Kosmos Herr der Ringe - Basisspiel Testbericht

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ab 41,21
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Summe aller Bewertungen
  • Präsentation:  sehr gut
  • Spaßfaktor:  gering
  • Spielanleitung:  gut
  • Wird langweilig:  nie

Erfahrungsbericht von phineas

Offenbarung in Sachen Film

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Nein, es ist nicht einfach nur ein Film, ein Blockbuster unter vielen. "Der Herr der Ringe - Die Gefährten" ist eine Offenbarung in Sachen Film, ein Meisterwerk, daß es geschafft hat, sich trotz seines gigantischen Budgets und den Restriktionen des modernen Hollywoodkinos seine Individualität zu bewahren und wird heute wie in Zukunft als eins der Meisterwerke des Films des frühen 21.Jahrhunderts bestehen.

Es ist schon etwas schwer, einen Film zu besprechen, bei dem man ein Fan der literarischen Vorlage ist und der einen in einer Art und Weise visuell und erzählerisch dermaßen an die Wand gedrückt hat, daß man den Rest des Abends und der Nacht noch darüber diskutiert hat, obwohl man eigentlich stumm des Staunens sein sollte und wollte, ob der Leistung eines in der Filmwelt noch kaum bekannten Mannes namens Peter Jackson.
Jackson hat Jahre in dieses Projekt investiert und man sieht in jeder Szene, wieviel er dieser Filmtrilogie geopfert hat. Und nun sitzen wir im Kino und sehen die erfundene Welt Mittelerde vor unseren Augen auferstehen, Wunder über Wunder.

Jacksons Werk atmet Tolkien, in jeder Szene, und das macht ihn zu einem Unikum unter all den Verfilmungen von literarischen Vorlagen, die sich die Schärpe der Werktreue allzu vorschnell umgehängt haben. Natürlich erforderte dies eine Bearbeitung der Bücher, doch Jackson und seine Co-Autoren (darunter seine Frau) können sich rühmen, die altertümliche und eigentlich dialogarme Vorlage zeitgemäß in einen unterhaltsamen und doch hoheitlichen Filmtext umgesetzt zu haben. Die Behäbigkeit (bzw. der erzählerische Reichtum) der Vorlage wurde so teilweise integriert, teilweise vermieden, ohne auf die wesentlichen Elemente verzichten zu müssen.

Dafür benötigt Jackson drei Stunden, fast auf die Minute genau. Keine Minute mehr, aber, um Gottes Willen, auch keine Minute weniger. Das dramatische Gleichgewicht stimmt bis aufs Gramm genau, ohne Leerlauf, auch in den ruhigen Sequenzen, so daß man sich allenfalls wünscht, die erste Hälfte des Films bis zur Ankunft in Bruchtal sei erzählerisch nicht so zusammengepreßt und komprimiert worden. Ab dem Rat von Elrond in Bruchtal jedoch strahlt der Restfilm vollendete Perfektion aus.

Trotzdem dürfen Tolkienpuristen hier einhaken und leise protestieren, wenn sie möchten. Die Phase zwischen der Weitergabe des Rings an Frodo und der Flucht nach Bruchtal kann Liebhabern schon sauer aufstoßen. Das liegt nicht an der Auslassung Tom Bombadils und der Hügelgräberhöhen, sondern an anderen nötigen Kürzungen. Jackson spart hier den gigantischen Zeitrahmen (17 Jahre zwischen der Übergabe des Rings von Bilbo und Frodo bis zur Gewißheit Ganalfs und Rückkehr) aus oder macht ihn unkenntlich, so daß es scheint, als sei kaum Zeit vergangen. Er forciert Frodos Abreise merklich, wobei der Umzug und die Sammlung der Hobbitgefährten hier beinahe dem Zufallsprinzip entspricht, inclusive einer unüblichen Jagd zur Bockenburger Fähre und der Weiterreise nach Bree, die wirkt, als sei die Stadt nur eine Tagesreise vom Auenland entfernt. In Bree entsagt Jackson der Singerei (überhaupt wurden sämtliche Lieder entfernt), handelt den Einbruch der schwarzen Reiter schnell ab und inszeniert den Hinterhalt an der Wetterspitze so geschwind, daß er fast dramatisch forciert erscheint. (Übrigens die einzige Sequenz, die etwas Ärger verursacht hat, denn der Angriff der Nazgul erfolgt auf einen viel zu dummen Fehler der Hobbits.) Anschließend wird die Weiterreise extrem beschleunigt, mitsamt der alleinigen Weiterreise Frodos auf Arwens Pferd, die eine Viertagesreise (wenn ich das korrekt mitbekommen habe) in einem einzigen gewaltigen Ritt absolviert. Dafür versöhnt die schön getrickste Sequenz an der Furt für einiges. Trotzdem benötigt Jackson für das alles 80 Minuten, lang genug für eine gewaltige Erzählung, schnell genug für Actionfans, reichhaltig genug für Fantasyfreaks.

