Jüdisches Museum Wien Testbericht

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Erfahrungsbericht von ingchief

"Schau´n sie sich das an"

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Das Jüdische Museum Wien – nach Eigendefinition - "Erinnerung in vier Etagen“.

Erinnerung ist ein Schlüssel zur jüdischen Kultur und prägt das Museum sowohl im Gesamtkonzept als auch im Detail - Erinnerung auch verstanden als aktive Auseinandersetzung.

Neben den zahlreichen Ausstellungen werden Symposien, Lesungen, Podiumsdiskussionen, Konzerte sowie spezielle Kinderprogramme angeboten.
Außer der permanenten Schau sind aber auch zahlreiche Wechselausstellungen zur jüdischen Geschichte, Religion und Kultur zu sehen.

Die Wechselausstellungen in der Beletage des Palais Eskeles informieren sowohl über historische Zusammenhänge als auch über einzelne künstlerische Positionen. Seit der Eröffnungsschau "Hier hat Teitelbaum gewohnt. Ein Gang durch das jüdische Wien in Zeit und Raum" im Herbst 1993 zeigte das Jüdische Museum über 50 Ausstellungen. Neben anspruchsvollen Themenpräsentationen waren auch Künstlerretrospektiven wie "Chagall. Bilder – Träume – Theater" oder "Max Liebermann. Werke 1900 – 1918" zu sehen.

Von den zuletzt gezeigten Ausstellungen:

Auschwitz Poems
Sei stark und mutig! - Jüdische Jugendbewegungen
Die Welt der Ili Kronstein - Werke von 1938 - 1943
Zwischen Ost und West - Galizische Juden in Wien
Und Rachel war schön. Abel Panns Bilder zur Bibel
Ein Toravorhang für Rosch ha-Schana
Ludwig Hirschfeld Mack - Bauhäusler und Visionär
möcht ich ein Österreicher sein. Judaica aus der Sammlung Eisenberger und
Sie werden lachen! Die Welt des Karl Farkas

Möchte ich letztere zum Anlass nehmen, gleichzeitig eine Würdigung dieses vielseitigen österreichischen Künstlers anzubringen – vor allem deshalb, weil diese Ausstellung am 01. Juli 2001 geschlossen wurde.

In den Vorbemerkungen zur Ausstellung hieß es:

„Das "Lachen des Jahrhunderts" nannte ihn Maxi Böhm. Seine jährliche Silvestersendung im Fernsehen der sechziger Jahre machte ihn zum Publikumsliebling einer ganzen Generation. Doch Karl Farkas war weit mehr: Schon in den zwanziger Jahren zeichnete sich der vielseitig Kreative als Conferencier, Autor, Schauspieler, Regisseur und Direktor an bedeutenden Wiener Bühnen wie Stadttheater oder Ronacher aus. Er prägte den Stil der Wiener Revue und schuf mit seinem kongenialen Freund und Partner Fritz Grünbaum die Doppelconference. Es gab kaum eine Wiener Kabarettbühne, auf der er nicht auftrat, ehe er den Simpl der Nachkriegszeit zu einem Tempel des Lachens machte. Karl Farkas nutzte die Möglichkeiten der Medien wie kaum ein zweiter Künstler seiner Zeit: Durch Radio, Film und Fernsehen erreichte er ein Massenpublikum. An seiner Seite wurden Schauspieler wie Hans Moser, Ernst Waldbrunn und Fritz Muliar zu Stars“.

Eine Zusammenfassung, die für die mit persönlichen Erinnerungsstücken, Fotos und dokumentarischen Videoaufzeichnungen ergänzten Ausstellung hilfreich war, dem Lebenswerk von Karl Farkas aber, wenn man die Ausstellung nicht besucht, nicht gerecht werden kann.

Bei meinem (gar nicht so hilfreich bewerteten:-:) Beitrag über „Pasta oder Nudeln“ hab ich mir erlaubt, die „Italienisch-Lektion“ von Farkas wie folgt zu zitieren:

„Also – „casa“ heißt „Haus“, „caldo“ heißt „warm“ ... und mit den anderen Wörtern ist es genau so!“

Die aufgrund dieses Zitates aufgetauchte Frage: „Wer ist Farkas?“ versuch ich nun, mit meinen bescheidenen Mitteln zu beantworten.


