Hautnah (DVD) Testbericht

Zwei Männer, zwei Frauen, vier Paare, vier Einzelpersonen, zwei mal zwei Gegner, jeder mit jedem ein wenig und doch jeder allein. Hautnah, dennoch fremd...

Mike Nichols als Regisseur versteht es auf fast unglaubliche Weise, vier Charaktere, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, in ein Netz aus Lügen, Sex, der ewigen Suche nach der Wahrheit und sich selbst zu spinnen, bis selbst die Wahrheit zur Lüge wird.

Alicia (Natalie Portmann), Stripperin aus New York, die nach einer gescheiterten Beziehung in London nach etwas Neuem sucht und sich dabei selbst gleich neu erfindet begegnet Dan (Jude Law), dem hoffnungslosen Schriftsteller auf kuriose Art und Weise. Obwohl sie sich verabschieden, ist klar, sie werden sich wiedersehen, doch der Zuschauer wird allein gelassen mit seiner Fantasie... und trifft erneut auf Dan, plötzlich nicht mehr so hoffnungslos erscheinend sondern vor der Veröffentlichung seines Buches und dabei, sich Fotos von Anna (Julia Roberts) machen zu lassen. Doch von Anna will er nicht nur Fotos, Alicia – seine Inspiration für das Buch – will er aber auch nicht loslassen. Dan zwischen zwei Frauen. Der Zuschauer allein mit seiner Fantasie... trifft erneut auf Dan, der im Internet dem Arzt Larry (Clive Owen) begegnet – Charakter Nr. 4 – und diesen ungewollt mit Anna zusammenbringt. Die Wege der vier kreuzen sich immer wieder bis zum Ende des Films und diese Wege sind durchaus verschlungen und warten immer wieder mit Überraschungen auf.

Dabei verzichtet der Film völlig auf Hollywood-ChiChi, Romantikgedöns und andere Ablenkungen. Selbst auf Zeitangaben à la „1 Jahr später“ wird verzichtet, doch das braucht der Film ebenso wenig wie bunte Schauplätze, großartige Musikuntermalung, weitere Darsteller oder tatsächliche Sexszenen, obwohl es nur um das geht – Sex und Beziehungen, Treue, Liebe, Leidenschaft. Der Zuschauer ist wie ein heimlicher Beobachter, wie die beste Freundin von allen vier Personen, die alles weiß und sieht, aber es für sich behält. Man wird durch die direkte Art gezwungen, sich mit den Personen auseinander zu setzen und kommt nicht umhin, Parallelen zum wirklichen Leben zu sehen. Es wird nichts beschönigt, im Gegenteil. Die Dialoge sind teilweise derart krass, damit wurde bisher mit Sicherheit nicht jeder konfrontiert. Doch gerade das macht den Film aus. Warum auch sollte Fremdgehen, Lügen etc. in eine Wattestory verpackt werden, wenn der Schmerz, der dadurch verursacht wird, so viel besser fühlbar gemacht wird?

Fühl- und nachvollziehbar sind die Emotionen aller vier, die jeder für sich einen Seelenstriptease hinlegen. Keiner ist gut oder böse, alle sind auf ihre Art verlogen, jeder geht seinen Weg und man selbst sitzt mittendrin und begleitet sie auf seine Weise.

Sie suchen nach der Wahrheit und zerbrechen dran, sie lügen und zerbrechen dran, sie suchen die Liebe und zerbrechen auch daran, doch alles hindert sie nicht, auch noch den anderen zu brechen. Sie schwanken zwischen Hingabe und Egoismus, sie leiden unter ihren Lügen und lassen sie trotzdem nicht, sie hintergehen sich um wieder hintergangen zu werden. Sie suchen nach dem Glück und finden... wer weiß.

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Die Überraschungen des Films sind sicherlich Julia Roberts und Natalie Portman. Beide spielen für sie ungewöhnliche Rollen, beide weg vom Image eines Everybodys Darling, beide in einer Rolle, in der man sie sich weder vorstellen kann noch erwartet.

Julia Roberts als Fotografin Anna ist nicht mehr die ewig lachende Frau mit dem gepachteten Happy End, sie ist eine erwachsene Frau, die Karriere macht, eine gescheiterte Ehe mit sich trägt, eine zweite den Bach runtergehen lässt, sich den Mann einer anderen Frau gönnt... und dabei trotzdem leidet. Sie ist verlogen, aber nicht eiskalt. Als Fotografin erstellt sie Fotos von Fremden – Momentaufnahmen, geliehen aus dem Leben anderer. Das erfolgreichste Foto ist das von Alicia, weinend, als diese erkennt, dass sich Anna auch ihren Dan „leiht“...

Natalie Portman als die neu erfundene Alicia ist noch die Ehrlichste von allen, dazu passt auch ihr Job als Stripperin. Sie zeigt sich nackt im bildlichen Sinne, ihre Emotionen, ihre Gefühle und spielt gewollt oder ungewollt damit, denn niemand rechnet damit, dass dies die Wahrheit sein könnte. Selbst als sie die Lüge um ihre Person aufdeckt, wird es als Lüge aufgefasst, auch als Zuschauer glaubt man an dieses Spiel – bis zuletzt. Nicht umsonst jedenfalls hat sie den Golden Globe erhalten für diese Rolle und ist zudem für den Oscar nominiert.

Clive Owen als Arzt Larry ist für mich das überzeugende Arschloch des Ganzen gewesen. Doch auch mit ihm konnte man leiden und ihn gleichzeitig die nächste Treppe runterschmeißen. Er hat bereits im Bühnenstück Closer, das dem Film zugrunde liegt, die Rolle des Dan gespielt und konnte sich im Film sehr gelungen völlig neu definieren. Die Rolle des Larry ist unglaublich. Er gesteht beispielsweise seine Untreue und verurteilt im nächsten Moment seine Frau hart dafür, dass sie das gleiche getan hat. Er baut Dan auf und zeigt für einen Moment seine menschliche Seite, nur um ihn im nächsten Moment in den seelischen Abgrund zu stürzen. Es entwickelt sich ein Machtkampf, in dem er immer der Stärkere zu sein scheint. Doch Schein ist vieles in dem Film.

Dan ist der Dreh- und Angelpunkt des Ganzen, auch wenn man das zunächst nicht wahrnimmt. Er ist derjenige, der Alicia trifft. Er ist derjenige, der auf Anna trifft. Er ist derjenige, der Alicia mit Anna betrügt und beide aufeinander treffen lässt. Er ist ebenso derjenige, der ohne es zu wissen Larry ins Spiel bringt und auch hier die Begegnung mit Anna herausfordert. Er macht meiner Meinung nach auch die größte Wandlung im Film mit, doch zerbricht am Ende an seinen Idealen. Jude Law spielt einen großartigen leidenden, verträumten, wütenden und verwirrten Dan.

So wie die offensichtliche Handlung Wendungen nimmt, die man nicht erwartet, bietet der ganze Film Überraschungen, auf die man teilweise erst später kommt. Kreise schließen sich und werden neu gesponnen und dennoch zieht sich eines durch den ganzen Film. Hautnah zu sein, bedeutet nicht, sich wirklich nah zu sein. Hautnah zu sein, bedeutet nicht, sich zu kennen. Das Fremde, der Fremde, Fotos von Fremden begegnet man den ganzen Film hindurch. Die Wahrheit zu wollen, bedeutet nicht, sie auch zu kriegen. Die Wahrheit zu wollen, bedeutet nicht, selbst nicht zu lügen. Lügen ziehen sich durch den Film, werden teils aufgedeckt, teils werden wahrgenommene Wahrheiten zu Lügen.