Kernwasser Wunderland, Kalkar Testbericht

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Erfahrungsbericht von Welt_reisender

Kernie und die Kühlturmkletterer

Pro:

Viel Spaß und Freizeit

Kontra:

nichts für Muffel

Empfehlung:

Ja

BIS VOR KURZEM KONNTE MAN IM SCHNELLEN BRÜTER VON KALKER NOCH DEN REAKTORRAUM BESICHTIGEN. JETZT WIRD DORT EIN SPIELPLATZ GEBAUT. EIN BESUCH IM SELTSAMSTEN ERLEBNIS-PARK DEUTSCHLANDS, DEM "KERNWASSER WUNDERLAND"

Mit meinen zwei Neffen durfte ich mich einen Tag dort vergnügen. Die Eindrücke waren so elementar, dass ich mir die Zeit nahm und noch einmal alleine dort auf Erkundungstur ging. Ich habe nette und interessante Leute kennengelernt und extrem viel interessantes erfahren.

Zu meinem Bericht:

Heute arbeitet Hennie im Urwald. Träge schiebt sich ein Fluss durch einen Dschungel aus Kletterseilen und Trampolinen. Eine Schulklasse drängt in die Gummiboote. Es riecht nach Schwimmbad und Pommes rot-weiß. Hennie, 67, steht auf einem Holzsteg und wacht über den Verkehr. Mit der linken Hand zieht er die Boote ans Land, mit der Rechten fischt er Gummibälle aus dem Wasser.
Hennie ist Springer im "Wunderland Kalker" Wenn ein Kollege in die Pause geht, nimmt er dessen Platz ein. Am liebsten schiebt er Dienst in der "Jungle Town", aber ich kann mit allen Apparaten arbeiten", sagt der Niederländer stolz: Achterbahn, Piratenschiff, fliegende Elefanten. Nur die Kletterwand am Kühlturm überlässt er lieber jüngeren Kollegen.

Moment mal: Kletterwand? Am Kühlturm? War das nicht stets ein Fall für Greenpeace? Für die verwegenen Anti-Atomkraft-Aktivisten, die in Overalls und Bergstiefeln Türme und Kraftwerkshallen erklommen und oben auf dem Dach so waghalsig ihre Transparente aufspannten. dass einem schon vom Hinschauen schwindlig wurde?

Jetzt kraxeln Kinder und Freizeit-Kletterer durch die 42 Meter hohe gewölbte Betonwand. Die ist mit Haltegriffen bepflastert und mit einem Gebirgspanorama bemalt. Keinem der Besucher würde heute mehr einfallen, dass das Herumklettern an dem Ungetüm einst ein Politikum darstellte und umgehend Spezialeinheiten der Polizei auf den Plan rief.
Ursprnglich sollte der runde Riesenturm ein Atomkraftwerk kühlen - den schnellen Brüter in Kalker am Niederrhein. Doch der Reaktor ging nie ans Netz. 1985 war er zwar fertig gebaut, für fast 8 Milliarden Mark. Doch greenpeace und viele andere Kernkraftgegener hatten mittlerweile so erfolgreich gegen AKWs und Brüter getrommelt, dass Kalker nie in Betrieb genommen wurde. Der Bunker, der den Reaktor barg. Kühlturm und Maschinenhaus blieben als gigantische Industrieruinen auf der grünen Wiese zurück. Weithin sichtbar überragen sie das flache Land.

1995 kaufte der holländische Ferienparkbetreiber Hennie van der Most - nicht mit hennie, dem Springer, zu verwechsen - für geschätzte drei Millionen Mark die Ruinen. Er unterzog sie einer Verwandlung, wie sie sich Anti-AKW-Aktivisten in ihren kühnsten Träumen nicht auszumalen gewagt hätten: Sie wurde zu einem Freizeitpark, "Kernwasser Wunderland" genannt, Motto: "garantiert strahlungsfrei". Als Maskottchen dient ein orangefarbener Fantasiekerl namens "Kernie", der wie ein Phantom aus der guten alten Industriezeit durch diese Freizeitwelt geistert, samt Latzhose und Bauhelm.

