Nordermoor (Taschenbuch) / Arnaldur Indridason Testbericht

Luebbe-verlagsgruppe-nordermoor-taschenbuch
ab 9,39
Auf yopi.de gelistet seit 02/2005

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Erfahrungsbericht von Paukenfrosch

Sympathie für einen Mörder

Pro:

unheimlich spannend von der ersten bis zur letzten Seite; brisante Thematik; selbst verstrickte Tatsachen werden harmonisch und verständlich zusammengefügt; flüssiger Schreibstil und viel wörtliche Rede

Kontra:

absolut nix

Empfehlung:

Ja

In der letzten Woche habe ich mal wieder einen Krimi gelesen. Diesmal einen ganz besonderen, denn er spielt in Island und er wurde auch von einem Isländer geschrieben. Bevorzuge ich sonst amerikanische, englische und deutsche Schriftsteller, so war dieses Buch für mich in gewisser Art Neuland. (Romane von Henning Mankell mal ausgenommen, denn die muß man einfach lesen.) Man gut, daß ich eine gute Freundin habe, die meinen Geschmack, was Bücher betrifft, sehr gut kennt, denn sie borgte mir das Buch:

Nordermoor
von
Arnaldur Indridason

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Fakten zum Buch
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"Nordermoor", im Originaltitel "Myrin" erschien bereits im Jahr 2000 in Island. 2003 verlegte es der Lübbe Verlag erstmals in Deutschland. Ich bin jedoch im Besitz einer Sonderausgabe vom Weltbild Verlag. Dieses Exemplar umfaßt 320 Seiten. Es handelt sich hierbei um eine gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, welche unter der ISBN3-8289-7626-3 erschienen ist.

2006 wurde dieser Krimi erneut vom Lübbe Verlag aufgelegt.

ISBN-10: 3404771877
ISBN-13: 9783404771875

Bei Weltbild ist er in neuem Outfit für 9,99 € erhältlich, bei amazon.de kostet er nur 7,95 €.

"Nordermoor" wurde im Jahre 2002 zum besten Krimi Skandinaviens gewählt und erhielt auch die Auszeichnung "Gläserner Schlüssel".

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Der Autor
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Arnaldur Indridason war mir bisher kein Begriff, obwohl er der bedeutendste isländische Krimiautor ist. Er wurde 1961 in Reykjavik geboren, wo er auch heute noch mit seiner Frau und seinen drei Kindern lebt. Folgende Werke entstammen seiner Feder:

"Synir Duftsins" 1997 > "Menschensöhne" 2005
"Dauðarósir" 1998 > (noch nicht auf deutsch erschienen)
"Napóleonsskjölin" 1999 > "Gletschergrab" 2005
"Mýrin" 2000 > "Nordermoor" 2003
"Grafarþögn" 2001 > "Todeshauch" 2004
"Röddin" 2002 > "Engelsstimme" 2004
"Bettý" 2003 > "Tödliche Intrige" 2005
"Kleifarvatn" 2004 > "Kältezone" 2006
"Vetrarborgin" 2005 > "Frostnacht" erscheint im Juni 2007


Für genauere Infos zum Schriftsteller und seinen Werken empfehle ich unbedingt die Seite:

http://www.schwedenkrimi.de/arnaldur_indridason_biografie.htm

Hier findet man allumfassende und sehr interessante Informationen.

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Kurz-Inhalt des Buches
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Reykjavik im Jahre 2001, Stadtteil Nordermoor: Holberg - 68 Jahre - wird in seiner Wohnung tot aufgefunden. Erschlagen mit einem Aschenbecher. Ein typischer isländischer Mord?

