Mondscheintarif (Taschenbuch) / Ildiko von Kürthy Testbericht

No-product-image
ab 4,52
Auf yopi.de gelistet seit 02/2005

5 Sterne
(6)
4 Sterne
(1)
3 Sterne
(0)
2 Sterne
(0)
1 Stern
(0)
0 Sterne
(0)

Erfahrungsbericht von Nine19

Kein Schwein (oder Mann) ruft mich an....

Pro:

Das Lesen macht Spaß ! Ja? Ja, aber . . . . Aber?

Kontra:

Aber ! ! ! ! ! ! ! !

Empfehlung:

Nein

******Zitat 1: Wolfgang Joop*****

"Ich musste nachts eine Schlaftablette nehmen, weil Lachzwang mich am Einschlafen hinderte. Die moderne Heldin dieses Romans verschreibt vielen Brüdern und Schwestern ein probates Mittel: Ironie! Als begeisterter Leser bleibt mir nur zu hoffen, dass Fortsetzung folgt."


*****Zitat 2: Zeitschrift "Max"*****

"Hera-Lind-Hasser aufgepasst: Dieser Frauenroman ist geistreich, vooller Witz und selbstkritischem Spott. Ein Buch, das auf jeder Seite Spaß macht."


*****Zitat 3: DER SPIEGEL*****

"Ausgesprochen witzig und schwungvoll erzählt sind Kürthys Einblicke in die verwirrte moderne Frauenseele."


*****Zitat 4: BONNER GENERALANZEIGER*****

"Von Kürthy beschreibt die Widrigkeiten weiblichen Single-Daseins so witzig und pointiert, dass daran nur eines schade ist: Die 141 Seiten dauern gerade mal zwei Stunden. Treffer!"




Welches Buch kann wohl solch Lobeshymnen aus allen Seiten für sich verzeichen? Na? Na? Genau!
In Verbindung mit "verwirrte moderne Frauenseele" (was auch immer das sein mag) kann es sich nur um ein Werk der "Autorin" Ildikó von Kürthy handeln. (Trifft nämlich auf jedes ihrer einzelnen Bücher zu, gewissermassen eine Universalbewertung - und ja, ich gestehe ich hab alle ihre Werke gelesen und hoffe nun auf Absolution!)

Hier soll es nun um ihr Erstlingswerk "Mondscheintarif" gehen. Wie ich zu diesem Buch kam? Nun ja, es gab einmal ein 15-jähriges Mädchen, dass gerade von ihrem ersten Freund verlassen wurde (und das auch noch für eine künstliche Wasserstoffblondine *heul*). Als Seelentrösterin diente ihre beste Freundin S., deren Tröstungsversuche aus solch hilfreichen Kommentaren wie "Gibt es eigentlich Gott? -Es gibt Dieter Bohlen und die Anne. Also nichts mit Gott." bestanden.
Und von diesem geborenen Kummerkasten bekam die frisch Verlassene "Mondscheintarif" mit den Worten "Das Beste gegen Liebeskummer" überreicht. (Hätte allerdings schon damals wissen müssen, dass das schief geht!) Blöd wie ich war vertraute ich ihr- aber seltsamerweise fühlte ich mich weder während noch nach der Lektüre des 141-Seiten-Buches besser. Im Gegenteil: Zu den "Warum hat er mich verlassen? Was hat sie was ich nicht habe? War ich ihm nicht gut genug?"-Fragen kam auch noch die bösartigste, weil hinterhältigste, dazu: "Warum ruft er mich eigentlich nicht mehr an?" (Wieso ich auf einen Anruf von ihm wartete weiß ich allerdings heute nicht mehr.) Was folgte waren wirklich grausame Stunden vorm Telefon, neben dem Telefon, unter dem Telefon....Doch es blieb stumm. Den ersten Tag, den zweiten Tag, die dritte Woche..... Nix mit Happy End wie bei Kürthy. So kam ich also zu "Mondscheintarif" (wo kann man den eigentlich buchen? Bei der Bahn etwa???).

Und Chris, wenn du das hier lesen solltest, ich habe die drei Wochen nach unserer Trennung natürlich wirklich im Urlaub verbracht und habe nicht mit tränenverkrustenden Augen am Telefon auf einen Anruf von dir gewartet.


.....So, jetzt gehts aber mal wirklich los.....




