Kill Bill Vol. 2 (DVD) Testbericht

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ab 20,00
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Auf yopi.de gelistet seit 04/2004
5 Sterne
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Summe aller Bewertungen
  • Action:  viel
  • Anspruch:  anspruchsvoll
  • Romantik:  durchschnittlich
  • Humor:  durchschnittlich
  • Spannung:  spannend

Erfahrungsbericht von wildheart

Phantastisches Universum

5
  • Action:  viel
  • Anspruch:  sehr anspruchsvoll
  • Romantik:  niedrig
  • Humor:  humorvoll
  • Spannung:  spannend
  • Altersgruppe:  ab 16 Jahren
  • Meinung bezieht sich auf:  Kino-Version

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

„I\'m the deadliest woman
in the world – but right now,
I\'m just scared shitless about
my baby!“
The Bride


„Papa tanzt Mambo, Mama tanzt Mambo.“ Der Pop tanzt sich selbst. Und Tarantino lässt das Kino und Black Mamba tanzen.

Man stelle sich vor, nämlich einen Mord aus Leidenschaft. Das Ergebnis sehen wir alle – eine Leiche. Wie es dazu gekommen ist? Wer will das schon genau wissen? Die Frau, die ihren Mann erschossen hat, erzählt es vielleicht: „so”, der findige Journalist, der die „Story” rekonstruieren will: „so”. Der Staatsanwalt, der gegen die Mörderin ermittelt und seine Akten mit Beweisstücken und Berichten füllt: „so”. Keines dieser „So” wird mit einem der anderen (völlig) identisch sein. Wenn dann ein interessierter Regisseur einen Film über den Fall inszeniert, haben wir ein weiteres: „So”. Und wenn ein weiterer Regisseur aus der Sicht solcher und vieler anderer Filme sich überlegt: Was bleibt übrig von all den Geschichten und Episoden, die das Kino schrieb, die wiederum das Kino irgendwann und irgendwo aus den Leben von Menschen extrahiert hat, und wenn dieser Regisseur zuallerletzt dann noch ein Faible für Martial Arts und Western hat – was glaubt ihr, was dabei herauskommt? Tarantino, und niemand anderes.

Wie „Kill Bill: Vol. 1“ ist der zweite Teil der Geschichte streng durchkomponiert, eingeteilt in die Kapitel 6 bis 10: „Das Massaker von Two Pines“, „Das einsame Grab der Paula Schultz“, „Der grausame Weg von Pai Mei“, „Elle und ich“ sowie „Von Angesicht zu Angesicht.“ Wiederum arbeitet Tarantino mit Rückblenden, bezieht sich auf etliche „Versatzstücke“ der Kinogeschichte und zitiert, wiederum erzählt er eine in sich logische und glaubwürdige Geschichte – und doch erzählt er im Grund eine neue Geschichte, oder: er erzählt die gleiche Geschichte, aber eben nicht dieselbe. Schon die Eingangsszene ist nicht als Martial-Art-Eastern, sondern eben als Western, der sich deutlich auf John Ford und Sergio Leone bezieht, inszeniert.

Inhalt
Während der Probehochzeit zwischen der Braut Beatrix Kiddo (Uma Thurman) – diesen Namen von Black Mamba erfahren wir nun – und Tommy (Christopher Allen Nelson), einem Plattenladenbesitzer, taucht Bill (David Carradine) auf, der vor der Kirche auf einer Bank Flöte spielt. Wie zwei Revolverhelden treten sich Beatrix und Bill gegenüber. Bill, das ist hier nicht mehr der Schlächter aus dem ersten Teil der Saga, sondern ein aus Verletzung gewalttätig Handelnder, der nicht akzeptiert, dass Black Mamba ihr Killerdasein ablegen will. Beide lauern, Bill ist ruhig und cool, spricht leise und bedachtsam. Beatrix bleibt äußerlich gelassen, aber sie ahnt trotz allem nichts Gutes und hat Bill emotional nicht „im Griff“. Als alle – einschließlich des Pfarrers und einiger Gäste sowie des Organisten Rufus (Samuel L. Jackson in einer kurzen, aber prägnanten Szene, auch hier eine Reminiszenz Tarantinos in bezug auf seine eigenen Filme) – beisammen sind, öffnet die Kamera aus dem Inneren der Kirche den Blick nach außen wie aus einem Saloon kurz vor einer Explosion der Gewalt: Leone lässt grüßen. Und trotzdem wird hier nicht kopiert, geklaut, zitiert im üblichen Sinn. Diese Szene, beispielhaft für viele andere, hat einen ganz eigenen, originären Charakter. Sie endet, wie wir schon aus Vol. 1 wissen, mit einem Massaker, das Beatrix (im jahrelangen Koma) überlebt.