Raubmord kann es aber nicht gewesen sein, denn sämtliche Wertgegenstände befinden sich noch in der Wohnung des alten Mannes, der einsam und zurückgezogen lebte. Auf seinem Computer werden unendlich viele Pornovideos perversester Art gefunden. Liegt hier der Schlüssel zum Mordmotiv? Doch als hinter einer Schublade versteckt ein altes Foto eines Grabes entdeckt wird, gehen die Ermittlungen in eine andere Richtung. Das Foto zeigt das Grab eines 4 Jahre alten Mädchens, doch Holberg hatte keine Familie. Kommissar Erlendur ist sich sicher, daß Holbergs Vergangenheit das Motiv des Mordes zu Tage bringen wird.

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Nordermoor-Test
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Der Roman beginnt mit dem Fund der Leiche des alten Mannes. Somit geht es gleich spannend los. Anfangs hat man noch Mitleid mit dem toten Holberg. Man fragt sich, wer einem armen alten Mann so etwas Schlimmes angetan haben könnte. Doch alsbald erkennt man Risse in der Fassade des Mannes, als die perversen Videos auf seinem PC entdeckt werden. Größere Fragen jedoch wirft das alte Foto des Kindergrabes auf.

Erste Ermittlungen ergeben, daß Holberg vor über 25 Jahren wegen Vergewaltigung angezeigt wurde. Eine Verurteilung jedoch gab es nicht, da man der Frau keinen Glauben schenkte. Das verstorbene Mädchen ist die Tochter der Frau, die Holberg vergewaltigt haben soll. Sie starb an einem Hirntumor. Die Frau nahm sich daraufhin das Leben. Das ist eine tragische Geschichte, die einen ungemein erschüttert, doch da sowohl die Frau als auch die Tochter nicht mehr leben, können sie nicht die Mörder Holbergs sein. Dennoch ist Kommissar Erlendur sich sicher, daß dies genau der Richtige Weg für seine Ermittlungen ist.

Ab hier nimmt der Leser an der polizeilichen Ermittlungsarbeit teil, die sehr akribisch durchgeführt wird. So werden Verwandte der angeblich vergewaltigten Frau ausfindig gemacht und befragt. Auch wird nach Freunden Holbergs, mit denen er damals zusammen war, gefahndet. Einer von ihnen ist wegen brutalster Gewalttaten im Gefängnis, der andere verschwand in besagter Zeit spurlos. Aber auch die damaligen polizeilichen Ermittlungen werden kontrolliert.

Eine erneute Obduktion der Kinderleiche wird ebenfalls durchgeführt, um die Vaterschaft Holberg zu bestätigen. Gruselig hierbei ist, daß dieser Leiche das komplette Gehirn entnommen wurde, hätte doch zur Untersuchung und Bestätigung des Hirntumors lediglich eine Probe genügt.

Zwischenergebnis ist, daß die Vergewaltigung und die Vaterschaft bestätigt sind. Jedoch wirft sich nun auch wieder die Frage nach dem Verschwinden von Holbergs Freund Gretar auf. Eine neue Erkenntnis ist auch, daß das Kind an einer Erbkrankheit gestorben ist, die Holberg in sich trug. Diese Tatsachen führen zwar nicht direkt zum Mörder Holbergs, dennoch mag man als Leser nicht auf diese Informationen verzichten, erhält man doch so ein Bild vom aktuellen Mordopfer, mit dem man nun überhaupt kein Mitleid mehr hat. Eher ist man total angewidert von dieser perversen Persönlichkeit.

Weitere Ermittlungen bringen zu Tage, daß es mindestens noch ein Vergewaltigungsopfer Holbergs gibt und leider auch weiteres Kind, das dieser Vergewaltigung entsprang. Ebenso wird der vermißte Gretar gefunden - ermordet!

Ich möchte an dieser Stelle zum Mörder Holbergs nicht zu viel verraten. Jedoch ist klar, daß sich hier nicht nur eine sehr große Familientragödie zugetragen hat, die den Leser ungemein ergreift.

