Jethro Tull Testbericht

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Erfahrungsbericht von Thomas06

Minstrel in the Gallery - Jethro Tull - eine ziemlich ruhige Folkplatte

Pro:

Der ausgezeichnete HIFI - Sound Die Boni ziemlich ruhig in den meisten Tracks

Kontra:

eigentlich nichts

Empfehlung:

Ja

EINLEITUNG:

Die Platte kam nach "Passion Play" und "War Child" heraus. Die beiden Vorgänger waren nicht gerade enthusiastisch bei Kritik und Hörern aufgenommen worden.

"Minstrel in the Gallery" war da schon wieder um einiges besser. Es hatte die filigrane Instrumentierung und Produktionstechnik des Vorgängers. Aber diesmal Songs, die melodisch und textlich weit gelungener waren. Und das neue Werk verzichtete wohltuend auf zuviel Soundkosmetik, von denen im Kriegskind heulte und knatterte. Da das Konzept auf der Hülle mittelalterlich und elizabethanisch war, mussten wohl für die imaginären Gräfinnen und Hofdamen auch eher ruhige Klänge gespielt werden.

My Lords and Ladies ... for your entertainment !

LIEDER-BESCHREIBUNG:

Ich würde sie etwa in dieser Reihenfolge programmieren, damit der einzige harte Titel (Minstrel in the Gallery) am Ende ist.

Requiem
Zu den nicht elektrischen Instrumenten begleiten unaufdringlich Violinen und ein Cello. Andersons Stimme klingt leise und traurig. Das sagte er selbst über die gesamte Stimmung des Albums. Requiem soll über die gescheiterte Ehe von Ian Anderson handeln (gerade lief das Scheidungsverfahren), selten lies der Herr sich in die Karten seinen Innenlebens sehen. Ursprünglich sollte der Track wesentlich länger sein und das Piano im Vordergrund stehen. Diese Fassung wurde nur einmal gespielt und sofort mitgeschnitten.

One white duck
Ein ausgezeichneter akustischer Track, der einen Platz auf den Best-Ofs verdient hätte. Den Refrain und den Mittelteil behält man im Gedächtnis. Die Lyrik handelt von Geistern und einer verblichenen Liebe und deren Rückkehr. Wohltuend auf der ganzen Platte ist ein thematisch femininer Zug, etwas was in dem eingeschworenen Männerverein sonst recht selten ist. Ian Anderson bemerkte auch, daß er sich mehr Mühe bei den Texten gegeben hatte wie auf "War Child". Hier waren die Texte zuerst da, dann erst wurde die Musik darauf abgestimmt. Bei War Child war es umgekehrt.

Grace
Kurz, gut. Warum damals nicht auf der LP? Schöne akustische Gitarre und Gesang. Der Rest der Musiker hatte Pause und war im Pub. Bei den leisen Saitenklängen bemerkt man kaum den Sarkasmus: "Hello sun, hello bird, hello my lady, hello breakfast / May I buy you again tomorrow?"

Summertime Sands
ist wieder akustisch. Die Atmosphäre und Text sind ausnahmsweise recht freundlich. Vielleicht deshalb ursprünglich nicht auf der LP veröffentlicht. Gut. War damals auch die B-Seite einer Single.

March, The Mad Scientist
für Tull der Mitsiebziger meiner Ansicht A-Klasse. Wieder recht ruhig. Warum damals nicht mit einbezogen.? Vielleicht wegen der Zeitüberschreitung.

Black Satin Dancer
ist einem Mädchen gewidmet. Klingt ein wenig mysteriös. Die Flöte ist hier - ähnlich wie auf Benefit - keine Begleitinstrument sondern eigenständig für die Melodie zuständig.

Cold Wind to Valhalla
in seinen guten Momenten altertümlich und behandelt nordischer Mythologie. Mir gefallen besonders die ersten 3 akustischen Minuten. Der bekannte Götterhimmel, wo die gefallenen Krieger nach dem Tode einkehren.

der gleiche Titel als Live-Bonus beeinhaltet in kürzerer Fassung diese guten Elemente.

