Kill Bill - Teil 1 Testbericht
Erfahrungsbericht von Bjoern.Becher
Blutiger Streifzug durch die Genres!
Pro:
Film nimmt Zuschauer gefangen, hervorragender Einsatz von Musik und Bild (noch besser als bisher bei QT), Uma Thurman, Manga, Zitieren, Cliffhanger, hervorragende Unterhaltung
Kontra:
rein gar nix
Empfehlung:
Ja
„Rache ist ein Gericht, das man am besten kalt serviert!“ (altes klingonisches Sprichwort)
Sechs lange Jahre musste der Fan warten bis Quentin Tarantino seinen vierten Film in die Kinos brachte. Sechs Jahre war es her, dass er mit „Jackie Brown“ eine Hommage für die Blaxploitation-Queen Pam Grier, seinen bisher umstrittensten Film ablieferte. Von einem deutlichen Rückschritt bis zu seinem besten Film reichte die Spannbreite der Kritik. Ich tendiere mittlerweile eher zu letzterer Einschätzung, umso härter war die Wartezeit auf „Kill Bill“, so der einfache und prägnante Titel des neusten Films, um so höher auch die Erwartungen. Schließlich waren sie sogar so hoch, dass der erste Teil (da der Film insgesamt zu lange wurde, musste man ihn in zwei Teile splitten) eigentlich nur eine Enttäuschung werden konnte. Doch es kam völlig anders.
„Kill Bill“, nicht nur Titel des Films, sondern erklärtes Ziel der Protagonisten, der ehemaligen Profikillerin Black Mamba (Uma Thurman). An ihrem Hochzeitstag wurde die Schwangere von ihrem ehemaligen Boss Bill (David Carradine) und vier Mitgliedern von dessen Organisation „Deadly Viper Assassination Squad“ beinahe hingerichtet. Die Hochzeitsgesellschaft wurde niedergemetzelt, nur die Braut überlebte mit einer Kugel im Kopf.
Nach vier Jahren im Koma wacht sie auf. Sie schwört blutige Rache und stellt eine Todesliste zusammen. Auf Platz eins, die Asiatin O-Ren Ishi, genannt Cottonmouth (Lucy Liu), auf Platz zwei Vernita Green, genannt Copperhead (Vivicia A. Fox), auf Platz drei Budd, genannt Sidewinder (Michael Madsen), auf Platz vier, die Freundin des Boss Elle Driver, genannt California Mountain Snake (Darryl Hannah) und ganz am Ende der Boss selbst: Bill!
Vorher lässt sie sich noch in Japan das beste Schwert aller Zeiten vom großen Meister Hattori Hanzo (Sonny Chiba) anfertigen.
Es ist ein Tarantino, ganz ohne Zweifel. Soviel hat man davon gelesen, dass der „Meister“ seine bisherigen Pfaden verlassen würde, und mit einer sinnlosen Aneinanderreihung von brutalen Szenen aufwarten würde. Völliger Schwachsinn. Die unverwechselbare Handschrift von Tarantino ist in diesem Film genauso stark zu erkennen, wie in seinen drei Vorgängern.
Das fängt mit der Erzählweise an. Tarantino erzählt, wie man es von ihm kennt keine straighte Geschichte. Nach einer kurzen Einstellung der blutüberströmten Braut und der abdrückenden Hand von Bill (man sieht David Carradines Gesicht übrigens im ersten Teil kein einziges Mal), startet der Film mit „Chapter One: 2“! Wie es der Kapitelname schon andeutet, startet der Film mit der zweiten Nummer auf der Todesliste der Braut.
Dieser Teil der Geschichte hat noch fast rein gar nichts, mit der groß angekündigten Hommage an die asiatischen Martial-Arts-Filme zu tun, erinnert vielmehr überdeutlich an Tarantinos ersten drei Werke. Das Kapitel könnte fast aus Pulp Fiction stammen, die Art der Inszenierung der Tarantino-Humor sind sofort unverkennbar. Nach einem doch noch recht kurzen Kampf, kann die Braut den ersten (bzw. hier schon den zweiten) Strich auf ihrer Todesliste machen und dann springt der Film zurück.
Der Zuschauer bekommt das ganze Ausmaß des Gemetzels an ihrem Hochzeitstag geboten, er sieht wie sie in der Klink aufwacht, nachdem sie vier Jahre lang im Koma vergewaltigt wurde, wie sie erste Rache an ihren Vergewaltigern nimmt und dann geht es nach Asien.
