Die Vermessung der Welt (gebundene Ausgabe) / Daniel Kehlmann Testbericht

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ab 17,33
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Erfahrungsbericht von alteSchwedin

Wenn der Berg nicht zum Humboldt kommt

Pro:

Verknüpfung aus Historie und Fiktion; wunderbar geschrieben, indirekte Rede; einfach alles

Kontra:

nichts

Empfehlung:

Ja

Neulich habe ich mich in meinem Lieblingsbuchladen mal wieder verleiten lassen, als ich in der Ecke, in der immer die Leseempfehlungen der Mitarbeiter stehen, "Die Vermessung der Welt" von Daniel Kehlmann sah. Durch das schöne Cover verleitet, las ich mir den Klappentext des gebundenen Buches durch und war schon nahe dran, es zu kaufen. Die endgültige Entscheidung fiel dann, als mir der Verkäufer versicherte, dass dieser Roman der beste gewesen wäre, den er im letzten Jahr las. Kurz entschlossen griff ich zu. Und jetzt, nachdem ich es mittlerweile schon zum zweiten Mal gelesen habe, werde ich euch mitteilen, ob es wirklich zu den Highlights des letzten Jahres gehört. Aber zunächst sollt ihr etwas zum Inhalt erfahren.


Der eine kommt kaum aus Göttingen heraus, während der andere Südamerika erkundet. Doch gehören beide zu den großen Entdeckern ihrer Zeit. Sie vermessen die Welt, jeder auf seine Art.
Carl Friedrich Gauß, Sohn eines einfachen Gärtners, stellt sich schon früh als Wunderkind heraus. In der Schule begeistert er seinen Lehrer durch die schnelle Berechnung der Summe aus den Zahlen eins bis einhundert. Es wird ihm ermöglicht, das Gymnasium zu besuchen, später zu studieren. Früh verfasst er sein auch seiner Meinung nach bedeutendstes Werk, die "Disquisitiones". Gauß verlässt sein Haus nur ungern und ist am liebsten allein mit sich und seinen Gedanken, weil er niemanden in seiner Umgebung kennt, der ihm nicht weit unterlegen wäre und mit dem er sich gleichberechtigt austauschen könnte. Später, nach dem Tod seiner ersten Frau, einer der wenigen, die ihn auch intellektuell ansprechen konnte, wird er fürstlicher Landvermesser, der seinen Sohn und Gehilfen wegen eines Fehlers in der fünften Nachkommastelle schilt. Zwar langweilt ihn dies, doch irgendwie muss er seine Familie ja ernähren. Als diese Aufgabe abgeschlossen ist, erhält er die Möglichkeit, eine Sternwarte zu errichten, und widmet sich der Erforschung des Erdmagnetfeldes. Doch eine Überzeugung soll ihn nie verlassen, auch wenn er kaum jemanden davon überzeugen kann: Es ist eine Eigenschaft des Raum, dass sich zwei parallele Geraden berühren.
Alexander von Humboldt hingegen wurde schon seit frühester Kindheit exzellent gefördert. Gemeinsam mit seinem Bruder als Söhne eines Adligen aufgewachsen, erhielten beide die beste Bildung. Doch während Wilhelm sich in Richtung der alten Sprachen und Philosophie orientiert, lernt Alexander alles über Naturwissenschaften und interessiert sich besonders für Geologie, Mineralogie und Biologie. Hierzu studiert er in Freiberg (Yeah, die altehrwürdige Bergakademie) bei Werner, kann aber den von diesem postulierten Neptunismus - das Erdinnere wäre kalt und völlig starr - nie so ganz verinnerlichen. Seinen Wunsch entsprechend, die Neue Welt zu bereisen, begibt er sich zunächst nach Spanien (nicht ohne unterwegs so ziemlich jeden Hügel zu vermessen) und von dort weiter in Richtung Südamerika. Angekommen vermisst er alles, was ihm in die Quere kommt, besteigt den höchsten damals bekannten Berg, seilt sich in Vulkankrater ab, zerschneidet Pflanzen, sammelt Steine, kriecht in Erdlöcher, spießt Insekten auf und fängt Vögel und Affen ein. Er entdeckt und vermisst den Verbindungskanal zwischen Amazonas und Orinoko, überlebt Mückenplagen, Kannibalen und Curare, bevor er mit reichhaltigen Erkenntnissen und der Widerlegung des Neptunismus nach Europa zurückkehrt. In Berlin wird er Berater des Königs, trifft auf Gauß und kann schließlich noch durch Russland - ein lang gehegter Wunsch - reisen, auch wenn er schmerzlich feststellen muss, wie stark seine Forschertätigkeit durch seine Berühmtheit und das Wissen und die "Unterstützung" der Obrigkeit eingeschränkt wird.