Baker St. Muse
gewidmet einer jungen Dame, welcher der Flötist von der Straße aus ein Lied spielt. Angeblich soll der Track so lange geworden, sein, da sich die Gruppe versehentlich über Nacht in das Studio eingeschlossen hatte und die Tür nicht öffnen konnte. Der Spielmann bemüht sich um die Angebetete, doch diese läßt sich nicht gewinnen. Am Schluss hört man, wie ein paar Gegenstände nach unten geschleudert werden "Get out of here".
Die lange Suite besticht wieder in ihren ruhigeren Passagen. Einige elektrifizierte unharmonische E-Töne stören bisweilen.
Am Ende wartet die Suite nochmal mit einem schönen Flötensolo auf. Ging einst fast über die gesamte Plattenseite. Ich hätte den Titel (wie auch Valhalla) etwas abgespeckt und damals die Boni von hier mit reingenommen.
Allerdings Geschmackssache. Einige bezeichnen die Suite als Highlight der Platte.

Pan Dance
ist ein unveröffentlichtes Flötensolo aus dem Londoner Rainbow-Theater. Einfach, aber gefällig.

Minstral in the Gallery
der Titelsong ist toll. Besteht aus 3 guten Teilen:
Die ersten Minuten sind akustisch und könnten von den Musikern des mittelalterlichen Covers stammen. Aber dann !
Es folgt ein hammerhartes E-Gitarrensolo von Michael Barre. Vor Schreck läßt man fast das Glas aus der Hand fallen.
Anschließend kommt ein Heavy-Rock Part, der sich gewaschen hat. Mit gutem Riff und flippigem Flötenmotiv.
Neben "Something's on the Move" (Stormwatch) der härteste Tull-Song bis heute. Auch gegen Ende der CD kommt dieser Titel noch einmal als Live-Bonus.
Ich weiß, daß diese Härte nicht zu den anderen Liedern paßt. "Minstral in the Gallery" ist aber so gut, daß ich ihn schon nach dem ersten Hören (meine Eltern schimpften) nicht mehr missen wollte. Hier ist Michael Barre der Star, seine schneidende Heavy Gitarre wies ihn schon 1969 als Meister seines Faches aus (To Cry you a Song, Back to the Family)


ALLE LIEDER in Folge:

1 Minstrel In The Gallery 8:10
2 Cold Wind To Valhalla 4:18
3 Black Satin Dancer 6:51
4 Requiem 3:42
5 One White Duck 4:35
6 Baker St. Muse 16:38
7 Grace 0:36
8 Summerday Sands 3:42
9 March, The Mad Scientist 1:47
10 Pan Dance 3:22
11 Minstrel In The Gallery (live) 2:09
12 Cold Wind To Valhalla (live) 1:30


PRODUKTIONS-ANMERKUNGEN:

"Minstrel in the Gallery" kam im September 1975 auf den Markt
War längere Zeit in den LP Charts etlicher Länder, (Höchste Position: 34)

Remastert, der schon recht gute Ausgangs-Sound wurde nochmals digital überarbeitet . Die Gitarren klingen etwas besser, der Bass ein wenig stärker. Allerdings hätte man mit den anderen Instrumenten evtl. noch weitere Verbesserungen machen können. Aber für meinen Teil bin ich recht zufrieden. Auch das Booklet bietet einige Infos wenn auch nicht übermäßig, die meisten Texte sind abgedruckt.

Aufgenommen im April / Mai 1975 im Maison Rouge Mobilen Studio in der Steueroase Monte Carlo. 3 Wochen Aufnahmen, 3 Wochen gemeisame Studioabmischung, 1 Woche für den Endmix.

Außer:
"March" (Studio 2, London 1974) und
"Pan Dance" (ursprünglich für eine Tanzaufführung des Fernsehens geschrieben, hier aufgenommen im Rainbow Theatre, London, 1974)
Die beiden letzten Live-Boni wurden für das BBC Radio auch irgendwo in Monte Carlo im April 1975 mitgeschnitten. In dieser Stadt vermisste er erstmals seine Heimat England, außerdem soll er sich dort ständig über die nichtstuenden Touristen geärgert haben.