Im Wissen, dass keine, noch so umfassende Schilderung dem Lebenswerk dieses großartigen und vielseitigen Künstlers gerecht werden kann, versuch ich – eben aus diesem Grund – diesen „wertvollen“ (damit möchte ich keinesfalls menschliche Wertigkeiten definieren sondern lediglich die charakterliche Qualität dieses, im Grunde äußerst sensiblen, verzeihenkönnenden, liebenswerten, die Leute zum Lachen bringenden und doch sehr traurigen) Menschen zu beschreiben.

In der gemeinsam mit Grünbaum „erfundenen“ und zur Perfektion gebrachten Doppelconference wurden Sketsches erarbeitet, die inzwischen zu „Klassikern“ wurden und – auch nur auszugsweise oder bruchstückhaft – gerne bei allen (un)möglichen Gelegenheiten zitiert werden.

Die Tiefsinnigkeit von Farkas´ Worten (von denen in Österreich heute auch nur mehr das legendäre „Schau´n sie sich das an“ in Erinnerung ist) kann durch einzelne der unzähligen pointierten Sätze nicht zum Ausdruck gebracht werden. Trotzdem finde ich die Aussage:

„Der Optimist ist ein Mann, der Kreuzworträtsel sofort mit dem Kugelschreiber ausfüllt“

typisch für Farkas, typisch dafür, dass man nach dem ersten Lachen – nachdachte und – lächelte.


Wer war nun „dieser Karl Farkas“ ?

Farkas, Karl,

geboren am 28. 10. 1893 Wien,
gestorben am 16. 5. 1971 ebendort
Kabarettist, Schauspieler, Regisseur, Schriftsteller;
ab 1920 an der "Neuen Wr. Bühne",
dann am Wiener. Kabarett "Simplicissimus",;
1926 übernahm er. mit Grünbaum die Leitung des Wienerr. Stadttheaters,
1927 die des "Moulin Rouge" und des "Simpl",

Unterbrechung von 1938-46 (Emigration in die USA)

1946 Rückkehr nach Wien – er prägte das "Simpl" als Unterhaltungskabarett und wurde durch seine regelmäßige Rundfunk- und Fernsehtätigkeit ( "Bilanz des Monats", "Bilanz der Saison", "Bilanz des Jahres").überaus populär.



So trocken liest sich die Biografie des von mir so verehrten Karl Farkas.


Aber vielleicht wird durch meine persönliche Biografie vom Altmeister des österreichischen Kabaretts deutlich, warum zumindest im süddeutschen, zumindest aber im österreichischen Raum der „Herr Professor Karl Farkas“ „unsterblich“ bleiben wird.


Karl Farkas wurde am 28. Oktober 1893 in der Grünentorgasse 12 in Wien geboren.. Sein Leben war so tragisch, dass die Zuseher seiner Auftritte, hätten sie davon gewusst, wohl nicht verstanden hätten, wie er so „lustig“ sein konnte. Sein Leben erinnert an jenes vieler Komiker (u. a. das von Maxi Böhm): Tragik im Privaten, Unterhaltung auf der Bühne. Sein Bruder beging in jungen Jahren Selbstmord (die Eltern waren nicht damit einverstanden, dass er Maler wurde),

Im Ersten Weltkrieg verwundet heiratete er 1924 Anny Han , wurde Vater eines schwerstbehinderten Sohnes (Sohn Robert kam 1928 gesund zur Welt, bekam aber im 3. Lebensjahr eine Gehirnhautentzündung),
die Verfolgung durch die Nationalsozialisten, die Flucht durch Europa bis nach Amerika, die jahrelange Trennung von Frau und Kind. hätten wahrscheinlich andere vollkommen gebrochen.

Er, der das Realgymnasium in der Glasergasse, besuchte sollte Jus studieren, zog die Schauspielschule aber vor. Sein Debüt gab er in Olmütz und in Mährisch-Ostrau. Sein lebenslanger Traum war es, ein anerkannter klassischer Schauspieler zu werden.

