Hoppediz Tragetuch Testbericht

Schon vor der Geburt unserer Tochter haben wir uns, wie wohl (fast) alle werdenden Eltern, jede Menge Gedanken gemacht, uns vorab informiert und so ziemlich alle Informationen aufgesogen, deren wir habhaft werden konnten. Wer wird schon gern ins kalte Wasser geworfen? Eben. Neben Literatur und Internetrecherche hat uns auch die Hebamme unserer Wahl unter anderem darauf gebracht, was insbesondere so genannte Naturvölker weltweit schon immer wussten: Eine der besten Tragmöglichkeiten für ein Baby ist das Tuch. Wir beschlossen es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Da der Marktführer (Eigenwerbung) Didymos® in unseren Augen geradezu unverschämte Preise aufruft, landeten wir bei der Konkurrenz: Hoppediz ®.

Nun wird man in den Gefilden Westeuropas als tuchnutzender Elternteil, selbst heute noch, gelegentlich belächelt. Für gewöhnlich zeigt sich das Gegenüber aber dann positiv überrascht, andere brandmarken einen schon auf 150 Meter gegen den Wind als Öko-Terrorist oder wenigstens Grünkohl-Apostel. Es sei hier ausdrücklich vermerkt, dass unser Haushalt - obschon Bio-Produkten und insgesamt einem gesunden Lebenswandel sehr zugetan - über fließend Wasser (und nicht die Wände herunter) ebenso verfügt, wie auch Anschluss an das örtliche Elektrizitätsnetz. Gekocht wird nicht nach schamanischem Ritual auf offenem Fegefeuer, sondern auf einem biederen Ceran-Einbauherd der Marke Siemens. Nur so für's Protokoll.

Wieso, Weshalb, Warum?
Die grundsätzlichen Vorteile eines Tragetuches sind - markenunabhängig - mannigfaltig. Im Gegensatz zum klassischen Kinderwagen ist es naturgegeben sehr platzsparend, weswegen man es auch theoretisch immer dabei haben kann. In der Praxis hat sich zwar gezeigt, dass das Tuch den Kinderwagen bei uns in der Vergangenheit zwar nicht vollkommen ersetzen konnte, jedoch drängt es diesen mittlerweile immer mehr zurück. Dank verschiedenster Wickel- und Knottechniken eignet sich das Tuch für fast alle Altersstufen, solange man die Blagen eben zu tragen vermag und will - oder sie es wollen.

Nähe ist wichtig, grade für den Säugling, welcher sich in der großen weiten Welt weder alleine zurechtfinden, geschweige denn bewegen kann. Im Tuch, eng an Mama oder Papa geschmiegt, fühlt sich der Zwerg geborgen und sicher aufgehoben, kann alles aus sicherer Warte beobachten und somit Lernen. Bei Bedarf wird nebenher einfach ein Nickerchen eingeschoben. Zudem versorgt der/die Träger/in das Baby mit zusätzlicher Körperwärme, ein bei Eltern oft gefürchtetes Auskühlen des kleinen Körpers ist somit höchst unwahrscheinlich.

Die meisten Tätigkeiten in Haushalt und Freizeit lassen sich auch mit angelegtem Tuch erledigen. Man hat ja beide Hände frei - auch Bücken ist prinzipiell möglich. Natürlich alles in einem gewissen Rahmen. Besonders wenn Krankheiten, Entwicklungs- und Wachstumsschübe die Kleinen beuteln und sie in dieser Phase gar nicht nicht von Mama und Papa weg wollen, ist dies der ideale Weg sein gesellschaftlich-soziales Leben und auch den Frieden mit der Nachbarschaft zu wahren. Für gewöhnlich brüllen Tragekinder nämlich nicht so sehr das Haus in Grund und Boden, da sie sich immerhin noch geborgen fühlen, auch wenn's ihnen mies geht.

Gerne wird von mit gefährlichem Halbwissen gesegneten Skeptikern das Hauptargument ins Feld geführt, dass \"das der Körperhaltung bzw. dem Rücken schadet\". Das ist ausgemachter Blödsinn und das Gegenteil ist der Fall. Zumindest, wenn man das Kind richtig trägt. Durch die im Tuch angestrebte (und von der Fachwelt mittlerweile durch die Bank propagierten) Spreiz-Anhock-Haltung profitiert die gesunde Entwicklung und Stärkung der Hüfte bzw. deren Gelenke. Auch der Rücken wird gestützt und nicht belastet. Das gilt im Übrigen auch für den des Trägers, ganz nach Alter, Gusto und Wickeltechnik kann man(n) zwischen Bauch-, Hüft- und Rückentrage wählen.

Das Tuch
Es gibt abseits der schier unüberschaubaren Auswahl von Farbmustern gewisse Qualitätsstandards und Features die sich etabliert haben. Schließlich wollen Eltern nur das Beste für ihr Kind. Dazu gehört selbstverständlich auch bei Hoppediz® Tüchern die Verwendung von kbA-Baumwolle als Grundstoff. Die aus kontrolliert biologischem Anbau gewonnenen Fasern werden diagonal-elastisch verwebt. Das bedeutet, dass die einzelnen Gewebefasern des vergleichsweise festen Tuchs sich in Längsrichtung nicht dehnen lassen, sondern eben nur schräg/diagonal. Damit ist eine notwendige Formstabilität gewährleistet, die verhindert, dass das Gewebe durch das Gewicht des Kindes nachgibt und mit der Zeit ausleiert. Zugleich ist es aber so geschmeidig, dass der Tragekomfort und einfaches Handling weiterhin gegeben ist.

