die Romanze ist wohl ganz überflüssig.

Einwanderungsdrama ist es überhaupt nicht. Deutsche und (Polen glaub ich) werden mal erwähnt, sonst gibt’s nur Engländer und Iren, die dafür sagen „bene“ sagen (!!!). Warum alle kommen, was sie suchen und hoffen und was sie hinter sich lassen, wie sie behandelt werden, was sie für sich und ihre Familien erkämpfen und an Identität haben und verlieren, das alles bleibt bis auf gaaaanz blasse und müde Andeutungen wohl nur in Scorseses Kopf (oder auch nicht). (---„Solino“ von F. Akin sehen!---)

Gesellschaftsdrama oder –kritik ist es nicht. Die Ausstattung und das Setdesign sind zwar opulent und aufwendig, wirken aber eben als solche und nicht als echt und bedrückend. Die Armut und das Elend wird nicht schrecklich geschildert, Leid nicht vermittelt und Willkür und Gier der Regierenden nicht deutlich behandelt. Diese Sachen kommen teilweise vor, aber als unauffälliger Rahmen (für was auch immer – Story?), nicht als etwas Wesentliches. Die Bombardierung der Slums am Ende durch die Regierung um die Aufstände niederzuschlagen wird nicht radikal genug als Grausamkeit dargestellt und die Hintergründe für den Aufstand, Wehrpflicht wegen dem anhaltenden Bürgerkrieg und Zweck-Rassismus werden durch eine (Vallon Jr’S) Erzählstimme erwähnt – im Schnelldurchlauf. Wirklich sehr kunstvoll und mitreißend kritisch.

Für eine Charakterstudie wird sich zu wenig Zeit für die Personen genommen, sie werden nicht genau gezeichnet oder einander gegenübergestellt. Nichts Halbes und nichts Ganzes.
Butcher-Vallon-Unterhaltung in der Nacht nach Aprés-Attentat-Feier ist da wohl noch der Höhepunkt der Andeutungen. Copland war ne gute (Mainstream-)Charakterstudie.

Bleibt wieder am Ende nur die Frage, was Scorsese eigentlich machen wollte (weniger ist eben oft mehr – weniger Zutaten und öfter umrühren!) ;-)

Sehenswert ist er auf jeden Fall, aber Erwartungen nicht zu hoch schrauben lassen. Ich finde ihn vom Prinzip vergleichbar mit „Patriot“. Nicht wirklich schlecht, mit Highlights und offenkundigen Investitionen und viel Aufwand, aber mit vielen Schwächen und viel heißer Luft (Gibson rettet mit toller Leistung einen teilweise blöden, teilweise guten und mitreißenden Film).
Ziemlich gemein von Scorsese mich durch sein Werk zu einem Vergleich zw. Ihm und Emmerich zu zwingen. Als nächstes vergleiche ich „Raging Bull“ mit „Universal Soldier“.

Wie gesagt sehenswert, ...die schlechte Kritik gründet sich darauf, daß große Namen mit großen Worten und viel Aufwand trotzdem wenig Resultat mit wenig Substanz bringen, daher wohl auch viel PR.

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