Ab 1921 war er wieder in Wien an der Neuen Wiener Bühne tätig. Dieses Theater befand sich in der Wasagasse 33.

Das HARMONIETHEATER wurde 1865 von Otto Wagner für die Baronin Pasqualati, die theaterbesessen war, erbaut. Es handelte sich dabei auch um ein Freilufttheater, da die Bühne zum Garten hin zu öffnen war. Das Theater verfügte über 900 Sitze, 20 Logen und 450 Stehplätze. Bis 1908 wurde es „Varieté Orpheum“ genannt, ab 1908 war es die „Neue Wiener Bühne“, die 1925 zusperren musste. 1934 wurde der Theatersaal demoliert, nur die Fassade blieb erhalten.

Farkas wurde während der Inflationszeit „Blitzdichter“ im Simpl, um seine kleine Familie ernähren zu können. Er verdingte sich damit, auf Zurufe aus dem Publikum nicht nur „einen Reim zu schmieden“, sondern „nebenbei“ noch Lebensweisheiten von sich zu geben.


Als Einziger der Nachkriegsgeneration konnte Farkas zeigen, wie das Kabarett der Zwischenkriegszeit gespielt wurde: vor allem mit jüdischem Witz, Humor und mit sehr viel Persönlichkeit des Vortragenden. Das Wesen der berühmten Doppelconference wurde von Farkas wie folgt beschrieben:

„Das Wesen der Doppelconference besteht darin, dass man einen äußerst intelligenten, gutaussehenden Mann nehme, das bin ich, und einen zweiten, also den Blöden, dazustellt. Das bist, nach allen Regeln der menschlichen Physiognomie, natürlich du!“

1924 hatte Farkas mit der Revue „Rivieratraum oder Das Mädchen aus 10001 Nacht“ großen Erfolg. Farkas schrieb das Buch, die Musik verfasste Robert Stolz. Die Revue war eine Mischform aus Varieté, Operette, Posse und Kabarett.

1929 erfand Farkas die „WunderBar“: alle spielten mit, auch das Publikum!!!

Farkas schrieb zahlreiche Lustspiele, Drehbücher und Revuen, u. a. „Wenn Frauen wollen“ (1909),, „Bei Kerzenlicht“ (1937) sowie „Pop und Porno“ (1971).

Die erste Farkasrevue wurde am 4. 11. 1923 im Ronacher aufgeführt: „Wien gib acht!“ (aus dieser Revue stammt der berühmte Dienstmann-Sketch mit Hans Moser).

Von 1926 bis 1932 war Farkas (zuerst mit Grünbaum, später alleine) Direktor des Wiener Stadttheaters in der Skodagasse.

Farkas wurde auch durch seine Revueschlagertexte reich und berühmt, so u. a. mit dem Lied „Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt' ...“.

Die Vorkriegszeit ab 1934, in der Farkas mit Künstlern wie Friedrich Torberg, Fritz Grünbaum, Hugo Wiener, Hans Weigel, Josef Meinrad, Fritz Eckhardt um nur einige zu nennen, im „ABC-Kabarett“ am Alsergrund zusammenarbeitete – allerdings nur bis im Mai ein Bombenattentat der Nationalsozialisten verübt wurde – entstanden, wohl auch aufgrund der politischen Situation, die „inputs“ für seine, die „Nachkriegsszene“ so prägende Tätigkeit.
Von 1935 bis Mitte März 1938 spielte das „ABC“-Kabarett im Cafe Arkaden in der Universitätsstraße.

Dann die Emigration:

In der Emigration in den Staaten arbeitete Farkas mit vielen anderen österreichischen Emigranten zusammen. So bearbeitete er mit Stolz und Grünwald österreichische Operetten für Amerika.
So erschien Farkas in den USA als Frosch in der „Fledermaus“ und als Zsupán im „Zigeunerbaron“

Rückkehr – nach Wien:

Nach seiner Rückkehr wurde Farkas wohlwollend empfangen und am 22. 7. 1946 heiratete er seine Frau zum zweiten Mal. Vor dem Krieg hatte er sich von ihr scheiden lassen, damit sie ohne jüdischen Ehemann besser mit dem behinderten Sohn in Österreich leben konnte.