Arnaldur Indridason schafft es auf unglaublich hervorragende Weise, den Leser zu fesseln und seine Neugier zu wecken, und zwar ab der ersten Seite. Natürlich will man am Ende wissen, wer der Mörder ist, jedoch ist man zwischenzeitlich viel mehr mit den Opfern Holbergs beschäftigt. Es ist erschütternd, mitzuerleben, was sich vor mehr als 25 Jahren zugetragen hat. Holberg vergewaltigte Frauen und zeugte auf diese Art Kinder, an die er seine Erbkrankheit weitergegeben hat. Als ob eine Vergewaltigung nicht schon schlimm genug ist, haben diese Familien noch heute unter dieser Tat zu leiden.

Durch akribische und mühsame Kleinarbeit gelingt es der Polizei, Schritt für Schritt dem Mörder, vor allem aber dem Mordmotiv näher zu kommen. Als Leser hat man stets Anteil an diesen Arbeiten und ist somit stets auf dem neusten Ermittlungsstand. Hierbei muß erwähnt werden, daß die Ermittlungen nicht geradlinig ablaufen. Die Kommissare ermitteln parallel. Stets wechselt man also beim Lesen von einem Ort des Geschehens zum anderen. Da sind die Übergänge beim Wechsel der Schauplätze und auch die Gespräche zwischen den ermittelnden Kommissaren außerordentlich gut gelungen. Eine Information fügt sich zur anderen und dadurch ergibt sich ständig ein neues Bild. Man gerät keineswegs durcheinander, obwohl der Roman im Verlauf immer rasanter wird.

Die sehr häufig vorkommende wörtliche Rede bringt Schwung und Spannung in den Roman hinein. Sie sorgt für eine interessante und geordnete Informationsflut auf sehr angenehme Weise. Es geht hierbei um Verhöre und Gespräche mit Opfern und Angehörigen, aber auch um den Informationsaustausch zwischen den Kommissaren. Gefühle jeglicher Art finden hierbei auch ihren Ausdruck. Wobei es fast nur um Wut, Verzweiflung und Trauer geht. Humor hat in diesem Krimi keinen Platz, lediglich ab und zu gibt es mal einen kleinen Witz zwischen Kollegen, die sich dadurch aber mehr bei Laune halten wollen, damit sie dieser tragische Fall nicht all zu sehr von innen auffrißt.

Es gibt eine ganze Reihe agierender Personen in diesem Buch. Doch nie verliert man die Übersicht, da alle Zusammenhänge sehr gut geschildert werden. Der intensiven Gespräche wegen, kann man sich auch von jeder einzelnen Person ein sehr gutes Bild machen, wobei Indridason weniger Wert auf das Äußere legt, sondern viel mehr auf deren Gedanken. Man baut als Leser eine Verbindung zu ihnen auf, weil deren Schicksal einen stark berührt.

Besonders berührt einen jedoch das Schicksal des Mörders. Er ist es, dem die ganze Sympathie gehört. Man möchte ihn drücken und trösten, doch auch hier nimmt das Schicksal einen ganz besonders traurigen Verlauf. Holberg hat letztendlich nur bekommen was er verdient hat. Dennoch muß sich die Polizei mit dem Mord beschäftigen.

Erst auf den letzten 50 Seiten ist für den Leser ersichtlich, wer der Mörder Holbergs ist. Bis dahin ist alles offen, obwohl man sehr viele indirekte Vermutungen hat, die Indridason gekonnt in einem hervorruft. Dadurch ist dieser Roman durchweg spannend, denn selbst wenn man den Mörder und sein Motiv kennt, ist es mit der Spannung nicht vorbei. Die letzten Seiten saugt man regelrecht in sich hinein, da man jetzt von Hoffnung auf das erlösende Moment begleitet wird. Es ist unglaublich, wie Indridason diese Spannung in Worte packt.

