Gruselgeschichten Testbericht

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Erfahrungsbericht von marina71

Der fehlende Ärmel

Pro:

vielleicht kann man drüber schmunzeln

Kontra:

etwas albern, kleines bisschen gruselig

Empfehlung:

Nein

In einem alten Kloster lebten noch etwa dreißig Nonnen eines aussterbenden Ordens: des St. Augustin-Ordens.
Die Mutter Oberin, Schwester Elisabeth, war eine ältere, strenge, humorlose Nonne.
An einem Vollmondabend, als sie im Abendgottesdienst die Lesung sprach, stellte sich heraus, wie wenig Humor sie besaß. Sie las jeden Abend die Lesung, und immer, wenn sie etwas besonders betonen wollte, hüpfte sie leicht mit den Zehenspitzen nach vorne. Jedes Mal musste die jüngste Nonne des Klosters, Schwester Lucy sich darüber das Lachen verkneifen. Doch heute konnte sie letzteres nicht. Sie wusste nicht, warum, sie brach einfach in schallendes Gelächter aus.
Grimmig und strafend blickte Schwester Elisabeth sie an.
Als der Gottesdienst zu Ende war, winkte die zornige Schwester die junge Nonne zu sich. Mit gesenktem Blick wartete Lucy auf das Donnerwetter, was jetzt folgen würde. Und wie es kam!
„Was fällt dir ein, mich auszulachen? Weißt du eigentlich, dass du eine Sünde begangen hast? Es bedeutet, dass du gehässig bist. Dafür musst du Buße tun, und ich habe da auch schon eine angemessene Aufgabe für dich. Sicher hast du schon bemerkt, dass ich heute nicht mein Sonntagsgewand trage. Das hat folgenden Grund:
Vorige Woche im Gottesdienst beobachtete ich einen Jungen aus dem Dorf und freute mich, auch mal jemand in seinem Alter in der Kirche zu sehen. Doch als er mit all den anderen Leuten am Ende hinausströmte, kam mir sein Bauch dicker vor als vorher. Als er meinen Blick bemerkte, wurde sein Gang immer schneller. Ich verfolgte ihn, weil mir klar war, dass etwas nicht stimmte. Er flüchtete durch den Garten über den Stacheldrahtzaun. Ich war so nah an ihm dran, doch dann blieb ich am Zaun hängen und riss einen Ärmel meiner Sonntagskluft ab. Blitzschnell hob der Junge den Ärmel auf und meinte grinsend: \"Damit mir meine Freunde das auch glauben!\" Er steckte ihn unter seinen Pullover, wobei der gestohlene Opferstock zum Vorschein kam. Dann lief er eilends davon, ehe ich mich befreien konnte. Ich brauche jetzt unbedingt einen passenden Ärmel. Also siehe zu, wie du einen findest und nähe ihn mir an meine Sonntagskluft an. Du hast bis morgen abend Zeit.\"
Die junge Nonne war verzweifelt. Wo in aller Welt sollte sie so schnell einen Ärmel auftreiben?
In dieser Nacht konnte sie keinen Schlaf finden. Unruhig wälzte sie sich im Bett herum und musste dauernd daran denken, wie sie zu einem Ärmel kommen könnte.
Plötzlich durchfuhr es sie siedendheiß. Sie hatte eine Idee, doch sie war nicht so leicht zu verwirklichen. Angst überfiel sie. Trotzdem stand sie auf, schlich sich im Nachthemd mit einer Schere in der Hand aus dem Zimmer und ging weiter auf leisen Sohlen zur Kapelle. Eine morsche Holztreppe führte zur Gruft. Dort befand sich der Sarg der erst kürzlich verstorbenen Mitschwester Kunigunde, die morgen beerdigt werden sollte. Langsam ging sie Stufe für Stufe hinunter, bei jedem Tritt knarrte es laut. Je weiter sie nach unten kam, desto lauter schallte das ächzende Geräusch in dem Gewölbe. Ganz unten angekommen tastete sie nach dem Lichtschalter. Ein schummriges, kleines Licht beleuchtete jetzt den düsteren Raum. Sie ging langsam auf den Sarg in der Mitte des Zimmers zu. Sie wusste, dass die tote Schwester Kunigunde in ihrer Kluft beerdigt werden würde. Mit Herzklopfen öffnete Schwester Lucy den Sarg. Sie fuhr zusammen von dem geräuschvollen Quietschen. Sie wagte kaum hinzusehen, denn sie hatte noch nie eine Leiche gesehen, geschweige denn angefasst. Doch sie musste ja. Mutig und entschlossen beugte sie sich über die leblose Nonne, holte die Schere hervor und schnitt zaghaft einen Ärmel der Bekleidung ab. Sie passte auf, dass sie nicht in die Leiche hineinschnitt, obwohl dieser das auch egal sein konnte. Behutsam schloss sie den Sargdeckel dann wieder und huschte schleunigst in ihr Zimmer. Dort atmete sie erleichtert auf. Der Ärmel war ihr sicher, sie brauchte ihn nur noch anzunähen.
