Der Vogelmann (Taschenbuch) / Mo Hayder Testbericht

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ab 8,78
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Erfahrungsbericht von luckynina

Von den Abgründen der menschlichen Seele

Pro:

spannend, geniale hauptfigur

Kontra:

stellenweise einfach zu grausig für mich

Empfehlung:

Ja

Als ich vor zwei Wochen wieder in der Bücherei war, um mir weiteren Stoff für meine Sucht zu besorgen, und so gemütlich in der Sektion „Thriller“ stöberte, stach mir „Der Vogelmann“ ins Auge. Da ich bei ciao bereits einen vielversprechenden Bericht darüber gelesen hatte, griff ich sofort zu.
Beim Scannen meinte die Bibliothekarin meines Vertrauens: Ui, den habe ich im Urlaub gelesen und ich konnte ihn gar nicht zu Ende lesen, weil er so gruselig ist!!!

Da kamen mir schon Zweifel, ob mir der Thriller gefallen würde, denn für gar zu unheimliche Bücher bin ich zu zart besaitet…


° Inhalt

Ein guter Thriller beginnt mit einer Leiche. Oder zwei. Oder fünf, die, wie in diesem Fall auf einem unbebauten Gelände in der Nähe der Themse entdeckt werden und sich in unterschiedlichen Stadien der Verwesung befinden. Bei der Autopsie macht Dr. Krishnamurthi eine überraschende Entdeckung nach der anderen: vor dem Tod hatten die Opfer starkes Make-Up getragen. Ihre Stirnen weisen seltsame Verletzungen, nämlich regelmäßige Einstiche, auf. Die Brüste dreier Opfer wurden stümperhaft verkleinert. Als der Pathologe den Brustkorb genauer untersucht, macht er einen grausigen Fund: In die Brusthöhle der Opfer waren nach deren Tod kleine Vögel eingenäht worden. Lebendige Vögel.

Als hätte Detective Inspector Jack Caffery nicht schon genug Probleme mit diesem mehr als myteriösen Fall, kommt ihm auch noch seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in die Quere: Die Vergangenheit, da er das spurlose bis dato ungeklärte Verschwinden seines Bruders, das Lieblingskind seiner Eltern, noch nicht überwunden hat. Die Gegenwart, weil er es nicht schafft, mit seiner eine schwere Krankheit simulierenden Freundin, die er nie geliebt hat, Schluss zu machen. Die Zukunft, weil er sich Hals über Kopf in eine ehemalige Stripperin verknallt hat, die nun wertvolle Hinweise auf den Täter liefern soll…

Gemeinsam mit seinem dicken, von anderen oft missverstandenen Partner Essex versucht Caffery, den seltsamen Spuren zu folgen und landet im Drogen- und Prostituiertenmilieu. Dabei wirft ihm ein ehrgeiziger Kollege auch noch Knüppel zwischen die Beine, als er sich als Rassist entpuppt und glaubt, den Schuldigen bereits gefunden zu haben. Der wahre Täter glaubt sich in Sicherheit – und wieder verschwindet ein Mädchen spurlos…


° Autorin

Mo Hayder wurde in Essex, England geboren. Leider konnte ich nicht sehr viel über die Autorin in Erfahrung bringen. Mit 15 Jahren ist sie von zuhause weggegangen, um die weite Welt unsicher zu machen. Mit vielen Jobs hielt sie sich über Wasser und landete schließlich in Japan, wo sie unter anderem auch für eine Zeitung arbeitete. Sie studierte außerdem an einer amerikanischen Filmhochschule. Heute lebt sie mit ihrem Lebensgefährten und ihrer Tochter in London.
Bis jetzt ist nur ein weiteres Werk von ihr erschienen, „Die Behandlung“. Ein Roman mit dem Titel „Tokyo“ soll noch in diesem Jahr erscheinen.



° Bemerkungen

Gruselig war er schon, der Krimi, und so manches grausame Detail hätte sich die Autorin für Leserinnen wie mich (die vielleicht auch eine zu lebhafte Fantasie haben) sparen können.
Nichtsdestotrotz vergebe ich 4 Sterne und eine Empfehlung, und zwar aufgrund der Spannung, die bis zu Schluss nicht verloren geht. Zum einen glaubt der Leser ungefähr in der Mitte des Buches den Täter schon zu kennen und wird dann doch noch überrascht, zum anderen gefiel mir der Protagonist ausnehmend gut.

Detective Inspector Jack Caffery ist keiner dieser wahnsinnig gut aussehenden, supertollen Krimihelden, die alles durchschauen und denen alles gelingt – und die dadurch wahnsinnig langweilig sind.

Jack ist ein Mann mit Vergangenheit und einigen Schwächen, unter anderem die Schwäche für die hübsche Hauptzeugin – und ist nicht Manns genug, mit seiner Freundin Schluss zu machen, die er noch nie geliebt hat. Auch dass er nach so vielen Jahren immer noch wie besessen davon ist, das Verschwinden seines Bruder aufzuklären – obwohl (oder weil?) dieser ja das Lieblingskind seiner Eltern war und Jack seither kaum mehr Kontakt zu seinen Eltern hat, macht ihn menschlich. Ich denke, ein guter Roman steht und fällt mit der Nachvollziehbarkeit der Hauptfigur, und Jack ist Mo Hayder wirklich sehr gut gelungen. Man hat als Leserin (vielleicht auch als Leser :-) den Wunsch, diesen Detective Inspector, der zum einen so leidenschaftlich liebt und hasst, und zum anderen so kühl und professionell an die Morde herangeht, persönlich kennen zu lernen.
Trotz alledem werde ich um den weiteren Roman mit Jack Caffery – obwohl er mir doch sooo sympathisch ist – einen weiten Bogen machen, denn in einigen Rezensionen habe ich schon gelesen, dass Frau Hayder ihren bis ins kleinste Detail brutalen Stil beibehält. Für mich ist das einfach zu starker Tobak…


Originaltitel „The Birdman“, erstmals erschienen 2000.
411 Seiten
ISBN 3442451736
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