Von nun an beginnt ein einzigartiger Streifzug durch die Genres. Vom Samuraifilm, den Martial-Arts-Film bis hin zu den Spaghettiwestern eines Sergio Leone der Filmfreak Tarantino zeigt, wo seine Vorlieben liegen, wen er bewundert und er lässt den Zuschauer daran teilhaben. Der nun folgende restliche Film ist ein einziger Moment des Staunens, des begeistert Seins, des gefangen Seins. Die Wucht mit der Bild und Musik auf den Zuschauer niederprasseln, reißt diesen mit und lässt ihn bis zum Ende auf einer Welle der Begeisterung reiten.
Tarantino probiert Neues, baut einen genialen Manga in den Streifen ein, der die Vorgeschichte der Killerin O-Ren Ishi erläutert und entkräftet damit auch den Hauptvorwurf den man bisher über „Kill Bill Vol. 1“ lesen musste: Ja, „Kill Bill Vol. 1“ hat eine einfache Story, es geht um einen Rachefeldzug, „Kill Bill Vol. 1“ ist in dieser Richtung wie einer der zahlreichen Rache-Western, aber „Kill Bill Vol. 1“ erzählt keine einfache Story und zwischen einer einfachen Story haben und einer einfachen Story erzählen, liegt ein großer Unterschied. Durch den Ausflug in den Background einer der Nebenfiguren weicht er von der einfachen Erzählung ab, und zeigt, dass er sich trotzdem Zeit für seine Charaktere nimmt. Der geniale Cliffhanger, der einen völlig neuen Storyaspekt mit rein bringt, tut dazu sein übriges.
Was hat man über diese Teilung alles gelesen, so zum Beispiel das Tarantino unter die Abzocker gegangen ist, der sein Publikum zweimal schröpfen will. Natürlich ist die Teilung des Streifens ein kleines Ärgernis. Man muss Monate auf den nächsten warten, aber es hat auch sein Gutes. Der Cliffhanger ist einsame Spitze, diese Szene würde in einem Film nie so wirken. Die Kapiteleinteilung von Tarantino würden in einem Film deutlich an Wirkung verlieren und das auf den Zuschauer einprasselnde Gewitter von Bild und Ton würde ihn erschlagen, wenn der Film noch viel länger wäre.
Mit diesem Gewitter von Bild und Ton hat Tarantino sich selbst übertroffen. So etwas einmaliges gab es in noch keinem seiner Filme und auch in kaum einem anderen Film. Dies hat den Nachteil, dass der Film wahrscheinlich auf dem größten Fernseher und mit der besten Surround-Anlage nicht annährend das Niveau erreichen wird, welches er in einem Kino der Spitzenklasse erreichen würde.
Die hervorragende musikalische Untermalung (schon zu Beginn ein musikalischer und „komödiantischer“ Hochgenuss Nancy Sinatras „Bang Bang, My Baby Shot Me Down“) hat zudem noch den Miteffekt, dass sie den exzessiven Gewaltszenen ihre negative Seite nimmt. Tarantinos „Kill Bill Vol. 1“ ist so brutal, wie keines seiner Werke bisher (und das will im Vergleich zu „Reservoir Dogs“ was heißen), aber es ist keine kritikwürdige Brutalität. Durch die Musik und den Einsatz von Blutfontänen, die aus den abgetrennten Gliedmassen spritzen, die kein Trash-Splatter-Film besser hin bekommen würde, nimmt er der Gewalt ein ganzes Stück weit das bedrohliche, zieht sie ins lächerliche, nutzt sie aus zur Unterhaltung. Das gleiche geschieht durch Szenen, in der ein Kämpfer seinen abgetrennten Fuß in der Hand hat.
