Krieg und Frieden Allgemein Testbericht

Es ist eingetreten was eintreten musste. Es gibt wieder Krieg auf der Welt, Amerika kommt einher mit der Rede von Demokratie (wobei in meinen Augen eine \"amerikanische Demokratie\", die spätestens irgendwo kurz vor der Wahlentscheidung aufhört, eine eigene Definition von Demokratie verlangt) für die Unterdrückten, die Briten unter Blair ziehen mit auf den Wellen der großén Weltmacht hinter dem Teich, die Meinung von Millionen Menschen auf der ganzen Welt wird ignoriert (Amerikanische Demokratie?...).
Selten wurde ein Krieg so hart diskutiert, selten gab es so viele weltweite Proteste. Die Krise im Irak steht seit vielen Wochen in einem ganz besonderen Licht der Öffentlichkeit. Und nun, da wirklich die ersten Bomben gefallen sind, nimmt das Interesse am Krieg in den Medien ein Ausmaß an, das kaum noch zu ertragen ist.
Ich erfuhr vom Beginn des Krieges am Donnerstag Morgen um 5:30, als ich wie gewöhnlich mit vollkommen verquollenen Augen nach meiner Fernbedienung tastete, um das Sat.1 Frühstücksfernsehen einzuschalten. In einer der oberen Bildschirmecken prangte das Logo \"Krieg im Irak\". Was gerade lief, war jedoch keine Information über die erste Angriffswelle ca. anderthalb Stunden vorher, sondern ein Bericht darüber wie Awacs-Flugzeuge mit Kampfjets zusammenarbeiten. Bravo! Kein Zweifel, dass ich über den Krieg informiert sein will, aber muss ich mir am frühesten Morgen, wenn ich noch nicht einmal richtig wach bin, so etwas antun? Vorbereitete Beiträge im Archiv jeden Senders (denn praktisch alle außer den Musiksendern und dem Homeshopping-Kanal hatten jetzt ein Kriegs-Logo in einer oberen Ecke), pünktlich zu den ersten Bombeneinschlägen ausstrahlungsbereit.
Was kann man denn so kurz nach dem ersten Angriff schon berichten? - \"Es hab erste Einschläge gegeben, das war dort und dort, womöglich so und so viele Opfer, wie es weiter geht ist zunächst unklar.\"
Doch von diesen ersten Schlägen an begann das Fernsehen die Zuschauer rund um die Uhr mit halbgaren, spekulativen Informationen zu bombardieren. Allen voran die öffentlich-rechtlichen und RTL (danke an Pro Sieben, dass ich meine Simpsons noch sehen durfte). Es ist mir klar, dass es zu einem solchen Thema Sondersendungen geben muss, die dann auch mich sehr interessieren. Es ist mir klar, dass jeder Sender versucht mit besonders guten Informationen die Zuschauer zu heischen. Ich bin verdammt nochmal auch der Meinung, dass dieser Krieg nie hätte stattfinden dürfen und dass stattdessen jetzt eine gewisse Handvoll Amerikaner vor ein Kriegsgericht gehörte.
Aber darf ich denn jetzt nichts anderes mehr sehen, an nichts anderes mehr denken als an diesen Krieg? Darf ich keine 20 Minuten lang meine Feierabend-Serie schauen?
Es wäre noch verständlich, wenn die Fernsehsender wenigstens etwas zu berichten hätten, aber 90% der Informationen bestehen aus grünen Bildern einer Nachtsichtkamera und wilden Spekulationen. Kein Satz ohne einen Konjunktiv (\"das soll getroffen worden sein\", \"so viele sollen verwundet worden sein\", \"diese Ziel soll als nächstes dran sein\"...). Ahnungslose Diskussionen um Spekulationen, Panikmache wegen Biowaffen, Bilder einer rauchenden Stadt. Und das rund um die Uhr.
Von meiner geliebten Vorabendserie \"Berlin, Berlin\" zeigte die ARD genau 3 Minuten, bevor sie jäh unterbrachen, um wieder ununterbrochen weiter zu berichten und zu spekulieren und zu spekulieren und zu berichten. Zwei Bilder - ein grünes und ein rotes - die durch alle Fernsehsender gehen.
Jemand hat mal gesagt \"Nirgendwo wird so viel gelogen wie im Krieg\". Und dieses Zitat ist wahrer als jeder Satz, der zur Zeit in einer Nachrichtensendung gesagt wird. Denn auch Medien haben ihre Vorgaben, und im Endeffekt werden wir nie wirklich erfahren welcher Hubschrauber aus technischen Gründen abgestürzt ist und welcher abgeschossen wurde; wie viele Bomben in zivile Wohngebiete fallen; wo es wieviele Opfer gab; warum welcher Ort wie angegriffen wird usw.
Und ist das auch wirklich so wichtig? Muss ich über jede Bombe informiert werden? Ich kann mir auch so die Angst der Menschen vorstellen, die Bagdad nicht verlassen konnten, und um die herum es ständig knallt und kracht. Ich weiß auch so, dass dieser Krieg noch furchtbare Ausmaße haben kann. Ich muss nicht das dumme Geschwätz jedes mittelprächtigen Politikers hören, der meint seinen Senf dazugeben zu müssen (Wie fragte doch ein Peter Scholl-Latour? \"Gibt es überhaupt noch Katholiken in der CDU?\").
Wir haben in Deutschland noch immer eine Innenpolitik, bei der man nun den Eindruck gewinnt, dass die Diskussion darum angesichts der weltweiten Entwicklungen für\'s erste erleichtert unter den Teppich gekehrt wird.
Es gibt einen neuen Skiflugweltrekord, es gibt noch immer das Wetter...
Ich kann nur hoffen, dass sie die Hitze in den nächsten Tagen etwas beruhigt und es wieder noch ein paar Dinge neben dem Krieg gibt, die es wert sind, berichtet zu werden.