Kill Bill - Teil 1 Testbericht
Erfahrungsbericht von wildheart
Erwischt ...
Pro:
-
Kontra:
-
Empfehlung:
Ja
„Kino und Gewalt gehören zusammen.
Es ist nun mal interessanter zu sehen,
wenn ein Auto explodiert,
als wenn es geparkt wird.“
(Quentin Tarantino)
Sicher, „Kill Bill“ ist schon jetzt Filmgeschichte, und „Kill Bill“ handelt von Filmgeschichte, ist eine Hommage an all die Martial-Art-Filme, an Hongkong-Action-Movies, an Spaghetti-Western, John Woo und Clint Eastwood, an Anime, und darüber hinaus zeichnet Tarantino ein Bild des Kinos, spürt Kinogeschichte nach. Nichts an „Kill Bill“ ist echt und doch ist alles „authentisch Tarantino“. „Kill Bill“ ist komisch, kaum tragisch und trotz aller Unkenrufe selbst ernannter Moralapostel und Sittenwächter kein „gewalttätiger“ Film (ich weiß immer noch nicht, was das sein soll), trotz aller Blutströme, abgeschnittenen Körperteile, samt Köpfen, trotz aller Gewalt höchstens – gewaltig.
Uma Thurmans Black Mamba rächt sich an den Mördern ihres Mannes und der anderen Hochzeitsgäste, als einzige, schwer verletzte Überlebende, die glaubt, auch ihr Kind verloren zu haben, nach vier Jahren Koma an den Mördern: Bill (David Carradine), der im ersten Teil des Spektakels nur schemenhaft wahrzunehmen ist, von dem man nur die Stimme hört, der geisterhafte Führer der „Deadly Viper Assassination Squad“, zu der auch O-Ren Ishii (Lucy Liu), genannt Cottonmouth, Vernita Green (Vivica A. Fox), genannt Copperhead, Budd (Michael Madsen), genannt Sidewinder, und Elle Driver (Daryl Hannah), genannt California Mountain Snake, gehören. Die Handlung ist so absehbar wie das Amen in der Kirche. Nach dem Zehn-kleine-Negerlein-Prinzip wird einer nach dem anderen Black Mambas Rache zum Opfer fallen., Sidewinder, California Mountain Snake und Bill erst im zweiten Teil, es sei denn Tarantino hält noch eine überraschende Wende des Spiels parat.
„Die Braut“ ohne Namen, „Black Mamba“, im Trainingsanzug und mit dem geklauten Auto eines erbärmlichen Krankenpflegers, der ihr, die sie noch im Koma lag, Männer „zuführen“ wollte, und der dafür mit seinem Leben bezahlen musste, beschäftigt sich zuerst mit O-Ren Ishii, Haupt eines japanischen Yakuza-Clans, dann mit Vernita, inzwischen Hausfrau und Mutter, obwohl beide Rachefeldzüge im Film in chronologisch umgekehrter Folge gezeigt werden. Das alles ist aber nicht so wichtig. Denn Tarantino reproduziert vor allem das Kino selbst. Ob Asiatische Anime, Sheriffs mit martialischem Auftreten und vier Ersatzsonnenbrillen im Auto, Yakuza-Kodex und so weiter – die Bezüge zu allem, was Kino, insbesondere im Bereich Action, Martial Art, Anime, Yakuza, Mafiafilm, Rachegeschichten ausmacht, werden persifliert, satirisch aufgelöst, sarkastisch kommentiert, komisch verdreht, bewundert.