Quentin Tarantino hat in einem Interview mit der Zeitschrift Spiegel gesagt, dass man, das was er den „movie thrill“ nennt, das wirklich große umwerfende Kinoerlebnis nur im Action Kino erlebt: Es gibt Gewaltszenen, „da spürst du, wie dir das Herz bis zum Hals klopft und alles, was dir den Alltag erschwert verschwindet. Die Zeit bleibt stehen.“ (siehe Spiegel Nr. 42/2003) Genau solche Szenen gibt es in „Kill Bill Vol. 1“ zuhauf. Der Kampf der Braut mit den „Crazy 88 fighter“ im Haus der blauten Blätter ist ein einziger Hochgenuss, eine Gewaltoper oder Orgie bei welcher der Zuschauer mit Adrenalin vollgepumpt wird. Das wollte Tarantino mit der Brutalität des Films erreichen und das hat er. Ihm einen Gewaltvorwurf daraus zu drehen, ist völlig verfehlt. Die Banalisierung und Ironisierung, sowie die irrealistischer Darstellung nicht nur der Gewalt, sondern der ganzen Welt, in welcher der Film spielt, entkräftet diese Kritik an „Kill Bill Vol. 1“ von ganz alleine. „Kill Bill Vol. 1“ spielt nicht in der wirklichen Welt.
Mit Uma Thurman weist „Kill Bill Vol. 1““ eine Hauptdarstellerin auf, die so brillant, wie selten agiert. Für „Pulp Fiction“ bekam sie eine Oscarnominierung, für „Kill Bill Vol. 1“ hätte sie mindestens eine neue verdient. Der Film ist absolut auf sie zugeschnitten, Tarantino hat die Figur mit ihr entwickelt, hat über ein Jahr auf Thurman gewartet, als diese schwanger wurde und das sieht man dem Film an. Uma Thurman ist die Braut, die Braut ist Uma Thurman, eine andere Schauspielerin scheint in dieser Rolle nur schwer vorstellbar.
F A Z I T
°°°°°°°°°°°°
Ein Fan hat in einem Diskussionsforum über den Film geschrieben, dass „Kill Bill Vol. 1“ „ein Film von einem Filmfan für einen Filmfan“ ist, einen Satz, den man fast unterstreichen kann. „Kill Bill“ ist voll von offenen und verdeckten Anspielungen auf andere Filme. Das fängt offen mit dem Vorspann an, der fast haargenau aus den Filmen des Studios „Shaw Brothers“ entnommen ist, da wird offen ein kurzer Bezug zu „Star Trek“ hergestellt, da könnte die Kleidung von Uma Thurman, die gleiche sein, die Bruce Lee eins trug, da baut Tarantino versteckt eine deutliche Anspielung auf „James Bond“ ein, da erklingt die Titelmelodie von „Django“ und da macht er natürlich einen famosen Streifzug durch diverse Genres. Er schließt aber den Nicht-Filmfan keineswegs aus. Dieser erkennt die ein oder andere Anspielung vielleicht nicht, aber auch er kann sich mit „Kill Bill Vol. 1“ prächtig unterhalten, denn dafür ist „Kill Bill Vol. 1“ dar. Neben einem Denkmal für diverse Genres ist der Streifen vor allem ein Unterhaltungsfilm par Excellenze und darin vielleicht der beste des Jahres. „Kill Bill Vol. 1.“ ist nicht der anspruchsvollste, nicht der tiefsinnigste und wahrscheinlich nicht der beste Film des Jahres, aber er ist das „funniest movie of the year“, schlägt darin zum Beispiel das neuste Werk von Tarantinos Freund und Weggefährten Robert Rodriguez „Once upon a time in Mexico“ um Längen.
Eine abschließende Wertung fällt trotz aller lobender Worte schwer. „Kill Bill Vol. 1“ ist kein ganzer eigener Film, er ist nur die eine Hälfte, aber er ist doch so widersprüchlich es sich anhört ein Stück weit auch abgeschlossen. Durch die Kapitel und das hervorragende Ende, wirkt er zum Beispiel deutlich eigenständiger als „Matrix Reloaded“, aber im Endeffekt, ist es immer noch nur ein halber Film. Wie soll man aber einen halben Film bewerten? Nach dem Unterhaltungswert dieses halben Films! Und da kann man nur sagen, dass sich die sechs Jahre Warten voll gelohnt haben. Selten hat ein Tarantino-Film oder überhaupt ein Kinofilm so prächtig unterhalten. Deswegen gibt es die Höchstwertung von zehn Punkten und es bleibt zu hoffen, dass Teil zwei genauso weiter macht, wie Teil eins aufgehört hat. Danke Quentin Tarantino! Und nach dem Film bekommt man richtig Lust auf einen Streifen wie „Come Drink with me“ von King Hu, aber das ZDF sendet so einen Film nur alle Lichtjahre. Und auf DVD gibt es den Film noch nicht. Aber cd-wow.net hat aktuell viele Filme aus den „Shaw Brothers“-Studios im Angebot. Es scheint, ich müsste meinen Horizont in diese Richtung noch erweitern. Der Film hat riesig Lust darauf gemacht. Mein armer Geldbeutel
D A T E N
°°°°°°°°°°°°
Titel Deutschland: Kill Bill Vol. 1
Originaltitel: Kill Bill Vol. 1
Genre: Action / Komödie / Martial Arts….
