Die Akte (Taschenbuch) / John Grisham Testbericht

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ab 7,87
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Erfahrungsbericht von Anonym114

Die Akte ist geschlossen!

Pro:

gute Grundidee der Geschichte, streckenweise sehr spannend

Kontra:

auch weniger spannende Phasen, zu viele Handlungsstränge

Empfehlung:

Ja

John Grisham, der amerikanische Autor, hat ja schon manchen Coup gelandet. Praktisch alle seine Werke sind zu Bestsellern geworden und einige hat man außerdem verfilmt und das mit Besetzung aus der ersten Reihe Hollywoods: in der Firma spielte Tom Cruise mit, Julia Roberts war die Hauptfigur in die Akte, und wenn ich mich richtig erinnere, war der Regenmacher mit Matt Damon. Ich hab mir in den vergangenen Tagen aber einen der genannten Romane in gedruckter Form vorgeknöpft, die Akte.

DIE HAUPTFIGUREN:
DARBY SHAW:
Sie ist eine junge, sehr intelligente und noch dazu gut aussehende Jurastudentin. In ihrem Jahrgang ist sie zweitbeste, mit ihrem Professor hat die attraktive junge Frau eine Beziehung. Sie ist diejenige, die die Akte schreibt, eine Akte, in der äußerst brisantes Material steckt, das Männer auf den höchsten Ebenen in Gefahr in Angst versetzt. Killer begeben sich auf Darbys Spur. Sie versucht zu entkommen und gleichzeitig mehr über die Hintergründe und Verwicklungen der Akte in Erfahrung zu bringen.
Darby Shaw ist aus meiner Sicht in diesem Roman am ehesten als Hauptfigur zu bezeichnen. Allerdings konzentriert sich der Autor Grisham auch bei ihr vor allen Dingen auf die Charakterzüge von Darby, die für die Handlung wichtig sind, zeichnet also nicht eine in jeder Hinsicht runden Figur. Dennoch wirkt sie auf alle Fälle sympathisch. Im Film wird sie übrigens von Julia Roberts verkörpert.

GRAY GRANTHAM:
Erst nach einer kleinen Weile taucht der Journalist der Washington Post das erste Mal auf. Er hofft, dass die Akte für ihn die große Geschichte bringt, hat einige Informaten, u.a. im Weißen Haus. Gemeinsam mit Darby versucht Gray die letzten Teile der Akte zu belegen und die Geschichte damit zu vervollständigen.
Auch dem Journalisten gehören sicher manche Sympathien, er wirkt engagiert, ohne dabei rücksichtslos vorzugehen und entwickelt nach seinem Zusammentreffen mit Darby Gefühle für die Jurastudentin.

FLETCHER COAL:
Auch er ist noch recht jung (37) und hat es bereits zur rechten Hand des Präsidenten gebracht. Eigentlich ist er der Strippenzieher im Hintergrund. Auch im Fall der Akte will Coal manipulieren. Doch das gelingt ihm nur bedingt. Wie man schon heraus hört: Fletcher Coal ist eine eher unsympathische Figur, zwar nicht der Schlimmste im Roman, aber einer, den man nicht unbedingt zum Freund haben möchte.

WEITERE FIGUREN:
Normalerweise zähle ich ganz gerne vier oder fünf wichtige Charaktere auf. Bei diesem Roman tue ich mich aber etwas schwer, denn er ist, was die Figuren angeht, recht zerfasert. Immer wieder tauchen neue Personen auf, die nur ein kleines Stück der Handlung tragen, aber für mich ein wenig den Fluß des Lesens stören, da ich lieber Wohl und Wehe von bis zu vier Charakteren verfolge, die dann auch sehr komplex gezeichnet sind und in die man sich dadurch ganz gut herein fühlen kann. Das gelingt zwar ein Stück weit bei Darby und Gray, doch sie sind erst im letzten Drittel richtig zentral, tauchen vorher nur ab und an auf.