Doch ist es nicht nur die Liebe des Regisseurs zu den B-Movies aller Zeiten der verschiedenen Genres und Sub-Genres, die in „Kill Bill“ so eindrucksvoll zum Ausdruck kommt. Tarantino lässt deutlich werden, dass Kino und dass Film ein zweites Universum neben der Realität bilden, dass beide unterschiedlichen Regeln folgen und es lächerlich wäre – obwohl es oft geschieht –, beide zu vermischen oder gar das zweite zur Quelle des ersten zu erklären. Blut fließt, aber wie? Man schaue sich das Bild an, nachdem Black Mamba sämtliche Kämpfer von O-Ren Ishii besiegt hat. Ein Teehaus voller Leichen, Überlebender mit abgehackten Armen oder Beinen, jammernd, ein Bild wie gemalt, in dem die Frau des Besitzers – entsetzt, das man ihr Teehaus so verunstalten konnte – zwischen all den schwarz gekleideten Körpern hindurch watet, ein Bild, wie es kaum jemand schöner malen kann, aber in keinem Fall eine Verherrlichung von Gewalt, wie manche Besserwisser sicherlich wieder behaupten werden, sondern ein Bild, das einem, wenn man den Film in sich aufnehmen kann und wirklich hinschaut, gerade die Unsinnigkeit solcher Behauptungen vor Augen führt: Wir sitzen im Kino und nicht zwischen den Leichen auf irgendeinem Schlachtfeld der Menschheitsgeschichte. Und Tarantino sorgt dafür, dass man über solche Szenen herzhaft lachen kann.
Tarantino arbeitet mit Klischees, die nicht die ureigen seinen sind, mit Ikonen wie dem mit Schnee bedeckten weißen Garten hinter dem Teehaus, die ebenfalls nicht von ihm erfunden wurden, mit Figuren, besser Charaktermasken, deren Entstehung im Kino schon lange zurück liegt, wie etwa dem Schwert-Schmied Hattori Hanzo (Sonny Chiba), mit Szenen, etwa dem Rausschmiss einer Vertrauten O-Ren Ishiis, Sofia Fatale (Julia Dreyfus) aus dem Kofferraum („Goodfellas“ lässt grüßen), dem heimlichen Besuch der Mörderin Elle Driver bei Black Mamba im Krankenhaus, um ihr eine tödliche Spritze zu verabreichen, oder auch der Versammlung der Yakuza-Bosse, bei der es zum Streit kommt und einer den Kopf verliert, – Szenen, die wir aus anderen Filmen kennen, die dennoch nicht geklaut sind, sondern in die Groteske, die „Kill Bill“ letztlich auch darstellt, als Teil eines wirklichen Gesamtkunstwerks integriert wurden.
Über die „Gewalt“ in „Kill Bill“ kann nur der nicht lachen, der das Thema Gewalt und den Unterschied zwischen Kino und Realität verdrängt hat oder bewusst vergessen machen will. Als der letzte kampffähige schwarz gekleidete Verteidiger O-Ren Ishiis vor Black Mamba steht und sie ihm Stück für Stück seines Schwertes weghaut, winselt er, zittert und Black Mamba schickt ihn zu Mama nach Hause. Allein diese Szene besticht nicht nur durch ihre Komik; sie löst Kino in das Substrat auf, was es ist: Fiktion. Wenn bei jedem abgeschlagenen Arm oder Kopf das Blut – bzw. die rötliche Flüssigkeit, die dafür verwendet wird! – wie aus einem Feuerwehrschlauch nach dem Befehl „Wasser an!“ heraussprudelt und -spritzt, kann ich nur lachen. Nicht weil diese Szenen lächerlich umgesetzt würden, sondern weil hier Tarantino ebenfalls durch Übertreibung und Absurdität visualisiert, wo und warum wir uns wo befinden: in einem großen Raum zum Vergnügen.
Kino wirkt vor allem durch Bilder. Auch wenn manche Filme auf ausprägte Dialoge setzen, ist Kino kein Hörspiel. Im Gegensatz zu „Pulp Fiction“ kommt „Kill Bill“ „ohne große Worte“ aus, ohne tiefe Charakterisierungen, ohne ausgebuffte Handlung, obwohl Tarantino wieder mit Verschachtelungen arbeitet. Und das ist gut so. Denn die Wirkung der Bilder ist enorm. An was fühlt man sich da nicht alles erinnert, man schmunzelt, lacht drüber. Könnte man lachen, wenn man im wirklichen Leben Zeuge eines Mordes wird? Wohl kaum, es sei denn man ist Psychopath oder dergleichen. Bei Tarantino kann man lachen, wenn ein Kopf fällt. (Und die einzige Szene, die mich wirklich erschreckt hat, ist gleich am Anfang zu sehen, als Bill der noch lebenden Black Mamba in den Kopf schießt. Man hört nur den Schuss; und ich jedenfalls zuckte zusammen.)