USA 2003, FSK : k.J. Laufzeit: 111 Minuten
Darsteller: Uma Thurman (die Braut/Black Mamba), David Carradine (Bill), Lucy Liu (O-Ren Ishii/Cottonmouth), Daryl Hannah (Elle Driver/California Mountain Snake), Vivica A. Fox (Vernita Green/Copperhead), Michael Madsen (Budd/Sidewinder), Michael Parks (Sheriff), Sonny Chiba (Hattori Hanzo), Chiaki Kuriyama (Go Go Yubari), Julie Dreyfus (Sofie Fatale), Gordon Liu (Johnny Mo), Jun Kunimura (Boss Tanaka), Kazuki Kitamura (Boss Koji), Akaji Maro (Boss Ozawa), Larry Bishop (Larry), Michael Bowen (Buck)
Regie: Quentin Tarantino
Produzenten: Lawrence Bender, Quentin Tarantino
Ausführende Produzenten: E. Bennett Walsh, Bob Weinstein, Harvey Weinstein
Drehbuch: Quentin Tarantino nach den Charakteren von Q und U (Quentin Tarantino und Uma Thurman)
Musik: RZA
Kamera: Robert Richardson
Schnitt: Sally Menke
Fight Choreograhpher: Sonny Chiba
W E I T E R F Ü H R E N D E * I N F O R M A T I O N E N
°°°°°°°°°°°°
Offizielle deutsche Seite: http://www.movie.de/filme/killbill/flash/default.php
Alle Filme, die man vor dem Genuß von Kill Bill gesehen haben sollte (Danke an Thomas_Groh/Immo für den Link): http://www.hkflix.com/coupons/hkflix_03-10-10/
Internet Movie Database: http://german.imdb.com/title/tt0266697/
Online Filmdatenbank: http://www.ofdb.de/view.php?page=film&fid=37636
© Björn Becher 2003
Sechs lange Jahre musste der Fan warten bis Quentin Tarantino seinen vierten Film in die Kinos brachte. Sechs Jahre war es her, dass er mit „Jackie Brown“ eine Hommage für die Blaxploitation-Queen Pam Grier, seinen bisher umstrittensten Film ablieferte. Von einem deutlichen Rückschritt bis zu seinem besten Film reichte die Spannbreite der Kritik. Ich tendiere mittlerweile eher zu letzterer Einschätzung, umso härter war die Wartezeit auf „Kill Bill“, so der einfache und prägnante Titel des neusten Films, um so höher auch die Erwartungen. Schließlich waren sie sogar so hoch, dass der erste Teil (da der Film insgesamt zu lange wurde, musste man ihn in zwei Teile splitten) eigentlich nur eine Enttäuschung werden konnte. Doch es kam völlig anders.
„Kill Bill“, nicht nur Titel des Films, sondern erklärtes Ziel der Protagonisten, der ehemaligen Profikillerin Black Mamba (Uma Thurman). An ihrem Hochzeitstag wurde die Schwangere von ihrem ehemaligen Boss Bill (David Carradine) und vier Mitgliedern von dessen Organisation „Deadly Viper Assassination Squad“ beinahe hingerichtet. Die Hochzeitsgesellschaft wurde niedergemetzelt, nur die Braut überlebte mit einer Kugel im Kopf.
Nach vier Jahren im Koma wacht sie auf. Sie schwört blutige Rache und stellt eine Todesliste zusammen. Auf Platz eins, die Asiatin O-Ren Ishi, genannt Cottonmouth (Lucy Liu), auf Platz zwei Vernita Green, genannt Copperhead (Vivicia A. Fox), auf Platz drei Budd, genannt Sidewinder (Michael Madsen), auf Platz vier, die Freundin des Boss Elle Driver, genannt California Mountain Snake (Darryl Hannah) und ganz am Ende der Boss selbst: Bill!