Dabei wird deutlich, wie sehr sich Jackson und das Team einschränken mußten. Die gut zehnminütige Prologsequenz (etwas einfallslos und nicht sehr packend, aber mit einem gigantischen Schlachtengemälde) wirkt stark gestreckt und zwingend davorgesetzt, ist aber unabdingbar für das nötige Vorwissen (und könnte noch länger sein).
Im Anschluß an Frodos Genesung jedoch folgt der Film genau der Originalstory, läßt zwar Details aus oder ändert sie kaum merklich ab, bleibt jedoch immer auf Tolkiens Kurs. Absolute Weltklasse sind dabei die Sequenzen in Moria und auf Tol Brandir, die eins zu eins aus den Büchern übernommen scheinen.

Was aber macht den wahren Flair des Films aus? Das ist das größte Wagnis dieser Produktion, denn dieser \"Ring\" ist nicht knackebunt und auf Hochglanz poliert, wie es heute gern gemacht wird, um größtmögliche Zugänglichkeit für das Publikum zu garantieren.
Im Gegenteil, Jackson macht es sperrig, naturalistisch, grimmig, schwer zu konsumieren.
Die Farben werden entwertet, ergrauen, nichts leuchtet, sondern der Schleier eines unendlichen Alters, einer kaum noch faßbaren Vorzeit liegt über allem. Inszeniert in einer Tolkiengetreuen Phase des Übergangs, atmet der Film die ganze Zeit die Nähe des Bösen, die Atmosphäre des Verfalls, Endzeitstimmung. Daraus resultiert eine allumfassende Melancholie und Traurigkeit, die das Geschehen, auch in den amüsanteren Momenten, fast unmerklich begleitet. Nie ist hier etwas eitel Sonnenschein, sondern man spürt hier schon, daß es in Tolkiens Kosmos kein wirkliches Happy End geben kann. Das Böse ist allgegenwärtig und es wird kommen, unausweichlich. Dieses Gefühl nahender Sterblichkeit hängt schon den Büchern an und es ist der Produktion hoch anzurechnen, daß diese Tendenz beibehalten wurde.

Somit soll diese Besprechung auch gleich als Gebrauchanweisung dienen, denn ein leichter Verzehr wird dieser filmische Brocken in keiner Szene. Das ist kein Film zum Popcornnachholen oder Dauerwasserlassen, sondern eine Erfahrung, ein Erlebnis, durch das man sich arbeiten muß, dessen Ergebnis sich jedoch über alle Maßen lohnt. So wird der buchunkundige Zuschauer hart arbeiten zu müssen, zwischen all den Namen und Rassen, den Ereignissen und den Dimensionen der Handlung nicht den Faden zu verlieren. Es ist ohne weiteres möglich, ihn ständig in der Hand zu behalten, aber Jackson verlangt totale Aufmerksamkeit. Wer sich nebenbei unterhalten will, ist schon verloren - tatsächlich dürfte das der Film sein, bei dem ich am wenigsten mit meinen Begleitern gesprochen habe, so gut wie gar nichts. Auch können wir uns von einer familienfreundlichen Fantasysaga verabschieden, denn für Kinder ist das gar nichts, eine durch und durch erwachsene Fantasy, deren \"family potential\" (die Hobbits) durch den düsteren Ton stark abgeschwächt wird.