Der Preis von momentan höchstens 9 Euro ist wirklich günstig
( 5 Boni)

MUSIKER:

Ian Anderson (Flöte, Gitarre, Gesang)
Martin Barre (Gitarre)
Barriemore Barlow (Percussion, Schlagzeug)
Jeffrey Hammond-Hammond (Bass, String-Bass)
John Evans (Klavie, Orgel)

David Palmer (Orchesterzusammenstellung und Dirigent)

Rita, Liz and Helen (Violinen) und Cathy (Cello) vom Londoner Philharmonischen Orchester. Da Jethro Tull mich damals bei der Produktion nicht dabeihaben wollten, weiß ich leider nicht den Nachnamen der 4 Damen.

Auf der ganzen LP hört man diesen leicht resignierten Bandleader, der u.a. seine gescheiterte langjährige Ehe in eine ansprechende Kunstform kleidete. Seine Frau hatte z.B. die Cover-Art von Aqualung gemacht und den Text geschrieben, jenem Album, wo Jethro Tull der Durchbruch damals gelang.

EXKURS:

1976 kam aber dann unerwartet noch mal ein kleiner thematischer Ausrutscher mit "Too old to Rock and Roll".
In dieser Folge-Zeit (nach der Scheidung) hatte Anderson eine kurze Sturm und Drangphase. Er fuhr ständig mit irgendwelchen Motorrädern in unmöglichstem Gelände herum.
Und gab z.T. recht wirre Interviews, eines z.B:
Wo er lang und breit erklärte, daß er absichtlich keine Jeanshosen trage. Im Gegensatz zu der blauen Herdeninvasion fast aller anderen jungen Menschen. Er könne diese Kleidungs-Farbe nicht mehr sehen. In früheren Zeiten wäre er wegen seiner oppositionellen Cord-Bekleidung verurteilt und gekreuzigt worden ! ???
Der Interviewer meinte, ob Herr Anderson nicht doch schon zu alt für den Rock and Roll sei ... Das war vor 30 Jahren !!)

Doch schon bald kam ein neuer Familiensegen, ein Haus auf dem Lande und das ganz große Come-Back mit "Songs from the Wood" mit vielen zusätzlichen jungen Fans.

FAZIT.

Die Platte wurde 1975 recht positiv aufgenommen. Nach den etwas schrägen Werken der beiden Vorjahre ein erster Schritt wieder in eine gute Richtung. Akustische und altertümliche Klänge waren seit jeher eine Stärke dieser englischen Gruppe, offenbar erwartete das auch das Publikum. Die einzigen kleineren Schwachpunkte sind ein paar Minuten von "Valhalla" und "Baker Street Muse", die aber im größeren Teil auch als gelungen bezeichnet werden können !

Ian Anderson hat einmal gesagt, daß die ganze Platte auf sensitive und etwas traurige Weise von seiner eigenen Person handelt. Selbst als Spielmann platzierte er sich in eine Rolle des vom Hofe unverstandenen oder ignorierten Musikers.

9 Bewertungen, 4 Kommentare

  • Nightmare

    25.11.2005, 10:50 Uhr von Nightmare
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ich finde, das dir dieser Bericht gelungen ist. <br/>Ich Bewerte dein Bericht mit Sehr Hilfreich, <br/>Wenn du Interese am Yopi-Forum haben solltes <br/>dann schau doch mal rein bei uns,melde dich mit <br/>deinem Yopi Namen an <br/>unter:www.yopi-forum.d

  • Dr.Claudia

    25.11.2005, 09:48 Uhr von Dr.Claudia
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr gut gemacht! LG Claudia

  • anonym

    25.11.2005, 07:54 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Kann ich mich nur anschließen.

  • animaldream

    25.11.2005, 07:52 Uhr von animaldream
    Bewertung: sehr hilfreich

    ein sehr schöner Bericht! Vielleicht hättest Du ein wenig mehr Deine Meinung hinein bringen können! Aber sonst sehr informativ! LG animaldream