Herbert Grönemeyer - Alles Gute von gestern bis Mensch Tour Testbericht

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ab 10,11
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Erfahrungsbericht von juillet

Wir feiern hier ne Party...

Pro:

HERBERT...

Kontra:

...kommt so schnell nicht wieder!

Empfehlung:

Ja

…und ich war dabei! Eigentlich wollte ich mit meinem Schatz am Sonntag nur mal so beim Herbert Grönemeyer-Konzert in Leipzig vorbeischauen, in der Hoffnung, auch in Nähe der Festwiese noch genug mitzubekommen. Die Karten kamen studentischen Etatgrenzen nämlich sehr nahe: 33,40 Euro sollte ein Stehplatz, 38,40 Euro ein Sitzplatz kosten. Nun gut, 10 Minuten mit der Straßenbahn konnte man schon mal verkraften, auch wenn keine Möglichkeit bestünde, Herbies Stimme zu hören.
Auf dem Weg zum Schauplatz (am Zentralstadion) sahen wir doch den ein oder anderen Dealer, der für seine Karten schlappe 100 Euro verlangte. Und in mir wuchs immer mehr der Wunsch, irgendeinen Deppen zu finden, der uns die Karten zu einem „fairen Preis“ verkauft.
Am Stadion angekommen, wurde er mir auch sogleich erfüllt. Für insgesamt vierzig Euro durften wir uns durch die Massen am Eingang drängeln, einen Bodycheck über uns ergehen lassen, um uns zielstrebig den Weg zur linken Seite der Bühne zu bahnen und in der vierten Reihe der vordersten Tribüne Platz zu nehmen. Wenn die nette Kartenverkäuferin wieder aus ihrem Delirium erwacht, wird sie vielleicht merken, dass sie die Hälfte des Geldes bekommen hat, das sie selbst ausgegeben hatte…

Egal, Hauptsache, wir waren drin. Es war 19.30, also noch eine halbe Stunde bis zum offiziellen Beginn und die ca. 100 Mio. Quadratkilometer große Fläche der Festwiese war…voll! Einen treffenderen Ausdruck gibt es einfach nicht. Auf der Bühne machte gerade die Vorband Anstalten zu gehen: „Creutzfeld und Jakob“ – welch origineller Name – hatten die Leute mit deutschem Hip Hop angeheizt oder es wenigstens versucht. Fraglich, ob der Neffe von Herbert mit seiner Band soviel Erfolg haben wird wie er…
Viertel nach acht war immer noch nichts von Herb zu sehen, dafür hatte sich um unsere Tribüne eine Menschentraube gerichtet, die nur ein Ziel hatten: ein Autogramm von Sebastian Krumbiegel (an alle Wessis: das ist der Frontsänger von den Prinzen, ja, der mit den roten Haaren) zu erhaschen. Der hatte sich mit seinem Gefolge in der Reihe hinter uns breit gemacht und ließ sich erfolgreich von ein paar Security-Leuten vor der Meute schützen.
Wenigstens eine kleine Unterhaltung…Herbert war halb neun immer noch nicht da. Immerhin konnte man erkennen, dass sich auf der Bühne schon einiges tat. Hinter dem riesigen aufgespannten Tuch konnte man die letzten Handgriffe an den Instrumenten und technischen Geräten erahnen. Zehn Minuten später tauchten Nebelschwaden auf und dann endlich setzte die Musik ein. Die gesamte Masse fing an zu kreischen. Erst als Herbert schon die erste Strophe von „Blick zurück“ hinter sich hatte, gab er sich auch uns zu erkennen. Er stand nicht auf der Bühne, wie vermutet, sondern tanzte gerade auf dem weit in das Publikum hereinragenden Steg (auf dessen Ende unsere Sicht durch einen Imbissstand versperrt war) zu seiner Band zurück. Die Stimmung war gigantisch!

