Die wilde Geschichte vom Wassertrinker (Taschenbuch) / John Irving Testbericht

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ab 7,14
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Erfahrungsbericht von nikosternchen

Tripper, Hasch und vergleichende Literatur

Pro:

witzig, unterhaltsam, intelligent, immernoch hochaktuell

Kontra:

zu kurz

Empfehlung:

Ja

Gerade habe ich ein Buch ausgelesen, bei dem ich im Moment schlecht einen Anfang finde es zu beschreiben. Aber ich war begeistert, das will ich mal vorwegnehmen. Ich mag skurrile Geschichten. Skurril ist die Geschichte wirklich, die John Irving uns da erzählt. Fred Bogus Trumper ist unser Hauptcharakter. Wie soll man einen Typen beschreiben dessen guter Freund und Filmemacher sein Leben mit dem Titel: „Der Griff in die Scheisse“ verfilmen möchte. Wie soll man jemanden beschreiben der versehentlich eine recht muskelbepackte und viel größere Skiläuferin schwängert ? Und vor allem darf nicht unerwähnt bleiben das Fred sich einst bei seiner damaligen Babysitterin einen Tripper holte, dessen sein bester Freund am selbigen Abend ebenfalls befiel. Nun Fred Bogus ist ein Tollpatsch, der Fettnäpchen nur so anzieht. Nachdem er nun seit 5 Jahren sieben mal fiese Beschwerden an seinem besten Stück verspürt gibt ihm sein Urologe die Wassertrinkermethode zum Rat. Operieren lassen will er sich nicht, er ist doch nicht verrückt.

Die amüsante Geschichte wird meisterhaft von Herrn Irving erzählt. Eigentlich passiert gar nichts großartiges, aber eigentlich kann man dieses Buch auch nicht zur Seite legen, weil es gespickt ist mit Anekdötchen noch und nöcher. Drei Geschichten um Fred Bogus laufen bis zum Ende zusammen. Die von „Biggie“ der Skiläuferin und die später gescheiterte Ehe der beiden, natürlich die Dokumentation seines Lebens inbegriffen der Beziehung seiner neuen Geliebten „Tulpen“ und last but not least seine Dissertation an der Bogus eifrig zugange ist. Zum Leid seines Vaters, der sehr geradlinig ERST studiert und seine Karriere als Urologe aufgebaut hat und sich DANN erst Frau und Kind angeschafft hatte, studiert Bogus vergleichende Literaturwissenschaften. Eine brotlose Kunst wenn man bedenkt das seine Übersetzung und Rezension der in altniedernordischen Sprache geschriebenen Balade „Ankhelt und Gunnel“, dessen über 280strophigen Inhalt wir teilweise mitbekommen dürfen, doch niemanden wirklich nützt.
Verwirrend, verwirrend!.. Und das zu Recht, denn wer glaubt das er sich hier leichte Kost aufbürgt der täuscht sich gewaltig. So amüsant das Werk auch ist, so aufmerksam sollte man es lesen um nicht die Spur und die Geschehnisse zu verlieren. Denn John Irving springt nicht nur in der Zeit sondern auch in der Sicht der Dinge und der Schreibweise heftigst hin und her. So haben wir teilweise ein Drehbuch des Filmes vor uns oder aber auch Briefe an seine Gläubiger ( wegen der Brotlosen Kunst ;o) ). Manchmal schreibt er aus Bogus´ Sicht, manchmal ist ein Off- Sprecher im Spiel.
Phasenweise wusste ich nicht ob mir dieser tragisch – komische Kauz denn nun sympathisch sein soll oder nicht. Ich entschloss mich auf der Hälfte des Buches dennoch dafür, obwohl er seine Frau mit Kleinkind mit einer minderjährigen Göre im Wald ( zumindest versucht ) zu betrügen. Sympathisch ist er mir, weil John Irving ihn auf sehr liebevolle Weise tollpatschig aber lasterhaft beschreibt. Sympathisch deswegen, weil John Irving sehr genau beschreibt. Jede Figur in diesem Buch hat ein Gesicht, jede Figur hat einen Charakter.


Beispiel Taxifahrer:
„Dante Caliccio war klein und vierschrötig, hatte wuschelige schwarze Haare und eine Nase, die ihm so oft gebrochen worden war, das sie in seinem Gesicht hin und her zu flattern schien. Er hatte gerungen, daher seine Blumenkohlohren. Ein reizendes Paar, ganz zerknittert und geschwollen und lappig, wie zwei ungleiche Klumpen Hefeteig, die man ihm an den Kopf geklatscht hat...“

Aber nicht nur diese Beschreibungen bringen das Buch zum Leben, sondern auch die mehr oder weniger alltäglichen Missgeschicke, der menschlichen Probleme und etwas überzogenen Geschehnisse machen dieses Buch so amüsant. Wenn man sich erst einmal in den Schreibstil reingelesen hat dann mag man dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen und liest die fast 500 Seiten, wenn möglich, in einem weg.
Das Buch ist aber nicht nur witzig, sondern auch sehr gut durchdacht. Gerade unscheinbare Dinge aus den ersten Seiten werden später wieder aufgegriffen und vervollständigen die Geschichte zu einem Ganzen.

Wild ist die Geschichte wirklich, aber beim genaueren Hinsehen auch gar nicht so wild, denn es sind Geschichten aus dem Leben. Zwar skurril, zwar etwas überzogen aber der Grundgedanke stimmt. Das Fehlen eines wirklichen roten Fadens macht den Reiz der Geschichte aus, mach Lust aufs Weiterlesen und Neugierde auf das was noch kommt.
John Irving veröffentlichte dieses Buch erstmals in Englisch 1972, die deutsche Übersetzung gab es dann 1989. Auch hier haben wir mal wieder ein hervorragendes Beispiel das ein Buch das schon über 30 Jahre auf dem Buckel hat keineswegs an Aktualität verloren hat. Trennungen, uneheliche Kinder, Geldnot und Geltungssucht sind damals wie heute Themen die die Menschen erleben und beschäftigen.

FAKTEN
John Irving / Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
Diogenes Verlag, 487 Seiten
ISBN: 3257224451

Ich denke es dürfte durchaus für ab 2 € erhältlich sein.

FAZIT
Ein fantastisches Buch, von einem wie wir ja alle wissen fantastischem Autoren. Wild, witzig, intelligent und unterhaltsam. Der Stil und die Detials machen dieses Buch zu einem absolut lesenswerten und daher kann ich auch diesmal nicht anders und vergebe wohlverdiente 5 Sternchen.


Natürlich ist auch dieser Beitrag anlässlich des Bücherfrühlings geschrieben worden .

Viel Spaß beim Lesen wünscht Nikolina

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