Nähen war nicht gerade ihre Stärke. Schon das Einfädeln dauerte bei ihr eine halbe Ewigkeit. Jeder Nadelstich war ein Krampf für sie, doch sie nähte weiter.
Sie hatte die Arbeit fast beendet, da hörte sie plötzlich ein Stöhnen. Vor Schreck ließ sie alles fallen. Die Schere krachte gegen den Nachttisch. Plötzlich stand Schwester Kunigunde vor ihr, scheinbar auferstanden von den Toten. Sie hatte doch vor kaum zwei Stunden noch friedlich und vor allen Dingen leblos im Sarg gelegen.
Kein Zweifel, es war Schwester Kunigunde, sie trug eine Kluft, an der ein Ärmel fehlte. Aus diesem Grund schien sie auch gekommen zu sein, denn sie fragte die versteinerte junge Nonne mit heiserer Stimme: „Wo ist mein Ärmel?“
Schwester Lucy wusste, dass sie antworten musste, doch sie brachte keinen Ton hervor.
Schwester Kunigunde blickte auf die Näharbeit: Schwester Elisabeths Tracht, an der ihr Ärmel schon fast angenäht war. Sie sagte kühl: „Da ist er ja!“, nahm der jungen Schwester die Schere ab und schnitt die Naht auf. Jetzt hatte sie ihren Ärmel wieder und wollte gehen.
Da endlich schaffte es Schwester Lucy, ein Wort über ihre Lippen zu bringen. „Warte!“ rief sie. Schwester Kunigunde drehte sich um: „Was ist?“
„Bitte gib mir deinen Ärmel, du brauchst ihn doch nicht mehr.“
Verwundert schaute Kunigunde sie an. „Was denkst du? Natürlich brauche ich ihn. Ich kann doch nicht nur mit einem Ärmel Gott entgegentreten.\"
„Aber ich brauche ihn dringend“, bettelte Lucy verzweifelt.
„Warum denn?“ fragte Kunigunde.
Die junge Nonne erzählte ihr die ganze Geschichte. Schwester Kunigunde sagte mitleidsvoll: „Jetzt verstehe ich dich. Mit Schwester Elisabeth ist nicht zu spaßen. Aber leider kann ich dir nicht helfen.\"
Da kam Schwester Lucy eine Idee: „Kunigunde, war dir dieses Einheitsgewand nicht schon immer zu langweilig?
Ertappt erwiderte Kunigunde: „Hat sich das herumgesprochen? Das stimmt nämlich. Ich fand es schon immer etwas zu gewöhnlich.“
Schwester Lucy holte die Schere hervor und schnitt von Kunigundes Kluft auch noch den zweiten Ärmel ab.
„Na, wie gefällt dir das? Jetzt beginnst du dein nächstes Leben wenigstens mit Pfiff!“
Schwester Kunigunde schaute in den Spiegel und sagte lächelnd: „Ich freue mich auf das kommende pfiffige Leben!“
Als Dank nähte Kunigunde für Schwester Lucy den einen Ärmel an Schwester Elisabeths Gewand an. Dann schlich sie sich zurück in den Keller, legte sich glücklich in ihren Sarg und trat sofort wieder ihr nächstes Leben an.
Schwester Elisabeth war sehr erstaunt über die rasche und saubere Näharbeit, doch sie verlor kein Wort des Dankes darüber. Sie war nur froh, dass sie zur nächsten Messe wieder ihre Sonntagskleidung tragen konnte.
In dem Moment, als sie am Pult stand und die Lesung vortragen wollte, kam nur ein höhnisches Lachen aus ihrem Mund. Die Leute wussten nicht, was Schwester Elisabeth überkam und waren ganz entsetzt. Sie erstickte an ihrem eigenen Gelächter und fiel tot um.

25 Bewertungen, 3 Kommentare

  • frankensteins

    26.01.2009, 15:23 Uhr von frankensteins
    Bewertung: sehr hilfreich

    wouw, und die Moral von der Geschichte?? klau nicht. lg Werner

  • paula2

    14.01.2009, 16:20 Uhr von paula2
    Bewertung: sehr hilfreich

    liebe Grüße

  • MedienPanther

    18.09.2005, 20:32 Uhr von MedienPanther
    Bewertung: sehr hilfreich

    Hat mir sehr gut gefallen, dein Geschichte. Wann kommt die nächste? LG Markus