Die Vermessung der Welt (gebundene Ausgabe) / Daniel Kehlmann Testbericht

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ab 17,33
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Erfahrungsbericht von domi89

Die Vermessung der Welt

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Über dieses Buch ist des Lobes so viel verbreitet worden, dass ich Eulen nach Athen trage, wenn ich auch in diese Kerbe schlage. Aber sei's drum, schließlich geht es hier auch ums Reisen. Und ich habe seit „Der Schatten des Windes" keinen Roman in so kurzer Zeit verschlungen, ja, nachgerade aufgesogen, und deshalb küre ich „Die Vermessung der Welt" zu meinem Buch des Jahres (eigentlich der letzten Jahre)! Kurzweilig, anspruchsvoll, intelligent und überaus humorvoll wird hier die Lebensgeschichte zweier unterschiedlicher Männer kunstvoll verwoben. Der eine, Gauß, ein Eigenbrötler, der aus armen Verhältnissen stammt, das Reisen hasst und bei den ersten Schwierigkeiten an der Grenze bedenkenlos umkehren und auf die Bekanntschaft mit dem anderen verzichten will, mit Humboldt, dem Privilegierten, der auf dem internationalen Parkett eine gute Figur macht und den es in die unerforschten Ecken der Welt zieht. Der Deutsche Naturforscherkongress 1828 in Berlin, auf dem beide zusammentreffen, führt die beiden Biographien zusammen.

Kehlmann versteht es, mit wenigen, aber präzise gewählten Worten ganze Landschaften entstehen zu lassen und den Leser in die Ungeheuerlichkeiten der beiden Biographien einzuführen. So faszinieren die Schrullen und die Besessenheit der beiden immer wieder und zeigen einmal mehr, dass Genie und Wahnsinn offenbar doch nahe beieinander liegen. (Ich denke da an Humboldt, der sich in einer Szene am Bug eines Ozeanschiffes festmachen lässt, um einen ganzen Tag lang Wellen zu vermessen, die noch keine Küste berührt haben, oder an eine Szene, in der sein Boot mitten auf dem Orinoko und im Angesicht von Krokodilen beinahe kentert, Humboldts größte Sorge jedoch sein Chronometer ist, und ich denke an jene Anekdote über Gauß, in der er selbst in der Hochzeitsnacht aus dem Bett springen und eine mathematische Formel notieren muss.) Dabei passt sich der Stil des Buches, insbesondere die Art, wie Kehlmann die Dialoge gestaltet, an den Geist der damaligen Zeit an, ohne jedoch angestaubt zu wirken. Überhaupt die Dialoge, die haben es in sich, sind geschliffen und von einem Humor, der in diesem Land kaum anzutreffen ist. Es ist einfach göttlich, wie die beiden alternden Genies bei ihrem Treffen in Berlin in ihrer eigenen Welt gefangen bleiben und aneinander vorbeireden.

„Die Vermessung der Welt" ist auch ein Buch des grandiosen Scheiterns und des Verfallens, beginnend mit Gauß, der zu Beginn selbstkritisch und weitsichtig in die Zukunft - ins Heute - und auf Daniel Kehlmann selbst schaut, weiter mit Gauß' Begegnung mit Kant und schließlich endend mit Humboldts Russland-Expedition - eine Farce und ein Lehrstück in Sachen Diplomatie und Kehrseiten des Ruhmes. Ins Neue, ins Ungewisse kann sich erst Gauß' Sohn Eugen aufmachen. Göttlich. Grandios. Eine Sternstunde der Literatur.

10 Bewertungen, 4 Kommentare

  • Lidlefood

    29.12.2005, 20:39 Uhr von Lidlefood
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr hilfreich

  • Vicky

    29.12.2005, 18:43 Uhr von Vicky
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh. Vic

  • chelsea

    29.12.2005, 18:42 Uhr von chelsea
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr hilfreich, würde mich übrigens sehr über Gegenlesungen freuen.

  • waltraud.d

    29.12.2005, 18:33 Uhr von waltraud.d
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr hilfreich