Wenn Black Mamba zu Anfang Vernitas Tochter gegenübersteht und der Kleinen – ihre Mutter liegt tot in der Küche – sagt, wenn sie groß sei und sich an ihr rächen wolle, würde sie sie erwarten – dann, ist dies sowohl eine verzweifelte Situation, als auch ganz dem Hollywood-Kino verpflichtet (im Gegensatz zum fast gesamten Rest des Films, der sich immer weiter nach Asien und dem dortigen Kino widmet). Es ist eben jene Mischung aus realitätsnaher Fiktion, die uns für einen Moment oder auch mehr berührt, weil wir sie für echt halten und weil wir uns an „diese Art“ Kino gewöhnt haben, und fiktionsnaher Realität, weil wir alle dazu neigen, das Tragische im Leben zusätzlich zu dramatisieren, dieses Wechselbad zwischen Kino und Realität, zwischen Verstand und Gefühl, mit der Tarantinos „Kill Bill“ spielt – mit sich, mit uns – und das ist gut so, angenehm und komisch.
Last but not least ist „Kill Bill“ auch eine Reminiszenz an die vielen Frauenfiguren, die in den letzten Jahren als Fighter das Kino überschwemmen, gleichzeitig aber auch eine Hommage an bestimmte Frauen selbst. Uma Thurman – kann man mit ihr sympathisieren, mit ihr warm werden, obwohl auch sie doch nur eine „figurative Figur“ in diesem Spielchen ist? Man kann. Man nehme die Szene, in der sie sich nach jahrelangem Koma nicht auf den Beinen halten kann und zum Auto des schändlichen Krankenpflegers kriecht. Sie sitzt auf dem Rücksitz des Wagens, betrachtet ihre Füße und gibt ihrem großen Zeh den Befehl zu wackeln. Einfach schön, und man „wandert“ mit der kämpfenden Uma von Amerika nach Okinawa und Japan, und wer steht nicht auf ihrer Seite in ihrem Rachefeldzug? Da fühlt man sich erwischt. Und man ist erwischt. Und in diesem Sinne ist „Kill Bill“ irgendwie auch die zeitgenössische Bewunderung für einen zeitgenössischen Frauentypus. Was daran wahr und fiktional ist, real oder Verblendung, Schein und Sein – das möge doch bitte jeder für sich selbst entscheiden.
Wertung: 10 von 10 Punkten.
Prädikat: Besonders wertvoll.
Kill Bill I
(Kill Bill: Vol. 1)
USA 2003, 111 Minuten
Regie: Quentin Tarantino
Drehbuch: Quentin Tarantino
Musik: RZA
Director of Photography: Robert Richardson
Schnitt: Sally Menke
Produktionsdesign: Yohei Taneda, David Wasco, Daniel Bradford
Hauptdarsteller: Uma Thurman (Die Braut / Black Mamba), David Carradine (Bill), Lucy Liu (O-Ren Ishii / Cottonmouth), Daryl Hannah (Elle Driver / California Mountain Snake), Vivica A. Fox (Vernita Green / Copperhead), Michael Madsen (Budd / Sidewinder), Michael Parks (Sheriff), Sonny Chiba (Hattori Hanzo), Chiaki Kuriyama (Go Go Yubari), Julie Dreyfus (Sofie Fatale), Chia Hui Liu (Johnny Mo), Jun Kunimura (Boss Tanaka), Kazuki Kitamura (Boss Koji), Akaji Maro (Boss Ozawa), Gordon Liu (Johnny Mo)
Internet Movie Database:
http://german.imdb.com/title/tt0266697
Weitere Filmkritik(en):
„Chicago Sun-Times“ (Roger Ebert) (4 von 4 Punkten):
http://www.suntimes.com/ebert/ebert_reviews/2003/10/101004.html
„Movie Reviews“ (James Berardinelli) (2,5 von 4 Punkten):
http://movie-reviews.colossus.net/movies/k/kill_bill1.html
© Ulrich Behrens 2003 für
www.ciao.com
www.yopi.de
www.dooyoo.de
Es ist nun mal interessanter zu sehen,
wenn ein Auto explodiert,
als wenn es geparkt wird.“
(Quentin Tarantino)
Sicher, „Kill Bill“ ist schon jetzt Filmgeschichte, und „Kill Bill“ handelt von Filmgeschichte, ist eine Hommage an all die Martial-Art-Filme, an Hongkong-Action-Movies, an Spaghetti-Western, John Woo und Clint Eastwood, an Anime, und darüber hinaus zeichnet Tarantino ein Bild des Kinos, spürt Kinogeschichte nach. Nichts an „Kill Bill“ ist echt und doch ist alles „authentisch Tarantino“. „Kill Bill“ ist komisch, kaum tragisch und trotz aller Unkenrufe selbst ernannter Moralapostel und Sittenwächter kein „gewalttätiger“ Film (ich weiß immer noch nicht, was das sein soll), trotz aller Blutströme, abgeschnittenen Körperteile, samt Köpfen, trotz aller Gewalt höchstens – gewaltig.