DIE HANDLUNG:
Da kommt dann schon die Anmerkung zum Tragen, die ich grade gemacht habe: Als erstes lernt man Richter Rosenberg kennen, einen 91-jährige, halb gelähmt und mit Sauerstoff am Leben gehalten, aber immer noch Richter am Obersten Bundesgericht, ein Mann, dessen Entscheidungen im Rahmen der anderen Urteile immer aus der Reihe tanzen. Und da ist Jensen, ein wesentlich jüngerer Bundesrichter. Er scheint zunächst gar nichts mit Rosenberg gemein zu haben, bis auf das Amt. Und doch: Beide sind zwar wegen zahlreicher Drohungen unter dem Schutz des FBI, wehren sich aber im Gegensatz zu ihren fünf Kollegen, ständig bewacht zu werden und werden beide Opfer des Killers Khamels, eines echten Profis, der schnell und gezielt seine Opfer zur Strecke bringt.
Ein Mord an einem Bundesrichter? Schon Aufsehen erregend. Aber gleich zwei tote Würdenträger? Da geraten FBI, Präsident und manche anderen in Aufruhr. Verdächtige gibt es zahllose, doch der Tod der beiden gegensätzlichen Männer scheint ohne Zusammenhang.
Darby Shaw sieht das anders. Sie recherchiert intensiv, stößt auf einen Fall, schreibt eine Akte (das Pelikan-Dossier). Ihr Professor und Geliebter Thomas Callahan gibt Darbys Dokument an einen Freund beim FBI weiter, über den gelangt es dann auch an die wichtigen Stellen, wird aber relativ bald wieder verworfen.
Andere scheinen die Akte aber nicht so schnell zu den Akten zu legen. Nach einem gemeinsamen Essen und einem Streit gehen Thomas und Darby getrennte Wege, er steigt allein in sein Auto ein, eine Bombe detoniert, Thomas ist tot. Doch Darby ahnt, dass sie eigentlich als Opfer gedacht war und flieht. Ständig sucht sie nun neue Hotels, neue Verkleidungen, sieht sich verfolgt, wird nochmals beinahe umgebracht.
Gray Grantham erhält anonyme Anrufe von einem jungen Anwalt. Auch er hat eine Spur, die mit den Morden an den beiden Richtern zu tun haben soll, wagt aber nicht, seinen Namen und seine Informationen bekannt zu geben. Darby nimmt mit Gray Kontakt auf. Gemeinsam und in Gefahr versuchen sie die Verstrickungen rund ums Pelikan Dossier aufzulösen.

DIE AKTE:
Im Englischen heißt der Titel für diesen Roman Pelican Brief, ich habe ja auch gerade schon die Bezeichnung Pelikan Dossier erwähnt. Ich war mit eine ganze Weile unschlüssig, ob ich diesen Aspekt hier erwähnen soll, denn er trägt ein Stück weit die Spannung dieser Geschichte. Doch da auch im Roman recht frühzeitig schon Hinweise auftauchen, werde ich den Hintergrund zumindest roh skizzieren. Es geht um ein Sumpfgebiet in Louisianna, unter dem ein riesiges Ölvorkommen liegt. Ein Millionär namens Mattiece wollte wollte mit seiner Ölgesellschaft dieses Gelände erschließen und damit Milliarden scheffeln. Gleichzeitig würde dadurch jede Menge Natur verloren gehen. Nachdem zunächst alles reibungslos verlief, legte plötzlich ein so genannter Green Fund Berufung ein. Eine Reihe von Prozessen begannen. Und Mattiece versuchte mit seinen Finanzmitteln Politiker und manche mehr zu schmieren. Zu den gefährdeten Tieren des möglichen Bohrgebietes gehörten unter anderem Pelikane.
Dieses Grundmotiv, das Grundmotiv der Verschwörung finde ich an sich sehr spannend. Es birgt viele Möglichkeiten für Verwicklungen und Spekulationen und ich habe es hier auch nur angerissen, die Dimension des Falls ist noch viel verwinkelter und interessanter. Leider gelingt es Grisham meiner Meinung nach aber nicht, die Spannung durchgehend aufrecht zu erhalten, und das liegt unter anderem am nächsten Punkt:

HANDLUNGSSTRÄNGE:
Ich habe es an sich ganz gerne, wenn man als Leser recht dicht am Geschehen von ein, zwei, maximal drei Hauptfiguren bleibt und zusätzlich vielleicht noch mehr als fünf weitere mittelmäßig wichtige Figuren eine Rolle spielen. Bei Der Akte ist die Zahl der Figuren aber recht weit verwinkelt. Neben den schon erwähnten drei, Darby, Gray und Fletcher Coal sind da noch die beiden Bundesrichter Rosenberg und Jensen, der (amerikanische) Präsident, Thomas Callahan (Darbys Professor und Freund), der Killer Khamel, Gavin Verheek (ein Studienfreund von Callahan, Anwalt beim FBI), Garcia (ein Informant von Gray, Anwalt) und einige mehr, die immer wieder die Handlung voran treiben und klitzekleine Puzzlestückchen liefern. Dadurch geht aber aus meiner Sicht ein Stück weit der Fluß der Handlung verloren. Denn die Personen, die mich besonders interessieren, tauchen nur hin und wieder auf, spielen dann aber mal zwei Kapital lang gar keine Rolle. Daher habe ich immer mal wieder das Buch beiseite gelegt.

ÜBERSETZUNG:
Da ich das englische Original nicht kenne, kann ich keinen exakten Vergleich machen. Aber ich habe den Eindruck, dass die Übersetzerin Christel Wiemken einen sehr soliden Job gemacht hat, mir sind keine Stolpersteine (Stellen, an denen es Versändnisschwierigkeiten geben könnte) aufgefallen.

AUSGABE:
Ich habe die gebundene Version aus dem Verlag Hoffmann und Campe in der 3. Auflage, erschienen 1993. Sie ist unter der ISBN-Nr. 3-455-02492-0 zu haben. Der Schutztumschlag ist sehr dunkel gestaltet, das Bild auf der Vorderseite sieht man oben
Das englische Original ist wie gesagt unter dem Titel The Pelican Brief erschienen und wurde bei Doubleday veröffentlicht.

PREIS:
Hier kann ich im Moment nur den Preis nennen, den ich bezahlt habe: drei Euro. Das liegt daran, dass ich ein gebrauchtes Exemplar bei E-Bay erstanden habe, dass erfreulicherweise in einem exzellenten Zustand war. Es lohnt in der Hinsicht ruhig, in dem Internetauktionshaus zu stöbern, sich aber auch Höchstpreise zu überlegen, die man zu zahlen bereit ist. Ich würde zudem empfehlen, nach Angeboten aus der eigenen Stadt oder Region Ausschau zu halten und so die Portokosten zu sparen.

FAZIT:
Ich bin etwas zwigespalten. Das Grundmotiv der Verschwörung, die sehr weit reichend ist, bietet sehr viel Stoff für Spannung, Nachforschungen, Intrigen und manches mehr und eignet sich somit ideal für einen fesselnden Roman. Doch fesselnd ist er nicht immer! Denn Grisham hat sich für meinen Geschmack mit zu vielen Charakteren verzettelt, springt zu sehr zwischen Personen, Orten und Handlungssträngen hin und her und hat zumindest mir damit immer mal wieder den Lesespaß versalzen. Erst im letzten Drittel hat die Akte für mich den nötigen Sog entwickelt, dass ich den Rest in einem Rutsch durch gelesen habe. Tut man das nicht, und liest man den Roman Häppchen für Häppchen über einige Wochen hinweg, dann fällt es noch schwerer. All die Charaktere ihren Handlungen zuzuordnen. An sich würde ich aufgrund dieser Schwächen gern anderthalb Sterne abziehen, da das nicht geht, wird es zwei weniger, mit Empfehlung, aber auch die ist nicht von ganzem Herzen ...

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