Dieser Inhaltsabriss gibt nur vordergründig die Lebenswege der beiden Protagonisten wieder, bei denen sich Daniel Kehlmann an die historischen Fakten hielt. Doch darüber hinaus bietet er ein treffendes, kritisches Bild der damaligen Gesellschaft, wobei er keineswegs ins Dozieren abgleitet. Vielmehr fließen so viele Informationen unbemerkt ein, dass ich mich darüber wundern musste, wie viel ich schon über die Vielstaatlichkeit und den Kampf der Studenten für ein einheitliches Deutschland erfahren hatte. Ich fühlte mich hier nie, als hätte ich wirklich etwas gelernt, aber erfasste trotzdem das Wesen dieser Zeit.
Der Autor legt hier wie auch in wissenschaftlicher Hinsicht keinerlei Wert auf Vollständigkeit, sondern flicht Details ein, welche die Story erläutern und ausschmücken, ohne in irgendeiner Art auszuschweifen. Das so erhaltene Bild dieser Zeit ist vielseitig und ausdrucksstark, so dass ich mich nie über die Einflüsse der Umwelt auf die beiden Hauptfiguren wunderte.

Ähnlich verhält es sich mit den Lebensläufen der beiden Protagonisten, der berühmten Wissenschaftler Gauß und Humboldt. Kehlmann legt besonders Augenmerk auf prägende Ereignisse, während er den Leser über manche Hintergründe völlig im Dunkeln lässt. Ich hatte jedoch nie das Gefühl, dass mir etwas fehlen würde. Vielmehr war es mir ausgesprochen gut möglich, die die Charaktere einzutauchen, sie zu verstehen und ihre Handlungen nachzuvollziehen. Zwar bleiben Humboldt und Gauß meist unnahbar, doch sind sie stets menschlich. Ihre ungewöhnlichen Gesinnungen kommen äußerst gut zur Geltung und tragen "Die Vermessung der Welt".

Auf sehr eindringliche Art brachte mir der Autor die herausragende (und so ziemlich die einzige) Gemeinsamkeit der beiden Forscher näher: Ihr schier unstillbarer Drang nach Wissen, für den beide bis an ihre Grenzen und darüber hinaus gehen, der eine physisch, der andere psychisch. Dabei gerät allerdings nicht ins Hintertreffen, dass beide sehr unterschiedliche Lebens- und Denkweisen haben. Gauß bleibt am liebsten zu Hause, Reisen ist ihm ein Gräuel. Zudem möchte er lieber keine Menschen um sich haben, um in Ruhe denken zu können. Hierbei ist er seiner Zeit teils weit voraus und träumt unter anderem davon, wie es wäre in rasend schnellen, bequemen Gefährten ans Ziel zu gelangen, anstatt sich in langsamen, schaukelnden Kutschen zu quälen. Ganz im Gegensatz dazu lebt Humboldt als Berater des Königs mit nahezu täglichen Gesellschaften und vielen Bekannten im Hier und Jetzt (von damals). Er ist vielseitig engagiert und gar kein abstrakter Denker, wie es Gauß ist. Dieses Zusammenspiel dieser beiden großen Wissenschaftler, ihre erst am Ende zusammengeführten Geschichten machen "Die Vermessung der Welt" zu einem intelligenten Lesevergnügen!

Unbedingt ansprechen muss ich auch Daniel Kehlmanns Stil und das, was diesen vor allem prägt: Seine Dialoge sind gänzlich in indirekter Rede gehalten. Es gelingt ihm so auf wunderbare Weise, den Roman äußerst einheitlich und ungestört in Gang zu halten, obwohl niemals fraglich bleibt, ob und wer da gerade redet. Es war mir eine wahre Freude, diese Dialoge zu lesen, die stets deutlich machen, was für ein Charakter in den Vordergrund tritt. Ausdruck und Wortwahl unterstreichen jeweils perfekt die Eigenheiten des Sprechers und begeistern durch Präzisität.
Doch auch außerhalb der Zwiegespräche macht es Spaß, Daniel Kehlmann zu lesen. Kein Wort erscheint je überflüssig oder gar austauschbar. Er beschreibt sehr explizit und ausdrucksstark, so dass Umgebungen unwillkürlich vor meinem inneren Auge auftauchten. Schon allein die Tatsache, dass "Die Vermessung der Welt" gerade mal 302 Seiten hat, macht dabei deutlich, dass auch hier Unwichtiges keinen Platz findet, sondern alles scheint perfekt.


