Fach Geschichte Testbericht

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  • Schwierigkeitsgrad der Ausbildung:  durchschnittlich
  • Arbeitsaufwand:  sehr niedrig
  • Prüfungsanforderungen:  durchschnittlich

Erfahrungsbericht von julian.k

Gegen das Vergessen

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

„Ein Volk, das seine Geschichte vergisst, ist verdammt, sie zu wiederholen“ – Dieser Spruch sollte klarmachen, welche Bedeutung die Geschichte auch heute noch hat. Selbst wenn Historiker (und somit auch Schüler eines Geschichte-LKs, über die bzw. über deren Kurs ich mich im Folgenden auslassen möchte) leicht als rückwärts gewandt eingestuft werden, weil sie, anstatt sich mit den „Zukunftswissenschaften“ wie Informatik und Biotechnologie zu beschäftigen, lieber die Äußerungen von Julius Cäsar und Adolf Hitler analysieren, habe ich mich doch für eben diesen LK entschieden. Die Begründung liegt auf der Hand: Wer sich mit der Politik von heute beschäftigt, wird es schwer haben, ohne ein gewisses Verständnis von historischen Zusammenhängen die Handlungen moderner Staaten zu verstehen. Egal ob es um die Frage geht, warum Russland in internationalen Konflikten auf der Seite Serbiens steht, obwohl die gesamte NATO gegen Herrn Milosevic kämpft, oder darum, was Edmund Stoiber auf einem Treffen von Senioren aus deutsch-tschechischen Grenzgebieten zu suchen hat und warum um Himmels Willen das Ganze noch in der Tagesschau kommt – ohne die Politik von gestern und vorgestern macht die Politik von heute keinen Sinn.

Hiermit wären die Inhalte eines Geschichte-Leistungskurses auf einem Gymnasium auch schon hinreichend charakterisiert: Im Prinzip geht es bei Geschichte immer um die Taten und Worte von Politikern vergangener Zeiten. So sollte man sich keine Illusionen machen, dass der Geschichtsunterricht in der Form, wie er oft in der Unterstufe praktiziert wird, in einem Leistungskurs fortgeführt wird. In der Unterstufe besteht der Unterricht mehr oder weniger aus Geschichten. Der Lehrer erzählt „wie das damals alles so war“, der Schüler machte einen interessierten Eindruck, sagt ab und zu mal, was er zu dem aktuellen Thema so alles gehört hat, und am Ende der Stunde soll ein gewisses historisches Grundwissen vermittelt worden sein – letztendlich bleibt von den Fakten, die dem Schüler so im Laufe der Zeit aufgetischt wurden, nur wenig bis gar nichts hängen. Geschichte gilt so als langweiliges Fach, in dem der Schüler nur passiv bleiben kann.

In der Oberstufe, speziell in einem Leistungskurs, wird von den Schülern erwartet, dass die reinen Fakten bekannt sind und auf ihnen aufgebaut werden kann. Dies ist selbstverständlich eine Illusion, bei weitem nicht jeder bereitet sich ausführlich auf die Themen des Unterrichts vor, so dass das Resumieren von Fakten auch im Unterricht der Oberstufe nicht völlig wegfallen kann. Es ist jedoch bei Weitem nicht mehr Hauptbestandteil es Unterrichts, den größten Teil nimmt die Analyse dieser Fakten ein. „Analyse“ bedeutet hierbei, dass man bestimmte Handlungen, Äußerungen oder Sachverhalte genau untersucht und nachvollziehbar werden lässt. Meistens geht es darum, eine Situation aus Sicht der verschiedenen beteiligten Personen, Länder, Parteien, Interessensgruppen usw. zu sehen, die Intentionen der Beteiligten zu verstehen, ihre Handlungsspielräume und –alternativen aufzuzeigen und so zu einem eigenständigen Urteil zu kommen, ob die getroffenen Entscheidungen logisch nachvollziehbar sind oder ob die Absichten anders besser zu erreichen gewesen wären. Selbstverständlich kann dies nur aus der historischen Situation der Beteiligten geschehen, so macht es zum Beispiel keinen Sinn, den aufständischen Matrosen des Novembers 1918 vorzuwerfen, ihre kommunistischen Bestrebungen wären dumm gewesen, da man ja am Ende des 20. Jahrhunderts gesehen habe, dass der Kommunismus scheiterte. Ein gewisses Einfühlungsvermögen ist also in Geschichte unabdingbar ;-)