Nicht nur für Kinder und Kletterer ist gesorgt. Tennisplätze und Minigolf, künstliche Teiche und Spazierwege, ein Tagungs- und Freizeithotel, eine Art Strandpromenade am nahen Rhein samt Beachvolleyballfeldern. Wildwasserbahn und Rutschen, Riesenrad und Piratenschiff - über dem Beton blüht ein mehrere Hektar großer Park. Ein Stockwerk tiefer, in der unterirdischen Kneipenstraße, fließt das Bier in Strömen, abends wird zur Weinprobe gebeten. Und wer sich bei all dem Amüsement noch ein wenig informieren will: Bitte schön, Anfrage genügt, schon startet eine Führung durchs Atomkraftwerk.
Bis vor ein paar Jahren versichert man mir, konnte man noch bis zum Reaktor vorstoßen. Doet ist aber jetzt gerade ein Onddor-Spielplatz im Bau, deshalb sammelt Gaby, die Führerin ihre Gruppe am Sandstrand. Sie zeigt auf ein großes Loch in der Wand des Reaktors: "Beton, Stahl, Vulkangestein, Eisenstäbe und noch einmal Beton", daraus bestand die viereinhalb Meter dicke Außenmauer. Gaby trägt eine Ärmellose Jacke und kölscht sich durch den Rundgang über das 55 Hektar große Gelände - "so viel wie 80 Fußballfelder!". Sie spudelt die Rekorde nur so heraus: Mit den Kabeln aus der Anlage hätte man den Erdball zweimal umwickeln können, und der verbaute Beton hätte für eine Autobahn von Münster bis Dresden gereicht. Wirklich gigantisch.

Ein paar Meter weiter ist im ehemaligen Notstromgebäude vor kurzem das "Brütermuseum" eröffnet worden, in dem künftig auch Kinder etwas über Atomkraft lernen können. Aus den Lautsprechern im Familienpark scheppert "The Show must go on" herüber, ein älterer Herr möchte wissen, wie ein schneller Brüter funktioniert. "Das Ding heißt Brüter", doziert Gaby, "weil bei dieser Art von Kernspaltung neues Plutonium entsteht, Kalker hätte also andere Kernkraftwerke beliefern können". Dann führt sie die Gruppe zu den Sportanlagen. Fußball, Beachwollyball, Tennis, alles da. Die Minigolfbahnen sind mit einem frischen Tartanbelag überzogen. An den Tischtennisplatten lässt sich ein Familienvater von seinem Nachwuchs besiegen, auf der Kartbahn heulen die Motoren. Wer eher das Beschauliche sucht, leiht sich ein Fahrrad und erkundet die Umgebung.
Das Land am Niederrhein ist flach, die Fahrradwege führen nicht nur nach Kalkar, wo die höchste Kornwindmühle am Nierderrhein steht. Wer es die fünf Kilometer bis Moyland schafft, kann eines der bedeutendsten Wasserschlösser des Rheinlands besichtigen. "Für die weniger Sportlichen fährt dienstags und donnerstag Kernies Shuttlebus hin" sagt Gaby.