Uma Thurmans Black Mamba rächt sich an den Mördern ihres Mannes und der anderen Hochzeitsgäste, als einzige, schwer verletzte Überlebende, die glaubt, auch ihr Kind verloren zu haben, nach vier Jahren Koma an den Mördern: Bill (David Carradine), der im ersten Teil des Spektakels nur schemenhaft wahrzunehmen ist, von dem man nur die Stimme hört, der geisterhafte Führer der „Deadly Viper Assassination Squad“, zu der auch O-Ren Ishii (Lucy Liu), genannt Cottonmouth, Vernita Green (Vivica A. Fox), genannt Copperhead, Budd (Michael Madsen), genannt Sidewinder, und Elle Driver (Daryl Hannah), genannt California Mountain Snake, gehören. Die Handlung ist so absehbar wie das Amen in der Kirche. Nach dem Zehn-kleine-Negerlein-Prinzip wird einer nach dem anderen Black Mambas Rache zum Opfer fallen., Sidewinder, California Mountain Snake und Bill erst im zweiten Teil, es sei denn Tarantino hält noch eine überraschende Wende des Spiels parat.
„Die Braut“ ohne Namen, „Black Mamba“, im Trainingsanzug und mit dem geklauten Auto eines erbärmlichen Krankenpflegers, der ihr, die sie noch im Koma lag, Männer „zuführen“ wollte, und der dafür mit seinem Leben bezahlen musste, beschäftigt sich zuerst mit O-Ren Ishii, Haupt eines japanischen Yakuza-Clans, dann mit Vernita, inzwischen Hausfrau und Mutter, obwohl beide Rachefeldzüge im Film in chronologisch umgekehrter Folge gezeigt werden. Das alles ist aber nicht so wichtig. Denn Tarantino reproduziert vor allem das Kino selbst. Ob Asiatische Anime, Sheriffs mit martialischem Auftreten und vier Ersatzsonnenbrillen im Auto, Yakuza-Kodex und so weiter – die Bezüge zu allem, was Kino, insbesondere im Bereich Action, Martial Art, Anime, Yakuza, Mafiafilm, Rachegeschichten ausmacht, werden persifliert, satirisch aufgelöst, sarkastisch kommentiert, komisch verdreht, bewundert.
Doch ist es nicht nur die Liebe des Regisseurs zu den B-Movies aller Zeiten der verschiedenen Genres und Sub-Genres, die in „Kill Bill“ so eindrucksvoll zum Ausdruck kommt. Tarantino lässt deutlich werden, dass Kino und dass Film ein zweites Universum neben der Realität bilden, dass beide unterschiedlichen Regeln folgen und es lächerlich wäre – obwohl es oft geschieht –, beide zu vermischen oder gar das zweite zur Quelle des ersten zu erklären. Blut fließt, aber wie? Man schaue sich das Bild an, nachdem Black Mamba sämtliche Kämpfer von O-Ren Ishii besiegt hat. Ein Teehaus voller Leichen, Überlebender mit abgehackten Armen oder Beinen, jammernd, ein Bild wie gemalt, in dem die Frau des Besitzers – entsetzt, das man ihr Teehaus so verunstalten konnte – zwischen all den schwarz gekleideten Körpern hindurch watet, ein Bild, wie es kaum jemand schöner malen kann, aber in keinem Fall eine Verherrlichung von Gewalt, wie manche Besserwisser sicherlich wieder behaupten werden, sondern ein Bild, das einem, wenn man den Film in sich aufnehmen kann und wirklich hinschaut, gerade die Unsinnigkeit solcher Behauptungen vor Augen führt: Wir sitzen im Kino und nicht zwischen den Leichen auf irgendeinem Schlachtfeld der Menschheitsgeschichte. Und Tarantino sorgt dafür, dass man über solche Szenen herzhaft lachen kann.