-----> Zur "Autorin" <-----

"Autorin" ist bewusst in Anführungszeichen gesetzt, denn nicht jeder der etwas schreibt, ist gleich ein Autor, auch wenn diese Berufsbezeichnung leider nicht geschützt ist (daher darf sich auch Dieter Bohlen ungestraft als Autor bezeichnen - welch Schmach für all die schimmernden "Vorgänger"!).
Viel gibt es zu Ildikó von Kürthy (schöner Name übrigens) eigentlich nicht zu sagen: 1968 wurde sie in Aachen geboren und ist irgendwann (ich hab´s leider entgegen aller frauenfreundlicher Vorurteile wirklich nicht mit Jahreszahlen und Jubiläen) als Redakteurin des Magazins "Stern" bekannt geworden, dort arbeitet sie meines Wissens bis heute noch (soviel zum Drang nach Abwechslung der charakteristisch ist für ihre Romanheldinnen).
Und nun ratet mal, wo sie wohnt? -Genau, natürlich in Hamburg. Denn anscheinend ist die Hansestadt im Norden Deutschlands für die schreibende deutsche Zunft zu dem mutiert, was bisher Paris für "brotlose" Künstler und Sylt für die sogenannte deutsche "Elite" war.


-----> "Mondscheintarif" <-----

Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag
"Autorin": Ildikó von Kürthy
Erschien: 1999 (2002 bereits in der 27. Auflage)
ISBN: 3 499 226375
Preis: 8,50 Euro
Umfang: fast 150 Seiten


*****Äußeres Erscheinungsbild*****


Naja, also ehrlich gesagt erinnert mich dieses Buch eher an ein "Heftchen", was wohl an den paar vollgeschriebenen (und wie bei Kürthy gewohnt, mit viiiiiiiiiielen nichtssagenden Bildern beschmückten) Seiten liegt. Wäre dieses Buch nur wenige Zentimeter niedriger und nicht in rosa sondern in gelb gehalten, könnte es glatt von "Reclam" verlegt werden. Wenn. Ist aber nicht so.

Auf dem Deckblatt sind weibliche Füße - natürlich mit lackrierten Nägeln - abgebildet, die aus einer Badewanne mit Badeschaum ragen. Und falls sich jemand einmal die Mühe gemacht hat, sich darüber Gedanken zu machen was eigentlich nackte, badende Füße mit dem "Mondscheintarif" zu tun haben, hier die Auflösung von Seite 7:

"Der Fuß ist eine weitestgehend unerschlossene weibliche Problemzone. Ein Satz, wie in Stein gemeißelt. (...) So könnte ein Artikel in einer Frauenzeitschrift anfangen. Oder in >Psychologie Heute>."

Oder eben der Roman "Mondscheintarif".


*****Inhalt*****

Eigentlich ließe sich der Inhalt mit einem Satz zusammenfassen: Frau lernt Mann kennen, schläft mit ihm und wartet danach auf seinen Anruf. Aber warum einfach wenn es auch kompliziert geht? Der Beweis findet sich auf dem Buchrücken und folgt sogleich:

"Sie findet sich nicht schwierig, sondern interessant. Ihre beste Freundin hat die größeren Brüste - und ist trotzdem ihre beste Freundin. Cora Hübsch ist 33. Alt genug, um zu wissen, dass man einen Mann NIEMALS nach dem ersten Sex anrufen darf. Also tut sie das, was eine Frau tun muss: Sie wartet. Auf seinen Anruf. Stundenlang. Bis sich ihr Leben verändert. Zum Mondscheintarif."

Äääääh.......ja, danke. Und noch was: Setzen, sechs!


----->Und nun meine Inhaltswiedergabe/Interpretation<-----


"Mondscheintarif" lässt den Leser an einigen Stunden im Leben der Hauptdarstellerin Cora Hübsch teilhaben - wenn er denn lang genug dazu gewillt ist.
Die Ich-Erzählerin wartet und wartet und terrorisiert nebenbei ihre Nachbarn mit Gesprächen von Balkon zu Balkon, ihre beste Freundin Johanna (genannt Jo) am Telefon und ihre Leser mit nervigen und unglaubwürdigen Erzählungen. Und ja, sie wartet. Und wartet. Und wartet auf einen Anruf des Mannes, mit dem sie einige Tage zuvor geschlafen hat. Sein Name: Daniel Hofmann. Dr. Daniel Hofmann. Sein Beruf: Arzt (na klar, wer hätte etwas anderes erwartet?). Das ist der eigentliche Handlungsstrang des vorliegenden Buches.
Um 17.12 Uhr beginnen Kürthys bzw. Coras Monolog und die zerstörerische Warterei. Bis 00.01 Uhr durchlebt sie - gemeinsam mit ihren Lesern, sofern diese noch da sind - unendliche seelische Quälereien, die nur noch von den sinnlosen Gedanken aufgelockert werden. Kostproben gefällig? Hier folgen einige (Ein Rechtsanspruch auf Schmerzensgeld besteht allerdings nicht, lesen auf eigene Gefahr):


