Bahnwärter Thiel (Taschenbuch) / Gerhart Hauptmann Testbericht

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ab 5,55
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Erfahrungsbericht von dani___

Traust du ihm das zu??

Pro:

interessant, anspruchsvoll

Kontra:

nix

Empfehlung:

Ja

Gestern hat mir mein Freund etwas mitgebracht, als er vom Einkaufen heimkam. Wir hatten nämlich einen Tag vorher über eine Novelle gesprochen, Bahnwärter Thiel von Gerhart Hauptmann. Diese hat er mir dann gekauft.
Da ich dann abends auch Zeit hatte, las ich mir die Lektüre auch durch, denn sie ist wirklich nicht lang und auch nicht schwierig geschrieben, sodass man sie in einer guten halben Stunde ausgelesen haben kann, wenn man dabei bleibt.
Mich hat dieses Buch dabei so fasziniert, dass ich heute auch euch davon berichten möchte.



+++Inhalt des Buches+++
Bahnwärter Thiel
Tobias oder auch Tobiaschen genannt
Minna
Lene

Bahnwärter Thiel ist geraume Zeit mit seiner Frau Minna verheiratet, bis sie kurz nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Tobias, oder wie Thiel ihn manchmal liebevoll Tobiaschen nennt, stirbt. Die Ehe war stets glücklich, beide fühlten sich wohl. Als seine Frau dann starb, lässt er sich nach außen nichts anmerken. Er verheiratet sich auch bald mit einer neuen Frau, mit dem Gedanken an seine Minna, der er am Sterbebett versprochen, für die Wohlfahrt des kleinen Sohnes zu sorgen. Auch der Pfarrer, der die beiden verheiraten soll, kann Thiel durch gutes Zureden nicht überzeugen, dass es doch zu früh sein, um sich neu zu binden. Thiel gibt aber vor dem dann zu, dass er es nur Tobias wegen macht.
Im Gegensatz zu seiner ersten Frau Minna wird über Lene nur Schlechtes erzählt. Sie ist grob, dick, nimmt auf niemanden Rücksicht und passt eigentlich überhaupt nicht zu ihm.

Eines Morgens, als sie schon eine Weile verheiratet waren und Thiel und seine Frau auch einen gemeinsamen Sohn bekommen haben, muss er auf dem Weg in die Arbeit noch einmal umkehren, weil er seine Brotzeit vergessen hatte. Als er zu Hause ankommt, hört er schon das Geschrei, das Lene verursacht. Er horcht und merkt, dass es an seinen Tobias gerichtet ist, welchen sie als Nichtsnutz bezeichnet. Er hört deutlich heraus, dass Lene ihn am liebsten loshätte, weil sie ja ein eigenes Kind hat und mit Tobias rein gar nichts anfangen kann.
Als Thiel in die Stube kommt, ist er so von Sinnen, dass er nichts sagen kann, auch nicht zu seinem verweinten Sohn, und einfach wieder geht.
Doch auf der Arbeit kann er sich kaum konzentrieren, er denkt die ganze Zeit an Tobias, wie es ihm geht und über sein ganzes Leben. Doch vor allem schenkt er seiner toten Frau Minna viele Gedanken. Er ist aber abhängig von seiner Frau aufgrund der „rohen Triebe“, wie es im Buch genannt wird. Er kann sich einfach nicht von ihr trennen, auch wenn er jetzt weiß, dass diese Ehe für Tobias nicht gut ist.

Eine kleine Wende tut sich in dem Moment auf, als die Familie einen neuen Grund übergeben bekommt, wo Lene an einem Tag mit hinauskommen und ihn umgraben und bestecken will. Das passt Thiel ganz und gar nicht in den Kram, weil er alleine mit seiner Minna sein will, mit der er sich in seiner Scheinwelt immer unterhält. Lene passt einfach nicht in seine Vorstellung...
Doch als Thiel in seinem Bahnwärterhäuschen seine Arbeit macht, Lene sich um den Acker kümmert, passiert das Unglück. Tobias müsste auf den kleineren Bruder aufpassen, da hört Thiel plötzlich den stoppenden Schnellzug und Lenes Schreie. Wie sich herausstellt, ist es Tobias, der unter den Zug geraten und nun tot ist. Thiel fällt in Ohnmacht und wird nach Hause gebracht.