Tarantino arbeitet mit Klischees, die nicht die ureigen seinen sind, mit Ikonen wie dem mit Schnee bedeckten weißen Garten hinter dem Teehaus, die ebenfalls nicht von ihm erfunden wurden, mit Figuren, besser Charaktermasken, deren Entstehung im Kino schon lange zurück liegt, wie etwa dem Schwert-Schmied Hattori Hanzo (Sonny Chiba), mit Szenen, etwa dem Rausschmiss einer Vertrauten O-Ren Ishiis, Sofia Fatale (Julia Dreyfus) aus dem Kofferraum („Goodfellas“ lässt grüßen), dem heimlichen Besuch der Mörderin Elle Driver bei Black Mamba im Krankenhaus, um ihr eine tödliche Spritze zu verabreichen, oder auch der Versammlung der Yakuza-Bosse, bei der es zum Streit kommt und einer den Kopf verliert, – Szenen, die wir aus anderen Filmen kennen, die dennoch nicht geklaut sind, sondern in die Groteske, die „Kill Bill“ letztlich auch darstellt, als Teil eines wirklichen Gesamtkunstwerks integriert wurden.
Über die „Gewalt“ in „Kill Bill“ kann nur der nicht lachen, der das Thema Gewalt und den Unterschied zwischen Kino und Realität verdrängt hat oder bewusst vergessen machen will. Als der letzte kampffähige schwarz gekleidete Verteidiger O-Ren Ishiis vor Black Mamba steht und sie ihm Stück für Stück seines Schwertes weghaut, winselt er, zittert und Black Mamba schickt ihn zu Mama nach Hause. Allein diese Szene besticht nicht nur durch ihre Komik; sie löst Kino in das Substrat auf, was es ist: Fiktion. Wenn bei jedem abgeschlagenen Arm oder Kopf das Blut – bzw. die rötliche Flüssigkeit, die dafür verwendet wird! – wie aus einem Feuerwehrschlauch nach dem Befehl „Wasser an!“ heraussprudelt und -spritzt, kann ich nur lachen. Nicht weil diese Szenen lächerlich umgesetzt würden, sondern weil hier Tarantino ebenfalls durch Übertreibung und Absurdität visualisiert, wo und warum wir uns wo befinden: in einem großen Raum zum Vergnügen.
Kino wirkt vor allem durch Bilder. Auch wenn manche Filme auf ausprägte Dialoge setzen, ist Kino kein Hörspiel. Im Gegensatz zu „Pulp Fiction“ kommt „Kill Bill“ „ohne große Worte“ aus, ohne tiefe Charakterisierungen, ohne ausgebuffte Handlung, obwohl Tarantino wieder mit Verschachtelungen arbeitet. Und das ist gut so. Denn die Wirkung der Bilder ist enorm. An was fühlt man sich da nicht alles erinnert, man schmunzelt, lacht drüber. Könnte man lachen, wenn man im wirklichen Leben Zeuge eines Mordes wird? Wohl kaum, es sei denn man ist Psychopath oder dergleichen. Bei Tarantino kann man lachen, wenn ein Kopf fällt. (Und die einzige Szene, die mich wirklich erschreckt hat, ist gleich am Anfang zu sehen, als Bill der noch lebenden Black Mamba in den Kopf schießt. Man hört nur den Schuss; und ich jedenfalls zuckte zusammen.)