Seite 27

17.57 Uhr
Weiß jetzt, warum er nicht anruft. Bin zu dick. Bin sehr unglücklich.

17.58 Uhr
Fettverbrennung. Im Grunde ist das die einzige ehrliche Antwort, die man geben kann.

(Entschuldigung, aber: hääääääääääh???)


Seite 136

23.15 Uhr
Mist. Habe keine Zigaretten mehr.

23.16 Uhr
Werde aufhören zu rauchen. Jetzt. Muß meinem Leben einen neuen Sinn geben. Bin ab sofort Nichtraucher.

23.17 Uhr
Gehe noch mal schnell Zigaretten holen.

23.18 Uhr
Schleiche mit gesenktem Haupt auf die Straße. Bin ein Nichtsnutz. Schaffe es nicht mal, mit dem Rauchen aufzuhören. Kein Wunder, dass mich keiner will.



Depressionen, Selbstmitleid und -zerstörung, dazwischen gaaaaaaaaaaaanz luschtische Anekdoten und noch bessere Sprüche (zum Beispiel auf Seite 17: "Ganz oben auf den Teller platziere ich - mahnendes Symbol für die Dekadenz der herrschenden Klasse - einen Hummer. Teuer - aber tot!")
Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Außer: Um 00.01 Uhr ruft der Gott in Weiß doch noch an und damit dreht sich die Welt wieder in den geregelten Bahnen. Ein Schelm, der bei Kürthy etwas anderes als ein Happy End erwartet hat.
Und um diese (mehr oder weniger sogenannte) "Inhaltswiedergabe" gekonnt zu beenden, noch ein Auszug (aber wirklich nur ein ganz kurzer, versprochen!):


20.03 Uhr

"Jo?"
-"Und?"
"Er war nicht da!"
-"Hast du ihm aufs Band gesprochen?"
"Nee, natürlich nicht. Dann wüsste er ja, dass ich angerufen habe."
-"Cora?"
"Mmmmh?"
-"Du hast ´nen Knall."


Und diesem letzten Satz schließe ich mich ohne jeglichen Kommentar an.




*****Zitat 5: "Hamburger Morgenpost" + Fazit von mir *****


"Die Lektüre ist von der ersten bis zur letzten Zeile ein Vergnügen. Jeder Satz ist eine Pointe."
Und nun zu meinem letzten "Wort zum Mondscheintarif": Nur hintereinander aufgereihte Pointen machen weder einen guten Roman noch eine gute Geschichte aus. Ebenso wenig wie das normale Leben aus Klischees besteht. Punkt? Punkt!!!!

Und nun entschuldigt mich, ich will noch meinen begehbaren und übervollen Schuhschrank ausräumen, bevor meine drei besten und dazu noch außergewöhnlich erfolgreichen Freundinnen aus Mainhatten kommen, um ein bisschen zu quatschen.
Aber nicht zu lange, denn schließlich habe ich heute noch großes vor: Die Entgegennahme eines wichtigen Anrufs.......

88 Bewertungen, 4 Kommentare

  • Sternegucker2005

    25.08.2005, 21:25 Uhr von Sternegucker2005
    Bewertung: sehr hilfreich

    auch gelesen, echt lustig, sehr zu empfehlen

  • Snowbaby

    20.08.2005, 22:18 Uhr von Snowbaby
    Bewertung: sehr hilfreich

    ich mir kaufen! toller bericht

  • plötzlichpapa

    17.08.2005, 16:38 Uhr von plötzlichpapa
    Bewertung: sehr hilfreich

    hast Du Dir echt verdient. Du schreibst sehr schön. Viele liebe Grüße, Uwe

  • PublicEnemy

    01.08.2005, 13:42 Uhr von PublicEnemy
    Bewertung: sehr hilfreich

    Hey, den hab ich im Kino gesehen! Eigentlich dachte ich, dass sich die Mädels über dieses klischeebeladene Frauenbild aufregen, aber nein! Sie waren hinterher am Boden zerstört, weil sie sich so wiedererkannt haben! Traurig, wieviel man mit