Vorher lässt sie sich noch in Japan das beste Schwert aller Zeiten vom großen Meister Hattori Hanzo (Sonny Chiba) anfertigen.
Es ist ein Tarantino, ganz ohne Zweifel. Soviel hat man davon gelesen, dass der „Meister“ seine bisherigen Pfaden verlassen würde, und mit einer sinnlosen Aneinanderreihung von brutalen Szenen aufwarten würde. Völliger Schwachsinn. Die unverwechselbare Handschrift von Tarantino ist in diesem Film genauso stark zu erkennen, wie in seinen drei Vorgängern.
Das fängt mit der Erzählweise an. Tarantino erzählt, wie man es von ihm kennt keine straighte Geschichte. Nach einer kurzen Einstellung der blutüberströmten Braut und der abdrückenden Hand von Bill (man sieht David Carradines Gesicht übrigens im ersten Teil kein einziges Mal), startet der Film mit „Chapter One: 2“! Wie es der Kapitelname schon andeutet, startet der Film mit der zweiten Nummer auf der Todesliste der Braut.
Dieser Teil der Geschichte hat noch fast rein gar nichts, mit der groß angekündigten Hommage an die asiatischen Martial-Arts-Filme zu tun, erinnert vielmehr überdeutlich an Tarantinos ersten drei Werke. Das Kapitel könnte fast aus Pulp Fiction stammen, die Art der Inszenierung der Tarantino-Humor sind sofort unverkennbar. Nach einem doch noch recht kurzen Kampf, kann die Braut den ersten (bzw. hier schon den zweiten) Strich auf ihrer Todesliste machen und dann springt der Film zurück.
Der Zuschauer bekommt das ganze Ausmaß des Gemetzels an ihrem Hochzeitstag geboten, er sieht wie sie in der Klink aufwacht, nachdem sie vier Jahre lang im Koma vergewaltigt wurde, wie sie erste Rache an ihren Vergewaltigern nimmt und dann geht es nach Asien.
Von nun an beginnt ein einzigartiger Streifzug durch die Genres. Vom Samuraifilm, den Martial-Arts-Film bis hin zu den Spaghettiwestern eines Sergio Leone der Filmfreak Tarantino zeigt, wo seine Vorlieben liegen, wen er bewundert und er lässt den Zuschauer daran teilhaben. Der nun folgende restliche Film ist ein einziger Moment des Staunens, des begeistert Seins, des gefangen Seins. Die Wucht mit der Bild und Musik auf den Zuschauer niederprasseln, reißt diesen mit und lässt ihn bis zum Ende auf einer Welle der Begeisterung reiten.
Tarantino probiert Neues, baut einen genialen Manga in den Streifen ein, der die Vorgeschichte der Killerin O-Ren Ishi erläutert und entkräftet damit auch den Hauptvorwurf den man bisher über „Kill Bill Vol. 1“ lesen musste: Ja, „Kill Bill Vol. 1“ hat eine einfache Story, es geht um einen Rachefeldzug, „Kill Bill Vol. 1“ ist in dieser Richtung wie einer der zahlreichen Rache-Western, aber „Kill Bill Vol. 1“ erzählt keine einfache Story und zwischen einer einfachen Story haben und einer einfachen Story erzählen, liegt ein großer Unterschied. Durch den Ausflug in den Background einer der Nebenfiguren weicht er von der einfachen Erzählung ab, und zeigt, dass er sich trotzdem Zeit für seine Charaktere nimmt. Der geniale Cliffhanger, der einen völlig neuen Storyaspekt mit rein bringt, tut dazu sein übriges.
Was hat man über diese Teilung alles gelesen, so zum Beispiel das Tarantino unter die Abzocker gegangen ist, der sein Publikum zweimal schröpfen will. Natürlich ist die Teilung des Streifens ein kleines Ärgernis. Man muss Monate auf den nächsten warten, aber es hat auch sein Gutes. Der Cliffhanger ist einsame Spitze, diese Szene würde in einem Film nie so wirken. Die Kapiteleinteilung von Tarantino würden in einem Film deutlich an Wirkung verlieren und das auf den Zuschauer einprasselnde Gewitter von Bild und Ton würde ihn erschlagen, wenn der Film noch viel länger wäre.