Schnitt. Black Mamba setzt ihren Rachefeldzug fort, den sie in „Kill Bill: Vol. 1“ begonnen hatte. Bills Bruder Budd, „The Sidewinder“, hat sich aus dem Killerleben zurückgezogen, sein wertvolles Schwert für 250 Dollar verkauft und arbeitet als ewig zu spät kommender Rausschmeißer in irgendeiner Bar. Beatrix aber unterschätzt seinen Spürsinn, und schon liegt sie mit einer Ladung Steinsalz in der Brust bewegungsunfähig vor dem schäbigen Wohnwagen Budds. Der wittert ein Geschäft. Er will Beatrix Schwert an ihre Rivalin Elle Driver (Daryl Hannah) für eine Million Dollar verkaufen. Die will, dass Black Mamba einen qualvollen Tod erleidet. Budd hat eine in diesem Sinne glänzende Idee. Warum Beatrix nicht lebendig begraben?

Schnitt, zurück in die Vergangenheit. Bill schickt Black Mamba in die Ausbildung nach China zu Pai Mei (Chia Hui Liu), einem Mönch des Lotus-Ordens, der Amerikaner hasst, und Frauen erst recht, und blonde amerikanische Frauen noch mehr. In einer der Tortur nahe kommenden Ausbildung lernt Black Mamba, was kämpfen wirklich heißt.

Schnitt, vorwärts. Beatrix kämpft im Wohnwagen von Budd mit Elle Driver. Mehr sei nicht verraten.

Schnitt. The last fight. Beatrix hat Bill in Mexiko aufgespürt. Und dort erlebt sie eine böse und eine gute Überraschung.

Inszenierung
Was passiert hier eigentlich? Lässt man einmal das Groteske, Absurde, Komische, Heroische, mit denen Tarantino die Handlungselemente gleichsam als Eigenschaften eines bewegten Gemäldes koloriert, sowie auch die Bezüge zu den Genres für einen Moment beiseite, was haben wir dann für eine Geschichte? Haben wir überhaupt eine Geschichte? Bill liebte Black Mamba, aber Black Mamba wollte Beatrix Kiddo sein und träumte von einem „gutbürgerlichen“ Leben. Bill will diesen Traum zerstören. Black Mamba erwacht nach diesem Versuch Bills aus dem Koma und will sich rächen. Der letzte Satz aus Vol. 1 „Is she aware her daughter is still alive?“ scheint Programm. Bill tötet aus Liebe zu Black Mamba, Beatrix Kiddo tötet aus Liebe zu ihrem Traum. Ist das eine Geschichte, wie sie das Leben schrieb? Oder schreibt das Leben Tarantinos eine Geschichte, die nicht nur wie ein Traum aussieht?

In einigen Kritiken zum Film war zu lesen, Tarantino vergöttere seine Hauptdarstellerin Uma Thurman über die Maßen. Mag sein, dass er sie vergöttert. Doch was wir sehen, ist nicht Uma Thurman als Uma Thurman, sondern eine „Diva“ im Film, einen weiblichen Racheengel. Wenn Tarantino Beatrix zeigt, wie sie im Auto fährt, die Kamera direkt in ihr Gesicht, gedreht in Schwarz-Weiß, dann erhebt er diese Frauengestalt zu einer Heldin im Film – ganz ähnlich übrigens, wie er dies mit Pam Grier in „Jackie Brown“ (1997) getan hat (man erinnere sich an die lange Eingangssequenz, in der er Pam Grier auf den schier endlosen Wegen durch ein Flughafengebäude zeigt). Da ist etwas von ungestillter Sehnsucht und unerfülltem Wunsch in diesen Szenen, die auch etwa an Filme von Fassbinder erinnern, in denen Barbara Sukowa, Rosel Zech und Hanna Schygulla auf eine Fassbinder eigene Art „bewundert“ und vor allem als bewunderungswürdig gezeigt werden. „Kill Bill“ ist eben auch so etwas wie Wunschproduktion.

