Gewalt in der Schule Testbericht

Bei der Überschrift "Gewalt an Schulen " denken die meisten Leser automatisch an Schulhof-Keilereien. Gewalt durch Lehrer ist nach wie vor ein Tabuthema und wird hauptsächlich durch persönlich
Betroffene diskutiert.

Zu groß ist immer noch die Angst vor Repressalien, die Gefahr, auf kritische Fragen schlechte
Zensuren und noch liebloseres Verhalten als Antwort zu erhalten. Und doch flackert das Thema
immer wieder auf, so wie auch auf dieser Plattform. Gelegentlich findet man in Print- und TV-Berichten Betroffene, denen es nicht gelingt, Schläge und Demütigungen klaglos hinzunehmen.

http://www.lernen-ohne-angst.de/index-Dateien/PublizierteFaelleDeutschland.htm

Meist sind dies Fälle, in denen Strafanzeigen erfolgten und Gerichtsverhandlungen stattfanden.
Was wir dort sehen, ist die Spitze des Eisbergs, denn wie viele Familien gehen tatsächlich so weit?
20 % ... 5 % .... 1 % oder gar noch weniger? Ich tippe auf Letzteres, denn es gibt viele verständliche Gründe für die Opfer zu schweigen. Angst steht dabei immer an erster Stelle.

Oft geht den Übergriffen eigenes Fehlverhalten der Schüler voraus. Dies rechtfertigt nie den Einsatz von körperlichen Züchtigungen, es führt aber zu Schulgefühlen bei den Opfern. Gerade jüngere Kinder sehen sich als Auslöser und schlussfolgern., dass sie die "Bestrafung" verdient haben.

Vielleicht ist den betroffenen Schülern körperliche Gewalt nicht fremd. Wer zu Hause mit Ohrfeigen und Schlimmerem "erzogen" wird, wird diese Maßnahmen anderswo nicht hinterfragen und auch nicht als unzulässig ansehen.

Wie bei allen Gewaltopfern spielt das Thema Scham eine große Rolle. Schläge, verbale Gewalt und Mobbing demütigen und schwächen - aus dieser Position heraus kann man sich ohne Unterstützung nur sehr schlecht wehren.

Hinzu kommt in fast allen Fällen das Glaubwürdigkeitsproblem. Besonders die Aussagen von sehr jungen Kindern werden schnell ins Reich der Phantasie gerückt und angezweifelt. Den Kindern werden Rachegedanken und persönliche Konflikte unterstellt.

Und am Ende bleiben die Täter ... so lautet die Erfahrung zu vieler Betroffener.
Wer hilft den Opfern? Lehrer? Das Schulamt? Die Polizei? Staatsanwaltschaft und Gerichte?
Die Täter gehen schlimmstenfalls gestärkt und bestätigt aus diesem Konflikt heraus und suchen sich neue Opfer, denn die geschlagenen Schüler verlassen meist die Schule.
Aber selbst nach Urteilen wegen Körperverletzung, findet schlimmstenfalls keine adäquate Aufarbeitung statt und die verurteilte Lehrkraft wird an die nächste Schule versetzt. Es gibt zahlreiche Beispiele für solche "Wanderpokale".

Wo beginnt für S I E Gewalt?

Bei Schlägen und Tritten?
Bei Kopfnüssen und schmerzhaftem Festhalten am Arm?
Wenn Schüler eingesperrt werden?
Wenn Schülern ein Schlüsselbund oder Kreide an den Kopf geworfen wird?
Bei demütigenden Beschimpfungen und Beleidigungen?
Wenn Kinder von Lehrern ausgegrenzt, lächerlich gemacht oder ignoriert werden?


Was würde man Erwachsenen zumuten - und was muten wir vielen Kindern tagtäglich zu?


Gewalt erzeugt immer Gegengewalt, wie unzählige Beispiele beweisen. Wer als Kind körperliche oder psychische Gewalt ertragen muss, wird sie eventuell auch als Erwachsener einsetzen.
"Das hat uns doch auch nicht geschadet ..."
Gewalt gegen Kinder hat immer Folgen, und diese sind schlimmstenfalls in der Suizidstatistik nachzulesen.
Gewalt - in welcher Form auch immer - ist stets destruktiv und führt mit Sicherheit nicht langfristig
zu den gewünschten Ergebnissen.

Natürlich verstummt der schwatzende Schüler, nachdem er als "pädagogische Maßnahme" ein
Buch auf den Kopf geschlagen bekommt.
Selbstverständlich schaut die Erstklässlerin wieder brav zur Tafel, nachdem der Metall-Zeigestock knapp vor ihren Händchen auf den Tisch geknallt ist und sie unsanft aus ihren Tagträumen weckte.
Und der Junge, der sich im Mathe-Unterricht immer so langweilt, und seinem Banknachbarn hilfsbereit die Aufgaben erklärt - natürlich stört er den Lehrer nicht mehr, wenn man ihn in die Abstellkammer sperrt.

Irgendwann sind diese Kinder erwachsen - aber die demütigenden Erfahrungen bleiben und begleiten sie ein Leben lang. Wie viele missratene Schul- und Berufskarrieren gehen auf das Konto dieser schwarzen Pädagogik? Wie lassen sich solche Methoden mit dem heutigen Demokratieverständnis vereinbaren?

Es geht nicht darum, etwas "gegen Lehrer" zu unternehmen.
Es gilt, etwas F Ü R unsere Kinder zu tun, damit sie wirksam vor Gewalt und Mobbing geschützt werden und nie in der Gewalt- oder Suizidstatistik auftauchen. Dafür ist es dringend nötig, ALLE in Frage kommenden Ursachen und Quellen der Gewalt aufzudecken und genau daran hapert es auch heutzutage noch.

Berechtigte Kritik an unzeitgemäßen Erziehungsmethoden darf nicht mehr als Majestätsbeleidigung gewertet werden, die Dienst- und Fachaufsicht muss verstärkt werden und die Institution "Schule" muss sich branchenfremden Kontrollinstanzen öffnen.


Angelika Bachmann

www.lernen-ohne-angst.de