Insgesamt möchte ich euch "Die Vermessung der Welt" von Daniel Kehlmann wärmstens empfehlen. Nachdem ich den Roman das erste Mal gelesen hatte, erfuhr ich auch, dass er von Kritikern bejubelt wurde. Doch da war es schon zu spät: Das Buch hatte es ganz allein geschafft, mich für es einzunehmen. Es begeistert durch eine wunderbare Story, die historische Fakten aus den Lebensläufen von Gauß und Humboldt, gesellschaftliche Tatsachen und phantastische Details miteinander vereint. Die Gegenüberstellung der beiden großartigen Wissenschaftler Gauß und Humboldt schafft eine ganz besondere Atmosphäre von Ähnlichkeiten und Unterschieden. Ein weiterer großer Pluspunkt ist auch der wunderbare Stil und die straffe indirekte Rede, die Daniel Kehlmann über den gesamten Roman aufrechterhält. Ich bin auch nach dem zweiten Lesen restlos begeistert und vergebe volle fünf Sterne!


"Die Vermessung der Welt" von Daniel Kehlmann erschien 2005 im Rowohlt Verlag. Die wirklich schöne gebundene Ausgabe mit der ISBN 3-498-03528-2 kostet 19,90 €.

80 Bewertungen, 26 Kommentare

  • Gemeinwesen

    26.01.2008, 14:09 Uhr von Gemeinwesen
    Bewertung: sehr hilfreich

    Nein, dahi, würde es wahrscheinlich nicht. Beste Grüße vom Gemeinwesen.

  • wolli007

    06.01.2008, 20:22 Uhr von wolli007
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg Wolli

  • jacquelinestauch

    10.03.2007, 22:25 Uhr von jacquelinestauch
    Bewertung: sehr hilfreich

    das ist ja was für mich

  • anonym

    07.03.2007, 20:47 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    LG Damaris :-)

  • papaonline

    05.10.2006, 22:49 Uhr von papaonline
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh und lg papaonline

  • Estha

    13.07.2006, 21:35 Uhr von Estha
    Bewertung: sehr hilfreich

    ☼☼☼ ... lg susi ... ☼☼☼

  • blackangel63

    30.05.2006, 17:34 Uhr von blackangel63
    Bewertung: sehr hilfreich

    (•¿•)›…..SH - LG Anja......‹(•¿•)›

  • huber19

    04.05.2006, 18:39 Uhr von huber19
    Bewertung: sehr hilfreich

    - sh - Michael

  • Zuckermaus29

    29.03.2006, 14:36 Uhr von Zuckermaus29
    Bewertung: sehr hilfreich

    Lieben Dank für Deine Lesung und Bewertung! <br/>:o) Gegenlesung ist doch Ehrensache! <br/>Liebe Grüße <br/>Jeanny

  • jens1488

    29.03.2006, 12:47 Uhr von jens1488
    Bewertung: sehr hilfreich

    gruss nadine & jens ;-) <br/>freuen uns immer sehr über genenlesungen:-)

  • fast_help

    28.03.2006, 12:33 Uhr von fast_help
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh. LG Andy

  • Kirikirikeksi1

    28.03.2006, 00:46 Uhr von Kirikirikeksi1
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh,danke für deine tolle bewertung, hier kommt die revanche ;o) LG Kiri ;o)

  • anonym

    27.03.2006, 15:19 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    ***sh & lg***Christina

  • Mieze83

    27.03.2006, 15:11 Uhr von Mieze83
    Bewertung: sehr hilfreich

    freue mich über jede Lesung meiner Berichte ***lg***

  • Wagnerianer1979

    26.03.2006, 23:37 Uhr von Wagnerianer1979
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr ausfuehrlich!

  • HiRD1

    26.03.2006, 14:19 Uhr von HiRD1
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH. Gruß, Ralf

  • star87

    25.03.2006, 17:39 Uhr von star87
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr hilfreicher Bericht... Würde mich freuen wenn du auch bei mir lesen würdest!! <br/>Suche noch Leser für all meine Berichte. Ich lese dann natürlich zurück :) LG Jenny

  • Kranich

    24.03.2006, 03:31 Uhr von Kranich
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh - *lg und danke für gute rückbewertungen* :-))

  • grisupbg

    23.03.2006, 12:32 Uhr von grisupbg
    Bewertung: sehr hilfreich

    LG, Kati

  • nelchen

    22.03.2006, 17:33 Uhr von nelchen
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh, würde mich über Gegenlesungen freuen...Lg nelchen

  • LeonTheProfi

    22.03.2006, 15:12 Uhr von LeonTheProfi
    Bewertung: sehr hilfreich

    freue mich auf gegenlesung

  • superlativ

    22.03.2006, 14:42 Uhr von superlativ
    Bewertung: sehr hilfreich

    *****sh****** liebe Grüße!

  • PoisonAngel

    22.03.2006, 12:29 Uhr von PoisonAngel
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH. Gruß Nicole

  • morla

    22.03.2006, 12:24 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr hilfreich

  • SelectorBaghira

    22.03.2006, 11:49 Uhr von SelectorBaghira
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh + lg

  • KatharinaB

    22.03.2006, 11:44 Uhr von KatharinaB
    Bewertung: sehr hilfreich

    Guter Bericht! LG, Katha