Die Klausuren, die in einem Geschichts-LK geschrieben werden, bestehen aus genau solchen Analysen. Als Grundlage dient ein beliebiger historisch bedeutsamer Text, meistens eine zeitgenössische Quelle, also zum Beispiel ein von einem revolutionären Dorfpfarrer verfasstes Flugblatt von 1789 oder eine 1933 gehaltene Rede Adolf Hitlers vorm Reichstag. Es kann allerdings auch sein, dass der Schüler mit den Äußerungen eines Historikers zu einem Thema konfrontiert wird, er also einen Sekundärtext analysieren muss. Wie auch immer, Aufgabe ist nun, die Haltung des Autors aus dem Text herauszuarbeiten, seine Argumentation nachzuvollziehen und sichtbar zu machen und sie anschließend zu bewerten – also letztendlich nichts anderes als auch im Unterricht getan wird, nur auf Basis eines konkreten Textes. Auch in den Klausuren besteht Geschichte nicht mehr aus Geschichten, es ist nicht erforderlich, dass man irgendwelche Zahlen und Daten auswändig gelernt hat, um diese dann seinem Lehrer zu präsentieren. Im Fall meines LKs ist es sogar ausgesprochen dumm, für Klausuren massenhaft Jahreszahlen im Kopf zu behalten, da der „dtv-Atlas Weltgeschichte“ als Hilfsmittel zugelassen ist, so dass sich der historische Kontext eines Textes zumindest im Groben schnell nachschlagen lässt. Niemand wird also daran scheitern, dass er nicht mehr genau weiss, ob der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich nun am 12. oder am 13. März 1938 erfolgt ist – allerdings lassen sich mit diesem Wissen dann auch keine Punkte mehr verdienen. Der entscheidende Teil jeder Klausur und auch des gesamten Unterrichts ist die Analyse, die jedoch im Unterschied zur Textanalyse des Deutschunterrichts weniger abgehoben sondern eher auf Fakten basierend verläuft. Es geht nicht um die Fantasie von Dichtern sondern um die Erwägungen von Personen mit politischem Gewicht. Zur Notengebung ist zu sagen, dass es in Geschichte nur schwer bis gar nicht möglich ist, einmal die volle Punktzahl zu erhalten. Während man in Mathe oder Physik nur Aufgaben korrekt lösen muss ist eine Geschichtsklausur viel komplexer, sie kann eigentlich nicht perfekt sein. Es gibt immer Aspekte, die man in den 4 zur Verfügung stehenden Stunden nicht genannt hat, so dass dem Lehrer immer Grund zur Kritik bleiben muss.

Bleibt nun die Frage, für wen ein Geschichts-LK sinnvoll bzw. wer für ihn geeignet ist. Ich denke, dass man die Entscheidung für diesen Leistungskurs stark vom allgemeinen politischen Interesse des Einzelnen abhängig machen muss. Wer gerne Geschichten erzählt bekommt, für den ist Geschichte in der Oberstufe nicht mehr unbedingt das Richtige, denn er wird nicht darum herumkommen, die Geschichten zu hinterfragen und zu kritisieren. Auch wird es nicht mehr um das harte Leben der Steinzeitmenschen und um deren Abenteuer gehen, sondern der Unterricht wird in der Jahrgangsstufe 12 mit der französischen Revolution beginnen. Das war zumindest in meinem Fall so, vermutlich lässt es sich nicht verallgemeinern, man kann jedoch sagen dass eher die Politik als das Privatleben der Menschen im Vordergrund stehen wird. Auch die Fähigkeit, sich gut Zahlen merken zu können, ist für einen Geschichts-LK, wie bereits gesagt, völlig nebensächlich und sollte nicht zur Entscheidung beitragen. Ich denke, dass die wichtigsten Eigenschaften, die ein Geschichts-LKler in sich vereinen sollte, das grundsätzlichen Interesse an der Materie und die Bereitschaft, sich mit Texten auseinanderzusetzen, die zunächst einmal langweilig wirken mögen (Verfassungen, Gesetze, Verträge etc.), die jedoch entscheidende Bedeutung in der Politik haben, sind. Neben einem gewissen sprachlichen Ausdrucksvermögen, welches beim Verfassen von Klausuren mit einem Umfang von 10 Spalten und mehr unabdingbar ist, darf in Geschichte außerdem ein relativ hohes Maß an Allgemeinwissen nicht fehlen, denn irgendwie hängt eigentlich alles mit allem zusammen, wenn auch nicht auf den ersten Blick. Wen jedoch gerade diese Zusammenhänge interessieren und wer nicht mit der Einstellung, „die da oben machen sowieso was sie wollen und mir ist es auch eigentlich egal“ durchs Leben geht, der dürfte von einem Leistungskurs Geschichte nicht enttäuscht werden.


Danke fürs Lesen
Julian

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