Der Sandmann. Das öde Haus (Taschenbuch) / E. T. A. Hoffmann Testbericht

E.T.A. Hoffman - Der Sandmann
Hamburger Lesehefte Verlag, 174. Heft (erschienen zusammen mit "Das öde Haus")

"Der Sandmann" war dieses Jahr Bestandteil des Lehrplans für die 12. Klassen in Hessen (Landesabitur, daher Pflichtlektüre) und ich hatte wie üblich nicht allzu große Erwartungen an das Buch, da ich mit den Lekrüten im Deutschunterricht meistens relativ wenig anfangen kann. Umso größer war dann mein Erstaunen darüber, dass mich die Geschichte wirklich interessiert hat.

Zunächst zur Geschichte: Es geht um den Studenten Nathanael, der von grausamen Kindheitserinnerungen geprägt wurde. Als Kind wurden er und seine Geschwister oft früh zu Bett geschickt und mit den Worten "Der Sandmann kommt" ermahnt, bald zu schlafen. DIe Kinder bekamen aber mit, dass der Vater an diesen Abenden immer Besuch bekam, daher dachte Nathanael dass nur der Sandmann zu Besuch sein könnte. Seine Kinderfrau erzählte ihm grausame Geschichten über den Sandmann, der Kindern Sand in die Augen streue, um sie ihnen dann zu stehlen und seinen Kindern zu füttern. Durch die Geschichte beängstigt aber auch neugierig gemacht beschloss Nathanael, den Sandmann einmal sehen zu wollen, schlichtsich in das Zimmer seines Vaters und stellet fest dass es sich bei dem "Sandmann" um den Advokaten Coppelius handelte, der offenbar alchemistische Versuche mit seinem Vater durchführte.
Bei einem dieser Versuche kam sein Vater ums Leben, Coppelius aber konnte rechtzeitig aus der Stadt fliehen, bevor er dafür zur Rechenschaft gezogen werden konnte.
Diese Kindheitserinnerung bilden die Grundlage der späteren Ereignisse. Nathanael lebt getrennt von seiner Mutter, seiner Verlobten Klara und deren Bruder Lothar in der Stadt um zu studieren, bei einem berühtem Professor namens Spalanzani. Dieser Professor stellt ihm eines Tages seine Tochter Olimpia vor, bei der es sich allerdings nicht um einen Menschen, sodnern tatsächlich nur um eine Maschine handelt. Bevor Nathanael dies jedoch herausfindet, verliebt er sich in Olimpia und scheint durch sie jegliche Verbindung zur Realität zu verlieren. Gleichzeitig trifft er auf den Wetterglashändler Coppola, der ihn an Coppelius erinnert und so seine alten Ängste wieder weckt.
Die weiteren Ereignisse bauen stark auf Nathanaels Ängste und seine allgemein schlechte psychische Verfassung auf, viel mehr will ich an dieser Stelle allerdings nicht verraten.

Im Buch wird immer wieder das Motiv der Augen aufgegriffen, angefangen mit den Kindheitserinnerungen Nathanaels, in denen Coppelius droht ihm die Augen auszustechen. Diese Angst vor dem Verlust des Augenlichts setzt sich in der Geschichte immer weiter fort und gab den Anlass zu einer sehr interessanten (wenn auch meiner Meinung nach eher sinnlosen) Theorie Sigmund Freuds, der die Angst vor dem Verlust des Augenlichts mit Kastrationsangst gleichsetzt [siehe Sigmund Freud: Das Unheimliche]


Die gesamte Geschichte ist eine interessante Mischung aus mystischen Aspekten (wie die Figur des Sandmanns) und rationalen Erklärungen für die Geschehnisse, außerdem bekommt man einen recht guten Einblick in das Innenleben der Charaktere, insbesondere Nathanael.
Die psychische Entwicklung Nathanaels (von ihm selbst als "Zerissene Stimmung des Geistes" bezeichnet) und seine Machtlosigkeit ihr gegenüber bilden einen weiteren sehr interessanten Aspekt des Buches und regen zum Nachdenken an.

Insgesamt finde ich das Buch sehr interessant, nicht nur als Schullektüre. Die Sprache ist recht leicht zu verstehen, der Handlungsstrang logisch und nicht zu voraussehbar oder berechenbar.