Doch es geht in diesem Roman nicht allein um Holberg und seinen Mörder. Seine Vergewaltigungsopfer und deren Familien sind wie erwähnt ein weiteres Thema, welches sich durchweg durch den Roman zieht. Interessant ist aber auch die Figur des Kommissars Erlendur selbst. Einerseits muß er sich mit derartigen Fällen beschäftigen und erfährt dabei von den grausamsten Familientragödien, andererseits ist sein Leben auch nicht gerade rosig. Er ist geschieden und hat keinen Kontakt zu seiner Exfrau und seinem Sohn. Nur seine drogensüchtige und nun auch noch schwangere Tochter beehrt ihn hin und wieder, wobei deren Zusammentreffen stets eskaliert. Diese einzelnen Passagen, die sich immer wieder in den Roman einfügen, wirken keineswegs störend. Sie gehören irgendwie wie selbstverständlich mit dazu, obwohl sie keinen direkten Bezug zum Mordfall haben. Sie verzögern die Handlung nicht, sondern ergänzen sie. Man kann den Kommissar dadurch viel besser verstehen. Das Privatleben auf diese Art und Weise in den Roman einfließen zu lassen ist Indridason hervorragend gut gelungen.

Ohne Zweifel ist die Story dieses Kriminalromans interessant, spannend und fesselnd. Etwas in der Richtung habe ich vorher noch nicht gelesen und somit bin ich fasziniert von diesem Krimi. Zum Lesevergnügen trug natürlich der wunderbar flüssige Schreibstil bei. Man flutscht einfach nur so von Seite zu Seite und kann alle Informationen in sich aufsaugen. Toll finde ich die viele wörtliche Rede, die ungemeinTempo in den Roman bringt. Allein das Duzen ist etwas gewöhnungsbedürftig. Doch dazu wird auf den letzten Seiten des Buches erklärt, daß man sich eben in Island duzt. Weiß man dies, dann liest es sich flott weiter.

Ich kann auf jeden Fall jedem Krimiliebhaber nur empfehlen, "Nordermoor" zu lesen. Kurzweilige und spannende Unterhaltung ist garantiert. So spannend, weil es beim Lesen und auch danach immer noch zum Nachdenken anregt, denn zu brisant sind alle aufgegriffenen Themen, die Arnaldur Indridason auf so gekonnte Weise in nur 320 Seiten eingebaut hat.

Kauf- bzw. Lese-Empfehlung mit 5 dicken Sternen…


( Mein Bericht erschien bereits am 5. Februar 2007 )

35 Bewertungen, 14 Kommentare

  • Prisca

    12.03.2007, 09:21 Uhr von Prisca
    Bewertung: sehr hilfreich

    Na dann - das steht auch noch bei mir im Regal, vielleicht sollte ich es endlich mal hervor holen. LG Prisca

  • Woelfchen4

    10.02.2007, 16:52 Uhr von Woelfchen4
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh & viele Grüße ...

  • taz772112

    07.02.2007, 20:29 Uhr von taz772112
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH & LG :o)

  • Gemini_

    07.02.2007, 20:15 Uhr von Gemini_
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schöner Bericht! LG

  • morla

    06.02.2007, 15:54 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr hilfreich

  • golfgirl

    06.02.2007, 15:24 Uhr von golfgirl
    Bewertung: sehr hilfreich

    liebe grüsse dani

  • Sayenna

    06.02.2007, 14:27 Uhr von Sayenna
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh :-)

  • LittleSparko

    06.02.2007, 14:21 Uhr von LittleSparko
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg, daniela

  • swissflyer

    06.02.2007, 13:29 Uhr von swissflyer
    Bewertung: sehr hilfreich

    °~°~° sh °~°~°

  • anonym

    06.02.2007, 11:46 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh :o)

  • manu_2000

    06.02.2007, 11:41 Uhr von manu_2000
    Bewertung: sehr hilfreich

    * SH * LG Manu

  • Quitschibo

    06.02.2007, 11:03 Uhr von Quitschibo
    Bewertung: sehr hilfreich

    Das Buch werd ich mir mal im Buchladen ansehen!

  • sandrad198

    06.02.2007, 09:59 Uhr von sandrad198
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh & lg Sandra

  • B_Engal

    06.02.2007, 09:45 Uhr von B_Engal
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH von mir. MfG B_Engal