Erst jetzt übertrugen die links und rechts von der Bühne angebrachten Leinwände Herbert hautnah. Die Portraiteinstellungen wechselten sich mit Bildern von der Band bzw. dem kleinen Begleitorchester und Visualisierungen, die die Songs illustrierten, ab.
Nach seiner Begrüßung schüttelte Herbert immer wieder den Kopf, den Blick über das Meer aus 70.000 Köpfen schweifen lassend. „Irre“…“Wahnsinn“…sein Wortschatz schien bei diesem Anblick irgendwie eingeschränkt zu sein.
„Alles Gute von Gestern bis Mensch“ hieß seine Tournee, die bereits im November letzten Jahres gestartet war. Und sie wurde ihrem Namen gerecht. Wenn ich mich richtig erinnere, durften wir alle Songs des aktuellen Albums hören, aber auch jede Menge Klassiker wie z.B. „Halt mich“, „Männer“, „Alkohol“, „Was soll das“ oder „Vollmond“ und Songs des vorhergehenden Albums wie „Bleibt alles anders“, „Fanatisch“ (eins meiner Favoriten) und „Ich dreh mich um dich“. Der „Mambo“ wurde besonders zelebriert: ganz brasilien-like stiegen riesige Luftballons in den Himmel und wurden glitzernde Papierschnipsel über unsere Köpfe geblasen. Die Stimmung war einfach unbeschreiblich, Herbert so ausgelassen und fröhlich wie eh und je. Immer wieder ließ er das Publikum alleine singen, schmetterte Arien in Operndiva-Manier und hockte sich an die Bühnenränder, um Plüschtiere entgegenzunehmen und sich begrapschen zu lassen.

Bei „Der Weg“ wurde es sehr still auf der Wiese, ein Flammenmeer von Wunderkerzen und Feuerzeugen unterstützte den auf den Leinwänden jetzt schwarz-weiß abgebildeten Herbert. Das Lied für seine verstorbene Frau Anna löste bei jedem der Anwesenden Anteilnahme aus. Hätte er viel länger gesungen, wär ich in Tränen ausgebrochen. Doch trotz der traurigen Zäsur war die Stimmung nicht gebrochen. Herbert ließ ein/zwei Minuten der Ruhe verstreichen bis er wieder ausgelassen über die Bühne hüpfte. Zehn vor halb elf war es mittlerweile, als er mit „Zum Meer“ den Abschluss des Gigs ankündigte. Viele (blutige Anfänger) strömten nach dieser Prophezeiung gen Ausgang, nicht wissend, dass dies noch mindestens eine Stunde Zugabe bedeutete.

Und das war noch untertrieben… Mit „Luxus“, „Flugzeuge im Bauch“, einem besonders ausgeschmückten „Selbstmitleid“, „Land unter“ und anderen Songs meldete er sich gleich dreimal ab und wieder zurück. Und endlich spielte er auch „Demo“, von dem ich mich gedanklich schon so gut wie verabschiedet hatte! Doch die Menge wollte einfach nicht gehen, verlangte mit Kreischen und Pfiffen nach mehr.
Herbert, ziemlich ratlos und mit seinem geplanten Programm eigentlich schon am Ende, setzte sich kurzerhand ans Klavier. Nicht, ohne uns zu warnen, dass jetzt ein ungeprobtes und daher riskantes Stück kommen würde… „Wie grübeln leicht, wir tun uns schwer, wir warten auf den Schnee…“ Ich hatte so gehofft, dass er „Heimat“ spielen würde, so wie es schon auf dem Konzert vor zweieinhalb Jahren den Abschluss bildete. Mein Laienohr konnte trotz der fehlenden Probe des Stücks keine Fehler erkennen. Das Lied trieb mir wieder eine Gänsehaut auf den Rücken. Jetzt schien er auch gar nicht mehr gehen zu wollen (was ich nicht bedauerte), sondern blieb gleich am Klavier sitzen und spielte das uralte „Moccaaugen“ mit abgewandelter, lustigerer Melodie. Und weil`s gerade so schön war und die Leipziger nicht nach Hause wollten, noch ein Schlaflied: „Der Mond ist aufgegangen“ in eigener Interpretation, mit vier Strophen!
Als dann um kurz nach halb zwölf zum zweiten Mal „Mensch“ kam und der riesige aufgeblasene Eisbär auf der Bühne tanzte, war klar, dass es der krönende Abschluss eines genialen Abends war, für den ich auch mehr Geld ausgegeben hätte. Eine Woche Hungern lohnt sich doch!

Also, wenn ihr die Chance habt hinzugehen, geht hin!!! Hier könnt ihr die letzten Tourdaten finden:

http://www.daserste.de/groenemeyer/tourdaten.asp .

Die Gigs sind sicher schon ausverkauft, aber die Wahrscheinlichkeit, direkt davor ne Karte zu kriegen, ist – ich kann es ja aus eigener Erfahrung sagen – recht hoch!

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