Zum Abschluss des Rundgangs wird ein Film gezeigt, in dem riesige Betonwannen über Donau und Rhein bis nach Kalkar schippern: das Brennmaterial. Der Vorführraum heißt übrigens "Biblis" - alle Tagungsräume sind nach einem AKW-Standort benannt. Der Film erzählt noch einmal, wie der Brüter geplant und gebaut wurde, von den Protesten spricht er allerdings nicht. Aber das kann Willibald Kunisch sowieso besser erzählen.
Kunisch, 65, wohnt fünf Kilometer vom Wunderland entfernt. Mit Kernies Fahrrad erreicht man sein Haus in 20 Minuten. Der Weg führt vorbei an Äckern, Kuhweiden und kleinen hellen Backsteinhäusern. Ein Mann mit weißem Vollbart öffnet die Tür. Kunisch trägt Pantoffeln ohne Socken und trinkt Wasser ohne Kohlensäure. Der frühere Sonderschullehrer sitzt für die Grünen im Stadtrat. 1977 stand er mit 50 000 anderen vor den Zäunen der Brüterbaustelle und protestierte bei einer der legendären Anti-AKW-Demos gegen den Kraftwerksbau. Die Anlage war mit Erdhaufen und Stacheldraht gesichert, über den Köpfen der Demonstranten kreisten die Polizeihubschrauber. Dann flogen Steine , die Wasserwerfer hielten dagegen. "Wir hatten damals alle Schiss", erinnert sich Kunisch.
Der Rest der Geschichte ist bekannt - bis schließlich der "verrückte Holländer" kam und das Gelände zu einem Spottpreis aufkaufte. Die Verwaltungsgebäude baute er zum Hotel um, und als das nicht mehr ausreichte, stellte er drei bettenburgen daneben und benannte sie nach seinen Töchtern Barbara, Rosalie und Charlotte.
Was keiner glauben mochte, trat ein: Statt Uran-Kilos und Brennstäbe zu zählen, vermeldet der Wunderland-PR heute ganz andere, strahlungsfreie Erfolgszahlen: Im vergangenen Jahr besuchten 280 000 Menschen den Park, sie futterten rund 90 Tonnen Pommes, 15 Tonnen Mayonaise und 46 Tonnen Speiseeis. (Angaben von Kernie- Inhaber)
Im Wunderland hat mittlerweile "Kernies Kneipenstraße" geöffnet. An Wochentagen ist es hier eher ruhig, doch am Wochenende fällt das Partyvolk ein: Kegelclubs und Klassentreffen, Fußballvereine und Junggesellen auf Abschiedstournee haben vor allem ein Ziel: "sich ordentlich wegschädeln", wie Norbert es nennt.
Norbert ist mit vier Freunden aus Duisburg angereist. Am Nachmittag haben sie ein Stündchen Tennis gespielt, dann am Buffet "eine Grundlage gelegt". Jetzt ziehen sie durch die Bars und Kneipe und "gucken, was so geht". Die fünf Männer sind nicht zum ersten Mal hier. Sie mögen die All-inclusive-Formel, die das Hotelzimmer, den Eintritt in den Familienpark, die Sportanlagen sowie Essen und alkoholische Getränke abdeckt. Entsprechend ist am Wochenende die Stimmung.

"Nächstes Jahr wollen wir mit dem Bau eines Wellneszentrums beginnen", sagt Achim Harks, der sich um das Marketing des Parks kümmert. Es bereitet ihm ein bisschen Sorge, dass sich die Erwachsenen bei Regen nicht großartig beschäftigen können. Harks spricht nie vom Atomkraftwerk, er sagt lieber "Industrieruine". Auch ein anderes Maskottchen würde er vorziehen, "Kernie" sei so nahe am Kraftwerksjargon. Anderseits: Nicht wenige Gäste kommen eigens wegen der Location - wer kann schon behaupten, seinen Junggesellenabschied in einem Kernkraftwerk gefeiert zu haben?
Am nächsten Tag drehen sich im Familienpark schon wieder die Karussells, die Achterbahn rattert am Rhein entlang, und an "Kernies Eisstation" stehen die Kinder Schlange. Auch Willibald Kunisch will mit seinem Sohn diesen Sommer noch einmal ins Wunderland, vielleicht zum letzten Mal. Henning ist jetzt zwölf Jahre alt. Womöglich findet er Kernie nächstes Jahr uncool, interessiert sich mehr für Mädchen als für Piratenschiffe.
"Das ist eigentlich schade" sagt Kunisch. Er hat die Ausflüge immer gemocht, für ihn waren es Reisen in die Vergangenheit, zum Sieg über den Brüter. "Mein Sohn nennt das Ding immer nur "Kernie" Kunisch hält einen Moment inne, "Aber is doch schön, wie sich das verändert hat."