Wenn Black Mamba zu Anfang Vernitas Tochter gegenübersteht und der Kleinen – ihre Mutter liegt tot in der Küche – sagt, wenn sie groß sei und sich an ihr rächen wolle, würde sie sie erwarten – dann, ist dies sowohl eine verzweifelte Situation, als auch ganz dem Hollywood-Kino verpflichtet (im Gegensatz zum fast gesamten Rest des Films, der sich immer weiter nach Asien und dem dortigen Kino widmet). Es ist eben jene Mischung aus realitätsnaher Fiktion, die uns für einen Moment oder auch mehr berührt, weil wir sie für echt halten und weil wir uns an „diese Art“ Kino gewöhnt haben, und fiktionsnaher Realität, weil wir alle dazu neigen, das Tragische im Leben zusätzlich zu dramatisieren, dieses Wechselbad zwischen Kino und Realität, zwischen Verstand und Gefühl, mit der Tarantinos „Kill Bill“ spielt – mit sich, mit uns – und das ist gut so, angenehm und komisch.
Last but not least ist „Kill Bill“ auch eine Reminiszenz an die vielen Frauenfiguren, die in den letzten Jahren als Fighter das Kino überschwemmen, gleichzeitig aber auch eine Hommage an bestimmte Frauen selbst. Uma Thurman – kann man mit ihr sympathisieren, mit ihr warm werden, obwohl auch sie doch nur eine „figurative Figur“ in diesem Spielchen ist? Man kann. Man nehme die Szene, in der sie sich nach jahrelangem Koma nicht auf den Beinen halten kann und zum Auto des schändlichen Krankenpflegers kriecht. Sie sitzt auf dem Rücksitz des Wagens, betrachtet ihre Füße und gibt ihrem großen Zeh den Befehl zu wackeln. Einfach schön, und man „wandert“ mit der kämpfenden Uma von Amerika nach Okinawa und Japan, und wer steht nicht auf ihrer Seite in ihrem Rachefeldzug? Da fühlt man sich erwischt. Und man ist erwischt. Und in diesem Sinne ist „Kill Bill“ irgendwie auch die zeitgenössische Bewunderung für einen zeitgenössischen Frauentypus. Was daran wahr und fiktional ist, real oder Verblendung, Schein und Sein – das möge doch bitte jeder für sich selbst entscheiden.
Wertung: 10 von 10 Punkten.
Prädikat: Besonders wertvoll.
Kill Bill I
(Kill Bill: Vol. 1)
USA 2003, 111 Minuten
Regie: Quentin Tarantino
Drehbuch: Quentin Tarantino
Musik: RZA
Director of Photography: Robert Richardson
Schnitt: Sally Menke
Produktionsdesign: Yohei Taneda, David Wasco, Daniel Bradford
Hauptdarsteller: Uma Thurman (Die Braut / Black Mamba), David Carradine (Bill), Lucy Liu (O-Ren Ishii / Cottonmouth), Daryl Hannah (Elle Driver / California Mountain Snake), Vivica A. Fox (Vernita Green / Copperhead), Michael Madsen (Budd / Sidewinder), Michael Parks (Sheriff), Sonny Chiba (Hattori Hanzo), Chiaki Kuriyama (Go Go Yubari), Julie Dreyfus (Sofie Fatale), Chia Hui Liu (Johnny Mo), Jun Kunimura (Boss Tanaka), Kazuki Kitamura (Boss Koji), Akaji Maro (Boss Ozawa), Gordon Liu (Johnny Mo)
Internet Movie Database:
http://german.imdb.com/title/tt0266697
Weitere Filmkritik(en):
„Chicago Sun-Times“ (Roger Ebert) (4 von 4 Punkten):
http://www.suntimes.com/ebert/ebert_reviews/2003/10/101004.html
„Movie Reviews“ (James Berardinelli) (2,5 von 4 Punkten):
http://movie-reviews.colossus.net/movies/k/kill_bill1.html
© Ulrich Behrens 2003 für
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31 Bewertungen, 1 Kommentar
-
22.08.2010, 15:53 Uhr von XXLALF
Bewertung: besonders wertvollund ein besonders wertvoll auch für deinen bericht, wobei wir diese dvd im hause haben, ich sie aber selber noch nicht allzuoft gesehen habe, weil dieser streifen soch nicht so mein genre trifft. und ganz liebe grüße
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