Mit diesem Gewitter von Bild und Ton hat Tarantino sich selbst übertroffen. So etwas einmaliges gab es in noch keinem seiner Filme und auch in kaum einem anderen Film. Dies hat den Nachteil, dass der Film wahrscheinlich auf dem größten Fernseher und mit der besten Surround-Anlage nicht annährend das Niveau erreichen wird, welches er in einem Kino der Spitzenklasse erreichen würde.
Die hervorragende musikalische Untermalung (schon zu Beginn ein musikalischer und „komödiantischer“ Hochgenuss Nancy Sinatras „Bang Bang, My Baby Shot Me Down“) hat zudem noch den Miteffekt, dass sie den exzessiven Gewaltszenen ihre negative Seite nimmt. Tarantinos „Kill Bill Vol. 1“ ist so brutal, wie keines seiner Werke bisher (und das will im Vergleich zu „Reservoir Dogs“ was heißen), aber es ist keine kritikwürdige Brutalität. Durch die Musik und den Einsatz von Blutfontänen, die aus den abgetrennten Gliedmassen spritzen, die kein Trash-Splatter-Film besser hin bekommen würde, nimmt er der Gewalt ein ganzes Stück weit das bedrohliche, zieht sie ins lächerliche, nutzt sie aus zur Unterhaltung. Das gleiche geschieht durch Szenen, in der ein Kämpfer seinen abgetrennten Fuß in der Hand hat.
Quentin Tarantino hat in einem Interview mit der Zeitschrift Spiegel gesagt, dass man, das was er den „movie thrill“ nennt, das wirklich große umwerfende Kinoerlebnis nur im Action Kino erlebt: Es gibt Gewaltszenen, „da spürst du, wie dir das Herz bis zum Hals klopft und alles, was dir den Alltag erschwert verschwindet. Die Zeit bleibt stehen.“ (siehe Spiegel Nr. 42/2003) Genau solche Szenen gibt es in „Kill Bill Vol. 1“ zuhauf. Der Kampf der Braut mit den „Crazy 88 fighter“ im Haus der blauten Blätter ist ein einziger Hochgenuss, eine Gewaltoper oder Orgie bei welcher der Zuschauer mit Adrenalin vollgepumpt wird. Das wollte Tarantino mit der Brutalität des Films erreichen und das hat er. Ihm einen Gewaltvorwurf daraus zu drehen, ist völlig verfehlt. Die Banalisierung und Ironisierung, sowie die irrealistischer Darstellung nicht nur der Gewalt, sondern der ganzen Welt, in welcher der Film spielt, entkräftet diese Kritik an „Kill Bill Vol. 1“ von ganz alleine. „Kill Bill Vol. 1“ spielt nicht in der wirklichen Welt.
Mit Uma Thurman weist „Kill Bill Vol. 1““ eine Hauptdarstellerin auf, die so brillant, wie selten agiert. Für „Pulp Fiction“ bekam sie eine Oscarnominierung, für „Kill Bill Vol. 1“ hätte sie mindestens eine neue verdient. Der Film ist absolut auf sie zugeschnitten, Tarantino hat die Figur mit ihr entwickelt, hat über ein Jahr auf Thurman gewartet, als diese schwanger wurde und das sieht man dem Film an. Uma Thurman ist die Braut, die Braut ist Uma Thurman, eine andere Schauspielerin scheint in dieser Rolle nur schwer vorstellbar.
F A Z I T
°°°°°°°°°°°°
Ein Fan hat in einem Diskussionsforum über den Film geschrieben, dass „Kill Bill Vol. 1“ „ein Film von einem Filmfan für einen Filmfan“ ist, einen Satz, den man fast unterstreichen kann. „Kill Bill“ ist voll von offenen und verdeckten Anspielungen auf andere Filme. Das fängt offen mit dem Vorspann an, der fast haargenau aus den Filmen des Studios „Shaw Brothers“ entnommen ist, da wird offen ein kurzer Bezug zu „Star Trek“ hergestellt, da könnte die Kleidung von Uma Thurman, die gleiche sein, die Bruce Lee eins trug, da baut Tarantino versteckt eine deutliche Anspielung auf „James Bond“ ein, da erklingt die Titelmelodie von „Django“ und da macht er natürlich einen famosen Streifzug durch diverse Genres. Er schließt aber den Nicht-Filmfan keineswegs aus. Dieser erkennt die ein oder andere Anspielung vielleicht nicht, aber auch er kann sich mit „Kill Bill Vol. 1“ prächtig unterhalten, denn dafür ist „Kill Bill Vol. 1“ dar. Neben einem Denkmal für diverse Genres ist der Streifen vor allem ein Unterhaltungsfilm par Excellenze und darin vielleicht der beste des Jahres. „Kill Bill Vol. 1.“ ist nicht der anspruchsvollste, nicht der tiefsinnigste und wahrscheinlich nicht der beste Film des Jahres, aber er ist das „funniest movie of the year“, schlägt darin zum Beispiel das neuste Werk von Tarantinos Freund und Weggefährten Robert Rodriguez „Once upon a time in Mexico“ um Längen.