Vergessen wird dabei auch, dass David Carradines Bill der ebenbürtige, zweite Star des Tarantino-Universums in Teil 2 von „Kill Bill“ ist. Ich habe Carradine glaube ich nie in einer überzeugenderen Rolle gesehen. Aus dem Kung-Fu-Star der 70er Jahre wird – und auch hier wirkt die Erinnerung an diese Rollen nachhaltig nach! – eine Mixtur aus einem wortgewandten, ruhigen, intelligenten und schlauen Killer und aus einem verletzten Mann, der nur in der Rache aus „verratener“ Liebe handeln kann.

Man kann den Film allerdings in dieser Hinsicht auch ganz anders lesen, um auf das Thema Wunschproduktion zurückzukommen. Man kann ihn lesen als einen schier endlosen Koma-Traum einer Frau, die nicht zu einer Killerin geworden ist, sondern die sich von einer Killerin in das durchschnittliche „normale“ bürgerliche Leben träumt. Der Schluss des Films lässt fast kaum einen anderen Schluss zu. Dies wiederum verweist auf den Verursacher all dessen – auf Tarantino selbst. Wer rauscht in „Kill Bill: Vol. 2“ vorbei? Der kampferprobte Mönch, der sich unzählige Male den schmalen, langen, weißen Bart streift, eine Kunstfigur, in der sich allerdings so etwas wie höchste Konzentration, Disziplin, Härte gegenüber sich selbst und Weisheit personalisiert; der versoffene, manchmal fast larmoyant, dann wieder skrupellos und zynisch sich gebärdende Budd; die eifersüchtige, hintertriebene Elle Driver, die Schlange mit Schlange; schließlich die kriminelle Vaterfigur des Esteban (Michael Parks), dem – in dieser Hinsicht vergleichbar mit Pai Mei – in seiner Altersweisheit völlig bewusst ist, dass es keinen Ausweg gibt als den Kampf auf Leben und Tod zwischen Beatrix und Bill. Was heißt dies? Es hieße, dass die träumende Beatrix in ihrem Rachefeldzug den Weg Tod durch Liebe respektive Liebe durch Tod durchschreitet und durchkämpft – eben gegen die mehr oder weniger gefährlichen Figuren, die sie dabei trifft und treffen muss und die für das stehen, was für diesen Traum, der sich Familie nennt, so symptomatisch ist. Der hübsch-hässliche Begriff „Familienbande“ zeugt in seiner Doppeldeutigkeit genau davon: von liebendem Zusammenhalt wie von schmerzendem Zwang.

Dafür sprechen im übrigen auch die weit weniger als im ersten Teil inszenierten Actionszenen (in Teil 2 herrschen Wortgefechte vor), etwa der Kampf zwischen Beatrix und Elle Driver im Wohnwagen Budds. Die für einen solchen Kampf mit langen Schwertern in der Realität fast unmögliche räumliche Situation wird nur in der visuellen Inszenierung zu einem glaubwürdigen Etwas. Ähnliches gilt für die Sargszene. Wir sind im Kino, in der Phantasie, und da ist alles erlaubt. Das wichtige dabei ist nicht ein falscher Maßstab von Realistik. Das Wichtige ist die Bedeutung, die der Kampf im Rahmen der Phantasie hat. Das wichtige ist, dass B.B. (Perla Haney-Jardine), die Tochter von Bill und Beatrix nach den Anfangsbuchstaben der Namen ihrer Eltern benannt wurde, von Bill. Das wichtige ist, dass Beatrix und B.B. am Schluss übrig bleiben und fast alle anderen tot sind. Das ist der Traum. Das ist der Film, wie man ihn auch lesen kann, und das ist der Ansatzpunkt, diese Interpretation wieder umzuschmeißen und in Argumentation gegen sie eine andere zu wagen.