In dieser Nacht hat Lene Angst, sie kann nicht ruhig liegen aber schläft schließlich doch ein. Am nächsten Morgen finden andere Leute die Türe offen und Lene und das kleine Kind in ihrem Blut liegen. Thiel hat sie ermordet. Er konnte einfach nicht begreifen, warum SEIN Sohn nun tot sein soll und seine grauenhafte zweite Frau und ihr Kind noch leben sollten.
Ihn findet man auf dem Platz, wo sein Sohn umkam. Man brachte ihn nach einigen Anstrengungen in eine Nervenklinik.



+++Meine Meinung+++
Ich finde die Novelle wirklich gut, weil es auf einem Minimum gehalten ist. Man muss nicht etliche Seiten lesen, wo nichts Wichtiges steht, es sind gerade mal 43 Seiten, in denen alles akkurat weiß, worum es geht.
Die Sprache ist sehr einfach, es war für mich nichts direktes vorhanden, wo ich nicht wusste, was sie bedeuten. Klar ist es mit Ausdrücken beheftet, die man heute nicht mehr benutzt, aber das macht meiner Lesefreude wirklich nichts aus.

Ich konnte mich auch wahnsinnig gut in das Buch hineinversetzen, weil es sehr gefühlvoll geschrieben war. Man kannte Thiels Gedanken immer, vor allem, wenn er an seine verstorbene Frau dachte.
Diese Gedankengänge waren sowieso immer sehr faszinierend, denn im Endeffekt hat sich ja Thiel seine eigene kleine heile Welt aufgebaut, die er in seinem Bahnwärterhäuschen auslebte. Zu Hause mit Lene war das ja nicht möglich, weil sie das krasse Gegenteil von Minna war. Er flehte die vergangene Zeit mit Minna immer wieder herbei, wobei er sich schon klar war, dass das nicht gehen würde, aber den Wunsch wollte er dennoch nicht aufgeben.
Sein einziger Trost und auch Halt war Tobias, das, was ihm von Minna noch übrig geblieben war. Viele Väter distanzieren sich ja von ihren Kindern, wenn die Mutter bei der Geburt gestorben ist, aber hier ist es das genaue Gegenteil, die Situation hat etwas richtig Geheimnisvolles, weil er nur Tobias mehr liebt, sich und die anderen Personen, also seine neue Frau und seinen zweiten Sohn vergisst er dabei komplett.

Für mich ist daher diese Novelle wirklich gelungen, auch wenn sie zum Schluss total eskaliert und es eine Wende nimmt, die man vorher nicht erahnen hätte können. Einige Seiten zuvor kann sich der Leser zwar schon denken, was passiert, dennoch hätte man es dem ruhigen und besonnenen Bahnwärter niemals zugetraut.
Man merkt an seinen Reaktionen, also an der Ohnmacht und der Tat danach, wie sehr er an Tobias hing und ihm dieser Tod zusetzte... ohne ihn wollte er keineswegs mehr weiterleben, für ihn gab es dann nur noch die Lösung, dass er Lene und den Sohn umbringen musste.



+++Sonstiges+++
Ich habe diese Novelle in der Reclam Ausgabe hier und es hat 1,60€ gekostet. Wirklich nicht viel, auch wenn es nicht viel zu lesen ist. Für mich hat es sich auf jeden Fall gelohnt, das Buch ist echt lesenswert!
Es wurde übrigens von Gerhart Hauptmann 1887 geschrieben.
Das Buch hat 43 Seiten mit der Novelle und es befindet sich auch noch ein kleines Nachwort in dem Buch.
ISBN: 3150066174



+++Fazit+++
Ich kann euch diese Lektüre nur ans Herz legen, für jemanden, der sich für solche Sachen interessiert, ist sie wirklich gut. Ich konnte mich sehr gut in die Geschichte und Gefühle der betreffenden Personen hineinversetzen, auch die Sprache war einfach zu verstehen.
Daher eine klare Empfehlung ;))

Viel Spaß beim Lesen wünscht dani ;)


+++

51 Bewertungen, 1 Kommentar

  • anonym

    05.02.2007, 22:54 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh :o)