Eine abschließende Wertung fällt trotz aller lobender Worte schwer. „Kill Bill Vol. 1“ ist kein ganzer eigener Film, er ist nur die eine Hälfte, aber er ist doch so widersprüchlich es sich anhört ein Stück weit auch abgeschlossen. Durch die Kapitel und das hervorragende Ende, wirkt er zum Beispiel deutlich eigenständiger als „Matrix Reloaded“, aber im Endeffekt, ist es immer noch nur ein halber Film. Wie soll man aber einen halben Film bewerten? Nach dem Unterhaltungswert dieses halben Films! Und da kann man nur sagen, dass sich die sechs Jahre Warten voll gelohnt haben. Selten hat ein Tarantino-Film oder überhaupt ein Kinofilm so prächtig unterhalten. Deswegen gibt es die Höchstwertung von zehn Punkten und es bleibt zu hoffen, dass Teil zwei genauso weiter macht, wie Teil eins aufgehört hat. Danke Quentin Tarantino! Und nach dem Film bekommt man richtig Lust auf einen Streifen wie „Come Drink with me“ von King Hu, aber das ZDF sendet so einen Film nur alle Lichtjahre. Und auf DVD gibt es den Film noch nicht. Aber cd-wow.net hat aktuell viele Filme aus den „Shaw Brothers“-Studios im Angebot. Es scheint, ich müsste meinen Horizont in diese Richtung noch erweitern. Der Film hat riesig Lust darauf gemacht. Mein armer Geldbeutel
D A T E N
°°°°°°°°°°°°
Titel Deutschland: Kill Bill Vol. 1
Originaltitel: Kill Bill Vol. 1
Genre: Action / Komödie / Martial Arts….
USA 2003, FSK : k.J. Laufzeit: 111 Minuten
Darsteller: Uma Thurman (die Braut/Black Mamba), David Carradine (Bill), Lucy Liu (O-Ren Ishii/Cottonmouth), Daryl Hannah (Elle Driver/California Mountain Snake), Vivica A. Fox (Vernita Green/Copperhead), Michael Madsen (Budd/Sidewinder), Michael Parks (Sheriff), Sonny Chiba (Hattori Hanzo), Chiaki Kuriyama (Go Go Yubari), Julie Dreyfus (Sofie Fatale), Gordon Liu (Johnny Mo), Jun Kunimura (Boss Tanaka), Kazuki Kitamura (Boss Koji), Akaji Maro (Boss Ozawa), Larry Bishop (Larry), Michael Bowen (Buck)
Regie: Quentin Tarantino
Produzenten: Lawrence Bender, Quentin Tarantino
Ausführende Produzenten: E. Bennett Walsh, Bob Weinstein, Harvey Weinstein
Drehbuch: Quentin Tarantino nach den Charakteren von Q und U (Quentin Tarantino und Uma Thurman)
Musik: RZA
Kamera: Robert Richardson
Schnitt: Sally Menke
Fight Choreograhpher: Sonny Chiba
W E I T E R F Ü H R E N D E * I N F O R M A T I O N E N
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Offizielle deutsche Seite: http://www.movie.de/filme/killbill/flash/default.php
Alle Filme, die man vor dem Genuß von Kill Bill gesehen haben sollte (Danke an Thomas_Groh/Immo für den Link): http://www.hkflix.com/coupons/hkflix_03-10-10/
Internet Movie Database: http://german.imdb.com/title/tt0266697/
Online Filmdatenbank: http://www.ofdb.de/view.php?page=film&fid=37636
© Björn Becher 2003
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