Bleibt eigentlich nur die Frage welche Größe es denn sein sollte. Es gibt die Tragetücher von Puppengröße an bis zur imposanten Länge von 5,4 Metern. Das ist allerdings nur für sehr große oder korpulente Träger/innen nötig. Die Standardgröße dürfte das 4,6 Meter lange Teil sein, das auch wir gewählt haben. Das reicht über den Daumen für bis zu 1,80m große Personen und kostet knapp 50 Euro. Das ist im Vergleich zu Didymos ® ein Drittel günstiger bei prinzipiell gleicher Qualität - wir haben auch Didymos-Trägerinnen in der Stillgruppe, daher ist mir ein direkter Vergleich möglich. Wobei sich die beiden nicht soviel tun, jedenfalls nichts, was den Mehrpreis des Didymos rechtfertigt.

Angeboten werden die Hoppediz-Tücher entweder direkt über deren Shopping-Portal oder beispielsweise auch häufig über freie Stillberaterinnen. Hierüber haben wir das unsere erworben, was wir uneingeschränkt empfehlen können, denn Beratung und ein ausgiebiger Selbstversuch sind durch nichts zu ersetzen. Trotz des höchst umfangreichen Begleitbuchs, welches jedem Tuch beiliegt. Wer mit dem Tuch nicht zurecht kommt, was wohl auch gelegentlich vorkommt, dem mindert das 14-tägige Rückgaberecht (selbst des gebrauchten Tuchs) das Kaufrisiko.

Grundsätzlich müssen sich Träger und Kind erst einmal an die Sache gewöhnen. Ein sattes und gut gelauntes/ausgeschlafenes Kind ist bei den ersten Versuchen sehr zuträglich. Auch der Träger in spe sollte natürlich möglichst stressfrei sein. Ein paar helfende Hände zusätzlich sind auch nicht zu verachten. Wenigstens am Anfang. Die Tragzeit ist am besten langsam zu steigern. Wenige Minuten zu Beginn überfordern Träger und Getragene nicht. Später dürften auch Spannen von einer Stunde und mehr kein Problem mehr sein. Abhängig von der Physis beider Beteiligten, versteht sich.
Zugegeben, manche Bindetechniken erforderten zunächst Geduld und kosteten Nerven, welche man als frisches Elternpaar ja besonders wenig hat.

Mittlerweile hat sich aber eine gute Routine breit gemacht und mein derzeitiger Favorit, die recht anspruchsvoll zu wickelnde "Doppel-X-Trage", binde ich ohne die anfänglich unverzichtbare Hilfe meines Göttergatten auch allein. Unsere Kleine findet das Tuch nach einigen Anfangsnörgeleien inzwischen absolut klasse und lässt, wenn sie es nur sieht, oft einen Vergnügungsquietscher hören. Sie weiß, dass es nun entweder zum allabendlichen Spaziergang in den nahen Wald geht oder sie an irgendwelchen anderen Familienaktivitäten buchstäblich hautnah teilnehmen kann, darf und auch soll. Somit hat das Tuch auch eine nicht unwichtige Funktion für die soziale Entwicklung des Kindes: Es fühlt sich niemals abgeschoben.

Pfiffig am Hoppediz sind die praktischen und durchdachten Kleinigkeiten: Eine kleine Tasche für ein Päckchen Tempos oder ein Spucktuch für unterwegs. Angeschrägte Ecken, das Tuch ist nämlich nicht rechteckig, sondern ein Parallelogramm, sowie unterschiedlich farbige Kanten zur leichteren Orientierung (wie und wo die Stoffbahnen verlaufen), das alles macht Bindefehler optisch bereits auf den ersten Blick sichtbar. Last but not least das kleine Storchen-Label zur Kennzeichnung der Mitte des Tuchs - auch eine unverzichtbare optische Hilfe. Waschbar ist das stabile Tuch übrigens bis 60° und es ist für Trockner geeignet.

Summa Summarum
Wer mit dem löblichen Gedanken spielt sein Kind im Tuch zu tragen, findet in der Auswahl des kleinen, sympathischen Familienunternehmens Hoppediz ® sicherlich das Richtige. Das dort erhältliche Sortiment ist übrigens nicht auf die Tücher allein begrenzt und die Preisgestaltung ist zumindest fair. Qualitativ gibt es nichts zu meckern. Diverse Spuckattacken und dergleichen hat das Tuch bereits mit Waschmaschine und Trockner klaglos weggesteckt und sieht immer noch aus wie neu. Nur den Pharao muss ich noch etwas trainieren, damit er die Ullige auch mal darin trägt. Derzeit ist sein Delikatessengewölbe um die Hüften noch ein bisschen im Weg. Aber auch das kriege ich noch hin. (Frechheit! - Der Olle)

Danke für die Aufmerksamkeit und meinem Göttergatten, dass ich hier sein Account nutzen darf (Bidde, Bidde - Der Olle)

Die Pharaonin