Falls ich jetzt der Einen oder dem Anderen Lust gemacht habe, dort auch hinzufahren:

Die Anfahrt: Mit dem Auto aus Richtung Oberhausen über die A 3, Ausfahrt Emmerich, auf die B 220 Richtung Emmerich/Kleve. Hinter der Rheinbrücke links nach Kalker. Hinter Grieth auf die Griether Straße, das "Wunderland" liegt auf der linken Seite.

Mit der Bahn: Bahnhöfe in Kleve, Emmerich oder Goch, je rund 15 Kilometer entfernt. Busse nach Kalkar fahren oft nur im Stundentakt. Taxi ca. 25,00€

Öffnungszeiten und Preise:
Hotels und Kneipenstrasse sind ganzjährig geöffnet, der Familienpark 2007 von 1. April bis 28. Oktober, täglich von 10 bis 18 Uhr. Kinder und Erwachsene zahlen 17,50 € inklusive aller Fahrgeschäfte sowie Eis, Pommes und Erfeischungsgetränke. Für Schulklassen kostet der Eintritt nach vorheriger Reservierung 10,00€ pro Person.
Das Hotel mit der Kneipenstrasse hat das ganze Jahr über geöffnet. Unter der Woche kostet die All-inclusive-Übernachtung 68,00€ pro Person (Benutzung der Sportanlagen, Familienpark, Essen, Getränke). Für die Kratbahn muss ein Aufpreiss gezahlt werden. Wochenend-Arrangements (Ankunft Freitag, Aufenthalt 2 Nächte) kosten je nach Saison zwischen 105,00 und 225,00€ pro Person.

Ausflüge:
Fahrräder kann man für 7,50€ pro Tag mieten. Lohnende Ziele: Kalkar mit seiner historischen Mühle (Besichtigung Mi-So ab 15 Uhr, www. kalkar.de) und vor allem Schloß Moyland (www.moyland.de). In der Sporthalle des "Wunderlands" liegen Beschreibungen für Fahrradtouren über 25, 35 und 45 Kilometer aus.

Weitere Infos unter www.kernwasser-wunderland.de

So, nun denke ich, nicht wesentlihes vergessen zu haben und hoffe, für viel von Euch ein lohnendes und interessantes Ausflugsziel beschrieben zu haben.

Ach ja, alle Fotos sind aus dem Internet!

der Welt_reisende

18 Bewertungen, 10 Kommentare

  • anundka_ki

    21.12.2006, 13:39 Uhr von anundka_ki
    Bewertung: sehr hilfreich

    "sh" - Fröhliche Weihnachten !

  • firehunter75

    20.11.2006, 13:31 Uhr von firehunter75
    Bewertung: sehr hilfreich

    LG Karsten

  • Sayenna

    15.11.2006, 19:48 Uhr von Sayenna
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh :-)

  • panico

    15.11.2006, 19:44 Uhr von panico
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg panico :-)

  • morla

    15.11.2006, 17:10 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr hilfreich

  • phobee

    15.11.2006, 12:47 Uhr von phobee
    Bewertung: sehr hilfreich

    Toller Bericht! LG, Pia

  • anonym

    15.11.2006, 12:25 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh :o)

  • leuchttuermin

    15.11.2006, 11:37 Uhr von leuchttuermin
    Bewertung: sehr hilfreich

    das muss ich nicht haben!

  • Tweety30

    15.11.2006, 11:36 Uhr von Tweety30
    Bewertung: sehr hilfreich

    ▪ sh ▪ Liebe Grüße, Tweety30!

  • Torombolina

    15.11.2006, 10:26 Uhr von Torombolina
    Bewertung: sehr hilfreich

    Das kenne ich gar nicht. Tja, man lernt halt jeden Tag dazu. Lg Tiziana