Farkas kehrte nun für immer ins SIMPL zurück. Er wurde dessen künstlerischer Direktor, der kaufmännische Direktor war Baruch Picker. 1950 wurde die erste Revue gezeigt. Nach dem Tode Grünbaums im KZ Buchenwald wurde Ernst Waldbrunn sein neuer Partner für die
Doppelconferencen. Am Ende dieser Conferencen war oft Farkas der „Blöde“.

„Die Vier im Jeep“ war ein Klassiker in Wien der Nachkriegszeit: Farkas war der Amerikaner, Muliar war der Russe, Böhm war der Franzose, Heller der Engländer.

Farkas, der Radiopionier, war auch im österreichischen Fernsehen ein Mann der ersten Stunde. Seine „Jahresbilanzen“ waren bis zu seinem Tod ein Fernsehhit. Seine größte Show war wohl seine Onassis-Parodie:
gemeinsam mit Elly Naschold als Jacky Kennedy trat er als Aristoteles Onassis 1969 in einer Faschingsparodie in Graz auf. Die Zeitungen berichteten mit großem Eifer über das berühmte Paar in Graz. Die beiden waren so glaubwürdig, dass wirklich keiner den Faschingsscherz erkannte.

1965 erhielt Farkas als erster Komiker vom Bundespräsidenten den Berufstitel „Professor“ verliehen. Karl Farkas, der privat sehr distanzierte, wortkarge Intellektuelle. liegt in einem Ehrengrab der Stadt Wien begraben.


Um in meiner Begeisterung und Verehrung für Karl Farkas das eigentliche Thema nicht zu vergessen, noch ein paar Daten zum Wiener jüdischen Museum

Am Standort Dorotheergasse 11 im 1. Bezirk (also im Herzen von Wien) gibt es kostenlose deutschsprachige Führungen zu folgenden Zeiten:

Sonntag:

11.00 Uhr, 14.00 Uhr:
Kladovo. Eine Flucht nach Palästina

12.00 Uhr, 15.00 Uhr:
Reise an kein Ende der Welt

16.00 Uhr:
permanente Schau

Donnerstag:

18.30 Uhr:
Kladovo. Eine Flucht nach Palästina
Reise an kein Ende der Welt

Auch im knapp 10 Gehminuten entfernten Museum Judenplatz gibt es kostenlose deutschsprachige Führungen.

Die Eintrittspreise:
Eintritt Jüdisches Museum
Normalpreis ...ATS 70,- (€ 5,10)

Eintritt Museum Judenplatz
Normalpreis... ATS 42,- ( € 3,-)

Eintritt Synagoge
Normalpreis ... ATS 30,- (€ 2,20)

Kombikarte
(Jüdisches Museum, Museum Judenplatz + Synagoge)
Normalpreis ... ATS 100,- (€ 7,-)

Es gibt Ermäßigungen und Gruppentarife, für Schulklassen ist Eintritt und Führung kostenlos!

Die Erreichbarkeit ist mit der U-Bahn (U1 – Station Stephansplatz) am günstigsten gegeben. Die Innenstadt ist zum größten Teil Fußgängerzone, außerdem bietet ein kurzer Spaziergang
Gelegenheit, die Sehenswürdigkeiten der Wiener City zu bewundern.

12 Bewertungen, 3 Kommentare

  • roma1

    22.02.2002, 03:02 Uhr von roma1
    Bewertung: sehr hilfreich

    hört man sehr interessant. ich war zwar in Wien, aber dort leider nicht!

  • Mesalina

    15.02.2002, 17:18 Uhr von Mesalina
    Bewertung: sehr hilfreich

    Toll! Vor allem weiß ich jetzt wer Farkas ist und brauch nicht mehr nachzufragen! CU Mesalina

  • ritasport

    15.02.2002, 17:12 Uhr von ritasport
    Bewertung: sehr hilfreich

    Wenn ich dahin fahre, dann drucke ich Deinen tollen Bericht als Reiseführer aus!!! Grüße von Katharina