„Kill Bill: Vol. 2“ verhält sich zu „Kill Bill: Vol. 1“ einerseits wie eine selbständige, für sich sprechende Geschichte, andererseits wie eine Art Gegenstück, ja Entzauberung des ersten Teils, aber nur, um wiederum einen Zauber zu entfalten, in der nicht wirklich etwas erzählt wird, sondern Wünsche, Phantasien, Hoffnungen und Begierden in einem Amalgam von Gefährlichem und Schönen, Tödlichem und nach Leben Gierigem entfaltet wird, das zu allerlei Spekulativem Anlass gibt und Interpretationen freien Lauf lässt.

Wir sind im Kino. Und last but not least ist Tarantinos Zweiteiler eben auch eine (überzeugende) visuelle Demonstration der messerscharfen Trennung von Realität und Fiktion in dem Sinne, als beides je ureigene Raumzeiten mit je eigenen Regeln und Konventionen entfalten, die man nicht wirklich vermischen kann und sollte. Arbeit ist Arbeit und Schnaps ist Schnaps. Realität und Fiktion haben etwas miteinander zu tun, aber sie sind nie eins, ja, sie überlappen sich nicht einmal im Sinne von „Der Film kommt der Realität aber nahe (oder nicht)“. Gewalt in der Realität ist eine soziale Praxis, Gewalt im Film ist ein visuelles Konstrukt. Im Film kann man alles machen, alles konstruieren, das Publikum in die Irre führen oder dorthin, wohin man es haben will. In der Realität kaum. In ihr schlägt sich die Liebe oder der Hass, die Gewalt oder die Friedfertigkeit eine Bahn – unweigerlich. Im Film schlägt sich die Phantasie eine Bahn, und wenn man will, kann man die Szene, die schon gedreht ist, ändern und eine andere produzieren.

Tarantino hat sein Universum für sein Publikum erweitert. Das ist nicht nur gut, es macht Spaß, und es ist, wenn man darüber nachdenkt, vielleicht manchmal ernsthafter zu nehmen als es im ersten oder zweiten Moment erscheint.

Wertung: 10 von 10 Punkten
Prädikat: Besonders wertvoll

Kill Bill: Vol. 2
(Kill Bill - Vol. 2)
USA 2004, 136 Minuten
Regie: Quentin Tarantino

Drehbuch: Quentin Tarantino, Uma Thurman
Musik: The RZA, Robert Rodriguez
Director of Photography: Robert Richardson
Schnitt: Sally Menke
Produktionsdesign: Yohei Taneda, David Wasco
Darsteller: Uma Thurman (Beatrix Kiddo / The Bride / Black Mamba), David Carradine (Bill), Michael Madsen (Budd / Sidewinder), Daryl Hannah (Elle Driver / California Mountain Snake), Chia Hui Liu (Johnny Mo / Pai Mei), Michael Parks (Esteban Vihaio), Perla Haney-Jardine (B.B.), Christopher Allen Nelson (Tommy Plimpton), Bo Svenson (Reverend Harmony), Jeannie Epper (Mrs. Harmony), Samuel L. Jackson (Rufus, der Orgelspieler), Claire Smithies (Clarita), Clark Middleton (Ernie), Larry Bishop (Larry Gomez), Sid Haig (Jay, der Barkeeper), Reda Beebe (Lucky), Caitlin Keats (Janeen)

Internet Movie Database:
http://german.imdb.com/title/tt0378194

Weitere Filmkritik(en):
„Chicago Sun-Times“ (Roger Ebert) (4 von 4 Punkten):
http://www.suntimes.com/ebert/ebert_reviews/2004/04/041604.html

„Movie Reviews“ (James Berardinelli) (3 von 4 Punkten):
http://movie-reviews.colossus.net/movies/k/kill_bill2.html


© Ulrich Behrens 2004

34 Bewertungen, 1 Kommentar

  • XXLALF

    17.11.2010, 16:24 Uhr von XXLALF
    Bewertung: besonders wertvoll

    so, und nun hab ich diesen bericht ganz brav und aufmerksam gelesen, sodass ich auf den 2. teil vorbereitet und gerüstet bin. bw und ganz liebe grüße