So will ich auch lieber nur knapp auf das Schauspielerische eingehen, nur soviel, daß es gelungen ist, bekannte und unbekannte Gesichter zu hochqualitativen Leistungen zu bewegen, die sich samt und sonders der zu erzählenden Geschichte unterwerfen, hier lebt jeder seine Rolle. Mag auch Elrond härter und Galadriel unfreundlicher als in der Buchvorlage herauskommen, mag Boromir sympathischer wirken und Aragorn (noch) nicht so majestätisch - alles paßt, alles geht. It just works.

Jacksons Regie ist so unauffällig wie dominant - keine Zeit für Egotrips - eher schon für einen Epos-Trip. Und für eine Flut fürs Auge, die nicht nur in spektakulären Schlachtgemälden ihren Niederschlag findet, sondern einfach in den Bauwerken und der Umgebung seine volle Wirkung entfaltet. Die Minen von Moria sind vielleicht der gigantischste Eye-Catcher des Jahres mit einem Balrog-Höhepunkt, der das Publikum schlichterdings in die Sitze geblasen hat. Hier wird nichts gespoilert, allein der dramatische Aufbau der Szene ist so genial, daß man es selbst erleben möchte. Auch Lothlorien, Carathras, Tol Brandir, das Auenland und die Wetterspitze (nicht zu vergessen Bruchtal) sind optische Feste, ohne Selbstzweck, sondern das nötige Rüstzeug für die Wunder einer erfundenen Welt.
Detailversessene werden wieder über die Wischtechnik murren, an der leichten Unschärfe herummäkeln und hie und da eine nicht völlig perfekte Einarbeitung der realen und computergenerierten Bildteile bemängeln (besonders in der Höhlentrollszene recht deutlich), aber da grobe Schnitzer nicht vorkommen, dürfte die Pfennigfuchserei marginal sein. (Das bewahrt allerdings nicht vor generellen Miesmachern (nONAMe-Review), die ohne Buchkenntnis haltlose Behauptungen über inhaltliche Mängel aufstellen und mit vorgefärbter Verweigerungshaltung an den Film rangehen.) Dafür kreiselt die Kamera wie ein perpetuum mobile und dringt bis in die unmöglichsten Winkel ein, als ginge es darum, die ganze Pracht des Fantasy-Kontinents unbedingt bis ins letzte Detail einzufangen.

Die nötige Härte wird natürich nicht ausgelassen, die Gefechte sind hart (auch hart an der Grenze für die FSK 12), wenn auch schnell geschnitten und nicht detailreich blutig, aber Jackson mindert nichts herab. Wenn getötet werden muß, dann aber richtig.
Das gilt auch für traurige und gefühlvolle Sequenzen, die zwar (dankbarerweise) von dem emotionalen Überschwang der Vorlage befreit wurden, aber ohne jeglichen Trändrückerkitsch umgesetzt sind, wenngleich sie eindeutig zu Herzen gehen.

So bietet \"Die Gefährten\" reichlich für beiderlei Geschlechter ohne eines auf der Strecke zu lassen und macht unausweichlich Lust auf eine baldige Fortsetzung, für die die Trickabteilung jedoch noch ein Jährchen Zeit benötigen wird. Aber wer wird über 12 Monate jammern, wenn man weiß, was dabei herauskommen wird. Bis jetzt können wir nur erahnen, wie monumental Minas Tirith, die goldene Halle oder Helms Klamm aussehen werden, wie finster die Pfade der Toten und Kankras Lauer, wie mitleiderregend eklig Gollum oder wie majestätisch-urwüchsig die Ents, die Isengard zerstören. Und dann sind da noch Heerschauen, die Schlacht auf dem Pelennor, die Flugtiere, Olifanten, das schwarze Tor und die Schicksalsklüfte...ja, da ist sie wieder, die Gänsehaut von vorgestern nacht.

Bis jetzt können wir mit Sicherheit sagen, daß Jackson ein Meisterwerk geschaffen hat, unabhängig vom Erfolg an der Kinokasse, ein filmisches Denkmal zum Verarbeiten und zum Genuß, ein Werk, daß beweist, daß die Macht des Kinos noch existiert. Und das sollen sich erst mal alle ansehen. Film in Vollendung.

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